Vitos Südhesssen gGmbH

Branche
Gesundheitsbranche

Produkte/Dienstleistungen
Vitos Südhessen: Behandlung von Erwachsenen, Kindern und Jugendlichen

Bei Vitos Südhessen steht der Mensch im Mittelpunkt. Das Selbstverständnis der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist es, für die Menschen in Südhessen eine individuelle und für sie beste Hilfe anzubieten: stationär/teilstationär, ambulant oder Zuhause. Mit einem gemeindenahen Netzwerk bietet Vitos Südhessen wohnortnahe Behandlungs- und Betreuungsangebote.

Zu den beiden Hauptstandorten in Riedstadt und Heppenheim kommen Tageskliniken, Ambulanzen und die Behandlung Zuhause hinzu sowie die Betreuungsangebote für Klientinnen und Klienten der begleitenden psychiatrischen Dienste.

Anzahl der MitarbeiterInnen
Fast 1.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter

Bedarf an HochschulabsolventInnen
Vitos Südhessen sucht vor allem für die Standorte Riedstadt und Heppenheim immer wieder HochschulabsolventInnen. Als Assistenzarzt/Assistenzärztin in Weiterbildung zum Facharzt/Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie oder Psychosomatik sind sie für die Diagnostik und Behandlung unserer Patient/-innen verantwortlich.

Gesuchte Fachrichtungen
Medizin

Einsatzmöglichkeiten
Auf Station, Ambulanz, Behandlung Zuhause, Tageskliniken

Einstiegsprogramme
Assistenzarzt/Assistenzärztin in Weiterbildung zum Facharzt/Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie oder Psychosomatik

Mögliche Einstiegstermine
Laufend

Auswahlverfahren
Interview

Stellenanzeige

Controller (m/w/d) Vitos Südhessen in Riedstadt

Logo Vitos Südhessen

Ansprechpartner
Erik Hofmann

Anschrift
Philippsanlage 101
64560 Riedstadt

Fon
06158 – 183 – 280

E-Mail
bewerbung@vitos-suedhessen.de

Internet
https://karriere.vitos.de/jobboerse/

E-Paper karriereführer recht 2.2022 – Juristen auf dem Weg in die neue Arbeitswelt

0
Ausgabe als PDF downloaden

karriereführer recht 2.2022 – Juristen auf dem Weg in die neue Arbeitswelt

0

Cover karriereführer recht 2-2022

Juristen auf dem Weg in die neue Arbeitswelt

Das Anforderungsprofil, mit dem Jurist*innen in ihrem Jobalttag konfrontiert werden, ist breit und komplex: Sie sollen meist unter Zeitdruck Rechtsfragen schnell und fundiert bewerten, ihre Mandat*innen entsprechend kompetent und verständlich beraten und ihnen ein Gefühl von Sicherheit vermitteln. Und natürlich deren Interessen erfolgreich vertreten. Hinzu kommen die Herausforderungen der digitalen Transformation, die das juristische Arbeiten sowie den Rechtsmarkt stark verändern. Damit das funktionieren kann, fordert die Branche einen Wandel: Mehr Freiheit durch neue Honorarmodelle, mentale Probleme raus aus der Tabuzone. Das Ziel: den Menschen hinter dem Anwaltsberuf als Ganzes zu betrachten. Damit er, im Sinne des Mandanten, seine beste Leistung abrufen kann.

Anwaltsberuf: Es geht ums Ganze

0

Anwält*innen sind gefragt als Anker in der Not, als juristische Ratgeber bei komplexen Fragen und Ruhepol selbst in brisanten Situationen. Hinzu kommen die Herausforderungen der digitalen Transformation, die das juristische Arbeiten sowie den Rechtsmarkt stark verändern. Damit das funktionieren kann, fordert die Branche einen Wandel: Mehr Freiheit durch neue Honorarmodelle, mentale Probleme raus aus der Tabuzone. Das Ziel: den Menschen hinter dem Anwaltsberuf als Ganzes zu betrachten. Damit er, im Sinne des Mandaten, seine beste Leistung abrufen kann. Ein Essay von André Boße

Im März dieses Jahres gründete sich ein neuer Verband für Jurist*innen: Der Bundesverband der Wirtschaftskanzleien (BDW) ist ein Zusammenschluss von derzeit 37 größeren deutschen Kanzleien, verbunden durch das Ziel, sich „gemeinsam für die fachlichen, strategischen und zukunftsorientierten Themen dieses wichtigen Segments des Rechtsmarkts in Deutschland einzusetzen“, wie es auf der BDW-Homepage heißt. Wie groß die Marktposition der beteiligten Kanzleien ist, zeigen ein paar Zahlen: Die Mitglieder des BWD erzielen zusammen pro Jahr mehr als zwei Milliarden Euro Umsatz, wichtige Arbeitgeber für Jurist*innen sind die Mitgliedskanzleien auch, insgesamt sind dort rund 5000 Anwält*innen tätig. Ein interessanter Teil der Struktur des Verbandes ist das Advisory Board, dem laut BDW-Homepage führende Jurst*innen angehören, die in Unternehmen angestellt sind: „So stellen wir sicher, dass der BWD immer auch den Blickwinkel der Mandanten berücksichtigt.“

Mehr Freiheit durch Erfolgshonorare

Wie aber ergibt sich dieser „Blickwinkel der Mandanten“ konkret? Der BDW hat gleich zu Beginn seiner Arbeit eine Reihe von Task Forces ins Leben gerufen, die anzeigen, welche Änderungsprozesse die Wirtschaftskanzleien anstoßen wollen. Ein interessanter Punkt ist zum Beispiel der Bereich der „Erfolgshonorare“: Viele Jahre lang war es Rechtsantwält*innen in Deutschland untersagt, Erfolgshonorare zu vereinbaren. Seit dem 1.10.2021 sind diese nun bei Streitwerten von bis zu 2000 Euro erlaubt – Auslöser dieser kleinen Reform ist die steigende Zahl von Legal-Tech-Unternehmen wie Flighright, die dank digitaler Methoden eine Vielzahl von kleinen, fast gleichgelagerten Fällen bearbeiten – und Kunden über risikolose Erfolgshonorare gewinnen.

Lawyer Wellbeing: Studienergebnisse

Von den vom Liquid Legal Institute für die Studie befragten Antwält*innen berichteten fast 70 Prozent, dass sie in ihrem Berufsleben schon einmal unter von ihrem Beruf verursachten mentalen Problem gelitten hätten. Mehr als 80 Prozent bestätigten, Kolleg*innen zu kennen, die unter mentalen Problemen leiden. Was dagegen nach Ausage der Studienteilnehmer größtenteils fehle, sei eine Hilfsstruktur: Rund 70 Prozent der Befragten gaben an, dass es für sie selbst oder die Kolleg*innen keine Hilfe gegeben habe und das auch kein Frühwarnsystem existiere, das Möglichkeiten aufzeigt, mentale Krisen früh zu erkennen. Eine große Mehrheit der Befragten stimmte zu, dass mentale Probleme nicht nur dazu führten, dass die anwaltliche Performance leide, sondern auch die Führungsqualitäten verringere. Die Studie „Lawyer-Wellbeing – The Silent Pandemic“ steht im Internet kostenlos zur Verfügung.
Der BDW fordert nun, die Idee der Erfolgshonorare weiterzudenken. Geleitet wird die Task Force von Volker Römermann, Honorarprofessor an der Humboldt-Universität Berlin und Vorstand der Wirtschaftskanzlei Römermann. „Wenn wir als junge Anwältinnen und Anwälte aus dem Studium kommen, dann glauben wir, dass wir in diesem Beruf eine Dienstleistung vollbringen. Dann crashen wir in die Wirklichkeit, und es kommen real existierende Mandanten, die fragen: ‚Was ist eigentlich dein Erfolg?‘ Daran messen sie uns, danach wollen sie uns bezahlen“, sagt Volker Römermann in einem Video- Clip, in dem er das Thema seiner Task Force vorstellt. Das Ziel dieser Untergruppe: eine erfolgsbezogene Vergütung für anwaltliche Tätigkeiten einzuführen – ein Bezahlmodell also, das für die Mandanten der Wirtschaftskanzleien im unternehmerischen Alltag längst Selbstverständlichkeit ist. „Wir müssen hier dem Bedarf und dem Interesse der Mandanten gerecht werden, wir brauchen da mehr Freiheit“, fordert Volker Römermann in seinem Statement.

