Datenschutz, Patente, Produkthaftung – wie sich das Wirtschaftsrecht verändert

Im weiten Feld des Wirtschaftsrechts tut sich was. Megatrends wie die Digitalisierung und die Globalisierung führen dazu, dass bisher weniger bekannte Rechtsbereiche hohe Nachfrage erfahren. Ob Datenschutz-, Patent- oder Produkthaftungsrecht: Die Zeit verlangt nach neuen Experten. Gefragt sind Juristen mit Begeisterung für IT und Technik. Von André Boße

Datenschutzrecht: Das Thema der Zukunft

Mitte der 1980er-Jahre erhitzte das Thema Datenschutz kurz die deutschen Gemüter. Die Bundesrepublik hatte eine Volkszählung angeordnet – und die Bürger gingen auf die Straße. Man befürchtete den Missbrauch der privaten Daten, der Protest war stürmisch, sogar das Bundesverfassungsgericht beschäftigte sich mit dem Thema, gezählt wurde 1987 dennoch. Man könnte denken, dass Deutschland mit diesen Demonstrationen seinen Sinn für das Datenschutzrecht geschärft hätte – doch das Gegenteil war der Fall. „Nach dem Hype um das Volkszählungsurteil 1984 war der Datenschutz erst einmal in der Exotenecke verschwunden“, sagt Martin Schweinoch, Partner und Fachanwalt für IT-Recht in der Wirtschaftskanzlei SKW Schwarz. Doch das ändert sich nun rasant: „Für die Digitalisierung ist der Datenschutz ein zentrales Thema“, so Martin Schweinoch. „Entwicklungen wie das Internet der Dinge oder die Industrie 4.0 können Unternehmen ohne datenschutzgerechte Gestaltung gar nicht umsetzen.“ Dadurch steigt der Bedarf an anwaltlicher Beratung. „Datenschutzrecht ist im Anwaltsmarkt noch vergleichsweise wenig vertreten, noch nicht einmal ein Prozent der deutschen Anwälte sind Fachanwälte für IT- Recht“, sagt Martin Schweinoch. Verständlich also, dass gut ausgebildeter Nachwuchs beste Chancen hat. Beim Karrierestart kommt es jedoch nicht alleine auf Rechtskenntnisse an. „Im Datenschutzrecht ist es wichtig, Spaß daran zu haben, die technischen Hintergründe von Themen zu verstehen.

Perspektive Inhouse-Karriere

Mit Felix Wittern und Johannes Junker haben zwei Experten des Top-Themas einige Jahre lang als Inhouse-Juristen gearbeitet. „Die Erfahrungen nützen mir in meiner heutigen Arbeit in der Kanzlei“, sagt der Produktsicherheitsexperte Johannes Junker. Er versteht die für Unternehmen typischen Abläufe, kann die Ziele besser einschätzen. Wichtig sei jedoch, als Inhouse-Jurist seine Karriereziele nicht aus den Augen zu verlieren. Sonst könne es passieren, dass man als interner „Jurist für alles“ den Anschluss an die Trends in den Kanzleien verpasst.
Ein gewisses Grundverständnis moderner Techniken, insbesondere der Datenverarbeitung in Netzen, ist zwingend erforderlich“, sagt Dr. Felix Wittern, Partner in der Kanzlei Fieldfisher und dort Experte für Datenschutzrecht. Für ihre Mandanten suchen die Datenschutzrechtler Antworten auf drei Fragen, die sich im Zuge der Digitalisierung der Geschäfte ergeben: Wie kann erstens der internationale Datentransfer organisiert werden? Zweitens: Wie kann Compliance gewährleistet werden? Drittens: Welche datenschutzrechtlichen Probleme ergeben sich durch die Einführung neuer Produkte? „Üblicherweise kommen die Mandanten zunächst mit einem speziellen Problem zu uns, welches dann oft eine strukturelle Prüfung der gesamten datenschutzrechtlichen Situation im Unternehmen nach sich zieht“, so Felix Wittern. „Mit anderen Worten: Der Auslöser ist oftmals eher klein, er öffnet dann aber die Tür für weitere wichtige Themen.“ Bei der Arbeit mit den Mandanten gehe es häufig darum, die Unternehmen für das Datenschutzrecht zu sensibilisieren. „Dafür gehen wir im Regelfall gemeinsam ihre Systeme durch, um Risiken zu prüfen und Antworten darauf zu finden, wie man technisch und rechtlich darauf reagiert“, so der Datenschutzrechtler von Fieldfisher. Um diese Arbeit zu leisten, müssen Datenschutzrechtler in zwei Bereichen immer am Ball sein: „Wir beobachten nicht nur die technischen Entwicklungen wie Smart-TV, autonom fahrende Autos oder Industrie 4.0. Es kommt auch darauf an, sehr früh rechtliche Entwicklungen und ihre Hintergründe zu erkennen. So können wir unsere Mandanten frühzeitig über neue Entwicklungen informieren und diese in der Beratung umsetzen“, sagt Martin Schweinoch. Das große Thema der kommenden Monate wird dabei die neue EU-Datenschutzverordnung sein, die bis April 2016 vom EU-Parlament beschlossen sein soll und das deutsche Bundesdatenschutzgesetz ablöst. „Aus dem vereinheitlichten EU-Datenschutzrecht werden sich zahlreiche neue Fragen ergeben“, vermutet der Fieldfisher-Partner Felix Wittern. Wichtige Themen für die Zukunft seien neue Bezahlsysteme, die zunehmend das Bargeld ablösen, sowie Datenschutzregeln für digitale Messgeräte, mit denen Privathaushalte ihren Energieverbrauch steuern, aber auch viele Daten preisgeben.

Patentrecht: Chancen für Technikfreunde

Wer als Jurist in der Freizeit gerne in Baumärkte geht, zu Hause immer die neueste Technik am Start hat und leidenschaftlich am Auto bastelt, bringt die wichtigste Voraussetzung für eine Karriere im Patentrecht mit. „Es kommt insbesondere auf Interesse an Technik und Erfindungen an“, sagt Dr. Bernd Allekotte, Rechtsanwalt mit dem Tätigkeitsschwerpunkt Patentrecht in der Kanzlei Grünecker. Die Palette der Techniken, um die sich das Patentrecht kümmert, ist breit. „Sie reicht von Erfindungen in der Mechanik über neue chemische Stoffe bis hin zu vorteilhaften Übertragungsverfahren in der Telekommunikation“, skizziert der Jurist. Die besondere Herausforderung für Patentrechtsanwälte sei es, das Thema auch technisch zu durchdringen. „Das erfordert schon mal, sich viele Stunden damit auseinanderzusetzen.“ Kern der Arbeit sei es dann, auch die komplexesten Technologien so darzustellen, dass die Zivilgerichte verstehen, worum es geht. In der EU ist Deutschland schon jetzt das Land mit den meisten Patentrechtprozessen.
Datenschutz-, Patent- und Produkthaftungsrechtler sind im Wirtschaftsrecht besonders gefragt.
Der Bedarf an Experten ist bei Kanzleien mit dem Schwerpunkt Patentrecht entsprechend groß. Das für 2017 erwartete EU-Patent („Unitary Patent“) sowie das zugehörige EU- Patentgericht („Unified Patent Court“) werde die Patentszene zusätzlich durcheinanderwirbeln, glaubt Bernd Allekotte: „Bislang konnten die deutschen Gerichte immer nur für den Raum Deutschland urteilen. Das neue EU-Patentgericht hingegen hat eine Zuständigkeit für die gesamte EU, also einen ähnlich wichtigen Wirtschaftsraum wie die USA oder China.“ Das werde dazu führen, dass noch mehr Patentstreitigkeiten geführt würden als ohnehin schon. Außerdem wird der deutsche Markt internationaler werden, „da ausländische Anwälte diesen lukrativen Markt nicht allein den deutschen Juristen überlassen werden“.Verringert das die Einstiegschancen für den deutschen Nachwuchs? Keineswegs, sagt Bernd Allekotte. „Im Gegenteil, die Entwicklung führt zu erheblichen Karrierechancen im Patentrecht. Denn die Teams, die sich mit den immer komplexeren und internationalen Verfahren beschäftigen, werden wachsen.“ Weil zudem die Anzahl der Juristen, die sich wirklich für Technik begeistern, weiterhin begrenzt ist, haben Juristen mit Technikherz sehr gute Aussichten.

