Interview mit Dirk Berensmann

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Die Fachzeitschrift „Computerwoche“ zeichnete ihn im Dezember 2004 zum „IT-Executive des Jahres“ aus: Dirk Berensmann. Besonders beeindruckt zeigte sich die Jury davon, dass es dem Chief information officer (CIO) der Deutschen Postbank AG nicht nur gelungen war, durch die Einführung von SAP die Zahl der kontobezogenen Geschäftsprozesse im Kreditinstitut von 120 auf 35 zu reduzieren, sondern sich damit auch als Outsourcing-Dienstleister in der deutschen Bankenlandschaft zu etablieren. Von Martin Rath

Zur Person

Dirk Berensmann wurde 1963 im sächsischen Penig geboren und schloss seine Ausbildung zum Diplom-Mathematiker 1987 an der Technischen Universität Karl-Marx-Stadt ab.1999 wurde er in den Vorstand der Postbank Systems AG, 2002 in den der Deutschen Postbank AG gewählt. Er ist zuständig für die Bereiche IT und Operations.
Herr Berensmann, der Begriff „Outsourcing“, die Verlagerung von Geschäftsprozessen auf externe Dienstleister, ist eher BWLern vertraut – wie würden Sie ihn einem IT-Absolventen näher bringen? Dazu würde ich etwas relativ Einfaches tun: Ich würde ihn an die Hand nehmen und mit ihm gemeinsam ein modernes Automobilwerk besichtigen. So wie dort die Produktion geschieht, mit einem Plattformkonzept, bei dem ganze Komponenten angeliefert und just in time zusammengebaut werden – darin besteht das Prinzip „Outsourcing“. Allerdings ist es in der IT schwieriger umzusetzen, weil die Automobilhersteller mit physischen Dingen arbeiten. Die Stoßdämpfer, die Dieseleinspritzpumpe kann ich sehen und anfassen. Dagegen hat es die IT mit unsichtbaren Komponenten, der Software, zu tun. Darum ist hier das Outsourcing komplizierter als in anderen Branchen, die dieses Konzept oft schon weitgehend umgesetzt haben. Um an solchen Prozessen teilnehmen zu können: Was sollten IT-Absolventen an wirtschaftlichen Kenntnissen mitbringen? Sie müssen für jede ihrer technischen Entscheidungen einen Business-Case rechnen Fotos: Deutsche Postbank AG nn können. Nicht mehr, aber auch nicht weniger muss jeder Techniker an betriebswirtschaftlichen Kenntnissen haben. Wenn IT-Mitarbeiter in der Lage sind, die wirtschaftlichen Konsequenzen ihrer Entscheidung richtig zu beurteilen, bin ich zufrieden. Wie kommt man zu den notwendigen Kenntnissen? Es ist sicher eine Anforderung an die Hochschulen, eine entsprechende Ausbildung gezielt anzubieten. Denn es ist durchaus kompliziert, einen Geschäftsplan für technische Entscheidungen zu rechnen. Den Studenten Methoden und Konzepte an die Hand zu geben, um beispielsweise die wirtschaftlichen Folgen einer Entscheidung zwischen MS-Produkten oder Linux-Einsatz in einem Business-Case durchzuspielen, könnte die Wissenschaft noch stärker als heute aufgreifen. Was dominiert denn in Ihrer täglichen Arbeit inzwischen, das naturwissenschaftlich- technische oder das betriebswirtschaftliche Wissen? Weder noch, sondern etwas, das Sie für beide Seiten benötigen: logisches Denken. Einer meiner Professoren sagte einmal: „Ein Mathematiker ist in der Wirtschaft eigentlich zu nichts zu gebrauchen, aber man kann ihn überall einsetzen.“ Wenn ein Mathematiker vor einem Problem steht, fragt er sich zuerst: „Gibt es für dieses Problem überhaupt eine Lösung?“ Seine zweite Frage: „Ist die Lösung eindeutig oder gibt es mehrere verschiedene Lösungen?“ Der nicht in diesem logischen Denken ausgebildete Mensch dagegen sieht ein Problem und meint, gleich eine Lösung finden zu müssen. Dabei ist ihm nicht bewusst, dass er in einigen Fällen erst einmal die Rahmenbedingungen ändern müsste, damit ein Problem überhaupt lösbar wird. In meiner Position ist es extrem hilfreich, diese logische Herangehensweise zu beherrschen, weil man so Entscheidungen schneller und besser treffen kann. Woran arbeiten Sie gerade? Ich „rippe“ derzeit meine private CDSammlung. Das sind mehrere tausend Platten, und ich bin schon beim Buchstaben „C“ angekommen. (Lacht.) Von bankinternen Projekten kann ich Ihnen natürlich nichts berichten. Sie haben zu DDR-Zeiten an der Technischen Universität von Chemnitz studiert, als es noch Karl-Marx-Stadt hieß. Später arbeiteten Sie für US-amerikanische Unternehmen. Gab es Verwicklungen, beispielsweise weil die US-Zollbehörden fragten: „Waren oder sind Sie Mitglied einer kommunistischen Partei?“ (Lacht.) Eindeutig: Nein! Aber es gab andere Startschwierigkeiten, nachdem ich – übrigens noch vor der Wende – in den Westen gekommen war. Inwiefern? Obwohl 1988 Informatiker händeringend gesucht wurden, war es sehr schwer, im Westen einen ersten Job zu finden. Damals konnte niemand einschätzen, was jemand konnte, der im Osten ausgebildet worden war. Ich schrieb mehr als 80 Bewerbungen, gerade einmal vier Unternehmen luden mich zum Vorstellungsgespräch ein. So kam ich über das Umschulungsprogramm eines mittelständischen Softwarehauses zu einem kleinen britischen Unternehmen, das schließlich von Texas Instruments übernommen wurde. Nachdem ich fünf, sechs Jahre Berufserfahrung gesammelt hatte, wechselte ich zu McKinsey & Company, was ohne berufliche Praxis vermutlich nicht möglich gewesen wäre. Warum entschieden Sie sich für den Wechsel in ein internationales Beratungsunternehmen? Es hing mit dem unangenehmen Gefühl zusammen, etwas tun zu wollen, es aber nicht zu können. Ich habe mir meine Jobs immer nach einem einfachen Kriterium ausgesucht, und zwar: Wo finde ich ein Umfeld, in dem ich mehr gefordert werde als heute? So kam ich vom deutschen Mittelständler zu einem britischen, von McKinsey zur Postbank, bei der ich nun die gesamte Managementverantwortung trage. Das ist eine Art privates „up or out“-Prinzip: sich weiterentwickeln oder seine Grenzen erkennen. Wobei das „out“ für mich nie ein Problem war, weil ich mir immer sagen konnte: „Ich wäre auch ein ganz guter Programmierer geworden.“ Woran haben Sie festgestellt, dass es Zeit für einen Wechsel ist? Immer dann, wenn ich gemerkt habe, dass ich nicht mehr wirklich etwas dazulernen konnte. Ein einfaches Kriterium dafür ist, dass man von seinem Umfeld viel häufiger um Rat gefragt wird, als es umgekehrt der Fall ist. Das mag in Ordnung sein, wenn man 50 Jahre und älter ist, aber nicht während der Zeit der beruflichen Entwicklung. Sie haben rund sechs Jahre bei McKinsey gearbeitet. Ist das ein empfehlenswertes Karrieresprungbrett? Ja und nein. Ja, in dem Sinn, dass es eine zweite, zusätzliche Ausbildung sein kann. Man sieht dort, worauf es in der Wirtschaft wirklich ankommt, lernt betriebswirtschaftliche Zusammenhänge kennen, erfährt, wie Entscheidungen in Unternehmen getroffen werden. Als eine Art persönliche Weiterbildung bei guter Bezahlung ist die Arbeit in einer Unternehmensberatung empfehlenswert, auch wenn sie sehr anstrengend ist. Nein, wenn man glaubt, in der Wirtschaft würde jeder nur darauf warten, einen Ex-Mitarbeiter von McKinsey zu rekrutieren. Auch das Gerücht von McKinsey-Seilschaften im Management ist eher irreführend. Mein persönliches Erleben ist – und danach handle ich auch –, dass an Ex-McKinsey-Kandidaten meist höhere Anforderungen gestellt werden als an andere Bewerber. Wie schätzen Sie die Stärken und Schwächen heutiger IT-Absolventen im Vergleich zu Ihrer Zeit ein? Ich glaube nicht, dass die Ausbildung heute schlechter ist als früher. Aber was mir bei jungen Leuten auffällt – nicht nur bei Absolventen aus IT-Fächern –, ist oft ein Mangel an Bereitschaft, erst einmal Leistung zu zeigen, bevor man Ansprüche anmeldet. Viele vergessen, dass man sich Ansprüche zunächst erarbeiten muss. Ich finde diese Haltung, die bei früheren Generationen kaum zu finden war, schon etwas bedenklich. Zum Schluss gefragt: Ihr erster Computer? Ein C64 und zwar ein gebrauchter. Er hat heute einen Ehrenplatz in meinem kleinen privaten Computer-Museum.

Nachgefragt

Welchen Beruf weit ab vom IT-Sektor können Sie sich vorstellen? Discjockey. Was ist Ihr Hauptcharakterzug? Toleranz. Welche Eigenschaften schätzen Sie an anderen Menschen? Erstens Zielstrebigkeit. Zweitens Hilfsbereitschaft. Was ist Ihr größter Vorzug? Für meinen Job als IT- Chef: gute Nerven zu haben. Was ist Ihnen sehr unangenehm? Gedankenlosigkeit, egal, ob sie bei mir oder bei anderen vorkommt. Was dulden Sie auf keinen Fall? Sich auf Kosten anderer Vorteile zu verschaffen. Was entschuldigen Sie sofort? Fehler, die mit guter Absicht geschehen sind. Gibt es etwas, das Sie unter allen Umständen mit auf eine Reise mitnehmen würden? Einen Notizblock, aus Papier – keinen elektronischen. Man sollte sich von der Elektronik nicht zu sehr abhängig machen. Wo liegt Ihre Grenze? Als ehemaliger DDR-Bürger hasse ich jegliche Art von Grenzen. Aber wenn Sie hartnäckig nachfragen, würde ich sagen: Meine Grenzen liegen eindeutig im sportlichen Bereich. Was war Ihr größter Flop? Mein erster Job, im VEB Datenverarbeitungszentrum. Dort hatte ich keinen Zugriff auf einen Computer (es gab zu wenige). Was möchten Sie in fünf Jahren tun? Hoffentlich etwas anderes als heute; denn ich möchte nach wie vor noch dazulernen und regelmäßig etwas Neues anpacken. Haben Sie ein Motto? Wer wagt, gewinnt. – Leider ist der Mut, kontrollierbare Risiken einzugehen, in der IT-Branche eher selten anzutreffen.

Interview mit Dr. Norbert Bensel

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Dr. Norbert Bensel übernahm im Juni 2002 den Personalvorstand bei der Deutschen Bahn AG. Seine ersten „Personalerfahrungen“ sammelte er in der Kneipe seines Großvaters. Was zwischen Kneipe und Bahn geschah, erzählte er dem karriereführer. Von Heike Jüds