Neue Position im Markt

Unternehmerisches Denken bei Anwält*innen zählt schon lange zu den zentralen Skills in Wirtschaftskanzleien. Nun sollen weitere Schritte folgen, sie betreffen – wie das Thema Erfolgshonorar zeigt – nun auch die Rahmenbedingungen und Strukturen, in denen die Jurist*innen tätig sind. Das ist unbedingt sinnvoll, denn jede Struktur beeinflusst das Handeln. Mit einer Erfolgshonorierung würde die Arbeit der Wirtschaftsanwält*innen ein gutes Stück weiter in den freien Markt rücken. Erkennbar ist dieser Trend schon jetzt, mit der Folge, dass Skills und Themen auf die Agenda rücken, die bislang in juristischen Tätigkeitsfeldern kaum auf dem Radar stehen und daher an den Universitäten häufig nicht genügend vermittelt werden. Was nicht heißt, dass sie nicht von großer Bedeutung sind. Jedoch wurde kaum über sie diskutiert. Und genau das ändert sich jetzt: Der Job der Jurist*innen in Wirtschaftskanzleien wird nun ganzheitlicher betrachtet.

Mentale Probleme eine stille Pandemie?

Der BDW hat eine weitere Task-Force zu einem Bereich gegründet, den man mit in einer Liste der zentralen Ziele eines erfolgsorientierten Verbands von Wirtschaftskanzleien nicht unbedingt erwartet: Lawyer Wellbeing. Impulsgeber, sich als Verband eingehend mit dem Wohlergehen der Anwaltschaft zu beschäftigen, ist die Studie „Lawyer Wellbeing – The Silent Pandemic“, die in diesem Jahr federführend vom Liquid Legal Institute erstellt wurde, einer interdisziplinären Plattform, der sich für ein neues Denken im Rechtsbereich engagiert. Mentale Probleme bei in Wirtschaftskanzleien tätigen Jurist*innen? „Bist du verrückt – Mental Health ist doch bei Jurist*innen kein Thema!“ – so, oder ähnlich sei häufig die Reaktion gewesen, als die Autoren der Studie ihr Thema benannten. „Mit dieser Haltung steht die Profession nicht allein da. Es ist eine natürliche spontane Reaktion auf die Frage zu einem oft tabuisierten Thema, die einen sehr sensiblen Lebensbereich von hochausgebildeten Expert*innen berührt“, heißt es im White Paper der Studie, das die Studienautor*innen im März 2022 im Magazin „Legal Tech Times“ der Legal-Tech-Plattform Future-Law veröffentlichten. Mentaler Stress ergebe sich für Jurist*innen in vielen Fällen bereits im Studium: „Selbstdisziplin ist die Kompetenz der Stunde“, so die Autor*innen. Häufig sei man als Einzelkämpfer* in unterwegs, der Druck, eine exzellente Note im Examen zu erzielen, sei allgegenwärtig, da diese „unwiderruflich über die weitere berufliche Zukunft entscheidet“.

BDW: Verband mit Leitbild

Der Bundesverband der Wirtschaftskanzleien in Deutschland (BDW) hat sich bei der Gründung im Frühling 2022 ein Leitbild gegeben, das einige bemerkenswerte Aspekte beinhaltet. So stehe er für eine „vielfältige, regelbasierte, weltoffene, verantwortungsbewusste, tolerante und demokratische Zivilgesellschaft und für eine lebendige und leistungsfähige Rechtsstaatlichkeit“ ein. Außerdem beachtet er die „Grundsätze der Diversität“ und betrachtet die nachhaltigen ESG-Kriterien (Environment, Social, Governance) als wesentlichen Bestandteil sowie Richtschnur des Verhaltens. In diesem Sinne positioniert sich der BDW nicht als Lobby-Verband, sondern als gesellschaftlicher Player.
Ist die Ausbildung schließlich geschafft, bleibe vom gelernten juristischen Arbeiten, also dem Ansatz, rechtliche Probleme zu erkennen und Lösungen vorzuschlagen, nicht mehr viel übrig. Nun würde der Nachwuchs darauf getrimmt, „auch unter Hochdruck einen ‚kühlen Kopf‘ zu bewahren, Mandanten in kritischen Fragestellungen – zunächst einmal – das Gefühl von Sicherheit zu geben, bei Verhandlungen das Poker Face aufzusetzen und – falls erforderlich – auch mal gegen den eigenen moralischen Kompass zu agieren“, heißt es in der Studie. Jurist*innen sollten also immer einen Ausweg sehen, jederzeit als Ratgeber*in ansprechbar sein und als „Fels in der Brandung zur Verfügung stehen, um Mandant*innen sicher und natürlich möglichst unversehrt durch den juristischen Dschungel zu geleiten, oft in prekären Situationen.“

Digitalisierung kann Stress steigern

Hinzu komme seit einigen Jahren nun noch der Druck sowie die Unsicherheit, die mit der Digitalisierung einhergehen: Steigender Kommunikationsaufwand, gigantische Mengen an Dokumenten und Daten, die von häufig genug veralteten IT-Systemen kaum zu bewältigen seien, dazu Themen wie Cyber-Sicherheit und Datenschutz: „Die Digitalisierung ist ein Brandbeschleuniger für die Verschlechterung des Gesundheitszustands“, heißt es in der Studie. Für eigene Ängste, Schwächen, Zweifel, Unsicherheiten bleibe da wenig Raum. Mehr noch: Alle diese Aspekte würden weiterhin tabuisiert. Doch das müsse aufhören, so die Forderung der Studienautor*innen. Schließlich gehe es um „nicht weniger als um den Menschen hinter der Rolle ‚Jurist*in‘ und seine Position in der modernen Arbeitswelt.“
Für eigene Ängste, Schwächen, Zweifel, Unsicherheiten bleibt wenig Raum. Mehr noch: Alle diese Aspekte werden weiterhin tabuisiert.
Wer nun auch weiterhin denkt, das Thema Wellbeing dürfe in der harten Arbeitsrealität keine Rolle spielen, schließlich wisse man als Nachwuchs, in welche Branche man sich begebe, und obendrein sei der Job gut bezahlt, der verkennt die Rolle, die Anwält*innen heute zu erfüllen haben. In seinem Vorwort zur Studie erklärt der Lebenskrisen-Berater Fritjof Nelting, warum es für ihn als Mandanten kein gutes Zeichen sei, wenn sein Anwalt ihm per Mail eine automatische Benachrichtigung mitsamt Entschuldigung schickt: Er sei im Urlaub, sodass es rund zwei Stunden dauern könnte, bis er Zeit für die Antwort habe. „Anwält*innen besitzen in dieser Gesellschaft eine exponierte und wichtige Position“, schreibt Nelting. „Damit sie ihre Arbeit auf gesunde Weise machen und vielleicht sogar Vorbilder für ein modernes und gut ausbalanciertes Leben werden, sind einige Änderungen notwendig.“ Das sei nicht nur im Sinne der Jurist*innen, sondern auch der Mandanten: „Ein gesunder Anwalt sei das Beste, was einem Mandanten passieren kann“ – und gerade in dieser Zeit, in der es wichtiger denn je sei, „einen resilienten und stabilen Anwalt an der Seite zu haben“.