Produkthaftungsrecht: In die Produktion eingebunden

Wenn Dr. Johannes Junker, Experte für Produktsicherheitsrecht in der Kanzlei Kümmerlein, verdeutlichen soll, warum sein Schwerpunkt in Zukunft immer wichtiger wird, verweist der Jurist auf die autonom fahrenden Autos. „Wenn eines Tages nicht mehr der Mensch fährt und lenkt, sondern die Verantwortung an das Auto abgibt, kann man sich vorstellen, welche rechtlichen Fragen sich ergeben, wenn ein Unfall passiert.“ Bislang holen Unternehmen die Experten für Produktsicherheit und Produkthaftung oft erst dann an Bord, wenn es bereits brennt – als „Feuerwehrmann“, wie Johannes Junker sagt. „Viel besser ist es natürlich, wenn der Jurist schon in der Entwicklungsphase des Produkts dabei ist.“

Man spricht Englisch

Das Wirtschaftsrecht wird technischer und internationaler. Damit gewinnen die Fremdsprachenkenntnisse weiter an Bedeutung. Ohne sehr gute Englischkenntnisse geht nichts, wobei in diesem Zusammenhang das technische Englisch immer wichtiger wird: Fachbegriffe müssen genauso sitzen wie Maßeinheiten und andere technische Besonderheiten der englischen Sprache.
Langsam, aber sicher verstehen das auch die Unternehmen: „Sie beginnen zu erkennen, dass es einen Mehrwert darstellt, wenn sie früh juristisch beraten werden. Insbesondere können so Folgeprobleme von falschen Entscheidungen vermieden werden, was dem Mandanten viel Geld sparen kann.“ Zu den wichtigen Kompetenzen eines Experten für Produktsicherheit und -haftung zählt, in den großen Unter- nehmen Querverbindungen zwischen den Ingenieuren auf der einen und den Inhouse-Juristen auf der anderen Seite aufzubauen. „Häufig haben beide Lager bislang kaum etwas miteinander zu tun“, sagt Johannes Junker. Um das zu ändern und selbst eng mit den Produktentwicklern zu kooperieren, benötigt der Jurist technische Grundkenntnisse. „BWL für Juristen gibt es schon“, sagt Junker. „Es wäre sinnvoll, über ähnliche Weiterbildungen für Technik nachzudenken.“ Was seinen Schwerpunkt außerdem besonders mache, sei die Vielfalt der Rechtsquellen, die er heranzieht. „Der Zivilrechtler hat sein BGB, der allgemeine Öffentlichrechtler schaut ins Verwaltungsverfahrens- und ins Polizeigesetz. Ich habe neben den Gesetzen auch mit den technischen Normen zu tun, also zum Beispiel den berühmten DIN-Vorgaben.“ Für Ingenieure erscheinen diese Normen wie Gesetze, „mit juristischem Handwerkszeug findet man durchaus Wege, diese Vorgaben auch über deren Wortlaut hinaus auszulegen. Zum Beispiel, wenn eindeutig ist, dass sich die DIN-Norm technisch längst überholt hat.“ So verschafft der anwaltliche Berater seinem Mandanten im Idealfall zusätzliche Freiheiten für Innovation. Er wird zum „Enabler“, zum Ermöglicher. Und das ist noch attraktiver, als nur die Rolle des Feuerwehrmannes zu spielen.

karriereführer wirtschaftswissenschaften 1.2016 – Wirtschaftsprüfung

0

Cover karriereführer wirtschaftswissenschaften 1.2016

Wirtschaftsprüfung – Arbeitswelt im Wandel

Je komplexer die Wirtschaft, desto größer der Bedarf an Analysten. Unternehmen sehen Wirtschaftsprüfer daher längst nicht mehr nur als gesetzlich vorgeschriebene Instanzen. Sie nutzen die Kenntnisse der Prüfer, um Schwachstellen zu finden und Chancen zu nutzen. Einsteiger treffen damit auf eine spannende Wachstumsbranche, die vom Nachwuchs erwartet, sich insbesondere in IT-Themen einzuarbeiten.

Der Wandertherapeut

Diplom-Psychologe Harald Krutiak ist Wandertherapeut. Sprich: Er wartet nicht, bis die Klienten zu ihm kommen. Er geht dorthin, wo die Menschen sind. Das Interview führte André Boße.

Herr Krutiak, haben wir tatsächlich alle mehr oder weniger einen Knacks? Sagen wir so, wir wachsen alle mit bestimmten Herausforderungen auf. Mal sind sie größer, mal kleiner. Die wichtige Frage ist nun: Was machen wir damit? Wie gehen wir mit suboptimalen Einflüssen um?

Zur Person

Harald Krutiak, Foto: Privat
Harald Krutiak, Foto: Privat
Für den SWR bezog Diplom-Psychologe Harald Krutiak in der City von Freiburg einen Wohnwagen – und wartete auf Kundschaft. Und die kam. Was Krutiak nicht überrascht: Schließlich schleppen wir alle unsere Herausforderungen mit uns herum.
Was raten Sie? Ein wichtiges Stichwort ist hier die Resilienz. Das Ziel muss sein, dass die Belastungen keinen Schaden verursachen, sondern ich im Idealfall daran wachse. Einigen gelingt das selbst. Andere benötigen dafür Hilfe von außen. Von welchen Belastungen berichten Ihnen junge Menschen vor dem Einstieg ins Berufsleben? Die Zeit zwischen Studium und Einstieg ist noch durch die Identitätsfindung geprägt. Zwar verdienen heute viele Studenten bereits ihr eigenes Geld, dennoch beginnt mit der Berufszeit die Lebensphase, in der man tatsächlich für sich selbst verantwortlich ist. Dadurch ergeben sich eine Menge neuer Herausforderungen, die schnell mit der Kenntnis einhergehen, dass man die Komfortzone der Jugendjahre verlassen hat. Haben Sie bei den Sendungen etwas über die Menschen und ihre Probleme gelernt? Es hat sich immer wieder gezeigt, dass die Lösungen für die Probleme sehr häufig bereits in den Menschen angelegt sind. Ich traf zum Beispiel eine Frau mit einem zwanghaften Kontrollbedürfnis. Schnell wurde klar, dass sie in Momenten, in denen es ihr gut geht, anders atmet als in den Situationen, in denen sie sich im Kontrollmodus befindet. Alleine dafür die Wahrnehmung zu schärfen, hat viel Positives bewirkt. Sprich: Geist und Körper beeinflussen sich. Ja. Das sollte jedem klar sein, dennoch gibt es weiterhin eine sehr unglückliche Trennung zwischen psychischen und physischen Problemen. Positiv bewerte ich den neuen Ansatz des Embodiments, bei dem es darum geht, körperliche Einflüsse sowie kognitive und emotionale Prozesse im Wechselspiel zu untersuchen. Können Sie dafür ein Beispiel nennen? Angenommen, Sie sollen im Unternehmen in Ihrem Team über die Lösung eines Problems nachdenken. Das gelingt Ihnen besser, wenn Sie sich beim Nachdenken aufrichten, als wenn Sie mit vorgebeugten Schultern im Raum stehen. Denn wenn der Körper sich hängen lässt, sendet er dem Gehirn Signale, es ihm gleich zu tun.
Wie findet man einen Coach? www.coach-datenbank.de
Ist es gut, wenn Unternehmen verstärkt auf die Hilfe von Coaches setzen? Prinzipiell ja. Problematisch kann sein, wenn der Coach für das Unternehmen tätig ist. Dann nämlich hat seine Arbeit ein übergeordnetes Ziel: Die Leistung der Mitarbeiter soll optimiert werden. Das Wohl des einzelnen Klienten, zum Beispiel die Selbstentfaltung, steht also nicht unbedingt im Mittelpunkt. Besser ist es daher, wenn die Unternehmen ihren Mitarbeitern die Zeit zur Verfügung stellen, einen Coach zu besuchen – dieses Angebot jedoch nicht direkt im Unternehmen verankert ist. Zum Abschluss: Ihr Coaching-To-Go-Ratschlag für den alltäglichen Gebrauch? Reden Sie mit Freunden! Jede Perspektive von außen schützt einen vor der Gefahr, immer wieder in den gleichen Bahnen zu denken.

New Work: Heute wissen, was wir morgen tun

Dr. Isabelle Kürschner gehört zu den führenden Experten im Bereich New Work. Sie berät Arbeitgeber in den Bereichen Organisationsentwicklung und strategisches Personalmanagement. Als Referentin gewährt sie spannende Einblicke in die Zukunft der Arbeit. Ihr Motto: Wir machen uns die Arbeitswelt, wie sie uns gefällt. In ihrem Gastartikel beantwortet sie fünf Fragen zu New Work.

Unsere Arbeitswelt befindet sich in einem rasanten Wandel. Daher kann keiner exakt vorhersagen, wie wir in 20, 30 oder gar 50 Jahren arbeiten werden. Logischerweise fällt es jedem schwer, heute akribisch vorauszuplanen, wie der eigene Berufsverlauf über die nächsten Jahrzehnte aussehen wird. Die in Vorstellungsgesprächen häufig gestellte Frage „Wo sehen Sie sich in fünf oder zehn Jahren?“ halte ich aus diesem Grunde für ebenso wenig zeitgemäß wie zielführend.

New Work, Bild: Goldegg
New Work, Bild: Goldegg

Isabelle Kürschner: New Work. Wie wir morgen tun, was wir heute wollen. Goldegg 2015. 19,95 Euro

www.isabellekuerschner.com

Worauf es ankommt, ist vielmehr: Wir sollten dem Wandel offen entgegentreten. Uns bewusst darüber werden, dass sich nicht nur die Art und Weise, wie wir arbeiten, sondern auch unsere Einstellung gegenüber der Arbeit an sich verändern wird. Neuem nicht mit Angst, sondern mit Neugier begegnen. Mut haben, Dinge anzupacken und in unserem Sinne mitzugestalten.