„Ich wollte immer Förster werden“, antwortet Norbert Bensel spontan auf die Frage seines Wunschberufs als Kind, „nicht Feuerwehrmann“. Auch jetzt schwingt die Begeisterung dafür noch in seiner Stimme mit. Aus Steinau kommt er und sein Großvater hatte einen Bauernhof, daher seine Naturverbundenheit. Und was haben Sie gelernt? „Chemielaborant.“ Die Arbeit im Labor hat ihm sehr großen Spaß gemacht. Das motivierte ihn auch später in seinem Chemie-Studium, das er mit der Promotion abschloss. Mit den Naturwissenschaften blieb er erst einmal bei seinem Lieblings-Thema: der Natur. Und der Bezug zum Personalwesen? Der kam zum Teil im Laufe des Studiums dazu. Er engagierte sich bei der Fachschaft und machte sich dort für seine Kommilitonen stark. „Die ersten Grundsteine sind aber schon vorher bei der Arbeit in der Kneipe gelegt worden, die mein Großvater neben dem Bauernhof hatte.“ In einer Kneipe? „Ja. Dort erzählen einem die Menschen Ihre Probleme. Da lernte ich zuhören und mich auf andere einstellen.“ Auch während seines Studium jobbte er dort. Nach seinem Studium bewarb sich Norbert Bensel bei der Schering AG. Es war die einzige Bewerbung, die er jemals geschrieben hatte, „Danach hat sich vieles so ergeben.“ So einfach? Nein, natürlich nicht so einfach. Bensel hatte hart dafür gearbeitet. Das ist ihm jedoch leicht gefallen, denn die Arbeit faszinierte ihn. „Spaß an der Arbeit, Interesse an der Sache und den Wunsch, immer wieder etwas Neues kennen zu lernen“, das ist für ihn die Motivation für Arbeit und Karriere. Vom Labor zum Personalwesen Später wechselte er bei der Schering AG in die Personalentwicklung und arbeitete zuletzt dort als Leiter. Seine Vorbilder stammen noch aus dieser Zeit. Zum einen war es der vorherige Leiter der Forschungsabteilung. Bensel war beeindruckt von seinem analytischen Verstand und seiner Art und Weise Probleme anzupacken. Und zum anderen? „Der Leiter der Personalentwicklung. Mir gefiel es gut, wie er die Mitarbeiter führen und motivieren konnte. Ganz besonders imponierte mir, dass er immer ein Augenmerk auch auf alle Personalbereiche hatte. Eine Kombination aus beiden Vorbildern habe ich immer angestrebt.“ Ist Ihnen das gelungen? „Ich arbeite jeden Tag daran“, kommt mit einer Portion Humor herüber. Neue Besen kehren gut Von der DaimlerChrysler Services (debis) AG ist er im Juni 2002 zur Deutschen Bahn AG gewechselt. Bewerbungsverfahren gibt es in dieser Position nicht mehr. In der Regel liegt ein Interesse von beiden Seiten vor, und dann wird geredet. Welche Tipps gibt er für die ersten Tage in einer neuen Firma? „Offen auf die neuen Mitarbeiter zugehen und sich nach allen Seiten umschauen. Aber das gilt nicht nur für den ersten Tag, sondern auch für alle weiteren.“ Ist es denn gut, direkt verbessernd in Verfahrensabläufe einzugreifen oder ist es besser, erst einmal abzuwarten? Bensel hat da ein ganz einfaches Rezept: „Veränderungen sind für ein Unternehmen wichtig. Alles, was mir auffällt, versuche ich positiv zu beeinflussen. Manches muss aber auch erst beobachtet werden.“ Und wie werden diese Entscheidungen getroffen? „Auch aus dem Bauch heraus. Der gehört auf jeden Fall zu der Fachkompetenz dazu.“ Gab es denn schon einmal eine Fehlentscheidung? „Ja, vor meiner Zeit bei der Bahn, da habe ich nicht auf meinen Bauch gehört und zwei Mitarbeiter eingestellt, obwohl ich mir nicht sicher war. Ich dachte, dass sie sich mit positiver Unterstützung vielleicht noch verändern. Aber das hat nicht funktioniert.“ Wenn Bensel von positiver Unterstützung spricht, meint er die Intensivierung der Personalentwicklung für Führungskräfte, die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern, den Aufbau einer DB Akademie für Führungskräfte.. Wechsel der Perspektiven Auf die Frage, wie oft in der Regel ein Beruf oder eine Stelle gewechselt wird, antwortet er mit der statistischen Angabe: alle fünf Jahre. Er selbst hat, bis auf eine Ausnahme, alle zehn Jahre gewechselt. „Der Anspruch, immer etwas Neues zu lernen, ist eine große Herausforderung. Das war auch in den meisten Fällen mein Grund zu wechseln.“ Ob Bensel noch einmal die Firma vor seiner Pensionierung wechseln wird, sagt er lachend: „Nein, dafür bin ich zu alt.“ Wann wollen Sie denn die Füße hochlegen? „Früher wollte ich mit 50 aufhören, aber da bin ich ja schon drüber weg. Nein, aufhören möchte ich noch nicht, vielleicht werde ich später noch als Berater arbeiten, das könnte ich mir gut vorstellen.“ Also doch noch zu jung, auf jeden Fall zum Aufhören. Und wie lassen sich Privatleben mit Ihrem Einsatz im Beruf vereinbaren? „Fragen Sie da mal lieber meine Frau. Obwohl, sie ist Ärztin und arbeitet auch sehr viel. Ich denke, dass es mir in den meisten Fällen gut gelungen ist, beides miteinander zu vereinbaren. Jedenfalls beschweren sich meine Kinder nicht. Woran ich das merke? Sie besuchen uns auch jetzt noch gerne und fahren sogar ab und an mit uns in den Urlaub, obwohl sie schon studieren und nicht mehr zu Hause wohnen.“

Interview mit Rainer Beisel

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Rainer Beisel wurde dazu ausgebildet, große Brücken und Bauwerke zu errichten. Doch als die erste Rezession die Baubranche beutelte, änderte der Mannheimer die Richtung. Sein Credo: Für Bauingenieure werden Servicekompetenzen und kaufmännische Qualitäten immer wichtiger. Das Gespräch führte André Boße.

Zur Person

Rainer Beisel wurde am 2. Februar 1963 geboren. 1989 schloss er sein Studium des Bauingenieurwesens an der Universität Karlsruhe (TH) als Diplom-Ingenieur ab. Danach arbeitete er zunächst bei dem Mannheimer Bauunternehmen Klee. 1993 wurde er zum Mitgeschäftsführer der SKE GmbH berufen, in Deutschland Marktführer für Facility-Management, PPP-Lösungen und kommunale Projekte. Dort legte Rainer Beisel seinen Fokus auf den Ausbau des Facility-Management-Bereiches und strukturierte die PPP-Hochbau-Aktivitäten der SKE-Unternehmensgruppe, die ein Tochterunternehmen der Vinci-Abteilung Construction ist. 2006 wurde er Geschäftsführer der Vinci Construction Deutschland GmbH sowie stellvertretender Direktor der Europa- Aktivitäten der internationalen Tochtergesellschaften der Konzernsparte Vinci Construction. Zum Geschäftsführer von Vinci Deutschland wurde er 2008 ernannt.
Herr Beisel, Sie haben vor 20 Jahren Ihr Studium abgeschlossen. Was ist rückblickend die größte Veränderung, die Sie seitdem in der Branche erlebt haben? Die Rezession im Baugewerbe, die wir zwischen 1996 und 2005 fast zehn Jahre lang aushalten mussten. Der Einfluss dieser Rezession ist noch heute spürbar, denn der Bau hat gegenüber anderen Industrien deutlich an Bedeutung verloren. Ich habe – wenn auch eher unbewusst – meine Karriere vom Start weg an diesen Wandel angepasst, indem ich mich in Richtung Dienstleistung orientierte. Diesen Weg hat mir ein Professor an der Uni in Karlsruhe gezeigt, der uns damals sagte: Entweder Ihr geht ins Ausland, oder Ihr baut in Deutschland Eure Karriere auf der Tatsache auf, dass es in diesem Land viel weniger Baustellen geben wird. Liegt das nur daran, dass es einfach keinen Bedarf mehr für große Baumaßnahmen gibt? Hinzu kommt, dass die Umsetzung eines großen Bauvorhabens immer schwieriger wird. Dafür gibt es aktuell viele Beispiele. Nehmen Sie das Projekt Stuttgart 21 oder geplante Neubauten von Energie-Kraftwerken. Jeder will sauberere Kohlekraftwerke oder Kraftwerke für Erneuerbare Energien haben – aber bitte nicht vor der eigenen Haustür. Die Baustelle musste einen Imagewandel durchmachen. Mein Vater war auch Bauingenieur, und ich bin mit ihm schon als Kind auf die großen Baustellen gegangen, die man heute in Deutschland kaum noch findet. Damals sendete der Bau das positive Signal aus: „Wir bringen Deutschland voran.“ Heute hingegen gründet sich in dem Moment, in dem es einen Bauplan gibt, schon die erste Protestbewegung. Wie sollte ein angehender Bauingenieur auf diesen Stimmungswandel reagieren? Der Blick auf die Bedürfnisse des Kunden muss in den Fokus rücken. Und als Kunde sehe ich an erster Stelle den Endkonsumenten, also den Bürger. Ein Bauingenieur muss heute nicht nur gut bauen können – er muss seine Projekte auch erklären und verkaufen können. Fühlten Sie sich nach Ihrem Studium für diese neuen Herausforderungen der Branche vorbereitet? Meine Ausbildung hätte für einen Job in einem Planungsbüro gereicht. Für den Baubetrieb waren meine Kenntnisse recht schwach. Weil mein Vater auch als Bauingenieur tätig war, hatte ich jedoch den Vorteil, während des Studiums leicht an Nebenjobs auf dem Bau oder in Planungsbüros zu kommen. Das ist wichtig, denn ansonsten wechselt man als Student mit einem großen Praxisdefizit ins Berufsleben. Ich beobachte, dass junge Leute, die schon vorher für Unternehmen tätig waren, bei uns schneller vorankommen. Ich muss klar sagen, dass Neueinsteiger mit praktischen Erfahrungen für ein Unternehmen einen höheren Wert besitzen. Sie leiten die deutsche Dependance eines französischen Baukonzerns. Was ist der größte Unterschied zwischen der deutschen und der französischen Baubranche? In Frankreich legt man bei der Ausbildung der Bauingenieure einen höheren Wert auf kaufmännische Qualifikationen. Das ist ein zusätzlicher Schwerpunkt, den ich in Deutschland schmerzlich vermisse, denn Bauleiter müssen heute auch gute Kaufleute sein. Wer eine Baustelle leitet, führt im Prinzip ein eigenes Unternehmen. Und wer dann technisch zwar gut, kaufmännisch aber kaum gerüstet ist, bekommt Probleme. Können Sie konkret eine kaufmännische Aufgabe am Bau benennen? Aufgabe der Bauleitung ist in erster Linie, eine Baustelle mit Erfolg abzuschließen – wobei Erfolg mit Blick auf den Arbeitgeber bedeutet, dass das Unternehmen Geld verdient. Daher geht es nicht darum, zwingend die technisch beste Lösung zu finden. Entscheidend ist der optimale Kompromiss zwischen Technik und Kosten. Ein Bauingenieur muss wissen, dass eine technische Lösung mit Abstrichen unter Umständen die bessere Lösung ist. Das ist für uns technikverliebte deutsche Ingenieure ein Ansatz, den wir so nicht gelernt haben. Ticken Bauingenieure in anderen Ländern in dieser Hinsicht anders? Durchaus. Wir in Deutschland streben immer danach, das Bestmögliche zu entwickeln – und wenn das nicht bezahlbar ist, specken wir solange ab, bis es passt. In China zum Beispiel läuft es genau umgekehrt: Dort sucht man von Beginn an nach der günstigsten Lösung – und versucht, von diesem Niveau aus die Technik zu optimieren. Sehen Sie auch hierzulande die Tendenz zum Paradigmenwechsel? Da immer mehr Bauunternehmen nicht nur bauen, sondern ihre Bauten auch betreiben, nimmt das kaufmännische Denken automatisch zu. Die Unternehmen bauen heute nicht mehr und ziehen dann weiter. Sie liefern ihren Kunden ein Gebäude, zum Beispiel eine Schule, und versichern dem Kunden per Vertrag, dass das Gebäude 25 Jahre lang in einem guten Zustand sein wird. Daher ist es Aufgabe auch der Bauingenieure, mit Hilfe eines Lebenszyklusmodells ein Gebäude zu errichten, das in seiner Gesamtheit möglichst wenig kostet. Ich sage bewusst in der Gesamtheit, denn es geht nicht alleine um die Baukosten, sondern auch um die Planung und den Betrieb. Und bei dieser Kalkulation entdecken Sie als Bauingenieur interessante Feinheiten. So kann es zum Beispiel passieren, dass die Reinigungskosten in den 25 Jahren 40 Prozent der Baukosten ausmachen, weil sie eine Oberfläche gewählt haben, die sich nur kostspielig reinigen lässt. Damit steht der leitende Nachwuchs vor neuen Herausforderungen. Welche Qualifikationen erwarten Sie von den kommenden Bauingenieuren? Sie müssen ein Gespür dafür besitzen, was ein Kunde wirklich möchte und braucht – und zwar nicht nur heute, sondern im Verlauf von 25 Jahren. In jedem Gebäude wird es einen Alltag geben, und ein Bauingenieur hat die Aufgabe, dafür zu sorgen, dass dieser dauerhaft problemlos abläuft. Das ist eine neue Herausforderung, aber sie ist in meinen Augen zu stemmen, weil viele der klassischen Ingenieurarbeiten heute von Computern übernommen werden können. Ein Bauingenieur muss sich daher andere Ziele stecken und komplexe Aufgaben suchen, die ein Computer nicht übernehmen kann.