Schlüsseljob in Kanzleien: Legal Hybrid

Die international tätige Consulting-Gruppe Henchman aus Belgien berät Anwält*innen und Kanzleien auf dem Weg, die anwaltliche Arbeit neu zu denken. Digitalisierung ist hier ein Kernthema. Im Henchman-Report „The must have legal tech stack of 2022“ geben Expert*innen Prognosen über die juristische Arbeit der Zukunft ab. In einem Beitrag skizziert der Legal-Tech-Berater Thomas Aertgeerts einige Schlüsselstellen in den Kanzleien der nahen Zukunft. Besonders interessant ist die Postion des „Legal Hybrid“: „Keine Technologie, sondern eine Person. Jemand, der die Bedürfnisse von Kanzleien erkennt und die notwenige Technologie anstößt, damit diese erfüllt werden kann. Ohne eine Person mit diesen Skills ist die jeweilige Kanzlei von der Gnade der Software-Entwickler abhängig.“ Sprich: Der „Legal Hybrid“ sorgt dafür, dass Wirtschaftskanzleien die digitale Transformation mit Aufwind bewältigen.

Die Rechts-Ethikerin Prof. Dr. iur. Dr. phil. Frauke Rostalski im Interview

Impfpflicht im Kampf gegen das Coronavirus, drängende Fragen zum Klimaschutz, Folgen des Krieges auf europäischem Boden: Wir leben in einer Zeit, in der Politik und Recht gemeinsam vor der Herausforderung stehen, weitreichende Entscheidungen zu treffen. Als Mitglied des Deutschen Ethikrats beschäftigt sich die Kölner Rechtsprofessorin Prof. Dr. iur. Dr. phil. Frauke Rostalski mit dem komplexen Verhältnis zwischen Ethik, Politik und Recht. Auch ihr zweites Kernthema trifft den Zeitgeist: Die Frage, wie Systeme mit Künstlicher Intelligenz die juristische Arbeit verändern. Die Fragen stellte André Boße.

Zur Person

Prof. Dr. iur. Dr. phil. Frauke Rostalski wurde am 6. Januar 1985 in Bad Nauheim geboren. Ihr Studium der Rechtswissenschaften absolvierte sie an der Uni Marburg, von 2009 bis 2014 war sie dort als Wissenschaftliche Mitarbeiterin tätig. 2017 schloss sie ihre Habilitation zum Thema „Der Tatbegriff im Strafrecht“ ab, 2017 promovierte sie zusätzlich im Fach Philosophie. Ihre erste Professur erhielt sie 2018 an der Uni Köln. Im April 2020 wurde sie als Mitglied in den Deutschen Ethikrat berufen, seit 2021 ist sie Mit-Herausgeberin der „Zeitschrift für Digitalisierung und Recht“. Sie ist verheiratet und hat einen Sohn und eine Tochter.
Frau Prof. Dr. Dr. Rostalski, wie bewerten Sie in der heutigen Zeit das Verhältnis des Rechts zur Politik: Verstehen Sie es als einen Gegenpol oder sogar als eine Korrekturebene? Das Verhältnis der beiden Bereiche ist zu komplex, als dass man Recht als bloßen Gegenpol zur Politik beschreiben könnte. Politik bewegt sich in den Bahnen des Rechts: Insbesondere durch unsere verfassungsmäßige Ordnung wird politischem Handeln Schranken gesetzt. Gleichzeitig kommt der Politik eine rechtsgestaltende Funktion zu, so auch wenn sie neue Problemlagen meistern muss. Eine Korrekturebene bieten insbesondere die Gerichte, die politische Maßnahmen auf ihre Rechtmäßigkeit überprüfen. Eben dies ist durch die Gewaltenteilung intendiert. Welches Verhältnis hat das Recht zur Ethik? Die Frage betrifft ein altes und viel diskutiertes Problem, nicht nur der Rechtswissenschaft. Nicht zuletzt Kant widmete sich der Frage. Er beschreibt das Recht als die äußeren, zwingenden moralischen Gesetze, während die Ethik innere moralische Verpflichtungen betrifft. Dabei regeln sowohl das Recht als auch die Ethik das Miteinander der Menschen. Ich verstehe das Recht dabei als denjenigen Bereich an gesellschaftlichen Normen, die wir für ein Zusammenleben in Frieden als so wichtig einstufen, dass sie von staatlicher Seite erzwingbar sein müssen. Ich denke dabei etwa an strafrechtlich geschützte Verhaltensnormen wie das Tötungsverbot oder das Diebstahlsverbot. Das heißt aber nicht, dass die Ethik weniger bedeutsam wäre. Vielmehr ist unser gesamtes Miteinander von moralischen Normen durchdrungen. Es kann immer wieder geschehen, dass das, was wir bislang „lediglich“ dem Bereich der Ethik zugeschrieben haben, aufgrund eines gewandelten Zeitgeistes in seiner Bedeutung wächst und daher zu Recht erhoben wird. Auch im Hinblick auf neue gesellschaftliche Phänomene spielt die Ethik eine große Rolle – wenn es noch kein Recht gibt und wir aushandeln müssen, wie sich unser Recht etwa in Bezug auf Risiken durch die Digitalisierung gestalten soll. Das Recht wandelt sich durch die Digitalisierung. Um zunächst auf die Veränderungen in der juristischen Arbeit zu schauen: Welche Chancen bietet Legal Tech? Legal Tech-Anwendungen können die Rechtsanwendung erleichtern, beispielsweise durch Software, die bei der Sachverhaltserfassung unterstützt und in der anwaltlichen Praxis bereits verwendet wird. Weiterhin können sie Rechtsanwendung transparent machen und gerechtere Ergebnisse fördern. Beispielsweise könnte anhand des Einsatzes von KI eine Urteilsdatenbank geschaffen werden, die die Strafzumessung vergleichbarer machen kann. Insofern könnte sie einen Gegenpol zu subjektiv eingefärbten Entscheidungen bilden. KI-basierte Verhandlungsaufzeichnungen können die manuelle Protokollierung des Gerichtsverfahrens ersetzen. Legal Tech-Anwendungen wie zum Beispiel ein Vertragsgenerator kann es auch Nicht-Juristen erleichtern, Rechte wahrzunehmen. Gleichzeitig zeigt sich anhand dieses Beispiels bereits ein Risiko von Legal Tech-Anwendungen.
Rechtsanwendung setzt häufig eine umfassende und komplexe Wertung voraus. Dazu ist KI derzeit aber nicht in der Lage.
Nämlich? Aufgrund eines standardisierten Vorgehens könnten gerade die Besonderheiten des Einzelfalles aus dem Blick geraten. Rechtsanwendung setzt häufig eine umfassende und komplexe Wertung voraus. Dazu ist KI derzeit aber nicht in der Lage. Grundsätzlich besteht beim Einsatz von KI zudem die Gefahr, dass der Lernprozess einer KI nicht hinreichend nachvollzogen werden kann, so dass Fehler vielleicht nicht sichtbar werden. Wenn also KI zum Einsatz kommt, ist ein kritischer Umgang mit ihr zwingend erforderlich. Wo liegt die Grenze dessen, was digitale Technik im Recht leisten kann? Juristisches Arbeiten setzt die Berücksichtigung der Besonderheiten des Ein 19 zelfalls voraus. Aufgrund des hohen Abstraktionsgrads von Rechtsnormen müssen diese ausgelegt werden. Recht verlangt nach einer Abwägung – wir müssen die Gründe ermitteln, die für oder gegen eine bestimmte Entscheidung sprechen. Selbst wenn all dies in Zukunft von einer KI geleistet werden könnte, muss immer auch die Frage beantwortet werden, ob sie diese Aufgabe denn übernehmen soll. Ein anwaltliches Beratungsgespräch hat insbesondere im Strafrecht für den Einzelnen nicht nur die Funktion, Rechtsfragen zu beantworten. Ein Gerichtsprozess soll nicht einfach ein richtiges Ergebnis produzieren, vielmehr dienen Zivil- und Strafprozesse der Kommunikation. Im Hinblick auf das Strafrecht betrifft dies die Kommunikation zwischen dem – potenziellen – Täter sowie der Rechtsgemeinschaft. Dabei wird die Gesellschaft durch den Richter oder die Richterin vertreten. Diese Aufgabe können technische Systeme nicht leisten. Nicht zu vergessen ist, dass trotz aller Bemühungen – etwa zur optimalen Sachverhaltserfassung – immer auch Fehler in Gerichtsverfahren geschehen können. Es bedarf daher verantwortlicher Personen, die Entscheidungen treffen – auch dies kann nicht auf einen „Robo-Judge“ übertragen werden.
Ich bin allerdings nicht der Auffassung, dass eine solche Lücke existiert, denn in jedem Fall hat sich ein Mensch einer Technologie bedient – und ist der Verantwortliche für die damit verbundenen negativen Folgen.
Mit Blick auf die digitale Transformation der Gesellschaft: Ist in Ihren Augen die Frage, wer bei Systemen mit Künstlicher Intelligenz die Verantwortung trägt und damit haftet, bereits zufriedenstellend geklärt? In diesem Kontext wird häufig von einer Verantwortungslücke gesprochen. Damit ist gemeint, dass bei Fehlern der KI-Anwendungen niemand für negative Folgen haftet und damit die Verantwortung trägt. Das Problem resultiert daraus, dass sich die KI eigenständig weiterentwickelt und deswegen „Entscheidungen“ trifft, die für den Anwender oder die Anwenderin nicht immer vorhersehbar sind. Ich bin allerdings nicht der Auffassung, dass eine solche Lücke existiert, denn in jedem Fall hat sich ein Mensch einer Technologie bedient – und ist der Verantwortliche für die damit verbundenen negativen Folgen. Damit dies aber wiederum nicht das Aus für KI-Anwendungen bedeutet, weil sich ihrer aufgrund der Haftungsfolgen nur wenige bedienen möchten, müssen Kriterien für den sicheren und vertrauenswürdigen Einsatz von KI-Systemen erarbeitet werden. Und hier ist in letzter Zeit viel geschehen. Es besteht in der Rechtswissenschaft ein großes Forschungsinteresse im Bereich der Künstlichen Intelligenz. Welche neuen Job-Profile werden sich im Bereich der fortschreitenden Digitalisierung für die junge Generation der Jurist*innen ergeben? Aufgrund der fortschreitenden Digitalisierung sollten sich junge Juristen und Juristinnen grundsätzlich darauf einstellen, in der Arbeitswelt mit KI konfrontiert zu sein. Es ist deswegen zu empfehlen, ein gewisses Grundverständnis zu entwickeln. Ferner könnte es in Zukunft notwendig sein, den vertrauenswürdigen Einsatz von KI-Anwendungen zu bewerten, sowohl durch den Anwender und die Anwenderin als auch übergreifend, zum Beispiel durch eine Behörde. Die Digitalisierung wird dazu führen, dass sich die Tätigkeit von Juristen und Juristinnen künftig verändern wird. Viele Aufgaben, die wir schon heute aufgrund ihrer Eintönigkeit eher als lästig empfinden, werden uns Technologieanwendungen abnehmen können. Dies wird dazu führen, dass wir in Teilen unser Berufsbild neu erfinden oder zumindest im Schwerpunkt anders als bislang zuschneiden müssen.