Je mehr wir uns über die Zukunft der Arbeit informieren, desto besser können wir uns auf sie vorbereiten. Damit wir rechtzeitig wissen, welche Qualifikationen wir besitzen müssen, welchen Netzwerken wir angehören sollten, auf welchen Plattformen wir uns bewegen können und mit welchen Mitstreitern wir uns verbünden wollen. Wissen ist Macht, und je mehr Kenntnisse wir über die Arbeitswelt der Zukunft haben, desto mächtiger können wir uns ihr stellen. Natürlich gibt es aber auch Fragen, auf die sich heute schon Antworten finden lassen. Diese fünf gehören dazu:

Wen wird New Work überhaupt betreffen?
Bis heute glauben viele, dass die neuen Möglichkeiten in der Arbeitswelt nur einem kleinen Kreis von Auserwählten zugutekommen werden. Doch der Wandel macht vor nichts und niemandem halt. Beispiele gibt es heute schon genug:

Ärzte sitzen Patienten gegenüber, die sich im Internet bereits umfassend selbst diagnostiziert haben. Unter Umständen nehmen ihnen schlaue Uhren oder Armbänder auch Routineaufgaben wie Blutdruck- oder Herzfrequenzmessungen ab, warnen Patienten vor Übergewicht, falscher Ernährung oder zu wenig Bewegung. Lehrer und Professoren müssen online Bewertungen über sich und ihre Leistung ergehen lassen. Rechtsberatung findet nicht mehr zwangsläufig in der Anwaltskanzlei statt, sondern immer häufiger auch im Internet. Sekretäre und Assistenten brauchen heute nicht mehr im Büro nebenan zu sitzen, sondern können uns auch von ihren Schreibtischen in Mumbai, Bangalore oder Sofia aus unterstützen.

Gerade junge Menschen erheben immer häufiger den Anspruch, Reichtum jenseits von materiellem Einkommen anzuhäufen, in Form von Zeit, Freiheit und der Möglichkeit zur Selbstverwirklichung.

Fakt ist: Nahezu jede einzelne Berufsgruppe ist vom Wandel durch die Digitalisierung betroffen, Widerstand ist zwecklos. Das heißt nicht, dass wir alle arbeitslos werden und untergehen. Wir haben sogar gute Chancen, als Gewinner aus dem Prozess hervorzugehen. Aber wir müssen wachsam sein, Möglichkeiten erkennen und auch ergreifen. Je mehr wir darüber in Erfahrung bringen und je besser wir uns darauf vorbereiten, desto größer sind unsere Chancen, in Zukunft zu den heiß begehrten Fachkräften zu gehören.

Werden die Absolventen von Morgen überhaupt noch Arbeit haben? Ganz bestimmt sogar. Zwar besagt eine aktuelle Oxford-Studie, dass in zehn bis zwanzig Jahren 47 Prozent der heutigen beruflichen Tätigkeiten voll automatisiert erledigt werden können. Doch das heißt nicht, dass dies auch der Fall sein muss. Denn was technisch möglich ist, macht in der Praxis nicht immer Sinn oder rechnet sich betriebswirtschaftlich. Maschinen hin oder her, den Bedarf an Fachkräften werden sie nicht decken können, insbesondere im Dienstleistungssektor. Das Arbeitszeitpensum wird Prognosen zufolge eher zu- als abnehmen; so müssen im Jahr 2030 voraussichtlich 13 Milliarden Arbeitsstunden geleistet werden, im Vergleich zu den 11 Milliarden geleisteten Stunden im Jahr 2010.

Was bietet uns die neue Arbeitswelt?
Vor allem eines: mehr Freiheit. Damit eröffnen sich für uns wunderbare Möglichkeiten, unser Arbeitsleben so zu gestalten, wie es uns gefällt. Dazu gehört, dass wir uns nicht nur am Beginn unserer Berufslaufbahn, sondern auch mittendrin oder sogar gegen Ende immer wieder neu entscheiden können, welche Tätigkeiten unseren Erfahrungen und Fähigkeiten entsprechen. Das kommt vielen von uns entgegen. Gerade junge Menschen erheben immer häufiger den Anspruch, Reichtum jenseits von materiellem Einkommen anzuhäufen, in Form von Zeit, Freiheit und der Möglichkeit zur Selbstverwirklichung.

Welche Kompetenzen werden besonders gefragt sein?
Auch wenn noch viel Raum für Gestaltung bleibt, so scheinen einige Vorhersagen sehr plausibel: Tätigkeiten, bei denen soziale Kompetenzen, persönliche Interaktion und Kommunikation benötigt werden, haben wohl die besten Chancen zu überleben. Beratung, Verhandlung und Problemlösung werden auch weiterhin in Menschenhand bleiben, ebenso wie weite Bereiche der Medizin, Pflege und Erziehung. In den Natur- und Ingenieurwissenschaften werden insbesondere diejenigen gefragt sein, die mit kreativer Intelligenz Entwicklungen vorantreiben und Probleme lösen können. Ganz egal, in welchem Berufsfeld wir heute und in Zukunft tätig sind: Gute Chancen auf Beschäftigung haben Personen, die neben ihren Fachkenntnissen auch über innovative und soziale Fähigkeiten verfügen und diese stetig erweitern.

Redaktionstipps zum Thema New Work

New Work Award: Preis für neue Konzepte der Arbeit
Eine hochkarätig besetzte Jury hat folgende Unternehmen mit dem Preis für zukunftsweisendes Arbeiten ausgezeichnet:
1. Robert Bosch für lebensphasenorientierte Arbeits(zeit)modelle
2. Bauunternehmen Heitkamp & Hülscher für die Beteiligung der Mitarbeiter am Unternehmen
3. Das Grazer Start-up Bike Citizens für die 4-Tage-Woche für jeden Mitarbeiter
newworkaward.xing.com

New-Work-Buch: Aufbruch in eine neue Arbeitswelt
Das erste kostenlose Standardwerk zur Zukunft der Arbeit mit Beiträgen von über 35 Autoren.
newworkbook.xing.com

Megatrend New Work
Das Zukunftsinstitut zeigt auf einer Megatrend-Mal die Facetten der New Work
www.zukunftsinstitut.de/artikel/megatrend-map-die-facetten-der-new-work

Work-Life-Romance statt Work-Life-Balance

Robert Kötter ist Coach, Vortragsredner und Gründer von Work-Life-Romance. Er berät seit über zehn Jahren Organisationen im Umbruch und hilft Menschen dabei, den Beruf zu finden, der zu ihrem Leben passt, sodass sich Arbeit und Leben gegenseitig bereichern und beflügeln. In seinem Gastartikel gibt er Tipps, wie man einen Job findet, in dem sich die eigenen Talente, Interessen und Werte sinnvoll ergänzen.

Als Sie in die Schule gekommen sind, haben Sie wahrscheinlich diesen Satz gehört. Beim Wechsel von der Grundschule in die weiterführende auch. Und natürlich beim Schulabschluss, auf dem Abiball oder beim Studienstart: Jetzt beginnt der Ernst des Lebens. Meiner Erfahrung nach stimmt das nur halb. Sicher verdient eine gelungene Ausbildung Anerkennung, aber erst, wenn Sie damit beginnen, Ihren Lebensunterhalt allein zu bestreiten, haben Sie im Arbeitsleben eine wichtige Hürde genommen. Das kann man dann mit Fug und Recht den Ernst des Lebens nennen und dafür möchte ich Ihnen sieben Tipps mit auf den Weg geben, die helfen sollen, den richtigen ersten Schritt zu machen. Tipp 1: Sammeln Sie Erfahrungen Ich habe nach dem Studium als Reiseleiter in Japan und nebenbei frei für eine Unternehmensberatung gearbeitet. Marius Kursawe, mein Co-Gründer von Work-Life-Romance, hat nach dem Magister ein langes Praktikum bei einem Autohersteller absolviert. Waren das unsere Traumjobs? Nein. Aber wir haben viel dabei gelernt. Vor allem das, was im Studium fehlte. Und diese Erfahrungen waren prägend für alles, was danach kam. Anders gesagt: Ohne die vielen verschiedenen Jobs, die wir in den ersten Jahren nach dem Studium hatten, hätten wir unsere Firma nicht gründen können. Tipp 2: Es gibt keine vorgefertigten Wege „Im Mittelstand, da kann man Karriere machen“, war mal ein gern gegebener Ratschlag. Auch der Karrieretipp, dass Sie genau X Praktika hinter sich bringen müssen, um dann endlich bei Y arbeiten zu können: beides Quatsch. Die Zeit, in der es vorgefertigte Karrierewege gab, ist vorbei. Es gibt kaum noch unbefristete Verträge, und gleichzeitig haben die wenigsten Menschen heute noch Lust, jahrelang im selben Job zu sein. Auch wenn es beruhigend sein kann, genau zu wissen, was kommt – lassen Sie sich auf das Ungewisse ein. Es wird sowieso anders kommen, und die beste Vorbereitung ist immer noch: „Expect the unexpected!“