Zum Unternehmen

Die Wurzeln des Baukonzerns Vinci führen bis in das Jahr 1899, als die zwei französischen Ingenieure Alexandre Giros und Louis Loucheur das Unternehmen SGE gründeten. Nach ersten Erfolgen mit Eisenbahnprojekten fokussierte sich das Unternehmen nach dem Zweiten Weltkrieg auf den Ingenieurbau und wurde dank zahlreicher Großbauten in Frankreich Marktführer. Nach einigen Eigentümerwechseln und Beteiligungen in den 1980er- und 90er-Jahren ist der Unternehmensverbund seit 2000 selbstständig. Er nannte sich in Vinci um und gliederte seine Aktivitäten in vier Sparten: Bau, Energie-Information, Straßenbau und Konzessionen. Mit diesen vier Sparten erwirtschaftete der Konzern 2009 einen Umsatz von 32 Milliarden Euro, derzeit sind gut 164.000 Mitarbeiter für die Unternehmensgruppe tätig. Die Gruppe hat Tochterunternehmen und Dependancen auf der ganzen Welt. Vinci Deutschland, gegründet 1988, arbeitet mit 9600 Mitarbeitern an gegenwärtig 331 Standorten und erwirtschaftete 2009 einen Umsatz von 1,9 Milliarden Euro. Interview mit Rainer Beisel als PDF ansehen

Gehalt

Während es im ersten Bewerbungsgespräch meist noch um das gegenseitige Kennenlernen und das Abwägen einer möglichen Zusammenarbeit geht, wird es im zweiten oder dritten Gespräch konkret. Ein Verhandlungspunkt ist dabei das Gehalt. Von Christoph Berger

Das Einstiegsgehalt hängt zum einen mit den Noten aus dem Studium und dem Abschluss zusammen. Zum anderen hat auch das Unternehmen und die Abteilung, bei dem oder der man sich bewirbt, einen Einfluss auf die Höhe des künftigen Gehaltsschecks. „Prinzipiell gibt es in den meisten Fällen aber nur wenig Spielraum bei den Gehaltsverhandlungen“, weiß Aleksander Rakovic, Experte für die Bereiche Finance und Banking beim Personalberatungsunternehmen Robert Walters.

Was ist ein „übliches“ Gehalt?

Oft sei das Gehalt schon im Vorfeld durch das Unternehmen festgelegt und vereinheitlicht. Trotz dieser Tatsache gilt es, sich auf das Thema vorzubereiten. Denn die Frage „Was wollen Sie verdienen?“ wird Einsteigern mit Sicherheit gestellt werden. „Die Unternehmen wollen sehen, ob man eine realistische Einschätzung abgeben kann und auf dem Boden bleibt“, sagt Rakovic.

Wie viel Monat bleibt am Ende des Geldes?

Netto-Brutto-Gehaltsrechner
Über Foren im Internet und Gespräche mit Kommilitonen ließe sich schon eine Menge über übliche Einstiegsgehälter herausbekommen. Weitere Quellen sind Internet (u. a. www.gehalt.de), Berufsverbände und Gewerkschaften bzw. Tarifverträge, Fachliteratur oder auch Personalberatungen wie beispielsweise die Gehaltsstudien von Kienbaum. In manchen Fällen sei man auch mit einer Gegenfrage erfolgreich: „Was würden Sie mir denn anbieten?“ oder „Was verdienen denn die Kollegen im Team?“ sind hierbei nach Rakovics Erfahrung mögliche Varianten. Auf jeden Fall sei es jedoch ratsam, seine Untergrenze im Vorfeld der Verhandlungen festzulegen und keine Spannen zu nennen.

Die Gehaltsverhandlung

Die manchmal schon in den Stellenausschreibungen formulierte Aufforderung, die Gehaltsvorstellungen bereits im Anschreiben zu nennen, würde Rakovic hingegen ignorieren beziehungsweise darauf hinweisen, dass man darüber erst im späteren Verlauf des Bewerbungsprozesses sprechen wolle . „Wenn es dann zur Sprache kommt, muss man aber gut darauf vorbereitet sein“, sagt der Fachmann. Doch auch wenn es beim Grundgehalt nur wenig Verhandlungsspielraum gibt, sieht Rakovic durchaus andere Möglichkeiten, sein Gehalt indirekt nach oben hin zu beeinflussen: „Man kann bei der Einstellung beispielsweise schon eine Gehaltssteigerung für die Phase nach der Probezeit vereinbaren“, sagt er. Auch Erfolgsboni für erfolgreiche Arbeit oder Zusatzleistungen seien durchaus Verhandlungsbasis, beispielsweise ein Jobticket oder auch ein privat nutzbares Mobiltelefon. „Die Betriebsrente ist hingegen meist fest in den Verträgen verankert“, erklärt der Spezialist. Um die brauche man demnach auch nicht verhandeln.

Bestandteile der Vergütung

Bei der Beurteilung des Gehalts, das normalerweise in einem Jahresbruttoeinkommen angegeben wird, sollten alle Vergütungsbestandteile in Betracht gezogen werden. Dazu gehören beispielsweise:
  • leistungsorientierte Vergütung/Prämien
  • Aktienoptionen
  • Sozialleistungen (z. B. Urlaubs- oder Weihnachtsgeld, vermögenswirksame Leistungen, betriebliche Altersvorsorge)
  • Weiterbildung
  • Firmenwagen
  • Erstattung der Umzugskosten
  • firmeneigener Kindergarten

Kriterien für ein höheres Gehalt

Das in der jeweiligen Branche übliche Durchschnittsgehalt kann sich angesichts von Zusatzqualifikationen oder der Lebenssituation erhöhen:
  • Promotion
  • MBA
  • Weiterbildungen
  • Auslands- bzw. Spracherfahrung
  • ledig, verheiratet
  • Kinder
  • Berufserfahrung

Interview mit Gerhart R. Baum

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Geplant hatte er seine Karriere in der Politik nicht, aber schon als Student setzte er sich für die Rechte der Schwächeren ein. Als UNO-Beauftragter kämpfte er für die Menschenrechte im Sudan und auch heute verteidigt Gerhart Baum als Rechtsanwalt die Grundrechte seiner Mandanten. Im karriereführer spricht er über Streitkultur, Engagement und die Fähigkeiten, die Hochschulabsolventen heutzutage mitbringen müssen, um erfolgreich zu sein. von Meike Nachtwey

Zur Person

Gerhart Rudolf Baum wurde am 28. Oktober 1932 in Dresden geboren. 1954 wurde Baum Mitglied der FDP. 1961 schloss er das juristische Studium mit dem 2. Staatsexamen ab. Er arbeitete zunächst als Anwalt und wurde 1962 Mitglied der Geschäftsführung der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände. 1972 bis 1994 war er Mitglied des Deutschen Bundestages. Er arbeitete als Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern. 1978 wurde er selbst zum Innenminister ernannt. Nach dem Bruch der sozialliberalen Koalition 1982 trat er aus diesem Amt zurück. Von 1993 an war Gerhart R. Baum für die UNO tätig, unter anderem als UNO-Beauftragter für die Menschenrechte im Sudan. Seit 1994 arbeitet er wieder als Rechtsanwalt und kämpft für die Grundrechte seiner Mandanten.
Herr Baum, hätten Sie als junger Jurastudent gedacht, dass Sie eines Tages auf eine Karriere wie die Ihre zurückblicken können? Nein. Ich habe das auch nicht angestrebt. Ich hatte nach dem Krieg den Wunsch, mitzuwirken beim Aufbau unserer Demokratie. Ich befürchtete, dass diese Demokratie nicht gelingen könnte. Dann habe ich mich immer stärker engagiert und schließlich gemerkt, dass es sich lohnt. Das Ergebnis, dass wir jetzt eine „geglückte Demokratie“ sind, macht mich stolz auf die Generationen, die das geschafft haben. Hat Ihnen die Anwaltstätigkeit während Ihrer Zeit als Politiker gefehlt? Nein. Ich habe mich sehr stark auf die Politik konzentriert und gesehen, dass beides, eine freie Anwaltstätigkeit und eine intensive Beschäftigung mit der Politik, nicht vereinbar ist. Die juristische Ausbildung hat mir in der Politik allerdings sehr geholfen. Wie sind Sie zurück zur Anwaltstätigkeit gekommen? Meine Anwaltstätigkeit hat erst sehr spät, in der Endphase meines Bundestagsmandats, begonnen. Ich entdeckte erst langsam, dass ich in der Politik keine, aber im Anwaltsberuf eine neue chancenreiche Lebensphase haben könnte. Ich habe mich dann auf Luftverkehrsrecht, Beratungen in Osteuropa, Anleger- und Verbraucherschutz spezialisiert. Wie hat sich die Anwaltswelt verändert, seit Sie Berufsanfänger waren? Sie ist viel nüchterner und kommerzieller geworden. Man muss sich spezialisieren. Man sollte den jungen Leuten heute von Anfang an sagen, dass sie sich Spezialkenntnisse aneignen. Dann haben sie Chancen. Und sie sollten auch Sprachen lernen.Wenigstens eine, mit der sie über die Grenzen Deutschlands hinweg tätig sein können. Welche Eigenschaften braucht man heute sonst noch, um als Jurist erfolgreich zu sein? Man braucht gute Sach- und Menschenkenntnis. Und man braucht kommunikative Fähigkeiten. Ich finde es problematisch, wenn Anwälte sich in ihren juristischen Elfenbeinturm zurückziehen und vor lauter Schriftsätzen nicht merken, was in der Gesellschaft passiert. Alles, was einen Anwalt beschäftigt, hat irgendeinen Bezug zur gesellschaftlichen Wirklichkeit. Anwälte müssen wach bleiben für die Entwicklungen in der Gesellschaft und nach Möglichkeit daran teilnehmen. Wie hat Ihre Arbeit als Politiker Ihre Arbeit als Anwalt geprägt? Der Schwerpunkt meiner Tätigkeit lag im Grunde immer bei den wirtschaftlich und gesellschaftlich Schwächeren. Dabei habe ich mich wohl gefühlt. Auch in der Politik bin ich für die Einhaltung der Menschenrechte eingetreten, unter anderem in der Menschenrechtskommission der UNO. Das hat sich in meiner Anwaltstätigkeit fortgesetzt. Ich bin da sehr konsequent. Ich vertrete zum Beispiel keine Banken. Ich habe nichts gegen Banken, aber ich bin der Meinung, dass die Schwächeren auch politische Unterstützung brauchen. Viele meiner früheren Kollegen sind in Aufsichtsräten von Versicherungen oder Banken. Das sind lukrative Positionen. Auf der Seite der Verbraucher kämpfen nur sehr Wenige. Was muss ein junger Anwalt mitbringen, damit Sie ihn einstellen? Er muss eine gewisse Leidenschaft für die Sache mitbringen, er muss überzeugt sein, dass das, was er macht wichtig ist. Er muss teamfähig sein und sich voll einbringen. Ist Herzblut auch wichtig? Ich denke schon. Man hat mit Menschen zu tun, die Schwierigkeiten und Sorgen haben. Man kann sie nur dann gut vertreten, wenn man nicht nur die juristischen Probleme sieht, sondern auch den Menschen dahinter. Das ist eine Sache der Überzeugungskraft. Der Anwalt muss sich mit Menschen und ihren Problemen auseinandersetzen. Nicht nur mit Paragrafen. Wo kann man besser Karriere machen: in der Politik oder als Jurist? Man kann als Jurist sehr gut Karriere machen. Als tüchtiger Anwalt kann man auf jeden Fall mehr Geld verdienen. Aber der Politikerberuf hat auch einen großen Reiz. Man hat zum Beispiel als Minister, aber auch in anderen Funktionen große Gestaltungsmöglichkeiten und muss Verantwortung übernehmen. Ich möchte das nicht missen. Sie müssen ständig um Zustimmung kämpfen, das hält beweglich. Wünschen Sie sich mehr Engagement von der Generation, die jetzt am Anfang ihrer Karriere steht? Ich stelle oft Gleichgültigkeit fest. In meinen Augen nimmt die jüngere Generation an den Entwicklungen der Gesellschaft nicht genügend teil. Ich wünsche mir schon mehr öffentliches Engagement.Wo auch immer das sei: in Vereinen, in politischen Initiativen, in Kirchen. Es muss nicht immer die Partei sein. Aber eine stärkere Gemeinwohlorientierung muss eingefordert werden. Ihr demnächst erscheinendes Buch, in dem Sie für die Grundrechte und gegen den Sicherheitswahn plädieren, trägt den Untertitel: „Eine Streitschrift“. Wie wichtig ist eine gesunde Streitkultur? Eine Streitkultur ist unglaublich wichtig. Ich habe oft erlebt, dass ich bei einer politischen Entscheidung sicher war und erst durch den Diskurs mit anderen plötzlich sah, dass die Entscheidung korrigiert werden musste. In einer Demokratie müssen Entscheidungen Gegenstände öffentlicher Auseinandersetzung werden. Erst dadurch reifen sie. Sie sind viel beschäftigt: Was machen Sie in Ihrer Freizeit? Ich bin zwar für mein Alter immer noch sehr aktiv, gehe aber mittlerweile alles etwas gelassener und geruhsamer an. Meine Frau und ich sind kulturell sehr interessiert und reisen gerne. Wichtig ist, dass man neugierig bleibt. Ich bin neugierig auf die Menschen, die ich treffe. Ich stelle mich den Herausforderungen schwieriger Diskussionen. Neugierig bleiben, beweglich bleiben – auch körperlich – das ist wichtig. Ihr Tipp für Hochschulabsolventen? Sie sollten sich natürlich auf ihre Leistungen konzentrieren, dabei aber nicht vergessen, dass sie in einer lebendigen Gesellschaft leben, die sie mitgestalten können. Sie sollten offen bleiben, für Dinge, die um sie herum passieren und internationale Erfahrungen sammeln.