Deutscher Ethikrat

Im Zuge der Corona-Pandemie rückte der Deutsche Ethikrat ins Zentrum der Debatte, weil hier überdisziplinär über die ethischen Auswirkungen politischer Entscheidungen diskutiert wurde. „Der Deutsche Ethikrat beschäftigt sich mit den großen Fragen des Lebens“, heißt es auf der Homepage. Die Mitglieder werden vom Präsidenten des Deutschen Bundestages ernannt, Vorsitzende ist seit 2020 die Medizinethikerin Prof. Dr. med. Alena Buyx. Frauke Rostalski wurde 2020 in das Gremium berufen, kurz nach dem Ausbruch des Corona- Virus. Ihre inhaltlichen Schwerpunkte sind rechtliche und ethische Fragen der Fortschritte im Bereich der Medizin und der Biotechnologie, Herausforderungen der digitalen Transformation für Recht und Ethik sowie aktuelle rechtliche und ethische Fragen im Umgang mit der Pandemie.

Kuratiert

0

Neuer Master „Digitalization & Law“

In fast allen Berufsfeldern führt die zunehmende Bedeutung der Digitalisierung zu neuen juristischen Problemstellungen, die von der allgemeinen juristischen Ausbildung an Universitäten nicht mehr vollständig abgedeckt werden können. Der neue Masterstudiengang „Digitalization and Law“ der Universität Würzburg begegnet dieser wachsenden Fülle juristischer Probleme: Er ermöglicht auf Basis der juristischen Grundausbildung eine detaillierte Spezialisierung. Den Studierenden werden Kenntnisse in IT-Recht, Legal Tech, Künstliche Intelligenz, Informatik und Datenschutzrecht vermittelt. Zielgruppe des drei Semester dauernden Masterstudiums sind Absolventinnen und Absolventen juristischer Studiengänge oder anderer Studiengänge, die juristische Grundkenntnisse vermitteln. Bewerben kann sich, wer über eine mindestens einjährige qualifizierte berufspraktische Erfahrung verfügt. Studiert wird berufsbegleitend in englischer Sprache.

LL.M. Corporate and Business Law

Die Leuphana Universität Lüneburg bietet mit dem berufsbegleitenden LL.M. Corporate and Business Law ab Oktober 2022 eine Spezialisierungsmöglichkeit für Juristen und Wirtschaftswissenschaftler an. Der Masterstudiengang kombiniert juristisches Fachwissen und ökonomisches Know-how und führt zum anerkannten Titel Master of Laws. Der Studienabschluss liefert gleichzeitig die theoretischen Grundlagen für den Fachanwaltstitel Handels-und Gesellschaftsrecht. Der LL.M.-Abschluss lässt sich berufsbegleitend in drei Semestern erwerben. Das Angebot richtet sich an berufserfahrene Studieninteressierte mit einem abgeschlossenen Studium der Rechtswissenschaften, des Wirtschaftsrechts, der Wirtschaftswissenschaften oder anderer fachnaher Studiengänge. Zu den Studieninhalten zählen unter anderem Wirtschaftsrecht, Gesellschaftsrecht, Handels- und Kapitalmarktrecht sowie Bilanz- und Steuerrecht. Studienbeginn ist zweimal jährlich, jeweils im Oktober und im April.