Buchtipp

Cover Design your Life, Bild: Campus
Cover Design your Life, Bild: Campus
Robert Kötter, Marius Kursawe: Design Your Life: Dein ganz persönlicher Workshop für Leben und Traumjob. Campus 2015. 29,99 Euro
Tipp 3: Ihre Chance: Die Arbeitswelt verändert sich rasant OK, die Zukunft lässt sich nicht vorhersagen. Trends sehen wir trotzdem: Die Arbeitswelt verändert sich rasend schnell und wird nie wieder so sein, wie unsere Eltern sie kannten. Die ganz großen Entwicklungen sind ja bekannt: Globalisierung, Digitalisierung, Automatisierung, Zeitverträge und Zeitarbeit, Billiglohn und Mindestlohn … Schon wie Sie studiert haben, unterscheidet sich fundamental von meiner Zeit an der Uni. Mein Arbeitsalltag heute – mobil, digital und flexibel – ist meilenweit von dem meiner Eltern entfernt. Was ich damit sagen will? Sie kommen 2016 in einen Arbeitsmarkt, der sich so radikal umbaut, dass selbst wir Experten nicht genau sagen können, was passieren wird. Sehen Sie das als Chance. Sie sind Teil von etwas völlig Neuem. Probieren Sie etwas aus. Nutzen Sie Ihr Know-how. Gestalten Sie die Arbeitswelt mit, statt daran zu verzweifeln. Tipp 4: Schaffen Sie sich eine Arbeit statt danach zu suchen Die meisten Absolventen, mit denen wir zu tun haben, fragen uns Dinge wie: „Soll ich mich mit oder ohne Foto bewerben?“ oder „Wie soll ich mein Anschreiben gestalten?“. Ganz ehrlich? Fragen Sie jemand anderen. Viel wichtiger ist aus unserer Sicht Ihre Antwort auf die Fragen: Was und wie wollen Sie arbeiten? Und wofür? In unseren Seminaren, in denen wir Menschen dabei helfen, ihren Traumjob zu gestalten, sitzen viele ehemalige Studenten, die sich wünschten, sie hätten sich diese Fragen vor 20 Jahren gestellt – als sie so alt waren wie Sie jetzt! Nehmen Sie sich die Zeit dafür jetzt. Und dann gestalten Sie sich den passenden Job. Das bringt letztendlich viel sicherer Erfüllung, Sinn und Zufriedenheit. Tipp 5: Vergessen Sie Ihren Lebenslauf Sie wollen einen aufpolierten Lebenslauf? Gut. Sicher werden Sie viele Personaler damit beeindrucken. Und sicher gehen damit ein paar Türen auf. Vielleicht werden Sie damit einen „guten Job“ finden. Ob Sie damit glücklich sein werden, ob Sie dort gerne arbeiten, ob Sie in der Tätigkeit aufgehen und das Gefühl haben, genau am richtigen Platz zu sein – das steht auf einem anderen Blatt. Unsere Erfahrung zeigt deutlich, dass es sich viel mehr lohnt, auf das Bauchgefühl zu hören als an den Lebenslauf zu denken. Tipp 6: Machen Sie den Realitätscheck Wir kennen viele Studenten, die sagen, sie würden wirklich gerne Journalist werden, Missstände aufdecken, aus Krisengebieten die Wahrheit berichten und die Welt zu einem besseren Ort machen. Idealismus ist ein wichtiger Antrieb, aber um herauszufinden, ob Ihre Vorstellung von einem Beruf sich mit der Realität deckt, reicht das nicht aus. Sie müssen den Beruf erfahren, mit ganz vielen Menschen sprechen, hospitieren, ausprobieren und einfach machen. Vieles wird sich nicht bestätigen, anderes dafür immer klarer werden. Und damit helfen Sie sich selbst am meisten.

Linktipp

www.workliferomance.de www.facebook.com/workliferomance
Tipp 7: Streben Sie nach Work-Life-Romance Der wichtigste Tipp zum Schluss: Arbeitszeit ist auch Lebenszeit. Die meisten Deutschen verbringen die meiste Zeit unter der Woche auf der Arbeit und mit ihren Kollegen. Deshalb sollte Arbeit mehr sein als nur Gelderwerb. Wenn Sie von Anfang an darauf achten, dass Sie etwas tun, was Ihnen wichtig ist, dass Sie in einem guten Umfeld sind und die Arbeit genießen, dann haben Sie schon vieles richtig gemacht. Alle Burn-out-Kliniken können ein Lied davon singen: Arbeit kann krank machen. Deswegen haben wir das Ideal von Work-Life-Romance so definiert: ein Zustand, in dem Arbeit und Leben sich gegenseitig bereichern und beflügeln. Wenn Sie es schaffen, diesen Zustand so oft wie möglich herbeizuführen, dann ist der Ernst des Lebens auch noch Spaß und Sinn zugleich.

Interview mit Maria Dietz

Maria Dietz studierte BWL und stieg dann beim IT-Dienstleister GFT ein. Dort rückte sie bis ins Top-Management vor und sitzt heute im Verwaltungsrat des Unternehmens. Im Interview erzählt sie, was passieren muss, damit mehr Frauen die IT-Branche für sich entdecken und in den Unternehmen Karriere machen. Die Fragen stellte André Boße.

Frau Dietz, warum hat die IT-Branche so große Schwierigkeiten, den Anteil weiblicher Fach- und Führungskräfte zu erhöhen? Passt die Arbeit nicht? Oder haben junge Frauen zu viele Vorurteile – und entscheiden sich deshalb anders? Weder noch. Erstens glaube ich, dass gerade die IT-Branche attraktive Karrierechancen für Frauen bereithält. Die Branche ist hoch innovativ, die Strukturen sind offener und nicht so fest zementiert, wie in den traditionellen Branchen. Der Grund liegt auf der Hand: Die IT-Unternehmen waren schon immer davon abhängig, viele gute Leute zu rekrutieren. Also haben sie die Jobs von Beginn an attraktiv gestaltet, wovon der Nachwuchs profitiert – auch mit Blick auf Frauen.

Zur Person

Maria Dietz studierte BWL mit der Fachrichtung Finanz- und Rechnungswesen sowie Internationales Marketing und stieg 1990 bei GFT Technologies ein. Bis zum Börsengang im Jahr 1999, den sie aktiv begleitete, verantwortete sie den gesamten kaufmännischen Bereich des IT-Dienstleisters. In den Jahren nach dem Börsengang konzentrierte sie sich auf die Entwicklung des Marketings. Im Zuge der internationalen Expansion verantwortete sie bei den damit verbundenen Unternehmenskäufen die entsprechenden Due- Diligence-Projekte. Von 2003 bis 2010 baute sie die Bereiche Recht und Interne Revision auf. Im Jahr 2010 übernahm Maria Dietz die Leitung des weltweiten Einkaufs der gesamten GFT Gruppe. Seit Juni 2015 sitzt sie im Verwaltungsrat des Unternehmens.
Bleiben noch die Vorurteile. Ich glaube, sie haben häufig keine Vorurteile. Sondern schlicht und einfach keine Vorstellungen davon, wie ein IT-Unternehmen funktioniert, was wir eigentlich machen und welche Jobs, Rollen und Inhalte es gibt. Na ja, und wenn die jungen Frauen eine Vorstellung von der IT-Branche haben, dann vielleicht tatsächlich eine vorurteilsbehaftete. Unsere Branche muss also Aufklärungsarbeit leisten. Klar machen, was man bei uns tun kann, welche Fähigkeiten man mitbringen muss und was man erreichen kann. Die zwei Schlüsselbegriffe habe ich eben schon erwähnt, sie lauten Innovation und Flexibilität. Können Sie uns konkrete Beispiele für spannende Jobprofile nennen, von denen Sie denken: Das wäre unbedingt etwas für ambitionierte Frauen? Da gibt es eine ganze Menge! So zum Beispiel die Position der Projektleiterin, in der sie sowohl fachlich Projekte lenken und verantworten als auch organisatorisch das Team steuern. Hier geht es um Management- und Führungsaufgaben, aber auch um die Kommunikation mit den Mitarbeitern und den Kontakt mit dem Kunden, um dessen Bedürfnisse herauszufiltern. Auch Bereiche wie das Change-Management oder die IT-Beratung bieten spannende Möglichkeiten, um das Wissen und die Interessen junger Frauen zur Entfaltung zu bringen. Aufpassen müssen wir, dass wir für die Frauen in den IT-Unternehmen nicht nur Positionen in den Bereichen finden, in denen sie ohnehin stark vertreten sind – sprich Personal, Marketing oder Kommunikation. Ihr Unternehmen hat einen hohen Anteil an Frauen in führenden Positionen – gerade auch in ansonsten männerdominierten Bereichen. Wie ist Ihnen das gelungen? Es gibt sicherlich eine Vielzahl von Gründen, ein wichtiger: Wir bieten unserem weiblichen Nachwuchs genügend Vorbilder – also Frauen, die auf allen Ebenen unseres Unternehmens Führungspositionen wahrnehmen. Sie verantworten nicht nur Bereiche im mittleren oder hohen Management, sondern auch in der obersten Führungsetage – sprich unter den geschäftsführenden Direktoren und im Verwaltungsrat. Bester Beleg ist das Feedback aus zahlreichen Vorstellungsgesprächen. Dort höre ich oft, dass mir Bewerberinnen sagen: „Es stellt sich mir nicht die Frage, ob ich bei Ihnen als Frau Karriere machen kann. Das erkenne ich alleine daran, welche zentralen Positionen bei Ihnen von Frauen verantwortet werden.“ Die neueste Bitkom-Studie aus dem Herbst 2015 hat erhoben, dass bei den deutschen IT-Unternehmen der Anteil der Frauen im Top-Management bei 4,9 Prozent liegt. Wir haben im Verwaltungsrat einen Anteil von 28,5 Prozent und bei den geschäftsführenden Direktoren 33 Prozent. Wer Frauen tatsächlich im Top-Management hat, wirkt glaubwürdig. Hinzu kommt, dass es bei uns keine Präsenzkultur mehr gibt. Sprich: Es gilt nicht mehr, dass, wer lange arbeitet, auch gut arbeitet. Genau. Das ist sowieso Unfug, weil eine lange Arbeitszeit nicht automatisch eine effiziente ist. Vor allem aber ist eine solche Kultur schwierig für Frauen oder generell für Eltern mit jungen Kindern. Bei uns ist die Arbeitszeit tatsächlich flexibel. Und mal ganz ehrlich: Wenn ein IT-Unternehmen es nicht hinbekommt, Arbeit flexibel zu organisieren – ja wer denn dann? Wir haben schon aus professionellen Gründen längst die neuen Möglichkeiten der Teamarbeit und Kommunikation lieb gewonnen. Und über die Technik verfügen wir auch. Ist doch klar, dass unsere Mitarbeiter das nutzen. Das klingt alles logisch, gerade deshalb noch einmal die Frage: Warum fühlen sich nicht mehr Frauen von der Branche angezogen? Warum das geringe Interesse – und die damit einhergehende Unwissenheit? Ich muss in diesem Zusammenhang auf die Medien zu sprechen kommen, gerade auch auf Fernsehserien oder TV-Shows. Es ist bekannt, dass die Medien in den Phasen der Berufswahl einen großen Einfluss ausüben. Wenn Sie sich jetzt einmal anschauen, welche Berufe die gut aussehenden und erfolgreichen Frauen in den Daily Soaps, Serien oder Filmen haben, dann sehen Sie: Das sind Ärztinnen, Anwältinnen, Medien- oder Werbeprofis. Tauchen da mal coole Ingenieurinnen auf? Oder IT-Spezialistinnen? Da ist es doch klar, dass sich so wenige Frauen für Karrieren in den MINT-Berufen interessieren. Na ja, und wenn denn diese technischen Berufsbilder mal dabei sind, dann werden sie häufig negativ überzeichnet. Ich würde mir wünschen, dass es mal eine coole ITlerin geben würde, die fantastische Apps programmiert, weltweit virtuelle Teams leitet und ein erfolgreiches Leben führt. In diesem Sinne sind Frauenkarrieren wie die von Yahoo-Chefin Marissa Mayer Gold wert, oder? Fantastisch. Auch Sheryl Sandberg, COO von Facebook, ist ein wunderbares Vorbild für junge Frauen. Es ist toll, dass diese und andere erfolgreiche IT-Frauen auch rausgehen und über ihre Karriere und ihre Arbeit reden. Nur: Es müssten noch viel mehr sein. So viele, dass auch die Frauen, die denken, MINT sei etwas für Männer, umdenken.