Die Verfassungsklagen

2004 erreichte Gerhart R. Baum zusammen mit Sabine Leutheusser-Schnarrenberger und Burkhard Hirsch die erfolgreiche Verfassungsbeschwerde, dass große Teile des Gesetzes zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität (Großer Lauschangriff) verfassungswidrig seien, da sie gegen die Menschenwürde verstießen. 2006 gelang eine weitere erfolgreiche Verfassungsbeschwerde gegen das Luftsicherheitsgesetz. Der Abschuss von Passagierflugzeugen im Entführungsfall verstößt laut Urteil gegen das Grundgesetz. Es ist weder mit dem Recht auf Leben noch mit der Garantie der Menschenwürde vereinbar. Die aktuellste Verfassungsbeschwerde gegen die durch die nordrhein-westfälische Verfassungsschutzgesetze legalisierte Online-Durchsuchung hatte am 27. Februar 2008 Erfolg. Das Bundesverfassungsgericht erklärte die betreffende Regelung für nichtig, da sie das allgemeine Persönlichkeitsrecht verletzt. Eine Verfassungsbeschwerde gegen die im November 2007 beschlossene Vorratsdatenspeicherung ist anhängig.

Interview mit Thomas Bauer

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Dank gut überlegter Produktvielfalt steuert er sein Unternehmen durch das konjunkturelle Tief. Und auch er selbst ist alles andere als eindimensional: Neben seiner Funktion als Vorstandsvorsitzender der Bauer AG lehrt Thomas Bauer an der TU München, leitet Tarifverhandlungen für den Hauptverband der Deutschen Bauindustrie und reserviert so viel Zeit wie möglich für seine Familie. von Anne Thesing

Herr Bauer, Sie stehen an der Spitze eines Familienbetriebes. Wie bewerten Sie diese Unternehmensform? Ich bin der Meinung, dass ein Familienunternehmen viele Vorteile hat. Hauptsächlich für die Mitarbeiter. Das liegt vor allem an der persönlichen Verantwortung, die ein Familienmitglied in der Führung trägt. Daran können sich die Mitarbeiter besser orientieren als an einem Management, von dem man nicht weiß, wie lange es in Funktion ist. Bei uns stehen die Menschen im Mittelpunkt. Mein Vater und ich kennen die Mitarbeiter von jeher, und es ist uns sehr wichtig, die Arbeitsplätze zu erhalten. In einer Publikumsaktiengesellschaft betrachtet man das eher mathematisch: Rechnet es sich, die Arbeitsplätze aufrechtzuerhalten oder nicht? Wir sehen das Ganze ein Stück emotionaler -ohne dabei unprofessionell zu handeln. Hat ein Familienunternehmen auch Nachteile? Ein Problem in der Familiengesellschaft besteht sicher darin, dass zu viel von einer Person abhängt. Daher führen wir unser Unternehmen mit einem professionellen Management und vierköpfigem Vorstand. Jede Firma im Konzern hat ihre Geschäftsführung, die selbstständig arbeitet und entscheidet. Empfehlen Sie Ihren beiden Söhnen, ebenfalls in den Familienbetrieb einzusteigen, oder raten Sie Ihnen davon ab? Weder noch. Ich versuche mich da so neutral wie möglich zu verhalten. Das hat einen ganz klaren Grund. Bei einer kleinen Firma, zum Beispiel einer Schreinerei mit zehn Mitarbeitern, ist es relativ wahrscheinlich, dass die Kinder den Betrieb übernehmen und führen können. Doch ob ein heute 20-Jähriger eines Tages ein Unternehmen mit 5000 Mitarbeitern führen kann, das kann man einfach noch nicht wissen. Dazu gehört nicht nur eine gute Ausbildung, sondern auch ein Gespür für Situationen und Menschen. Ob meine Kinder das haben, müssen sie selbst herausfinden. Ich will sie nicht zu etwas drängen, was ihnen nicht liegt – denn etwas zu tun, was man nicht kann, ist das Schlimmste, was einem im Leben passieren kann. Deshalb bin ich da sehr vorsichtig. Sie selbst sind bereits seit über 20 Jahren im Unternehmen. Welches waren Ihre wichtigsten Karrierestationen? Zuerst habe ich die gesamte kaufmännische Leitung und Betreuung unseres Auslandsbereiches übernommen. Dieser Bereich war noch relativ klein und auf wenige Länder im arabischen Raum beschränkt. Ein Jahr später bin ich dann in die kaufmännische Leitung des Gesamtunternehmens eingetreten. Das war in der Zeit, als wir uns intensiv um den Aufbau unseres Maschinenvertriebs kümmerten. 1986, also schon nach vier Jahren in der Firma, habe ich die Geschäftsführung übernommen und seitdem leite ich das Unternehmen. Ich habe mir natürlich immer wieder meine eigenen Schwerpunkte gesetzt, sodass es praktisch keine Tätigkeit im Unternehmen gibt, die ich nicht selbst auch mal gemacht habe. Und was sind Ihre Hauptaufgaben an der Spitze des Unternehmens? Meine Hauptaufgabe ist es, das Unternehmen insgesamt zu strukturieren und zu organisieren. Dazu gehören viele Besprechungen, in denen es darum geht, wie unsere Zukunft aussieht, welche Mitarbeiter welche Bereiche führen werden, wie wir uns aufstellen wollen und so weiter. Warum engagieren Sie sich darüber hinaus als Vizepräsident des Vorstandes der deutschen Bauindustrie? Weil ich der Meinung bin, dass jeder Unternehmer auch etwas für die Gemeinschaft tun und sich für die Rahmenbedingungen engagieren sollte – ob das nun politische Rahmenbedingungen sind, Tarifverträge oder Ähnliches. Als ich vor zwölf Jahren gebeten wurde, in die Tarifkommission des Hauptverbandes der deutschen Bauindustrie zu gehen, sagte ich zu. Vor ungefähr sechs Jahren übernahm ich den Vorsitz und führe seitdem die Tarifverhandlungen. In dieser Funktion ist man automatisch auch Vizepräsident des Hauptverbandes der deutschen Bauindustrie. Außerdem sind Sie noch Lehrbeauftragter der TU München und, nicht zu vergessen, Familienvater. Wie bekommen Sie das alles unter einen Hut? Das ist nur möglich, weil ich es geschafft habe, eine sehr gute Mannschaft in der Firma aufzubauen, die mich nicht mehr für alles braucht. Ich denke, das ist eigentlich das wichtigste Ziel eines Unternehmers – bei seinen Mitarbeitern ein Stück Selbstständigkeit zu organisieren. Das Zweite ist natürlich, dass ich gelernt habe, meine eigene Arbeit optimal zu organisieren. Dinge schnell, effektiv und professionell zu erledigen. Wenn man das alles beachtet, schafft man viel und es funktioniert auch mit der Familie. Auch die muss ich natürlich ein Stück mehr organisieren als andere, die um 17 Uhr in Feierabend gehen. Ich habe ganz feste Zeiten, die ausschließlich nur für die Familie reserviert sind, und darin bin ich auch konsequent. Zum Beispiel fahren wir jedes Jahr insgesamt fünf Wochen zusammen in Urlaub. Wie beurteilen Sie die momentane Situation für Berufseinsteiger des Bauingenieurwesens? Im Moment sind die Berufseinstiegschancen wirklich schlecht, und bei den Bauingenieurstudenten herrscht enorme Verunsicherung. Die großen Studienjahrgänge sind in der Abschlußphase, und gerade jetzt brauchen die Firmen kaum Ingenieure. Aber es ist wichtig zu sehen, dass dies eine temporäre Sache ist. Ich bin überzeugt, dass zurzeit viel zu wenig junge Menschen Bauingenieurwesen studieren und dass wir bereits in wenigen Jahren eine völlig andere Situation haben werden. Die Firmen werden sich die Bauingenieure gegenseitig mit aller Gewalt abwerben. Auf Dauer wird der Bauingenieur ein guter Beruf sein. Was unternimmt Ihr Unternehmen ganz konkret, um trotz dieser Krise erfolgreich zu sein? Als ich die Firma als Geschäftsführer übernommen habe, waren wir mit dem größten Teil unseres Geschäftes nur im Inland tätig. Im Laufe der Jahre haben wir uns auch immer mehr aufs Ausland konzentriert. Außerdem haben wir unterschiedliche, etwa gleich große Sparten. Da ist zum einen unser Spezialtiefbau Inland, der noch etwa ein Viertel unseres Umsatzes ausmacht. Ebenfalls ein Viertel des Konzernumsatzes bringt der Spezialtiefbau Ausland. Gut 30 Prozent fallen auf den Maschinenbau, und die letzten 20 Prozent kommen aus den Spezialtechniken – Umwelttechnik, Reinigung von Grundwasser und Boden, schlüsselfertige Tiefgaragen, komplette Brücken und ähnliche Aufgaben. Wir haben also in den letzten Jahren versucht, durch Internationalisierung und Produktvielfalt von Marktschwankungen unabhängiger zu werden. Ohne dabei unsere Kernkompetenz, den Spezialtiefbau, zu vernachlässigen. Und das ist uns, glaube ich, sehr gut gelungen. Immerhin haben wir es in den letzten Jahren geschafft, unseren Umsatz zu halten. Ein kleines bisschen konnten wir sogar wachsen. So kommt unser Unternehmen relativ gut durch diese schwierige Zeit. Also bleibt Bauer ein attraktiver Arbeitgeber für künftige Absolventen? Ich bin überzeugt dass wir ein attraktiver Arbeitgeber sind und bleiben. Wobei im Moment natürlich auch wir eher wenig neue Mitarbeiter einstellen. Welche Tipps geben Sie für einen erfolgreichen Start ins Berufsleben? Viele Absolventen machen den Fehler zu glauben, dass ihr Lernprozess mit dem Studium abgeschlossen sei. Doch nach meiner Erfahrung braucht man mindestens noch zwei bis drei Jahre Berufserfahrung, bis man ein Gespür dafür hat, was in der Praxis wirklich stattfindet. Bis man weiß, wie eine Firma tickt, wie sie funktioniert. Zwischen Theorie und Praxis liegt eben ein riesiger Unterschied. Deshalb rate ich allen, vom ersten Tag an die Augen aufzumachen, offen an die Dinge heranzugehen und die Bereitschaft mitzubringen, noch einmal massiv zu lernen. Sie selbst haben damals ein Studiensemester in den USA verbracht. Für wie wichtig halten Sie Auslandserfahrungen? Für absolut wichtig. Ich habe damals in Amerika studiert, um überhaupt ein Arbeitsvisum zu erhalten. Anschließend habe ich ein gutes Jahr dort in einer Baufirma gearbeitet. Ich bin der Meinung, dass jeder, der beruflich erfolgreich sein will, wenigstens ein Auslandsjahr braucht. Erst dann haben Sie so gute Sprachkenntnisse erlangt, dass Sie bei internationalen Verhandlungen nicht über den Tisch gezogen werden können. Wenn Sie den anderen nicht hundertprozentig verstehen, kann das leider schnell passieren. Was Sie in dieser Zeit im Ausland machen – studieren oder arbeiten -, ist ziemlich egal. Die Bauer AG ist einerseits Hersteller von Baugeräten und zugleich auch Bauunternehmen. Ist das nicht eine ungewöhnliche Kombination? Stimmt, und jeder, der davon hört, fragt zuerst: „Wie könnt ihr eure Maschinen an eure Konkurrenten verkaufen?“ Denn das ist die Konsequenz. Unsere Konkurrenten sind eben zugleich auch unsere Kunden. Aber eine hochmoderne Baumaschine kann man nicht nur für sich selbst entwickeln. Wenn wir im Jahr nicht wenigstens 20 oder 30 Stück eines Typs bauen, ist der Entwicklungsaufwand so übermächtig, dass wir mit der Maschine nur Verluste machen. Die Entscheidung, die man treffen muss, kann nur heißen: Wollen wir Maschinen bauen? Wenn ja, müssen wir sie auch verkaufen. Welche Vorteile hat diese Kombination? Unser Maschinenbau ist durch die Kombination sehr praxisorientiert, denn wir bauen die Maschinen aus der Verfahrensidee heraus. Wir wissen genau, wo welcher Bedarf vorhanden ist und was genau wir erreichen wollen. Bei uns gibt es auch zwischen Maschinenbau und Bau einen starken Personalwechsel. Von den drei Geschäftsführern im Maschinenbau sind zwei Bauingenieure. Ich glaube, das ist das, was die Eigenart unserer Firma ausmacht und weshalb wir gut sind. An welchem Großprojekt arbeitet die Bauer AG gerade aktuell? Wir haben gerade sehr viel für die ICE-Strecke München-Nürnberg gebaut. Und in Dubai arbeiteten wir gerade am höchsten Tower der Welt, dem Burj Dubai. Intensiv sind wir auch am Inselprojekt „The Palm“ tätig. Der Maschinenbau war zuletzt an einem Projekt tätig, bei dem Diamantenvorkommen im Norden Kanadas erschlossen werden. Was wünschen Sie sich für Ihre berufliche und private Zukunft? Für das Unternehmen und die deutsche Bauwirtschaft wünsche ich mir vor allem, dass Politik und Bevölkerung einsehen, dass Zukunft ohne Bauen nicht möglich ist. Das kann man gut mit den Investitionen eines Unternehmens vergleichen. Wenn wir keine neuen Bagger mehr kaufen, dann sind wir in zehn Jahren pleite. Genauso ist auch ein Land in zehn Jahren pleite, wenn es nichts investiert. Was mich persönlich betrifft, bin ich sehr zufrieden mit dem, was ich mache, und hoffe, dass es noch lange so weitergeht.