Englischsprachiger Masterstudiengang „Comparative Democracy“

Die Krise der Demokratie, der Vertrauensverlust der politischen Institutionen in der Bevölkerung, immer mehr Nicht- und Protestwähler: Die Politikwissenschaft wird mit einer durchgreifenden Krise der Politik konfrontiert. Prof. Julian Garritzmann, der zusammen mit seinen Kolleg:innen aus der Vergleichenden Politikwissenschaft an der Goethe-Universität den neuen Masterstudiengang Comparative Democracy konzipiert hat, ist überzeugt davon, dass sich die heutigen Studierenden sehr für diese Fragen interessieren. „Junge Leute könnten auch Impulsgeber für ein neues Verständnis von Politik und Demokratie sein“, sagt Garritzmann. Der Masterstudiengang wird als rein englischsprachiger Studiengang in den Gesellschaftswissenschaften angeboten. Er ist empirisch-analytisch angelegt, folgt dabei dem Geiste eines Methodenpluralismus. von Christoph Berger

Herausforderung Digitalisierung

0

In Deutschland ist viel von der Digitalisierung des Rechtssystems die Rede. Doch noch hinkt man anderen Ländern hinterher. Was getan werden sollte, damit dieser Rückstand verkleinert wird, zeigt eine in diesem Jahr veröffentliche Studie. Von Christoph Berger

Wenn es um eine digitalisierte Justiz geht, dann ist Singapur derzeit wohl das Maß, an dem es sich zu messen gilt. Zumindest legt das die im Juni 2022 von der Boston Consulting Group, der Bucerius Law School und des Legal Tech Verbands Deutschland veröffentlichte Studie „The Future of Digital Justice“ nahe. Demnach verfügt der südostasiatische Insel- und Stadtstaat über ein einheitliches und lückenloses Online-Fallverwaltungssystem für alle Gerichtsbarkeiten und Beteiligten. Parteien, Anwält*innen, Behörden, Richter*innen und Sachverständige nutzen laut der Studie eine gemeinsame Plattform, auf der sie in Echtzeit miteinander kommunizieren und arbeiten können. Für Anwältinnen und Anwälte bedeutet das, dass sie jederzeit auf ihre Akten zugreifen, Termine für Anhörungen festlegen und an virtuellen Anhörungen teilnehmen können. „Singapur ist ganz klar der Vorreiter in puncto Digitalisierung der Justiz. Eine gemeinsame Plattform für alle Beteiligten eines Gerichtsverfahrens sollte auch das Ziel für Deutschland sein, damit unsere vielen rechtsstaatlichen Errungenschaften auch bei den Rechtsuchenden ankommen“, wird Dirk Hartung, Executive Director bei der Bucerius Law School und Co-Autor der Studie, in einer zur Studie veröffentlichten Mitteilung zitiert.
Auch eine dem Fortschritt entgegenstehende Mentalität sowie die Angst vor persönlichen Nachteilen bei den Beteiligten seien für den nur zögerlich fortschreitenden Digitalisierungsgrad mitverantwortlich.
Doch noch hinkt man hierzulande den digitalisierten Justizsystemen anderer Nationen – neben Singapur gehören zu den führenden Ländern diesbezüglich auch Kanada, Großbritannien und Österreich – noch deutlich hinterher. Um den Anschluss zu halten, müsse Deutschlands Politik die Strategie im Hinblick auf die Digitalisierung neu ordnen und Tempo aufnehmen. Statt der Entwicklung von Insellösungen brauche es eine systematische Digitalisierung. Nur auf diesem Weg lasse sich die Effizienz und Akzeptanz des Rechtssystems massiv erhöhen. Die partielle Überlastung würde so überwunden und der Zugang zum Recht deutlich verbessert. Doch noch seien hierzulande die eingesetzten technischen Lösungen vergleichsweise wenig vertreten, veraltet und nicht ausreichend nutzerorientiert. Zudem würden sie in den einzelnen Bundesländern, Gerichten und Fachgerichtsbarkeiten uneinheitlich umgesetzt. Doch nicht nur die unzureichende Hardware- und Soft ware-Infrastruktur werden als zu überwindende Hürden aufgezählt. Auch eine dem Fortschritt entgegenstehende Mentalität sowie die Angst vor persönlichen Nachteilen bei den Beteiligten seien für den nur zögerlich fortschreitenden Digitalisierungsgrad mitverantwortlich.

Linktipps

Civil Resolution Tribunal“ in Kanada Studie „The Future of Digital Justice“ (PDF-Download)
Ganz abgesehen vom bisher zur Verfügung gestellten Budget. „Die Digitalisierung der Justiz hinkt hinter den führenden Ländern hinterher, während die Überlastung der Gerichte, der Kostendruck und die bevorstehende Pensionierungswelle – über 25 Prozent aller Richter* innen werden bis 2030 in den Ruhestand gehen – den Druck zur Modernisierung und Digitalisierung der Gerichte erhöhen“, sagt Dr. Christian Veith, Senior Advisor bei BCG und Co-Autor der Studie.

Systematische Digitalisierung

Das Angst vor eventuellen Nachteilen und föderale Strukturen der Digitalisierung der Justiz nicht entgegenstehen müssen, zeigen in der Studie aufgeführte Beispiele. So hätten sich beispielsweise in Großbritannien anfängliche Bedenken im Hinblick auf eine mögliche Überwachung einzelner Richter*innen und ein zusätzlicher Aufwand durch die Datenerfassung nicht bestätigt. Vielmehr habe die Einführung eines digitalen Fallmanagementsystems inklusive der Erfassung von Leistungsdaten der Gerichte zu einem besseren Verständnis der Bedürfnisse aller Beteiligten sowie zu einer Effizienzsteigerung in der Verwaltung geführt und inzwischen sogar die durchschnittliche Verfahrensdauer verkürzt. Im Hinblick auf den Föderalismus in Deutschland, der nicht selten als Hindernis für Reformen angeführt wird, erklärt Dr. Philipp Plog, Vorstandsvorsitzender des Legal Tech Verbands Deutschland und Co-Autor der Studie: „Dass eine umfassende Reform auch und gerade in föderalen Systemen gelingen kann, zeigt die Studie anhand eines Projekts in Kanada besonders gut.“ Demnach könne der Föderalismus die Digitalisierung sogar fördern, weil länderspezifische Besonderheiten von Anfang an berücksichtigt werden könnten, führt Plog weiter aus. Das „Civil Resolution Tribunal“ in British Columbia sei möglicherweise das fortschrittlichste Online-Gericht der Welt. Während des gesamten Verfahrens würden alle Interaktionen mit dem Gericht und seinen Systemen vollständig digital erfolgen; das Gericht habe insgesamt fast 20.000 Streitfälle mit einer sehr hohen Nutzerzufriedenheit abgeschlossen – nahezu 85 Prozent, einschließlich der unterlegenen Parteien, würden es weiterempfehlen.

Das Ziel sollte eine führende Rolle sein

In ihrem Fazit stellen die Studienautor* innen fest, dass ein klares Bekenntnis zur Nutzerorientierung, einschließlich moderner Software und Prozessentwicklung sowie die Einführung von Datenanalysen zu den beschriebenen Vorteilen geführt habe. Es sei erkannt worden, dass nicht alleine die Kostenperspektive im Fokus der Bewertung gestanden habe, sondern dass die systemische Digitalisierung vielmehr ein Hebel sei, um die Leistungsfähigkeit der Justiz für Verbraucher*innen und Unternehmen zu erhöhen. Darüber hinaus wurde der Privatsektor stark eingebunden, um von dessen Know-how und Umsetzungsstärke zu lernen. Deutschland müsse sich daher das Ziel setzen, eine führende Rolle im Bereich der digitalen Justiz zu übernehmen. Inklusive der entsprechenden Haushaltsmittel von Seiten der Politik, einer Neukonzipierung der Beschaffungsverfahren sowie der Einbeziehung des Privatsektors. Dirk Hartung sagt: „Wenn Deutschland seine derzeitige Digitalisierungsstrategie fortsetzt, werden wir womöglich die nächsten Jahre mit der Digitalisierung bestehender Gerichtsverfahren und der Verbesserung bestehender Lösungen verbringen. Damit sorgen wir aber weder für einen besseren Zugang zum Recht, noch steigern wir die Effizienz oder setzen neue Technologien sinnvoll ein. Weitermachen wie bisher ist daher keine gute Option.“
Cover The Law of global Digitality

Buchtipp

Matthias C. Kettemann, Alexander Peukert, Indra Spiecker gen. Döhmann (Hrsg.): The Law of Global Digitality. Das Buch gibt es in einer Open Access Content-Version.