Veranstaltungstipp

CODE_n Das international ausgerichtete Innovationsfestival CODE_n findet vom 20. bis 22. September in Karlsruhe statt. Bei dem Event von GFT Technologies dreht sich alles um Innovationen, junge und etablierte Unternehmen, den digitalen Wandel und traditionelle Branchen im Umbruch. www.code-n.org

Querdenker gesucht

Unternehmen brauchen Mitarbeiter, die nicht nur Fachwissen mitbringen, sondern auch kreativ sind, unkonventionelle Lösungen finden und in der Lage sind, neue Ideen zu entwickeln. Denn nur, wer mit Denkmustern bricht, hat die Chance, echte Innovationen zu entwickeln. Von André Boße

Querdenker gesucht? Na klar, denn Unternehmen brauchen Mitarbeiter, die ausgetretene Pfade verlassen und ungewöhnliche Ideen einbringen. Einige eindrucksvolle Beispiele, wie wichtig das Querdenken für den Unternehmenserfolg sein kann, gibt in jedem Jahr die Preisverleihung des Querdenker-Clubs, einem Innovationsnetzwerk aus Managern und kreativen Köpfen. Im vergangenen Jahr gewannen zwei Unternehmen, deren Innovationen tatsächlich den Markt auf den Kopf stellen.

So ist es dem Versicherungsdienstleister ControlExpert gelungen, eine App zu entwickeln, die bei einem Autounfall das komplexe Zusammenspiel zwischen Halter, Versicherungen, Gutachtern und Werkstätten innerhalb weniger Tage abwickeln kann – „normalerweise bedarf es eines wochenlangen Prozesses“, begründet der Querdenker-Club seine Entscheidung.

Auf den Kopf gestellt hat der Automobil-Produktentwickler Edag das Produktionsdesign für Fahrzeuge: Statt einer geschlossenen Haut aus Blech setzt das Unternehmen auf eine Skelettstruktur, die mit einer Außenhaut aus Stoff kombiniert wird. „Fahrzeuge sollen und müssen immer leichter werden. Dabei war uns die Gleichung, dass nur leichtere Materialien zu schlankeren Fahrzeugmodellen führen, einfach zu eindimensional“, sagt Johannes Barckmann, Designchef bei Edag. „Wir haben nach einer anderen Strategie gesucht und sie in der Natur gefunden: Eine stabile, skelettartige Struktur, die wir mit Stoff oder anderen Materialien verkleiden können.“

Klug ist also, wer um die Ecke denkt. Denn eines ist dem Designer klar geworden: „Wirkliche Veränderungen im Produktdesign gelingen nur dem, der den Mut hat, aus alten Denkmustern auszubrechen.“ Die meisten Personalchefs würden nicken, wenn man ihnen diese Frage stellt. Unternehmen verkaufen sich gerne als innovativ – und da gehört das Querdenkertum natürlich mit dazu. Gute Zeiten also für Leute, die sich von alten Denkmustern verabschieden?

Weiterlesen?

Querdenkerclub
www.querdenker.de

Different Angles
www.different-angles.ch

Dr. Andrea Derler ist sich da nicht so sicher. Im Rahmen ihrer Dissertation am Lehrstuhl für BWL mit dem Schwerpunkt Personalführung und Organisation der Fernuniversität Hagen hat sie fast 150 Führungskräfte aus Unternehmen diverser Branchen gefragt, welche Qualitäten der Mitarbeiter in der Bewerbungsphase besonders wichtig sind und gut ankommen. Wer glaubt, die Manager seien auf der Suche nach Skills, die man Querdenkern zuordnen kann, täuscht sich.

„Die Top-Drei-Angaben sind Verlässlichkeit, Produktivität und Loyalität“, so Andrea Derler. Vor allem Führungskräfte in sogenannten Konzernkulturen, also in besonders großen Unternehmen, forderten von ihren Beschäftigten viel Leistung und schnelle Resultate. „Konzernmanager hatten in den Befragungen die umfassendsten Vorstellungen von ihrem idealen Mitarbeitenden“, hat sie erfahren. Will heißen: Die Ansichten darüber, welcher Typ von Mitarbeiter schnell und leistungsfähig ist, sind zementiert.

Dabei beobachtete die Studienleiterin einen Widerspruch zwischen Außendarstellung und gelebter Praxis: „Die meisten der befragten Unternehmen sehen sich als innovativ und offen für Neues.“ Dennoch seien Eigenschaften wie Selbstbewusstsein oder das Merkmal, von scheinbar bewährten Firmentrends Abstand zu nehmen, eher unbeliebt. Ein wenig anders ist das bei „flexiblen Organisationen“, also bei Unternehmen, in denen es keine starke Konzernstruktur gibt: „Die Führungskräfte dieser Unternehmen hatten kein konkretes Idealprofil. Der Grund: Sie sind innovationsorientiert und bieten ihren Mitarbeitern Raum, das eigene Potenzial zu entfalten. Diese Unternehmen passen sich nicht einfach nur dem Markt an, sie gestalten ihn auch aktiv.“

Wer auf Querdenker setzt, ist also  vorne mit dabei. Wer nur auf Verlässlichkeit baut, schwebe dagegen in der Gefahr, dass immer wieder ähnliche Kandidaten ausgewählt werden, die das Unternehmen im Zweifelsfall kaum voranbringen. Andrea Derler, die nach ihrer Promotion beim US-Beratungsunternehmen Bersin by Deloitte einstieg, rät daher: „Unternehmen sollten bei der Personalauswahl auch prüfen, welches Innovationspotential Beschäftigte mitbringen.“

Buchtipps

Futurale – Filmfestival mit Zukunftsideen

Digitale Nomaden, die völlig ortsungebunden arbeiten und leben, Unternehmen, die alle Hierarchien komplett abschaffen, ein sozial interagierender Roboter, der in der Altenpflege eingesetzt wird – das klingt nach Zukunft. Und genau darum geht es beim Filmfestival Futurale, das noch bis Herbst 2016 durch Deutschland tourt und in 25 Städten sieben spannende Dokumentarfilme zeigt. Von Leonie Pohlmann

Die Technisierung und Digitalisierung haben die Arbeitswelt von Grund auf verändert. Roboter werden als Arbeitskräfte eingesetzt, Start-ups schießen aus dem Boden, Angestellte fordern flexiblere Arbeitsmodelle – die Veränderung geht weiter. Mit der Frage, wo sie hinführt und wie die Arbeit der Zukunft aussehen könnte, beschäftigt sich das Futurale Filmfestival. Es zeigt deutschlandweit sieben Dokumentarfilme, die sich auf ganz unterschiedliche Weise mit dem Thema auseinander setzen:

Apptipp

APPs für die Barrierefreiheit: Mithilfe der kostenlosen Apps Greta und Starks, die extra für die Futurale entwickelt wurden, sind die Filme auch für Gehörlose und visuell Beeinträchtigte zugänglich.
www.gretaundstarks.de

So beschäftigen sich die Filme beispielsweise mit dem Start-up- Boom in Tel Aviv, dem Phänomen YouTube-Star, der Markteinführung des 3D-Druckers und dem Arbeitsalltag von Menschen in NRW. Im Anschluss an das Programm wird mit Besuchern und Experten aus der Region über die Arbeit der Zukunft diskutiert.