Karriere bei Bauer

Thomas Bauer (Jahrgang 1955) studierte von 1976 bis 1980 Betriebswirtschaftslehre an der Ludwig-Maximilians-Universität in München und verbrachte anschließend ein Jahr in den USA, bei der J.A. Jones Construction Company. 1982 begann er als kaufmännischer Leiter Ausland bei der Bauer Spezialtiefbau GmbH, wurde anschließend Geschäftsführer des Gesamtunternehmens und führte von 1988 bis 1993 auch den Bereich Bau Inland. Seit 1994 ist er Vorsitzender des Vorstandes der Bauer AG.

Interview mit Christian Baudis

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Bevor Google-Mitarbeiter ihren Kunden ein Produkt empfehlen, müssen sie sein Unternehmen und sein Geschäftsmodell verstehen. Denn nur dann lässt sich eine effiziente Kampagne planen. Darum müssen Vertriebler bei Google analytisch denken können. Darauf legt Christian Baudis Wert. Bettina Blaß sprach mit ihm über den perfekten Vertriebsmitarbeiter.

Zur Person

Nach einer Banklehre bei der Dresdner Bank studierte Christian Baudis Betriebswirtschaftslehre in Frankfurt am Main und anschließend Internationales Management an der Luigi Bocconi Universität in Mailand. Nach seinem Abschluss ging er als International Key Account Manager zu DHL Worldwide Express. Danach war er als Geschäftsbereichsleiter Verkauf bei der SevenOne Media (ProSiebenSat.1) für die Vermarktung von Sat.1, ProSieben, Kabel 1 und N24 verantwortlich. Ab 2001 verantwortete er als Vorstandsvorsitzender den Shoppingsender HSE24 im deutschsprachigen Raum. Im Anschluss gründete er das Unternehmen El Cartel Media, den Vermarkter des Senders RTL 2. Seit September 2006 leitet er als Country Director das Deutschlandgeschäft von Google. Christian Baudis ist 43 Jahre alt, verheiratet und hat zwei Kinder im Alter von sechs und acht Jahren.
Was hat die Suchmaschine Google mit Vertrieb zu tun? Google ist ein Technologieunternehmen, das vor fast zehn Jahren die gleichnamige Suchmaschine auf den Markt gebracht hat. Aber Google hat noch viel mehr Produkte im Portfolio, wie beispielsweise das Online-Werbeprogramm AdWords. Damit können Kunden Suchbegriffe buchen und dazu passende Textanzeigen neben den Ergebnissen platzieren, die die Suchmaschine liefert. Wenn also ein Nutzer den Suchbegriff „Digitalkamera“ eingibt, erscheinen rechts neben den Suchbegriffen Textanzeigen, die Digitalkameras bewerben. Und in diesem Bereich beraten die Google-Vertriebsmitarbeiter unsere Kunden. Inwieweit unterscheiden sie sich von Vertriebsabteilungen in anderen Branchen? Eigentlich gar nicht so sehr. Was uns auszeichnet, ist die Innovationskraft unseres Unternehmens, was uns in die Lage versetzt, laufend neue Produkte herauszubringen. Dementsprechend gibt es bei uns kontinuierlich Schulungen, um die Mitarbeiter auf dem Laufenden zu halten. So können sie zum einen die Kunden gut und richtig beraten und zum anderen sich selbst weiterbilden. Welche Voraussetzungen muss ein Hochschulabsolvent erfüllen, um in Ihrer Vertriebsabteilung arbeiten zu können? Die Fachrichtung eines Studiums ist für uns weniger entscheidend als ein guter Abschluss. Wir haben sowohl BWLer in unseren Reihen als auch beispielsweise Geisteswissenschaftler. Wer mit der Erstellung der Textanzeigen zu tun hat, muss sprachlich gewandter sein als zum Beispiel Vertriebler im Außendienst. Ebenso wichtig ist es, ein gewisses technisches Know-How und Interesse mitzubringen, um unsere Produkte dem Kunden vermitteln zu können. Außerdem ist bei Google analytisches Denken gefragt. Denn bevor wir dem Kunden ein Produkt empfehlen, müssen wir sein Unternehmen und sein Geschäftsmodell verstehen. Nur dann lässt sich eine effiziente Kampagne planen. Woran erkennt man einen guten Vertriebsmitarbeiter? Generell kann man sagen, dass ein guter Vertriebsmitarbeiter zuhören können und begeistern muss und zusätzlich noch offen ist. Bei Google spielt außerdem die Teamfähigkeit eine große Rolle, da wir in sehr flachen Hierarchien arbeiten. Das erfordert einerseits, dass der perfekte Vertriebsmitarbeiter selbstständig und unternehmerisch handelt, andererseits aber auch, dass er mit seinem Team für die gemeinsame Sache aktiv ist. Und natürlich sind Neugierde und Lernfähigkeit zwei wichtige Aspekte, um sich bei uns wohl zu fühlen. Welchen Lebenslauf hat der perfekte Bewerber? Der perfekte Bewerber ist idealerweise mehrsprachig, wobei sehr gute Englischkenntnisse zum Pflichtprogramm gehören, da wir ein international agierendes Unternehmen sind. Ebenfalls wichtig ist uns, dass der Kandidat einige passende Praktika gemacht hat; ein Indiz für uns, dass der Bewerber engagiert ist. Uns gefällt zudem, wenn Verantwortungsgefühl aus dem Lebenslauf hervorgeht: Hat der Bewerber vielleicht Seminare gehalten? Eine außeruniversitäre Organisation gegründet? Eine Kinder-Fußballmannschaft trainiert? Wir sind immer auf der Suche nach dem Bewerber, der anders ist als die anderen. Warum? Weil Innovationen für unser Geschäft maßgeblich sind. Und sie schafft man nicht mit einer Gruppe Angepasster, sondern mit Querdenkern. Was empfinden Sie als besonders großen Vorteil bei der Arbeit im Vertrieb? Vertrieb ist messbar. Man sieht sofort, wie sich die Umsatzzahlen entwickeln. Steigen oder fallen sie? Es motiviert ungeheuer, wenn man schwarz auf weiß sieht, wie erfolgreich man ist. Darin liegt aber auch gleichzeitig der größte Nachteil des Vertriebs, denn natürlich können die Zahlen auch sinken. Und das kann manchmal frustrieren. Ist man automatisch viel unterwegs, wenn man im Vertrieb arbeitet? Das kommt auf die Branche und die Position an. Wir haben auch Vertriebsmitarbeiter, die im Innendienst tätig und somit nicht oft auf Reisen sind. Ich selbst bin zwei Tage die Woche in Hamburg mit der Führung meines Teams beschäftigt und die restlichen drei Tage unterwegs bei Kunden – meistens in Deutschland. Klingt anstrengend. Haben Sie da noch Zeit für Ihre Familie? Ja. Durch die Möglichkeiten der neuen Technik wie beispielsweise Videosystemen kann ich auch von zu Hause an Konferenzen teilnehmen. Allerdings bringt das auch mit sich, dass man schon einmal an Sonn- oder Feiertagen arbeitet. Ich achte dabei aber immer darauf, dass meine Familie nicht zu kurz kommt. Wenn ich unterwegs bin, telefoniere ich mindestens viermal am Tag mit meiner Frau und meinen beiden Kindern. Ich glaube aber, dass sich der Spaß, den ich bei meiner Arbeit habe, auch auf die Familie überträgt. Und das ist gut. Warum arbeiten Sie im Vertrieb? Ich habe erstens gerne mit Menschen zu tun, und zweitens bin ich gerne viel unterwegs. Beides lässt sich mit diesem Beruf wunderbar vereinbaren. Durch ständige Treffen mit neuen Kunden lerne ich viel darüber, wie ganz unterschiedliche Unternehmen funktionieren. Das ist sehr spannend. Was ist Ihr persönlicher Tipp an Berufseinsteiger? Man weiß grundsätzlich nicht so viel, wie man denkt, zu wissen. Sobald man mit einem anderen Sachgebiet in Berührung kommt, stellt man nämlich schnell fest, dass man nur ganz wenig weiß. Darum ist es auch enorm wichtig, Neugierde mitzubringen. Denn so lässt sich der Horizont ständig erweitern.

Google

Google wurde 1998 von Larry Page und Sergey Brin, promovierten Absolventen der Stanford University, gegründet. Heute bringen die Suchtechnologien des Unternehmens jeden Tag Millionen von Menschen auf der ganzen Welt in Kontakt. Das Werbeprogramm von Google ermöglicht Unternehmen unabhängig von ihrer Größe messbare Erfolge und verbessert gleichzeitig die allgemeine Webnutzung für die Benutzer. Zu diesem Programm gehört beispielsweise Google AdWords, das Online- Werbeprogramm. Mit einem AdWords-Konto können Werbetreibende Textanzeigen neben oder über den Google-Suchergebnissen schalten, lokale Anzeigen in Google Maps platzieren, mit Handy-Anzeigen im mobilen Web präsent sein und weitere Anzeigenformate in Text-, Bild- oder Video-Form auf Websites von Google-Partnern schalten.

„Der Ballancier“ – Rudi Assauer im Interview

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Aufs Gymnasium will er nicht. Eine Lehre im Handwerk steigert den Ehrgeiz fürs Fußwerk. Zur Berufung wird eine „große alte Dame“ des Deutschen Fußballs, für die der „Stier“ später eine Arena bauen lässt. Schalke heißt sie, ist 98 und er ihr jugendlicher Liebhaber. Wie es zu seiner beruflichen „Viererkette“ kam, wie er die Bal(l)ance zwischen Mannschaft und Management hält und warum er heute noch ein Libero ist, erzählt Rudi Assauer im Gespräch mit dem karriereführer. Von Viola Strüder, aus karriereführer bauingenieure 2002.2003

Der Handschlag mit Rudi Assauer findet unter einem gewaltigen gläsernen Fußball statt, der das Foyer der Geschäftsstelle des FC Schalke 04 überragt. Jungenhaft in blauen Jeans und weißem Hemd gekleidet, geht der Hausherr schnellen Schrittes voraus, deutet auf den sonnigsten Teil des Raumes – und besorgt Getränke. Ein Mann, der die Ärmel hochkrempelt, sich nicht vom Leben bedienen lässt. Vor Kopf des Tisches nimmt er Platz und zündet sich entspannt eine Zigarre an. Selbstbewusste Haltung, fester Blick: Natürliche Autorität strahlt er aus, Ruhe. – Und Schalk.

Spiel mit Ziel

„Ich hab’ als Kind schon gepöhlt“, sagt Rudi Assauer und erklärt schmunzelnd die Vokabel aus dem Ruhrgebiet: „Gepöhlt? Das heißt gekickt.“ In Katzenbusch im westfälischen Herten aufgewachsen, verbringt der gebürtige Saarländer seine Kindertage mit so genannten „Straßenkämpfen“: Wenn „die Jungs aus der Augusta- gegen die aus der Herner Straße“ spielten. Als Lehrer ihm den Besuch des Gymnasiums empfehlen, weigert er sich: „Zu den Hochnäsigen, die nicht Fußball spielten, höchstens Handball oder turnten, wollte ich nicht.“ Ein ablehnender Zug umspielt den Mund.

Alltag ist auch heute Balltag

Seit neun Jahren steht der 58-Jährige an der Spitze des FC Schalke 04 und hat ihn zu einem der erfolgreichsten Fußball-Vereine Deutschlands geformt. „Ich freue mich auf den Tag“, sagt er beherzt und meint damit die „12–14 Stunden“, die er dem Club täglich widmet. Das Jobportfolio? Er verpflichtet Spieler, handelt Sponsoren-Verträge aus, ist Repräsentant der königsblauen Philosophie, Chefverkäufer des „Produktes“ Schalke 04, Mitglied des Vorstands, Geschäftsführer aller Tochtergesellschaften des Vereins, Ideengeber, Weg-Frei-Räumer, Lenker, Massenbändiger. Und am Spieltag sitzt Rudi Assauer auf der Bank. Mannschaftsnähe mit Empathie. „Für die Spieler möchte ich ein Vertrauensmensch sein, zu dem sie Tag und Nacht mit allen Lebensfragen oder Problemen kommen können.“ Von den „Jungs“ erwartet er, „dass sie Charakter beweisen und alles dafür tun, damit wir gemeinsam Erfolg haben“. Charakter – ein typisches Assauer-Wort. „Ehrlich und geradeaus sein“ sind Ansprüche, die er an Menschen stellt, die ihn umgeben. Er setzt auf Vertrauensvorschub, bei ihm gilt das gesprochene Wort: „Abmachungen, die ich per Handschlag treffe, stehen auch später so in der Schriftform.“ Die Vorstellungen von sportlicher und menschlicher Qualität begründen sich aus seiner Biografie, in der sich schon früh Ehrgeiz und unbedingter Erfolgswille abzeichnen.