Gesetze über digitale Dienste und Märkte

0

Mit zwei neuen Gesetzen, dem „Gesetz über digitale Dienste“ (DSA) sowie dem „Gesetz über digitale Märkte“ (DMA), will die Europäische Union (EU) bei der Wirkung der Technologiebranche auf Gesellschaft und Wirtschaft ansetzen, es sollen klare Normen für Geschäftstätigkeit und Dienstleistungen von Technologieunternehmen festgelegt werden, die mit den Grundrechten und Werten der EU im Einklang stehen. Von Christoph Berger

Die Kernaussage der beiden Gesetze kann folgendermaßen zusammengefasst werden: Was außerhalb des Internets verboten ist, sollte auch im Internet verboten sein. So verpflichtet das „Gesetz über digitale Dienste“ Anbieter digitaler Dienste wie soziale Medien oder Marktplätze unter anderem dazu, neue Maßnahmen zur Bekämpfung illegaler Online-Inhalte zu entwickeln und eine schnelle Reaktionszeit zu garantieren, die Rückverfolgbarkeit von Händlern auf Online-Marktplätzen zu gewährleisten und diese stärker zu kontrollieren, mehr Transparenz und Rechenschaftspflichten der Plattformen zu schaffen sowie irreführende Praktiken und bestimmte Arten gezielter Werbung zu verbieten. Online-Plattformen und Suchmaschinen mit mehr als 45 Millionen Nutzer*innen müssen außerdem Systemrisiken eindämmen. Dazu gehören die Verbreitung illegaler Inhalte und nachteilige Auswirkungen auf die Grundrechte, Wahlprozesse, geschlechtsspezifische Gewalt oder psychische Gesundheit. Außerdem müssen sie sich von unabhängiger Seite prüfen lassen. Die Plattformen müssen ferner dafür sorgen, dass Nutzer* innen Empfehlungen ablehnen können, die auf der Erstellung von Profilen beruhen. Schließlich müssen sie Behörden und zugelassenen Forscher* innen Zugang zu ihren Daten und Algorithmen gewähren. Mit dem Gesetz über digitale Märkte werden Vorschriften für Plattformen eingeführt, die im digitalen Sektor als „Torwächter“, sogenannte Gatekeeper, fungieren. Diese Plattformen haben erhebliche Auswirkungen auf den Binnenmarkt, dienen als wichtiges Zugangstor, über das gewerbliche Nutzer ihre Endnutzer erreichen, und nehmen – derzeit und wahrscheinlich auch künftig – eine gefestigte und dauerhafte Position ein, heißt es von Seiten der Europäischen Kommission. Dadurch könnten sie so mächtig werden, dass sie als private Akteure selbst die Regeln bestimmen und als unumgängliches Zugangstor zwischen Unternehmen und Endnutzern funktionieren könnten. Das „Gesetz für digitale Märkte“ soll verhindern, dass solche Torwächter den Unternehmen und Endnutzern unfaire Bedingungen aufzwingen, und die Offenheit wichtiger digitaler Märkte gewährleisten. Mit den beiden Gesetzen sind eine ganze Reihe von Neuregelungen verbunden, die Einfluss auf die Bereiche eCommerce, Kartellrecht, Urheberrecht, Datenschutz und AGB haben. Außerdem gilt es, sich nun mit den neuen Spielregeln des DSA auseinanderzusetzen, um sich sorgfältig auf diese vorzubereiten. Dafür bleibt nicht mehr lange Zeit: Nachdem am 5. Juli 2022 das Europäische Parlament den beiden Gesetzen zustimmte, muss nun nur noch der Rat der Europäischen Union formell zustimmen. Wenn der endgültige Text verabschiedet wird, werden beide Verordnungen nach kurzer Übergangsfrist unmittelbar in allen EUStaaten gelten. Diese treten vermutlich im Herbst dieses Jahres in Kraft.

Eintauchen

0

Nachweispflichten im Arbeitsverhältnis

Bereits vor mehr als zwei Jahren, am 31. Juli 2019, trat die europäische Richtlinie (EU) 2019/1152 über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen in der Europäischen Union in Kraft, die bis zum 31. Juli 2022 in nationales Recht umzusetzen war. Ziel dieser Richtlinie ist es im Kern, eine „transparentere und vorhersehbarere Beschäftigung“ zu fördern und zugleich die Anpassungsfähigkeit des Arbeitsmarktes zu gewährleisten. Der Bundestag hat am 23. Juni 2022 ein Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/1152 in nationales Recht beschlossen, das bereits zum 1. August 2022 in Kraft trat. Von der Beschlussfassung ist vor allem das in der Praxis bislang nicht besonders relevante Nachweisgesetz betroffen. Für die Gestaltung von Arbeitsverträgen hat dies weitreichende Folgen, zumal ein Verstoß gegen das Nachweisgesetz zukünftig sogar eine bußgeldbewehrte Ordnungswidrigkeit darstellt. Weitere Infos: www.noerr.com

Neue Fassung des Deutschen Corporate Governance Kodex

Am 27. Juni 2022 trat der Deutsche Corporate Governance Kodex (DCGK) in seiner neuesten Fassung in Kraft. Der neue Kodex enthält aktualisierte Grundsätze und erweiterte Empfehlungen für Vorstände und Aufsichtsräte börsennotierter Unternehmen. Nach der jüngsten Reform wird im Kodex ein besonderes Gewicht auf die nachhaltige Unternehmensführung gelegt. Der Vorstand soll die mit den Sozial- und Umweltfaktoren verbundenen Chancen und Risiken für das Unternehmen sowie die ökologischen und sozialen Auswirkungen der Unternehmenstätigkeit systematisch identifizieren und bewerten und in der Unternehmensstrategie und -planung auch ökologische und soziale Ziele berücksichtigen.

Bayern mit bundesweit erstem Digitalgesetz

Der Bayerische Landtag hat am 20. Juli 2022 das Bayerische Digitalgesetz beschlossen, bundesweit das erste seiner Art. Es gliedert sich in drei wesentliche Kernpunkte: Erstens werden in ihm die allgemeinen Ziele und Grundsätze für der Digitalisierung im Freistaat Bayern festgelegt, an denen sich zukünftig die staatlichen Bemühungen orientieren werden. Zweitens sind in ihm die Digitalrechte von Bürgerinnen und Bürgern sowie von den Unternehmen im Freistaat verankert. Dazu gehört beispielsweise der Anspruch auf die Nutzung von digitalen Diensten im Austausch mit Behörden. Und schließlich hilft es den Kommunen durch ein neues Kompetenzzentrum (Anstalt des öffentlichen Rechts) dabei, ihren Bürgerinnen und Bürgern nutzerfreundliche und unkomplizierte digitale Serviceleistungen anzubieten.