Das Filmfestival ist Teil des Dialogprozesses Arbeit 4.0, den das Bundesministerium für Arbeit und Soziales ins Leben gerufen hat. Dieser Dialog dauert ein Jahr, in dieser Zeit diskutieren Experten aus Wissenschaft und Praxis Fragen wie: Welche Erwartungen haben wir an die Arbeit der Zukunft? Wie wollen wir die Arbeitswelt gestalten? Welche Möglichkeiten und Herausforderungen bringen uns die neuen Entwicklungen, und welche Risiken bergen sie?

Die Ergebnisse werden Ende 2016 in einem Buch zusammengefasst und veröffentlicht. Der Begriff Arbeit 4.0 spielt dabei auf die sogenannte vierte industrielle Revolution an und beschreibt die Veränderungen des 21. Jahrhunderts in unserer Gesellschaft, in der Arbeit zunehmend digitaler und flexibler wird. Über die Website www.arbeitenviernull.de soll der Dialogprozess transparent für die Bürgern werden. Dort und über Social Media können sie sich aktiv einbringen und gezielt mitdiskutieren – genauso wie vor Ort beim Futurale Filmfestival.

Mehr Infos zur Futurale

Termine: 10.-16.3 Saarbrücken, 17.-23.3. Frankfurt a. Main, 7.-13.4. Hannover, 14.-20.4. Potsdam, 21.-27.4. Tübingen, 19.-22.5. Dortmund, 26.5.-1.6. Dresden, 1.-7.9. Koblenz, 15.- 21.9. Bremen, 6.-12.10. Düsseldorf, 13.-19.10. Braunschweig, 27.10.-2.11. Nürnberg Vorführungen laufen bereits seit November 2015.

Buch: Ende des Jahres erscheint ein „Weißbuch Arbeiten 4.0“, in dem die Ergebnisse zusammengefasst werden.

Mitdiskutieren: Auf Twitter kann sich jeder aktiv am Dialog über die Arbeit der Zukunft beteiligen – mit dem Hashtag #arbeitenviernull.

Die Filme: Ik ben Alice; Silicon Wadi; Digitale Nomaden; Please Subscribe; Mein wunderbarer Arbeitsplatz; Deine Arbeit, Dein Leben!; Print the Legend.

Interview mit Franz Kühmayer

Der Wiener Managementberater Franz Kühmayer ist beim Zukunftsinstitut Experte für moderne Führung und die Zukunft der Arbeit. Im Interview erklärt der Trendforscher, warum Führung  heute verrückt sein darf, warum wir Arbeit falsch verstehen und eine digitale Ethik notwendig ist. Die Fragen stellte André Boße.

Herr Kühmayer, Sie fordern für Führungskräfte eine Eigenschaft namens „Crazy Responsibility“. Wie kann jemand, der verrückt ist, gleichzeitig Verantwortung tragen? Unser Alltag wurde in den vergangenen Jahren von krisenhaft wirkenden Entwicklungen geprägt, so ist in deutschen Unternehmen vielfach ein ängstlicher Blick auf die Zukunft entstanden. In diesem Klima blüht über allen Debatten und Entscheidungen das Zögerliche, Vorsichtige und Beharrende. Es gewinnt also ein Führungsstil, der immer neue Kontrollinstrumente schafft, um für Stabilität zu sorgen. Doch dieses systemerhaltende Mikromanagement verhindert notwendige Veränderungen. Es steht der Innovationsbereitschaft des Unternehmens diametral gegenüber – und damit erst recht der Zukunftssicherheit. Ängstliche Erstarrung ist also das Gegenteil von verantwortungsbewusstem Handeln. Fordernde Zeiten sind ein fruchtbarer Boden für frische Ideen – in diesem Sinne leben wir in einer geradezu prototypischen Aufbruchzeit. Auch wenn es paradox klingt: Es ist vernünftig, gerade jetzt mutig zu denken und zu handeln. Verantwortliche Unternehmen brauchen daher mehr „Verrückte“ – also Menschen, die den Mut haben, in neuen Geschäftsmodellen zu denken, frische Innovationen zu wagen und unbeschrittene Pfade auszuprobieren. Top-Manager dürfen als Querköpfe agieren, aber können sich auch Einsteiger und junge Führungskräfte Verrücktheiten leisten?

Zur Person

Franz Kühmayer, Foto: Zukunftsinstitut
Franz Kühmayer, Foto: Zukunftsinstitut
Franz Kühmayer ist Managing Partner bei der Unternehmensberatung KSPM und Trendforscher beim Zukunftsinstitut. Dort ist er Experte für die Zukunft der Arbeit und modernes Leadership sowie Autor des Leadership-Reports, der jährlich neue Trends beim Thema Führung herausarbeitet. Zuvor war der Wiener zehn Jahre lang Top-Manager bei Microsoft. Er studierte zunächst in Wien Physik und Informatik, danach in Chicago und Seattle BWL mit den Schwerpunkten Marketing, Leadership und Unternehmensstrategie.
Die Stellenanzeigen sind voll von Inseraten, in denen innovative Querdenker gesucht werden. Es ist schwer genug, solche Talente zu finden und an das eigene Unternehmen zu binden. Doch selbst, wenn das gelingt, erleben diese jungen Mitarbeiter im Alltag vielfach, dass ihre frischen Ideen gar nicht so willkommen sind. Stattdessen trifft sie wie eine Keule die Dreifaltigkeit des Ideentodes. Erstens, das haben wir schon immer so gemacht. Zweitens, das haben wir noch nie gemacht. Drittens, da könnte ja jeder kommen. Spätestens nach einem halben Jahr ist dann Schluss mit Querkopf: Entweder man hat sich angepasst, oder man ist wieder weg. Das darf so nicht bleiben. Es ist Zeit, das quere Denken nicht nur zuzulassen, sondern aktiv zu fördern. Bei moderner Führung geht es häufig um „Enabling“, also das Ermöglichen. Wie unterscheidet sich Ihr Enabling-Begriff vom klassischen Leadership-Verständnis hierarchisch denkender Führungskräfte? Immer mehr Führungskräfte erkennen, dass Situationen komplexer geworden sind und nicht mehr mit simplen Ursache-Wirkungs-Prinzipien erklärt werden können. Das führt Manager auf unsicheres Terrain, denn damit verfügen sie nicht mehr über die Deutungshoheit bei Entscheidungen. Logische Konsequenz: Es wird zunehmend sinnvoll, die Vorgaben von oben zu reduzieren – und damit die Freiheitsgrade für Mitarbeiter zu erhöhen. Allerdings haben bislang nur wenige Unternehmen gewagt, selbstbestimmtes Arbeiten auch organisatorisch abzubilden. Dabei existieren vielfach bereits eigenverantwortliche Systeme, denn unter den Augen der Führungskräfte bilden sich in Unternehmen viele informelle Strukturen von eigentlichen Entscheidungsträgern und Einflüsterern. Führungskräfte sollten Schneisen in tradierte Machtstrukturen schlagen, damit sich beide Strukturen angleichen. Das kann von recht einfachen Partizipationsmechanismen bis hin zu demokratischen Unternehmensstrukturen gehen, die komplett von unten her aufgebaut werden. Sie nutzen zudem den Begriff „Antiwork“. Was ist falsch an unserem Verständnis von Arbeit? Ich möchte mit dem Begriff einen Beitrag dazu leisten, Arbeit neu zu denken. Wir sind noch immer recht stark in einem industriellen Denkmuster verankert, das Arbeit an drei Koordinaten festmacht. Erstens an einem bestimmten Ort, daher kommt ja die Redewendung „Ich fahre zur Arbeit“. Zweitens an einer bestimmten Zeit, mit den bekannten Diskussionen um Arbeitszeitflexibilisierung oder die Work-Life-Balance. Drittens daran, dass Arbeit in gewissem Sinne weh tun muss, wir schätzen nämlich nicht nur das Resultat der Arbeit, sondern vor allem auch den Aufwand: Wer sich stundenlang abrackert, hat mehr Arbeit erledigt, als jemand, der im Handumdrehen ein Ergebnis hervorbringt. Damit muss Schluss sein. Denn: Ein Drei-Stunden-Arbeitstag an einem persönlich ausgesuchten Ort – zum Beispiel im Kaffeehaus am Laptop sitzend – ist häufig produktiver als ein Zwölf-Stunden-Tag voller mühsamer, aber ergebnisloser Meetings. Intellektuell leuchtet uns das ein. Emotional ist es noch nicht angekommen.
Es wird zunehmend sinnvoll, die Vorgaben von oben zu reduzieren – und damit die Freiheitsgrade  für Mitarbeiter zu erhöhen.
Wie kann Führung dabei helfen, Arbeit neu zu denken? Der erste und wichtigste Schritt ist es, von einer Tätigkeitsorientierung zu einer Ergebnisorientierung zu gelangen. Studien weisen darauf hin, dass sich 70 Prozent der Führungskräfte heute noch auf Führungsprinzipien verlassen, die auf Verhaltenskontrolle beruhen. Das heißt, es wird beobachtet, wie sich Mitarbeiter am Arbeitsplatz verhalten, welche Arbeitsweisen sie an den Tag legen oder wann und wie lange sie arbeiten. Das Gegenteil nennt sich ROWE, eine Abkürzung für „Results Oriented Work Environment“, also ein an Ergebnissen orientiertes Arbeitsumfeld. Ein solches zu schaffen, funktioniert nicht von heute auf morgen. Es muss sowohl von den Führungskräften, als auch von den Mitarbeitern erst noch gelernt werden. Ist es etabliert, führt es zu zweierlei: Erstens zu einem anderen Menschenbild, denn man geht dann grundsätzlich davon aus, dass sich Mitarbeiter gerne einbringen, gerne etwas leisten und nicht dazu genötigt werden müssen, etwas zu tun. Und zweitens zur damit eng verknüpften Sinnfrage: Denn wenn ich ein Ergebnis einfordere, muss ich auch die Frage beantworten können, warum man diese Arbeit leistet. Wie wird die Digitalisierung die Führungskultur verändern? Wer denkt, Industrie 4.0 sei ein Förderband mit Internet-Anschluss und digitalisierte Gesellschaft seien Bürger mit Smartphones, der hat leider nichts verstanden. Die hinter der Digitalisierung liegenden Fragen beinhalten viel ökonomischen und gesellschaftlichen Sprengstoff. Wenn also die digitale Transformation gelingen soll, müssen sich Führungskräfte dafür kraftvoll und vor allem persönlich engagieren. Bislang ist das nicht gelebte Praxis: Nur fünf Prozent der CEOs sind an der Formulierung und Umsetzung einer Digitalisierungsstrategie ihres Unternehmens federführend beteiligt. Die Konsequenz daraus ist verheerend, denn eine digitale Vision, die halbherzig geplant und umgesetzt ist, greift zu kurz.