Den Meister nass gemacht

Als Rudi Assauer mit 14 Jahren die Schule verlässt, beginnt er eine Stahlbauschlosser-Lehre. „Ein schwerer Beruf“, kommentiert er rückblickend. Nebenbei kickt er bereits bei der Spielvereinigung Herten. Um sich auf das Abitur vorzubereiten, besucht er zudem die Abendschule – bis zu jenem Mittwoch, an dem der Fußball für immer den Unterricht besiegt: „Im Fernsehen lief das Spiel Lissabon gegen FC Barcelona“, betont er noch heute fasziniert. Spiel geguckt – Abendschule geschmissen. Und die Lehre? „Die habe ich nach Meinung meines Meisters mit viel zu guten Noten abgeschlossen“, grinst er und fügt lachend an: „Ich hab’ ihn mal nass gespritzt.“ Sein Gesellenstück? „Eine Bremse für eine Lore.“ Offenbar die letzte seines Lebens, denn fortan hat er „Gas gegeben“.

Der Geselle wird Meister– in einem anderen Fach

Was ihn voranbringt: „Extra-Training und viel Spaß am Spiel.“ Während der Bundeswehrzeit wird der Fußball-Jungspund entdeckt und zum Bundesliga-Club Borussia Dortmund vermittelt. Rudi Assauer hat sein Traumziel erreicht: Er ist Profi-Fußballer – mit 19 Jahren. Schon drei Jahre später feiert der Libero als jüngster Spieler seinen größten sportlichen Triumph. „Schwarz-gelb“ erringt mit ihm den Europapokalsieg.

Bankkaufmann wird er spielend

Im besten Spiel-Alter macht Rudi Assauer während seiner Zeit bei Borussia Dortmund eine weitere Ausbildung: Er wird Bankkaufmann. Ballverluste muss er hierfür nicht in Kauf nehmen. „Die Lehre war vom Verein so organisiert, dass ich weiter spielen konnte.“ Drei Jahre ist er Banker und Spielmacher zugleich.

Manager: In 48 Stunden

1970 erfolgt der Transfer zum SV Werder Bremen. Sechs Jahre später beendet Rudi Assauer in der Weserstadt nach 307 Bundesligaeinsätzen seine Karriere als Fußball-Spieler. Resümee: „Damals war man mit 32 Jahren ein alter Mann. Wir haben alles falsch gemacht: Training und Ernährung. Und die heutige gute Pflege gab es auch noch nicht.“ In Bremens Club-Präsident Dr. Franz Böhmert, ehemals Vereinsarzt, findet er einen Förderer. Noch heute verbindet beide eine enge Freundschaft. Werder Bremen hält eine neue Aufgabe für ihn bereit: „Samstags habe ich mein letztes Spiel gemacht, montags saß ich am Schreibtisch und war Vorgesetzter“, beschreibt er die Einwechslung zum jüngsten Manager eines Bundesligaclubs. Nebenbei bleibt er voll im Training. Fußball-Management, ein Beruf ohne Lehrbuch. Er erlebt, erfährt, erlernt ihn praktisch – von Marketing bis Steuerberatung, vieles autodidaktisch und mit „Aug’ und Ohr“, wie Rudi Assauer es nennt. Im sportlichen Bereich entdeckt er ein anderes Talent an sich: Die Gabe der schnellen Beurteilung. „Nach einer Halbzeit weiß ich, ob ein Spieler ins Team passt oder nicht“.

Glück auf, Glück ab: Ein-, Ab-, Auf- und Ausstieg

1981, nach Saisonende steigt er als Manager beim FC Schalke 04 ein. Die folgenden fünf Jahre gehören hier dem Wechselspiel aus Ab- und Aufstieg. Für ihn enden sie 1986 mit dem Ausstieg. „Auslöser war ein Zerwürfnis mit dem damaligen Vereins-Präsidenten“, berichtet er nachdenklich und noch ins Geschehen vertieft. Rudi Assauer wird entlassen – ein „ungerechter Rausschmiss“.

Sieg in der zweiten Halbzeit

Noch im selben Jahr geht er zurück nach Bremen und arbeitet als Immobilien-Manager. Vorübergehend. Vier Jahre. „Eine schöne Zeit war das damals.“ Der Satz kommt schnell, leise und ohne Geste. Wieder in Ballkontakt gelangt er 1990, als er das Management des Zweitligisten VfB Oldenburg übernimmt. Die Überraschung indes bringt der Jahresbeginn 1993: „Per Telefon eröffnete mir der Präsident von Schalke 04, dass es Schwierigkeiten gibt“, teilt Rudi Assauer mit. Und er ist auserwählt, den „mit 20 Millionen Mark verschuldeten Verein“ aus der Krise zu führen. – Zurück in die Zukunft. Zu den Knappen. Nach sieben Jahren.

Die Hand Pottes

Temperamentvoll wirft Rudi Assauer ein: „Alle Pläne, die ich mit Schalke hatte, habe ich eins zu eins umgesetzt.“ Der Tradition des einstigen Bergarbeiter-Clubs schenkt er respektvoll Raum, die Zukunft geht er mit Visionen an. Im Gedächtnis fest verankert ist ein „Sonntag im November 1994“, an dem der Macher erste Gespräche über seine Idee eines neuen Fußball-Stadions führt. Mehrere Jahre kämpft er sein anspruchsvolles Herzblut-Projekt durch, sichert die Finanzierung – „ohne öffentliche Mittel“. Sportliche Erfolge bestätigen überdies seinen eingeschlagenen Weg, allen voran der Gewinn des UEFA-Cup 1997.

Was Rudi Assauer dem Nachwuchs mit auf den Weg gibt

Welche Merkmale halten Sie für wichtig, um erfolgreich zu werden? „Ehrgeiz und Willensstärke.“ Was empfehlen Sie jungen Menschen? – Eine Ausbildung, auf der man aufbauen kann – Sich Ziele zu stecken und sie zu erreichen – Keine Traumwelten aufzubauen – Sich zu fragen: „Was kann ich?“, „Welche Anforderungen stellt der Markt?“ , „Wo und wie kann ich mich einbringen?“ – Und bei Schwierigkeiten: Nicht gleich aufgeben – durchhalten.
Ein Jahr später beginnen die Bauarbeiten zur neuen Arena. Nach drei Jahren Bauzeit „mit vielen spannenden Momenten“ wird 2001 Europas modernstes Fußballstadion, die „Arena AufSchalke“ eingeweiht. Ein Vorzeige-Objekt des Vereins, das auf die Stadt Gelsenkirchen und das Ruhrgebiet Glanz abstrahlt. 2006 wird die „Arena AufSchalke“ zu den Austragungsorten der Fußball-Weltmeisterschaft gehören und 2012 vielleicht auch zu denen der Olympischen Spiele. „Ein solches Stadion mit diesen technischen Finessen wird es in den nächsten 15 bis 20 Jahren nirgendwo geben“, ist sich Rudi Assauer sicher und zeigt Stolz – auch darüber, inmitten des Ruhr-Pottes, der ihm bis heute Heimat ist, etwas bewegt, geschaffen zu haben – allen schlechten Voraussetzungen zum Trotz.

Nach-Spiel-Zeit

Als Gegenpol zu den Stärken, wie steht’s da mit Schwächen? „Bei bestimmten Menschen bin ich lange nachtragend.“ Und was verbindet Rudi Assauer mit Luxus und Bescheidenheit? „Bescheidenheit bedeutet für mich, Dinge in Demut anzunehmen.“ Seine Herkunft aus einfachen Verhältnissen prägt, sie erdet ihn. Beim Gedanken an Luxus kommt die Natur des Libero, des freien Mannes durch: „Unabhängig den Tag einteilen zu können, Entscheidungen zu treffen“, so die prompte Antwort. Zur Lebensart gehöre bei ihm, mal schön Essen zu gehen, ein gutes Glas Wein zu trinken und eine gute Zigarre zu rauchen – gepafft verströmt sie ihren Duft. Gedanken- und Atempause. „Gesundheit ist das allerwichtigste im Leben“, sprengt er eine kurze Stille.

Szenenwechsel: Kick gibt Kick

Rudi Assauer pöhlt auch heute noch – nicht nur, um am Ball zu bleiben, sondern aus purer Leidenschaft. Gekickt wird mit der Betriebsmannschaft, einem Team aus Profis unterschiedlichster Profession. Die Belohnung liegt an diesem Tag im Himmel, denn der wechselt zu Spielbeginn von Grau auf sonniges Blau-Weiß. „Alles würde ich dafür geben, noch einmal 26 zu sein.“ Das glaubt, wer Rudi Assauer „auf´m Platz“ beobachtet: Spielfreudig, kämpferisch und mit beeindruckendem Stimmvolumen erlebt man ihn dort. Danach stapft er klackend über den Holzboden des Clubhauses: „Beim Fußball-Spielen kann ich mir die Lunge aus dem Hals brüllen, laufen, schwitzen, mich austoben“, sprüht er vor Energie und die Augen leuchten.

Schluss-Pfiff

Mit Blick gen Horizont offenbart er zum Schluss noch einen Zunkufts- und Herzenswunsch: „Einmal noch mit Schalke 04 Deutscher Meister werden.“ – You´ll never walk alone.