Mehr Anwältinnen, aber die Anwaltschaft schrumpft

0

Es ist eine Entwicklung seit 2017, die sich aktuell fortsetzt: Die Anwaltszahlen gehen zurück. Steigende Zahlen werden jedoch bei Anwältinnen sowie den Fachanwältinnen und Fachanwälten verzeichnet. Mit einer klaren Präferenz für eine Fachanwaltschaft. Von Christoph Berger

Die Zahl scheint kaum erwähnenswert, und doch ist sie die Fortsetzung eines schon vor fünf Jahren begonnen Trends. Seitdem gehen die Anwaltszahlen in Deutschland zurück. So auch zum letzten Stichtag am 1. Januar 2022. Die 28 Rechtsanwaltskammern in Deutschland verzeichneten zu diesem Datum im Vergleich zum Vorjahr sieben Mitglieder weniger, genau 167.085. Das entspricht einem Rückgang von gerade mal 0,004 Prozent, eine Zahl im Promillebereich. Auch die Anzahl der zugelassenen Rechtsanwält*innen hat um 0,06 Prozent abgenommen und wurde zum Jahresstart mit 165.587 angegeben. So die Zahlen der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK). Was sich wie Peanuts anhört, wird vom Soldan Institut in einer Langzeitbeobachtung jedoch als Schrumpfungsprozess bezeichnet, der längst nicht mehr nur einer Stagnation gleichzusetzen sei.
Der Frauenanteil ist in allen Zulassungsarten weiter angestiegen, liegt bei den Syndizi jedoch noch einmal deutlich höher als bei den Einzelzulassungen.
Dementsprechend werde es nach Angaben des Instituts auch immer schwieriger, passenden Nachwuchs zu finden. Wobei nun die Gründe für den Rückgang zu untersuchen seien. Auf dem Deutschen Anwaltstag hieß es, dass sich viele Studierende für Studiengänge mit einer wirtschaftsrechtlichen Ausrichtung entscheiden würden. Allerdings würden diese Bachelor- und Masterstudiengänge nicht zum Referendariat befähigen. Ebenso nicht zu einem Anwaltsberuf. Sodass vor diesem Hintergrund nun klar zu kommunizieren sei, dass das Aufgabenfeld von Wirtschaftsanwälten inzwischen sehr breit gefächert sei und viele interessante Aspekte biete. Laut den Zahlen der BRAK haben sich auch die Einzelzulassungen als Rechtsanwältin und Rechtsanwalt sowie die Anzahl der Anwaltsnotare verringert. Ein Zuwachs wurde hingegen bei den Rechtsanwältinnen festgestellt. Waren im Vorjahr noch 59.466 Rechtsanwältinnen zugelassen, ein Anteil von 35,9 Prozent, sind es 2022 schon 60.057 (36,27%). Überhaupt: Der Frauenanteil ist in allen Zulassungsarten weiter angestiegen, liegt bei den Syndizi jedoch noch einmal deutlich höher als bei den Einzelzulassungen (34,42 %). 44,96 Prozent der doppelt Zugelassenen und sogar 57,7 Prozent der reinen Syndikusrechtsanwälte sind weiblich. Auch die Zahl der Fachanwältinnen und Fachanwälte ist abermals gestiegen. Hier liegt der Frauenanteil bei 32,1 Prozent. Beliebtester Fachanwaltstitel: Arbeitsrecht, gefolgt vom Familienrecht.

Aufgestiegen zur General Counsel

Im Januar 2022 schaffte das sich auf dem Weg zu einem Industrieunternehmen befindliche Wasserstoff- Unternehmen Sunfire die Stelle einer General Counsel. Besetzt wurde sie mit Dr. Valesca Molinari, die seitdem den Rechts- und Compliancebereich aufbaut und verantwortet. Und für die sich mit der Übernahme der Stelle ein Kreis schließt. Von Christoph Berger

Wenn Dr. Valesca Molinari auf ihr bisheriges Berufsleben blickt, dann ist dies gespickt mit zahlreichen spannenden Stationen: Die promovierte Juristin schloss ihr Studium der Rechtswissenschaften mit den Schwerpunkten Handels- und Gesellschaftsrecht an der Universität Bayreuth mit einer wirtschaftswissenschaftlichen Zusatzausbildung ab, sie absolvierte ein Praktikum bei einem Private Equity Fonds, war Mitgründerin und Gesellschafterin eines Start-ups, später wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Privates Bau- und Immobilienrecht an der Humboldt-Universität zu Berlin. Dort schrieb sie auch ihre Dissertation bevor sie als Rechtsanwältin im Bereich Corporate/M&A bei der internationalen Wirtschaftskanzlei Baker McKenzie in Frankfurt am Main einstieg. „Ich beriet für die Kanzlei Industrieunternehmen bei Transaktionen und Gesellschaftsrecht“, sagt sie. In dieser Zeit begann sich außerdem ein Wandel der Rechtsbranche anzukündigen: Legal Tech kam langsam im Big Law an – vorerst noch in einer kleinen Bubble mit Meetups. Doch damals begann sich bereits abzuzeichnen, dass Agilität und Entrepreneurship durchaus auch für Großkanzleien interessant sein können. „Für mich war es spannend, diese Themen in einem kleinen Team voranzutreiben und größer zu machen“, erzählt sie. In der Kanzlei stieg sie so zum Co-Head of Innovation and Legal Tech auf, sie war Mitglied der dortigen globalen Coding Strategy-Arbeitsgruppe, initiierte ein Associate Innovation Incubator Programm und agierte als eine der Liaison-Personen des Legal Innovation Hubs ReInvent in Frankfurt. 2019 ging sie außerdem für Baker McKenzie für sechs Monate nach San Francisco, USA, und arbeitete dort im Rahmen eines Secondments beim „Centre for the Fourth Industrial Revolution“ des World Economic Forums mit. Ihr Fokus lag auf „Future Mobility“. Noch heute erinnert sie sich gerne an das dann folgende Erlebnis: „Das Highlight war schließlich, dass wir im Februar 2020 unsere Ergebnisse in Davos präsentieren konnten.“

Ein Growth-Unternehmen auf dem Weg zum Industriekonzern

Anfang 2022 fügten sich all diese Stationen und Erfahrungen zusammen, wie Valesca Molinari selbst sagt: Sie wurde General Counsel bei Sunfire, einem auf Anlagenbau im Segment des grünen Wasserstoffs spezialisierten Unternehmen. „Wir bauen Elektrolyseure“, erklärt sie. Dabei handelt es sich um Anlagen, in denen mit Einsatz elektrischen Stroms Wasserstoff erzeugt wird. Stammt der genutzte Strom aus erneuerbaren Energien, wird von grünem Wasserstoff gesprochen. Molinari sagt weiter: „2021 lernte ich Sunfire kennen. Ich nahm war, in welch spannender Phase sich das Unternehmen gerade befand: ein Growth-Unternehmen auf dem Weg zum Industriekonzern.“ Die Industriesparte war ihr aufgrund ihrer Beratungstätigkeit der letzten Jahre bei Baker McKenzie vertraut, die sich nun mit der Dynamik eines schnell wachsenden Unternehmens paarte. Nicht zu vergessen der Purpose: „Zugleich ist grüner Wasserstoff eine Antwort auf die drängendsten Fragen unserer Zeit, um den energieintensiven Industrien bei der Dekarbonisierung zu helfen.“
Ich habe die Schwerpunkte ja nicht gesetzt, weil ich wusste, dass ich General Counsel bei Sunfire werden möchte. Viele Aufgaben habe ich übernommen, weil sie interessant oder herausfordernd waren. Als das Angebot von Sunfire kam, dachte ich: Dies möchte ich machen. Natürlich war das nicht geplant.
Industrieerfahrung, gesellschaftsrechtliche Kompetenz sowie Erfahrungen in den Bereichen Tech und Prozesse, Legal Management und Legal Operations, dazu die Chance, in einem solchen Umfeld eine Rechtsabteilung aufzubauen und zu leiten: „Die Annahme der Stelle war damit direkt klar“, sagt Molinari. Und fügt an: „Ich habe die Schwerpunkte ja nicht gesetzt, weil ich wusste, dass ich General Counsel bei Sunfire werden möchte. Viele Aufgaben habe ich übernommen, weil sie interessant oder herausfordernd waren. Als das Angebot von Sunfire kam, dachte ich: Dies möchte ich machen. Natürlich war das nicht geplant.“ Bei Sunfire baut sie seit dem 1. Januar 2022 eine business- und prozessintegrierte Rechtsabteilung auf. Bedeutet: Es braucht rechtliche Lösungen, die nicht nur richtig, sondern auch praktikabel und pragmatisch sind. Dazu gehöre es, Risiken aufzuzeigen, bei Business-Entscheidungen zugleich aber auch, Risiken zu bewerten und Lösungswege aufzuzeigen, erklärt sie. Und wird konkreter: „Business-integriert bedeutet, das Geschäft zu verstehen. Der intensive Austausch und eine enge Zusammenarbeit mit den anderen Abteilungen, wie zum Beispiel Finance, Projektmanagement und Sales ist wichtig. So können wir in der Rechtsabteilung die Risiken besser bewerten und gemeinsam mit den Kolleg*innen die für Sunfire passenden Lösungen finden.“ Prozess-orientiert bedeutet für sie, dass das Recht sich eingliedert. Dazu sei es wichtig, eng am Business und Produkt zu sein. Legal wird damit zu einem maßgeblichen Stakeholder. Schnittstellenkompetenzen sind dabei ein entscheidender Vorteil, für ihre Position und das gesamte Team sogar ein Muss, wie sie betont.