Zum Unternehmen

Das Zukunftsinstitut zählt zu den bedeutendsten Think-Tanks der Trend- und Zukunftsforschung im deutschsprachigen Raum und liefert strategisches Wissen für die Wirtschaft von morgen. Gegründet wurde es 1997 von Trendforscher Matthias Horx. Neben dem Hauptsitz in Frankfurt am Main betreibt das Zukunftsinstitut Büros in München und Wien. Ein Kernstück der Arbeit des Instituts sind die jährlichen Zukunftsreports, die für Wirtschaft und Gesellschaft neue Trends vorstellen.

Wirtschaftsprüfung – Arbeitswelt im Wandel

Je komplexer die Wirtschaft, desto größer der Bedarf an Analysten. Unternehmen sehen Wirtschaftsprüfer daher längst nicht mehr nur als gesetzlich vorgeschriebene Instanzen. Sie nutzen die Kenntnisse der Prüfer, um Schwachstellen zu finden und Chancen zu nutzen. Einsteiger treffen damit auf eine spannende Wachstumsbranche, die vom Nachwuchs erwartet, sich insbesondere in IT-Themen einzuarbeiten. Von André Boße

Es geht um Autos und die Energieversorgung, Handel und Konsum, Transport und Logistik, Maschinen- und Anlagenbau, Medien und Telekommunikation, Pharma und Gesundheit. Und das ist nur ein Auszug aus der Branchenliste der Wirtschaftsprüfungsgesellschaften. Nein, Langeweile kommt da nicht auf. Wobei, Wirtschaftsprüfer? Sind das nicht die Zahlenmenschen, die ihre Köpfe wochenlang in meterdicke Akten stecken, um dann mit ernster Miene die Zahlen zu bewerten? „Vor zehn Jahren erledigten wir unsere eigene Dokumentation tatsächlich noch weitestgehend auf Papier“, sagt Andrea Reese, Partnerin bei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft BDO. Heute dagegen erfolgt die Dokumentation komplett elektronisch. „Dadurch hat sich unser Arbeitsalltag stark verändert: Während wir früher zwischen Bergen von Aktenordnern voll mit Arbeitspapieren saßen, reichen uns heute Notebook und Scanner als Arbeitsmaterialien.“
Die Branche als „Big Four“ bezeichnet man in der  Branche die vier größten Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, die vor allem das Geschäft mit den börsennotierten großen Unternehmen dominieren. Laut der 2015er-Liste des Marktanalysten Lünendonk lag beim Umsatz in Deutschland  PwC auf Platz eins, dahinter KPMG, EY (früher Ernst & Young) sowie Deloitte. Neben den vier Großen gibt es in Deutschland eine Reihe von gut aufgestellten größeren Gesellschaften sowie mittelständischen Gesellschaften, die sich teilweise in Netzwerken zusammengetan haben. Die Lünendonk-Liste 2015 ist zum freien Download erhältlich: www.luenendonk-shop.de
Und noch etwas hat sich geändert: Früher lag der Fokus der Arbeit eines Wirtschaftsprüfers häufig darauf, „Plausibilitäts- und Einzelfallprüfungen durchzuführen“, wie Andrea Reese sagt. Also: Ins Unternehmen kommen, schauen ob alles passt – und dann weiter zum nächsten Mandanten. Was mitunter fehlte, war der Blick auf das große Ganze, womit der analytischen Arbeit Grenzen gesetzt wurden – Grenzen, die es heute nicht mehr gibt.

Digitalisierung schafft tiefe Einblicke

Die digitalen Werkzeuge sorgen dafür, dass Prüfer sehr viel tiefere Einblicke in die Unternehmen erhalten, für die sie tätig sind. Und dieses Wissen stellen sie ihren Mandanten zur Verfügung: „Aufgrund der heute vorliegenden Datenmengen – Stichwort: Big Data – setzen wir heute den Fokus verstärkt auf Analysen des gesamten Buchhaltungsstoffs“, sagt die BDO-Partnerin und Leiterin des Branchencenters Energieversorgung. Dadurch ändere sich der Anspruch an die Arbeit der Wirtschaftsprüfer: Während man früher von „Prüfergeneralisten“ sprechen konnte, sind sie heute als „Experten und Spezialisten in verschiedenen Branchen und Fachbereichen tätig“, so Andrea Reese. Ein Beispiel dafür, wie weit sich die Tätigkeitsfelder von Wirtschaftsprüfern öffnen, ist das IT-Audit – eine Dienstleistung, mit der Prüfungsgesellschaften wie BDO ihr Geschäftsfeld erweitern. Zum einen analysieren die Wirtschaftsprüfer bei der Jahresabschlussprüfung das IT- Umfeld der Mandanten. Zum anderen bieten die Gesellschaften aber auch an, die Mandanten bei der Auswahl und Einführung neuer Software zu unterstützen. Bei BDO werden junge Mitarbeiter nach einer intensiven allgemeinen Ausbildung auf Fachthemen wie das IT-Audit sowie auf besondere Branchen wie Banken- und Finanzdienstleister oder die Gesundheitsbranche spezialisiert, beschreibt Andrea Reese. Die Struktur einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft wie BDO mit eigenen Branchencentern zeigt, wie differenziert das Geschäftsmodell dieser Unternehmen aufgestellt ist. Bei dieser großen Vielfalt stellt sich die Frage: Was genau ist denn die Kernaufgabe eines Wirtschaftsprüfers? Sabine Stadie, Personalleiterin bei der Prüfungsgesellschaft Warth & Klein Grant Thornton (WKGT), nennt als rechtlichen Rahmen des Berufes den Paragrafen 2 der Wirtschaftsprüfungsordnung:„ Danach kann man grundsätzlich die Aufgaben einteilen in Prüfungstätigkeit, Steuerberatung, Unternehmensberatung, Gutachtertätigkeit, Treuhandtätigkeit sowie Rechtsberatung.“ Derzeit würden besonders Empfehlungen sowie Unterstützungen bei „prüfungsnahen Dienstleistungen“ nachgefragt, so Sabine Stadie, also bei Prozessen, die unmittelbar mit der gesetzlich vorgeschriebenen Aufgabe der Jahresabschlussprüfung zu tun haben. „Dabei geht es um Fragen zu den International Financial Reporting Standards (IFRS), also den international gültigen Rechnungslegungsvorschriften für Unternehmen, oder auch um die Optimierung von internen Prozessen im Rechnungswesen.“

Empfehlungen gewünscht

Doch die Mandaten wünschen sich von ihren Wirtschaftsprüfern verstärkt eben auch weiterreichende Empfehlungen: Zu M&A-Geschäften und steuerlichen Optimierungen, zu Restrukturierungen und Sanierungen. „Auch die Themen Risikomanagement und Compliance haben an Bedeutung gewonnen, wobei der Fokus hier zunehmend auf Aspekten der IT-Sicherheit liegt“, so Sabine Stadie von WKGT. Wichtig ist der Personalleiterin, den Nachwuchs zu ermutigen, neben der Einarbeitung in die fachlichen Themen einen offenen Blick zu behalten: „Es geht darum, die bekannte kritische Grundhaltung eines Wirtschaftsprüfers mit einer breit angelegten Perspektive zu verknüpfen.“ So könne es gelingen, den Beruf des Wirtschaftsprüfers anders als früher sehr zukunftsorientiert zu interpretieren. „Ging es damals primär um die vergangenheitsorientierte Prüfung historischer Finanzdaten, wird es heute immer wichtiger, einen Ausblick auf die Entwicklungschancen und Risiken des Unternehmens zu geben und zu bewerten“ – und das könne nur dann geleistet werden, wenn „der Wirtschaftsprüfer das zu prüfende Unternehmen in seiner Gesamtheit betrachtet und versteht“.