Die ersten 100 Tage – Absolute Beginner

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Von Claus Peter Müller-Thurau Warum befördern sich Berufseinsteiger bereits während der Startphase ins berufliche Abseits? Für die meisten gilt: Weil sie nur die Organisation des neuen Betriebes kennen, aber nicht die Organisation hinter der Organisation. Neueinsteiger sollten sich also bemühen, die informellen Beziehungs- und Machtstrukturen – die „hidden organization“ – zu durchschauen. Wer neu in einen Betrieb kommt, findet schließlich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor, die eine gemeinsame Geschichte haben. Diese gemeinsame Geschichte kann darin bestehen, dass man sich gegenseitig auf der Karriereleiter nach oben bugsiert oder aber behindert hat. Da wurden in der Vergangenheit Erfolge miteinander gefeiert, bisweilen auch missgönnt, und so mancher schleppt einen Makel bis zum Ende seiner Tage im Betrieb mit sich herum. Alle wissen es, nur der Novize ist völlig ahnungslos und verbündet sich leichtfertig mit den falschen Leuten. Ungeschriebene Gesetze Wer sich vom Start weg positiv positionieren möchte, hält sich an die folgenden Grundsätze: Besserwisser und Schlaumeier werden überall als Plage empfunden. Behalten Sie Ihr möglicherweise durchaus besseres Wissen in der Startphase eher für sich. Das wichtigste Wort der deutschen Sprache heißt „Warum“. Fädeln Sie sich durch Fragen behutsam in den Unternehmensalltag ein. Verschonen Sie Ihre Kolleginnen und Kollegen mit Imponiervokabeln. Wer eine „challenge“ darin sieht, die „performance“ des Unternehmens zu „pushen“ und hierfür ein gemeinsamen „targeting“ vorschlägt, macht sich keine Freunde. Es sei denn, alle reden so. Lassen Sie sich nicht zu früh zu Urteilen über betriebliche Sachverhalte und gar Personen verleiten. Für einige Monate dürfen und sollten Sie diesbezüglich eine Karenzzeit beanspruchen. Beteiligen Sie sich nicht am „Flurfunk“. Nehmen Sie Gerüchte kommentarlos zur Kenntnis. Interne Spielchen In jedem Betrieb gibt es Gruppen und Grüppchen, die sich im Laufe der Zeit aufgrund einer gewissen Schicksals- und Seelenverwandtschaft gebildet haben und die den Neuen für ihre Zwecke vereinnahmen möchten. Zu warnen ist beispielsweise vor den „Minimalisten“, die von der protestantischen Arbeitsethik wenig halten. Sie handeln nach der Devise „Mit halber Kraft nur das Nötigste“ und ihr Tagesziel heißt „Feierabend“. Diese Propagandisten einer freizeit-orientierten Schonhaltung möchten natürlich ihre Anhängerschaft vermehren und erklären dem Neuen erst einmal, dass es unüblich sei, vor neun Uhr morgens im Betrieb zu erscheinen. „Keep away from people who try to belittle your ambitions. Small people always do that, but the really great make you feel that you, too, can become great.“ Diese Empfehlung stammt von Mark Twain und sie ist eine gute Richtschnur für das eigene Verhalten beim Start im neuen Job. In Acht nehmen sollte man sich auch vor den typischen „Verlierern“. Meist halten sie sich für verkannte Genies, denen von inkompetenten Vorgesetzten beharrlich jener Rang verwehrt wurde, der ihnen zusteht. Jeder Neuzugang wird deshalb zunächst mit dem beklagenswerten Umstand konfrontiert, dass der Chef ein Depp sei. Wer hier nicht aufpasst, läuft Gefahr, über kurz oder lang selbst zu jenen zu gehören, die ihre berufliche Zukunft hinter sich haben. Gegen all‘ diese Anfechtungen und Verführungsversuche gibt es ein Mittel, das absolut zeitlos ist: Loyalität gegenüber dem Unternehmen und seinem Vorgesetzten. Wer dies nicht kann, sollte das Gespräch mit dem Chef suchen und im Zweifelsfall das Unternehmen verlassen. Nein-Sager oder Ja-Sager? Andererseits müssen Neueinsteiger auch nicht auf Taubenfüßen daher kommen. Wer sich seine Ecken und Kanten vor lauter Harmoniebedürfnis klaglos abschleifen lässt, wird bald zur Personalnummer auf zwei Beinen. Gewiss – es gibt viele Fettnäpfchen, in die man treten kann und man sollte wissen, wo sie stehen. Manchmal ist aber auch eines darunter, das man vorsätzlich wegtreten sollte. Dies kann bisweilen riskant sein, aber wer kein Risiko eingehen will, geht bekanntlich das größte Risiko ein. In diesem Sinne muss jeder Novize zum Beispiel aufpassen, dass er sich nicht irgendwann in der Rolle des nützlichen Idioten wieder findet („Kannst Du mal eben zum Kopierer gehen?!“). Kollegiale Hilfsbereitschaft ist absolut wünschenswert, aber Kollegialität heißt nicht, anderen eine sitzende Tätigkeit in angenehm temperierten Räumen zu ermöglichen. Wer hier gleich zu Beginn an Terrain verliert, gewinnt es nur unter großen Anstrengungen wieder zurück – wenn überhaupt. Zu einem guten Start gehört deshalb auch die Fähigkeit, bei angemessener Gelegenheit „nein“ zu sagen. Auch inhaltlich sollte man als Neuling nicht gleich „einknicken“, wenn man sich zu einer Sachfrage äußert und es dann prompt Gegenwind gibt. Eckart van Hooven, Ex-Vorstand der Deutschen Bank, dürfte wissen, wovon er spricht: „Wer (als Neuer, Verf.) im Vollbesitz seiner geistigen Überzeugung in die Runde platzt, um seine Idee mitzuteilen, über die er lange nachgedacht hat, wird natürlich erleben, dass die Kollegen, die gar nicht darüber nachgedacht haben, ihm gründlich klarmachen, warum er daneben liegt. Das ist kein böser Wille, das ist ein Erziehungsvorgang.“ Jeder Berufseinsteiger wird in seiner neuen Position erst einmal mehr oder weniger „sozialisiert“, aber er sollte sich nicht zum Ja-Sager „umerziehen“ lassen. Im Zweifelsfall werden Hochschulabsolventen vor allem auch deshalb gebraucht, um Veränderungsprozesse zu initiieren und zu begleiten. In der Praxis kann dies bedeuten, dass sie mit Geschick die eine oder andere mentale Zentralverriegelung öffnen müssen. Erfolg durch tiefen Fall Der in seinem Scharfsinn unvergessene Publizist Johannes Groß hat einmal bekannt: „Mit 40 Jahren habe ich beschlossen, keine Angst mehr zu haben. Ich habe es nicht bereut.“ Man kann dies auch früher beschließen und es wäre kein schlechter Vorsatz für jeden, der einen neuen Lebensabschnitt vor sich hat. Und wie bekommt man die eigenen Ängste in den Griff? Indem man sich vorsätzlich jenen Situationen und Anforderungen stellt, die einem mehr oder weniger Bauchweh verursachen. Für den kompetenten Umgang mit der Angst kann sich jeder beizeiten seine eigenen Trainingsanlässe schaffen. Und was ist, wenn man scheitert, weil man die Aufgabe falsch eingeschätzt hat? Dazu Jürgen Heraeus, Chef der Heraeus Holding GmbH: „Ich stelle nur Leute ein, die einmal ganz tief gefallen sind. Das gehört für mich zum Erfolg – um keine Angst mehr zu haben.“ Mancher findet erst über eine berufliche Fehlentscheidung zu einer Aufgabe, in der er dann über sich hinauswächst. In Zeiten, die für Jobsuchende nicht so sind, wie sie sein sollten, ist allerdings von Experimenten dieser Art eher abzuraten. Heute heißt die Devise: Nicht zu früh aufgeben und in den Niederungen des beruflichen Alltags durchhalten! Zu den wichtigsten Soft Skills gehören heute Beharrlichkeit und Standfestigkeit. Es reicht eben nicht aus, das Richtige zu wissen – man muss sich damit auch durchsetzen können. Aber damit sollte man erst nach Ablauf der ersten hundert Tage beginnen.
Der Autor Claus Peter Müller-Thurau, Diplom-Psychologe, ist auf internationaler Ebene in den Bereichen Recruitment, Training & Development tätig. Seine aktuellen Bücher „Das erste Jahr im neuen Job“ und „Fit 4 USA“ erschienen im Verlag „Fit for Business“, Regensburg/Düsseldorf.
 
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  • Zusatzqualifikation
  • Sonstiges (Ehrenämter)
Persönliche Daten In den Abschnitt persönliche Daten gehören Angaben zu Ihrem Geburtstag und -ort, zu Ihrem Familienstand sowie Angaben zu Ihren Kindern. Falls Sie dies möchten, können Sie Angaben zu Ihren Kindern weg lassen. Berufstätigkeit Die Rubrik Berufstätigkeit sollte besonders gründlich erarbeitet sein. Ergänzen Sie Ihre Angaben zu vergangenen Arbeitsverhältnissen mit präzisen Beschreibungen der ausgeübten Tätigkeiten: beispielsweise Projekt- und Führungsverantwortung. So kann der Personalchef Ihre Fähigkeiten besser einschätzen. Bei Ihrer Berufsausbildung oder Ihrem Studium sollten Sie sich nicht nur auf die Dauer, sondern auch auf die damit verbunden Abschlüsse mit Datum beziehen. Der Umfang der Ausführungen hängt von Ihrer Berufserfahrung ab. Bewerber mit mehr als drei Jahren Berufstätigkeit gestalten diese Rubrik knapp, damit der Umfang einer Seite nicht überschritten wird. Eine bei Personalchefs beliebte Präsentation ist die chronologische Darstellung der beruflichen Stationen, die mit der Gegenwart beginnt. Wehr- oder Zivildienst, Schulabschluss Den Abschnitt Wehr- oder Zivildienst, Schulabschluss können Sie sehr knapp gestalten. Wenn Sie einen sozialen Dienst geleistet haben, erwähnen Sie nur die Dauer in Monats- und Jahreszahlen. Falls Sie jedoch besondere Aufgaben ausgeübt haben, die im Zusammenhang mit Ihrer Bewerbung stehen, können Sie diese selbstverständlich hier anführen. Bei der Erwähnung Ihrer Schulabschlüsse, sollten Sie sich nur auf Ihr letztes Zeugnis mit Datum beziehen, sowie die Art Ihres Schulabschlusses und den Namen Ihrer Schule angeben. Weiterbildung Bei der Rubrik Weiterbildung und Sonstiges geben Sie die besuchten Weiterbildungsseminare unter Angabe der Träger und Titel der Kurse an. Die Inhalte sollten nur dann angeführt werden, wenn aus dem Seminartitel nichts zu schließen ist. Zusatzqualifikation Als Zusatzqualifikation gelten Sprach- und EDV-Kenntnisse. Führen Sie alle Ihre Kenntnisse auf und bewerten Sie diese präzise mit den Abstufungen
  • Grundkenntnisse
  • gut
  • sehr gut
bei Sprachkenntnissen zusätzlich mit
  • verhandlungssicher
und bei EDV-Kenntnissen mit
  • ständig in Anwendung.
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Interview mit Dr. Bettina Anders

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Der Blick auf den Rhein und den Düsseldorfer Fernsehturm ist fantastisch. Aber Dr. Bettina Anders hat vorsorglich die Jalousien an den bodentiefen Fensterfronten heruntergelassen. Nichts soll ihre Konzentration stören – weder die Aussicht noch die Sonnenstrahlen, die ihr Büro zu jeder Jahreszeit aufheizen. Interviewerin Prem Lata Gupta darf Platz nehmen, wo sie will. „Ich sitze vor kopf“, bestimmt Bettina Anders. Dafür rückt sie eigenhändig ihren Schreibtisch-Sessel an das schmale Ende des Konferenztisches.