Der Reiz des Mitgestaltens

Wirkte Molinari Anfang des Jahres noch allein, ist das Legal, Compliance und Contract-Management-Team inzwischen auf drei Personen gewachsen, bis Ende des Jahres sollen es vier sein. „Wir haben so viele Themenfelder, dass es eine der wichtigsten Aufgaben war, ein Team aufzubauen. Und ich bin stolz und glücklich, dass wir als Sunfire in diesem Jahr so tolle und erfahrene Kolleg* innen für die Rechtsabteilung gewinnen konnten“, so Molinari. Zudem sollten Prozesse automatisiert, Standards etabliert, mit Templates gearbeitet und Abstimmungsprozesse mit Tech-Lösungen vereinfacht werden. Alles sehr reizvolle Aufgaben: „Dadurch, dass wir die Abteilung aufbauen, können wir als Legal Team selbst gestalten.“ All die Herausforderungen und Gegebenheiten machen die General Counsel-Position für Valesca Molinari attraktiv: „Ich stehe zu 100 Prozent hinter dem Schritt, hierhergekommen zu sein. Die Aufgaben sind so unfassbar vielschichtig, die Entwicklung so schnell. Das macht die Position spannend – auch, weil ich Veränderungen und Dynamik mag.“

Pionierinnen

0

Am 11. Juli 1922, also vor rund 100 Jahren, wurde das „Gesetz über die Zulassung der Frauen zu den Ämtern und Berufen in der Rechtspflege“ erlassen, am 23. November 1922 trat es in Kraft. Das geschah nicht von selbst, sondern ist von zahlreichen „Vorkämpferinnen“ initiiert und mit auf den Weg gebracht worden. In unserer Pionierinnen-Reihe stellen wir Frauen vor, die daran mitgearbeitet haben, mehr Gleichberechtigung in juristischen Berufen Realität werden zu lassen. Von Christoph Berger

Marie-Elisabeth Lüders (1878-1966) – Politikerin

Marie-Elisabeth Lüders wurde 1912 als erste Frau in Deutschland zum Dr. rer. pol. promoviert. Als eine der ersten beiden Frauen war sie 1909 mittels einer Sondergenehmigung an der Friedrich-Wilhelms-Universität für Nationalökonomie, Geschichte, Philosophie und Jura immatrikuliert worden. Sie war Mitglied der verfassunggebenden Nationalversammlung, des Reichstags und später des Deutschen Bundestags. Bereits 1909 gründete sie den „Verband für handwerksmäßige und fachgewerbliche Ausbildung der Frau“. Die Gleichberechtigung der Frau war ihr immer ein großes Anliegen. Marie-Elisabeth Lüders wirkte maßgeblich am „Gesetz über die Zulassung von Frauen zu den Berufen und Ämtern der Rechtspflege“ mit.

Maria Otto (1892 – 1977) – Rechtsanwältin

1916 beendete Maria Otto ihr Studium an der Juristischen Fakultät der Universität Würzburg, 1920 wurde sie dort promoviert. Zu Beginn des Jahres 1922 wurde sie zur Zweiten Juristischen Staatsprüfung zugelassen – allerdings unter Vorbehalt, da zu dem Zeitpunkt eine erfolgreiche Prüfung weder zur Berufung in ein Richteramt, noch die Anstellung in einem höheren Amt in der inneren Verwaltung oder des Finanzdienstes berechtigte. Das änderte sich im November 1922 mit in Kraft treten des „Gesetz über die Zulassung der Frauen zu den Ämtern und Berufen in der Rechtspflege“. Anfang Dezember 1922 wurde Maria Otto als erste Rechtsanwältin in Deutschland zur Rechtsanwaltschaft zugelassen.

Podcast: „Justitias Töchter“

Sonderfolge 1: „100 Jahre Frauen in juristischen Berufen“ – Auftakt der Sonderreihe und Sonderfolge 2: „100 Jahre Frauen in juristischen Berufen“ – die ersten Juristinnen und ihr Weg in die juristischen Berufe www.djb.de/veroeffentlichungen/podcast-justitias-toechter

Dr. Maria Johanna Hagemeyer (1896 – 1991) – Richterin

In Köln geboren, nahm Maria Hagemeyer nach dem Abitur im Jahr 1916 an der Universität Bonn das Studium der Rechtswissenschaften auf. Und dies, obwohl Frauen zu dieser Zeit zum Examen nicht zugelassen waren. Das war erst ab 1919 möglich. Nach Abschluss ihres Studiums wurde sie 1922 mit Bestnote an der Universität Bonn promoviert. Sowohl im Studium als auch im anschließenden Referendariat zeigte sie herausragende juristische Fähigkeiten und Leistungen. Nach dem Referendariat wurde sie zunächst als Assessorin im preußischen Ministerium für Justiz tätig. Im Jahr 1927 wurde sie dann als erste Frau in Preußen zur Amts- und Landgerichtsrätin in Bonn ernannt. Nach dem Ende des 2. Weltkriegs und Entlastung durch den Haupt-Entnazifizierungsausschuss in Bonn wurde Frau Dr. Hagemeyer 1950 für drei Jahre als Referatsleiterin in das Bundesjustizministerium in Bonn abgeordnet. Am 1. Januar 1953 kehrte sie als Landgerichtsdirektorin an das Landgericht Bonn zurück und leitete dort bis zu ihrer Versetzung in den Ruhestand im Jahr 1958 eine Zivilkammer.

Maria Magdalene Schoch (1897 – 1987) – Wissenschaftlerin

Magdalene Schoch startete 1916 mit einem Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Würzburg und promovierte dort 1920. Nach ihrer Promotion arbeitete sie als Assistentin an der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Hamburg. 1932 wurde sie zur ersten Privatdozentin der rechtswissenschaftlichen Fakultät mit einem einstimmigen Votum ernannt, sie war die erste Frau in Deutschland, die in den Rechtswissenschaften habilitierte. 1937 emigrierte sie wegen des NS-Regimes in die USA, wo sie erst eine Assistentinnen-Stelle an der Harvard University annahm und, nach Annahme der amerikanischen Staatsbürgerschaft, für das Office of Economic Welfare und in der Foreign Economic Administration arbeitete. Später stieg sie bis zur Abteilungsleiterin im US-Justizministerium auf.

Buchtipps

Cover Wiltraut Rupp von BrünneckFabian Michl: Wiltraut Rupp-von Brünneck (1912–1977). Campus 2022, 39 Euro
Cover Marie MunkOda Cordes: Marie Munk (1885–1978). Böhlau 2015, 12o Euro
Cover Frauen als Wegbereiter des RechtsOda Cordes: Frauen als Wegbereiter des Rechts: Die ersten deutschen Juristinnen und ihre Reformforderungen in der Weimarer Republik. Diplomica 2012, 29,50 Euro