Wiwis treffen auf ITler

Direkter Weg in den Beruf

In Deutschland gab es lange kein Hochschulstudium,  das geradlinig zum Wirtschaftsprüferberuf  führte. Mit dem Wirtschaftsprüfungsexamens- Reformgesetz  änderte sich das. Ein spezieller zweijähriger  Masterstudiengang bietet eine fundierte  wissenschaftliche Ausbildung mit  hohem Praxisbezug, der berufsbegleitend  auf die Anforderungen des Wirtschaftsprüfungsexamens  ausgerichtet ist und  dieses durch die Anrechnung von Studienleistungen  verkürzt, heißt es bei der  Akademie des Instituts der Wirtschaftsprüfer  (IDW). Derzeit bieten acht Hochschulen  diesen Masterstudiengang an. Mehr Infos unter: www.idw.de
Einen immer größeren Anteil an dieser Gesamtheit besitzen im Zeitalter der Digitalisierung die IT-Strukturen. Absolventen der Wirtschaftswissenschaften, die Lust auf eine Prüferkarriere entwickelt haben, sind gut beraten, neugierig auf digitale Themen zu sein. Die Prüfungsgesellschaften, für die sie tätig sein werden – übrigens egal ob groß oder klein (siehe Kasten) – wappnen sich ihrerseits für die neuen digitalen Geschäfte. Es werde derzeit viel IT- Kompetenz aufgebaut, sagt Brigitte Rothkegel-Hoffmeister. Als Zuständige für die Themen Aus- und Fortbildung beim Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) sowie Leiterin der IDW-Akademie kennt sie die Entwicklungen auf dem Markt der Prüfungsgesellschaften und kann die Anforderungen gut ein- schätzen, auf die Einsteiger in der Branche treffen. Ihre Prognose: Die Unternehmen der Branche bauen ihre IT-Schlagkraft nicht alleine durch umfangreiche Aus- und Fortbildungsmaßnahmen auf, sondern auch durch eine neue Vielfalt bei den Mitarbeitern. „Der Berufsstand wird künftig verstärkt Nachwuchs aus den MINT- Fächern, also aus Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik, rekrutieren.“ Nun sollten Wiwis nicht befürchten, dass junge IT-Experten sie bei den Bewerberrunden ausstechen werden. Es ist eher zu erwarten, dass die Arbeitgeber den technischen Nach- wuchs zusätzlich an Bord holen, um in diesem Bereich gut aufgestellt zu sein, ohne beim Stammgeschäft Defizite in Kauf zu nehmen. Für Wiwi-Absolventen wird sich trotzdem etwas ändern: Durch die neuen technischen Schwerpunkte sind die Teams vielfältiger zusammengesetzt, die Sprachen und Methoden der IT-Spezialisten finden Einzug in die Meetings und Arbeitsprozesse. Aber nicht nur intern kommt es auf IT-Kenntnisse an: Auch die Mandanten verlangen nach Wirtschaftsprüfern, die „die Zusammenhänge der Geschäftsprozesse und der IT im Unternehmen verstehen und ihre Prüfmethodik darauf aufbauen“, wie Brigitte Rothkegel-Hoffmeister sagt. Zum Beispiel treffen Wirtschaftsprüfer in den Unternehmen auf Cloud-Lösungen: „Hier müssen sie in der Lage sein, die Analyse- und Auswertungsmöglichkeiten der Mandantensoftware und deren Ergebnisse zu nutzen.“ Damit das gelingt, sei es entscheidend, auf das Wissen von IT-Experten zuzugreifen. Und das funktioniert wiederum nur, wenn man Grundkenntnisse mitbringt sowie die IT-Themen einschätzen kann.

Flexible Arbeit lockt Frauen

Für die Wirtschaftsprüfungsgesellschaften sind das gravierende Änderungen. Einsteiger dürfen sich daher darauf einstellen, dass sich auch der Anspruch an die Führungskräfte wandelt. „Die zunehmende Komplexität und Dynamik unseres Umfelds erfordert auch von unseren Führungskräften einen umfassenderen Leadership-Ansatz, als es vielleicht früher einmal der Fall war“, sagt Sabine Stadie von WKGT. Dazu zähle es auch, die Arbeit in den Wirtschaftsprüfungsgesellschaften anders zu gestalten, sprich: flexibler zu machen. Das ist auch notwendig, denn die Gesellschaften haben einen großen Bedarf an hochqualifizierten Mitarbeitern und stehen in Konkurrenz mit anderen Playern der beratenden Branchen. „Der Berufsstand hat daher erkannt, dass Frauenförderung nicht nur eine wirtschaftliche Notwendigkeit, sondern auch einen Wettbewerbsvorteil bietet“, sagt die Leiterin der IDW-Akademie, Brigitte Rothkegel-Hoffmeister. Ihre Einschätzung:„ Der Beruf des Wirtschaftsprüfers bietet Frauen nach dem Berufsexamen eine weitaus größere Flexibilität in der Gestaltung von Arbeitsverhältnissen als andere Berufe.“ Positiv bewertet sie zudem die neuen Ausbildungswege: Mit dem neu geschaffenen Paragrafen 8a der Wirtschaftsprüferordnung (WPO) wurde in Deutschland erstmals ein akademisches Studium eingeführt, das geradlinig zum Wirtschaftsprüfungsexamen führt (siehe Kasten). „Das bietet dem Berufsnachwuchs mehr Flexibilität in der Lebensplanung“, sagt Brigitte Rothkegel-Hoffmeister. „Künftig kann das Wirtschaftsprüfungsexamen bereits deutlich vor dem 30. Geburtstag bestanden sein. Diese Perspektive dürfte Nachwuchskräften gefallen.“

Nachhaltigkeitsnetzwerk

Nachhaltigkeit ist das Thema der Stunde – auch für Wirtschaftsprüfer. So sind die vier größten Wirtschaftsprüfungsgesellschaften allesamt Mitglied bei Econsense, dem Nachhaltigkeitsnetzwerk der Deutschen Wirtschaft, in dem auch zahlreiche Konzerne vertreten sind. Unter anderem tauschen sich die Mitgliedsunternehmen zur Messbarkeit von Nachhaltigkeit aus und treiben die ständige Weiterentwicklung des Themas im Gespräch mit Stakeholdern voran. www.econsense.de

Buchtipp

Cover Nachhaltigkeit messbar machen, Foto: Walhalla
Cover Nachhaltigkeit messbar machen, Foto: Walhalla
Karl Peter Sprinkart: Nachhaltigkeit messbar machen. Integrierte Bilanzierung für Wirtschaft, Sozialwirtschaft und Verwaltung. Walhalla 2015. 39,00 Euro

E-Paper karriereführer recht 1.2016

0

Klicken Sie auf den unteren Button, um unser E-Paper anzusehen. Das E-Paper wird durch den Online-Dienst "Yumpu" bereit gestellt.

Inhalt laden

BDA | Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände

0

Branche
Verband

Produkte/Dienstleistungen
Die BDA ist die sozialpolitische Spitzenorganisation der gesamten deutschen gewerblichen Wirtschaft. Branchenübergreifend setzt sie sich auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene für die Interessen von einer Mio. Betrieben mit ca. 20 Mio. Beschäftigten ein, die der BDA durch freiwillige Mitgliedschaft in Arbeitgeberverbänden verbunden sind.

Anzahl der Standorte
1 Berlin
1 Brüssel

Anzahl der MitarbeiterInnen
124 Inland
6 Ausland

Bedarf an HochschulabsolventInnen
Ca. 8 pro Jahr

Gesuchte Fachrichtungen
Rechtswissenschaften, Volkswirtschaft, Sozialwissenschaften, Politikwissenschaft

Einsatzmöglichkeiten
Bei uns können Sie Ihre Kenntnisse vertiefen und sich im Verbandsbereich weiter spezialisieren. Wichtig ist uns Leidenschaft für Politik und Verbandsthemen sowie Interesse an gesellschaftspolitischen Themen. Ein Einsatz ist in unseren Fachabteilungen Arbeitsrecht, Arbeitsmarkt, Soziale Sicherung sowie Europa oder auch in unserem Brüsseler Büro möglich.

Einstiegsprogramme
Unser Trainee-/Nachwuchsprogramm ist der perfekte Einstieg in die Verbandskarriere. Es erwartet Sie ein intensives Mentoringprogramm mit bundesweiten Einsätzen in den regionalen Arbeitgeberverbänden, in Landesvereinigungen oder Bundesfachverbänden.

Mögliche Einstiegstermine
Jederzeit

Auslandstätigkeit
Büro Brüssel

Angebote für StudentInnen
Werkstudenten/innen (m/w/d) und Praktikanten/innen (m/w/d), Referendare/innen (m/w/d) sind herzlich willkommen. Oder lernen Sie während Ihrer Wahlstation die Verbandswelt kennen.

Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände Logo

Ansprechpartner
Maria Schimmel

Anschrift
Breite Straße 29
10178 Berlin

Fon
030 2033-1121

E-Mail
personal.mail@arbeitgeber.de

Internet
www.karriere.arbeitgeber.de