Zur Person

Dr. Bettina Anders, 47, studierte Geografie und Mathematik in Münster, bevor sie die Promotion zum Dr. rer. nat. absolvierte. Nach zwei Jahren als Leiterin des Studienzentrums der FernUniversität Hagen stieg sie bei den Victoria Versicherungsgesellschaften ein. 2000 wurde sie Mitglied der Geschäftsführung der ITERGO Informationstechnologie GmbH, dem IT-Dienstleister der ERGO Versicherungsgruppe, unter deren Dach sich große Versicherungsunternehmen wie die Victoria, Hamburg-Mannheimer, DKV und D.A.S. befinden. Im Oktober 2007 wurde sie zum Mitglied des Vorstands der ERGO Versicherungsgruppe AG und ist dort verantwortlich für Kundenservice, Betriebsorganisation und IT.
Frau Dr. Anders, seit Oktober sind Sie Mitglied des Vorstandes der ERGO Versicherungsgruppe. Lässt sich solch eine Laufbahn planen? Nicht planen, aber aktiv mitgestalten. Das ist auch mein Rat an Nachwuchsführungskräfte: Nicht nur die Leistung und der Anspruch an sich selbst zählt, sondern man muss den Anspruch, führen zu wollen, offen formulieren und nach außen tragen. Haben Sie das ebenso gemacht? Ich denke schon. Mir ist nie eine Position oder eine Funktion angetragen worden, die ich nicht haben wollte. Aber das Ganze gilt auch umgekehrt … Inwiefern? Auch wenn ein Vorgesetzter bei seinen Mitarbeitern Potenziale sieht – man kann niemanden zu seinem Glück zwingen. Karriere kann nicht in den Schoß gelegt, sondern muss gewollt werden. Sonst lässt sich zu wenig abrufen, was in Top-Management-Positionen gebraucht wird. Wie etwa ein hohes Maß an Disziplin. Was war der entscheidende Kick in Ihrem Leben? Es passierte, als ich ein Studienzentrum der Fernuniversität Hagen aufgebaut habe. Es war der Tag nach dem Mauerfall, ich saß mit Studenten zusammen und sagte: „Wir müssten eigentlich dort sein. In Berlin.“ Da stand für mich fest, dass ich am Puls der Zeit sein wollte. Da, wo Dinge wirklich passieren und bewegt werden. In diese Phase fiel auch meine Entscheidung, in die Wirtschaft gehen zu wollen. Sie haben bei der Victoria in der Anwendungsentwicklung angefangen und haben auch als Assistentin eines Vorstands gearbeitet. Was war Ihre Motivation dazu? Ich bin in das Unternehmen gegangen, als ich merkte, was man da mitgestalten kann. Und als ich mich aus der Assistenzzeit verabschiedet habe, wusste ich: Das will ich von Vorstandsebene aus tun. Wie haben Sie die Zeit als Vorstandsassistentin erlebt? Es war eine anstrengende Zeit, aber auch sehr gewinnbringend. Ich hatte nicht nur mit fachspezifischen Dingen zu tun, sondern auch mit organisatorischen, der Beziehung zum Kunden. Das versuche ich auch unserem Führungsnachwuchs zu vermitteln: dass es bei uns nicht um Kaufen geht, sondern um Verkaufen. Endverbraucher freuen sich über ihr neues Auto. Aber niemand steht morgens unter der Dusche und sagt: „Hey, heute kaufe ich mir eine Haftpflicht. Das ist toll!“ Inzwischen haben Sie selbst Assistenten … Ja, und die gehen einen harten Abschnitt mit. Sie müssen die Ansprüche des Vorgesetzten verstehen und mittragen. Umgekehrt will ich ja nicht nur Aufgaben zuweisen, sondern Entscheidungen auch verständlich machen. Das erfordert einen intensiven Austausch. Ich will vernetztes Denken vermitteln, will verdeutlichen, welche Konsequenzen eine Entscheidung auch für andere Unternehmensbereiche hat. Der amerikanische Management-Experte Henry Mintzberg hat herausgefunden, dass Top-Manager 50 Prozent ihrer Zeit in Besprechungen verbringen und ihre Aufmerksamkeit maximal neun Minuten auf ein Thema richten. Stimmt das? Letzteres würde ich nicht unbedingt unterschreiben. Aber ich habe auch Meetings im Stundenrhythmus zu ganz unterschiedlichen Fragestellungen. Als Top-Manager muss man sich sehr schnell umstellen können, sich kurztaktig konzentrieren und immer das Wesentliche erfassen. Fühlen Sie sich eigentlich als Frau im Top-Management als Exot? Ich bin es durchaus gewohnt, einzige Frau in Leitungsgremien zu sein, das ist für mich nichts Ungewöhnliches. Aber amüsant sind nach wie vor nicht nur die häufigen Anreden mit „Sehr geehrte Herren …“, sondern vor allem die anschließenden wortreichen Entschuldigungen. Wie gehen männliche Kollegen damit um, wenn man CIO des Jahres 2006 wird? Es war der dritte Platz – ich glaube, einige Kollegen waren schon überrascht. Aber wichtiger war für mich, dass meine Führungsmannschaft diesen Preis voller Stolz gefeiert hat, denn es ist ja auch ihre Auszeichnung. Immer wieder wird behauptet, Soft Skills seien wichtiger als Fachkompetenz. Sehen Sie das genauso? Ja, den Anteil von solider Fachkompetenz würde ich mit 40 Prozent ansetzen. Aber ein hoher Anteil meiner Arbeit besteht darin, langfristige Szenarien zu entwerfen und zu vermitteln. Zwar kann man Achtungserfolge durch sehr schnelle, konsequente Entscheidungen erzielen – und damit auch nach außen punkten. Aber Stabilität erzeuge ich, indem ich ein Klima schaffe, in dem alle eine Entscheidung mittragen. Die Menschen mitzunehmen, ist sehr wichtig. Das ist jüngeren Führungskräften oft nicht bewusst. Auch ich musste das lernen. Wie haben Sie es eigentlich bewerkstelligt, die IT-Systeme von vier Unternehmen komplett neu an den Start zu bringen? Es war das wahrscheinlich größte Projekt in der europäischen Finanzdienstleistungsindustrie. Wir mussten 1700 Projektmitarbeiter bewegen. Ich habe mir gesagt: Gut, dann müssen eben vier Stunden Schlaf reichen. Das geht, obwohl der gesamte Prozess zweieinhalb Jahre gedauert hat. Ich hatte schlaflose Nächte. Man lebt mit einem solchen Projekt und kämpft jeden Tag. Aber das gilt nicht nur für mich, sondern für alle, die dieses Projekt vorangetrieben haben. Wie hält man das durch? Ich hatte keinen Zweifel, dass wir die operativen Schwierigkeiten in den Griff bekommen. Aber dennoch muss man sich motivieren. Speziell in dieser Zeit habe ich es mir zur Gewohnheit gemacht, mich zwar auf Probleme einzustellen, aber mir genauso morgens schon bewusst zu machen, dass jeder Tag mindestens einen kleinen Erfolg, einen Grund, sich zu freuen, mit sich bringt. Das ist übrigens ein Rezept, das einen im Top-Management über jeden Tag trägt. Trotzdem hören Sie sich fast durchweg optimistisch an: Gibt es denn nichts, was Sie verärgert oder zweifeln lässt? (Sie legt die Fingerspitzen aneinander und überlegt kurz) Natürlich gibt es auch weniger schöne Momente. Ich lege zum Beispiel großen Wert darauf, verlässlich zu sein gegenüber Vorstandskollegen und meiner Mannschaft. Wenn es da ausnahmsweise zu Missverständnissen kommt, dann nagt das an mir. Ich will authentisch sein und so auch wahrgenommen werden. Wie erleben Sie die Young Professionals, die jungen, hoch qualifizierten Menschen im Unternehmen? Als hungrige Generation. Oft mit internationaler Erfahrung, die sich am liebsten international weiterentwickeln möchten. Es kommt sehr auf uns als Unternehmen an, was wir daraus machen. Wir müssen ihnen Raum geben, frei nachzudenken und ihre Talente zu entwickeln. Sonst kommt es zu einem anderen Phänomen, nämlich zu einer sehr schnellen Assimilation an die bereits bestehende Kultur und vorhandene Strukturen. Wenn das geschieht, können wichtige Potenziale auf der Strecke bleiben. Lieber ist es mir, jemand offenbart eine so gute Idee, dass ich ihn ermuntere, diese weiterzuentwickeln und das Ergebnis vielleicht sogar dem Vorstand zu präsentieren. (Es ist fast Mittag, trotz der Lamellen vor den Fenstern ist sichtbar, dass die Sonne es endgültig geschafft hat, den morgendlichen Dunst zu vertreiben. Das perfekte Wetter für einen Spaziergang.) Stimmt es eigentlich, dass Sie schon morgens um sechs Uhr Nordic Walking machen? (erfreutes Lächeln) Ja, allerdings nur dann, wenn es nicht kälter als fünf Grad ist. Ich mag nämlich keine Handschuhe dabei tragen, ich will die Stöcke mit bloßen Händen festhalten. Und wie entspannen Sie sich sonst? Ich lese gerne. Es gab Zeiten, da habe ich keine Neuerscheinung meiner bevorzugten Verlage ausgelassen. Aber das schaffe ich nicht mehr. Und ich mag es, ins Konzert oder ins Theater zu gehen. Letzteres am liebsten gemeinsam in der Gruppe – damit wir hinterher noch über das Stück und die Inszenierung diskutieren können. Funktioniert das denn überhaupt? Von wann bis wann arbeiten Sie normalerweise? Meistens von etwa acht Uhr morgens bis 21 oder 22 Uhr. Hat man da noch Chancen auf ein Privatleben? Man braucht ein verständnisvolles Umfeld. Natürlich passiert es immer wieder einmal, dass ich eine Verabredung wegen eines beruflichen Termins in letzter Minute absage. Da braucht man Menschen um sich herum, die das nicht übel nehmen. Wäre das anders, dann hätte ich auf Sand gebaut. Außerdem gönne ich mir bewusst auch Auszeiten: Im Oktober war ich vier Tage mit meinem Lebenspartner wandern. Da sind wir singend durch die Natur gezogen. Das klingt ziemlich zufrieden. Würden Sie alles wieder genauso machen? Ich bin an einen Punkt gelangt, an dem ich genau das tun kann, was ich immer wollte: Strategien entwickeln und durch Veränderungsprozesse die Zukunft eines Unternehmens gestalten. Doch, ich finde, ich habe einen Traumjob. (Beim Abschied bemerkt die Interviewerin, dass hinter dem Schreibtisch, auf dem sich rote Mappen stapeln, ein großer Lego-Karton an der Wand lehnt.) Ist das ein Geschenk für Ihr Patenkind? Nein, das habe ich für eine Führungskräftebesprechung genutzt. Es ging um unsere Unternehmenswerte: Exzellenz, Resultate, Gemeinschaft und Offenheit. Wir haben ein Riesenrad zusammengebaut. Das hat allen sehr viel Spaß gemacht.

Interview mit Felix Amrhein

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Herr Amrhein, stellen Sie OSCAR bitte kurz vor. OSCAR ist eine studentische Unternehmensberatung. Das bedeutet, wir sind alle ausnahmslos Studenten oder junge Absolventen, und wir beraten Unternehmen in ganz unterschiedlichen Projekten. Was bei uns anders ist als bei vielen anderen studentischen Unternehmensberatungen: Wir arbeiten Vollzeit, also in den Semesterferien oder in Praxissemestern, und uns gibt es schon seit 16 Jahren. Wir haben daher einen sehr guten Ruf in der Wirtschaft und dadurch die Möglichkeit, für sehr namhafte Auftraggeber spannende Projekte durchzuführen. Eine weitere Besonderheit: Mit OSCAR verdient niemand Geld, denn das Unternehmen gehört niemandem, der mit der „billigen Arbeitskraft Student“ einen Reibach macht. Wir sehen unseren Zweck in der Ausbildung. Dies alles hat Auswirkungen darauf, welche Projekte wir annehmen und welche nicht. Es muss immer ein gewisser Anspruch gegeben sein. Steht OSCAR allen Studenten aller Studiengänge offen, oder gibt es Präferenzen? Wir sehen Bewerbungen aus allen Studiengängen und -richtungen sehr gerne. Bei uns sind „interdisziplinäre Teams“ sogar ausdrückliches Ziel. Und interdisziplinär kann auch schon mal bedeuten: ein Wirtschaftswissenschaftler, ein Informatiker und ein Philosoph. Auch die Noten stehen nicht im Vordergrund, viel wichtiger ist dass man im Assessment Center überzeugt und eine gehörige Portion Motivation und Lernbegeisterung mitbringt. Die Ämter wechseln bei Ihnen halbjährlich. Kann man in der kurzen Zeit ein Projekt komplett betreuen? Die Abteilungsstellen sind immer für rund ein halbes Jahr besetzt. Projekte können auch deutlich kürzer laufen, manchmal nur vier Wochen, oft aber auch drei Monate und mehr. Die Projektteams arbeiten sehr eigenverantwortlich, werden aber von einem Projektleiter betreut. In der Regel ist das jemand aus der Geschäftsführung, teilweise aber auch Mitarbeiter aus den Abteilungen. Es ist also in der Regel für jeden was dabei. Wie wird man – wie Sie – Geschäftsführer von OSCAR? Eine Voraussetzung ist es, dass man eine gewisse Zeit bei OSCAR verbracht hat, Erfahrung in Projekt- und Abteilungsarbeit hat und am Besten einmal Projektleiter war. Wer sich dabei besonders hervorgetan hat, kann von der aktuellen Geschäftsführung vorgeschlagen werden. Die letzte Zustimmung muss dann noch ein Beirat aus ehemaligen Geschäftsführern geben. Bei mir war das vor gut zehn Monaten, vorher habe ich längere Zeit in der Abteilung IT-Entwicklung gearbeitet und mehrere Projekte geleitet. Was sind Ihre Aufgaben? Das Wichtigste ist die Leitung von Abteilungen und Projekten. Diese Projekte müssen natürlich erst einmal starten. Dazu fahren wir zu bestehenden oder neuen Kunden, besprechen deren aktuelle Zielsetzungen, Probleme und mögliche Lösungswege. Auf dieser Basis planen wir Beratungsprojekte und stellen aus den Bewerbern, die unser Assessment Center durchlaufen haben, die Teams zusammen. Das machen wir alles zusammen mit den Abteilungsmitarbeitern, die letzte Verantwortung bleibt aber bei uns in der Geschäftsführung. Neben diesen eher operativen Aufgaben gehört natürlich auch alles Strategische in unseren Aufgabenbereich. Wir bestimmen – wenn man so will – welchen Kurs das Schiff einschlägt. Wie definieren Sie eine erfolgreiche Karriere? In einer erfolgreichen Karriere gibt man sein Bestes bei einer Aufgabe, die einem liegt und die man mit Begeisterung ausfüllt. Idealerweise sind es diese Begeisterung und der Wille, seine Sache gut zu machen, der eigentliche Antrieb. Ob man dabei einen Managerposten samt Sportwagen und Yacht haben muss, sollte jeder für sich selber entscheiden. Wie hilft die Mitarbeit bei OSCAR beim Aufbau einer Karriere? OSCAR gibt einem drei Dinge mit auf dem Weg: Lernerfahrung, Kontakte und Referenzen im Lebenslauf. Lernerfahrung ist dabei für mich das Wichtigste. Man bekommt eine Menge Handwerkszeug mit auf dem Weg. Vom Erstellen und Halten professioneller Präsentationen bis hin zu Projektmanagement. Aber noch wichtiger: Man lernt, was einem liegt und was man will, wie es bei vermeintlichen Traumarbeitgebern zugeht oder welche Karrieremöglichkeiten man bei expandierenden Mittelständlern hat. Man lernt auch welche Rolle man im Team einnimmt oder ob man Führungsqualitäten hat. All das hilft unheimlich bei der späteren Planung der eigenen Karriere. Die Referenzen im Lebenslauf und die Kontakte unterstützen den Studenten dann, diese Karriere auch tatsächlich einschlagen zu können. Was muss Ihrer Meinung nach jeder Bewerber zum Bewerbungsgespräch an Erfahrungen mitbringen? Praktische Erfahrungen in der Wirtschaft sollte jeder vorweisen können. Dabei gilt: je intensiver, je anspruchsvoller, je eigenverantwortlicher, desto besser. Der Name des Unternehmens, bei dem man diese Erfahrungen gemacht hat, ist nicht alles. Wichtiger ist, was man dort gemacht hat. Ist es schwieriger, in einer Consultant-Firma unterzukommen, als in anderen Großkonzernen? Das kommt ein bisschen darauf an, wo man hin will. Als Berater bei den großen Namen der Strategie- und Managementberatung einzusteigen, ist schon schwer, da diese Unternehmen sehr stark über die typischen Hard Facts der Bewerbung selektieren: Noten, Semesteranzahl, Auslandserfahrung etc. Wer einige der Voraussetzungen nicht mitbringt, hat einfach keine Chance. Man darf nicht vergessen, dass Beratungsunternehmen ihre Berater sozusagen „weitervermieten“. McKinsey kann einfach keine Berater mit Dreierschnitt im Diplom für 2000 Euro am Tag und mehr an seine Kunden vermieten. Nur wenige, meist kleinere Beratungen leisten es sich, ihre Leute primär darüber auszuwählen, was sie wirklich können. Welche drei Dinge raten Sie jedem Hochschulabsolventen, während des Studiums gelernt zu haben? 1. Was kann ich gut, und was mache ich gerne? Extrem wichtig für die Berufswahl und einen überzeugenden Auftritt im Bewerbungsgespräch. 2. Lernen und Lernbegeisterung. Denn viel wichtiger als das Gelernte ist, was man noch lernen wird. 3. Anpacken. Die ganze Theorie ist wichtig, aber in der Wirtschaft kommt es auf smarte und pragmatische Lösungen an.