Das Gerät sieht wie ein leichter Arbeitshandschuh aus, den man mit Hilfe eines Steckers an ein Armband anschließt. Doch das Produkt ist nicht dafür da, die Hände zu schützen. Die Innovation macht das wichtigste Arbeitswerkzeug smart: die menschliche Hand.
In dem Armband, das direkt mit einem Sensor am Zeigefinger des Arbeiters verbunden ist, befinden sich mehrere digitale Techniken. Motion Tracking zeichnet die Bewegungen auf, RFID-Technologie erkennt und ortet Gegenstände, Sensoren erheben eine Vielzahl von Daten. Mit dieser Ausstattung wird der Handschuh für den Arbeiter zu einem wertvollen Kollegen, der gleich mehrere Jobs übernimmt. Die Sensoren überwachen die Handbewegungen und signalisieren, wenn es ungenau wird. Die RFID-Technik hilft beim Suchen und Kategorisieren von Teilen, die Sensoren sammeln automatisch Daten des gesamten Produktionsprozesses und dokumentieren jeden einzelnen Schritt. Die Vorteile liegen auf der Hand: Der Handschuh mit dem Namen ProGlove ermöglicht es der Fachkraft, schneller, effizienter und genauer zu arbeiten.
Smarter Handschuh
Das Produkt des Start-up-Unternehmens aus München ist ein typisches Beispiel für den industriellen Nutzen von Wearables. Smarte Handschuhe, Arbeitsanzüge oder Brillen stehen dabei für eine Form von künstlicher Intelligenz, die menschliche Arbeit nicht ersetzen, sondern auf ein höheres Niveau heben soll. Die Entwicklungsingenieure bei ProGlove haben erkannt:
Die menschliche Hand ist ein einzigartiges Werkzeug, das Geschick und Intuition mit kognitiver Intelligenz kombiniert. Die digitalen Techniken im Wearable haben die Aufgabe, die Handarbeit zu optimieren sowie die Resultate dieser Arbeit anhand von Big Data zu dokumentieren. Die künstliche Intelligenz soll die menschliche Arbeitskraft also nicht ersetzen – der Handschuh alleine kann nämlich nichts. Stattdessen wird er zum Kollegen.
OpenAI: Eine Milliarde gegen die Bedrohung
Künstliche Intelligenz bietet viele Chancen. Aber die Vorstellung von intelligenten Maschinen weckt auch böse Vorahnungen: Was, wenn KI missbraucht wird? Oder sich Roboter tatsächlich gegen die Menschheit auflehnen? Diese Fragen stellen unter anderem intelligente Köpfe wie Stephen Hawking, Bill Gates oder Tesla-Gründer Elon Musk. Musk hat nun mit OpenAI eine Plattform gegründet und mithilfe von Partnern mit einer Milliarde Dollar ausgestattet. Hier entwickeln digitale Pioniere, Forscher und Unternehmen die künstliche Intelligenz weiter und diskutieren auch ethische Fragen, um zu verhindern, dass die künstliche Intelligenz nicht nur eine der besten Erfindungen der Menschheit ist – sondern auch die letzte.
Weitere Infos unter www.openai.com.
Doch KI-Lösungen stecken längst nicht nur in kleinen Helfern. Auch große Maschinen werden smart gemacht. Ingenieure sind daran beteiligt, diese KI-Anlagen zu entwickeln, in die Smart Factories zu integrieren und später dafür zu sorgen, dass sie das leisten, was sie zu leisten imstande sind. Dass es dabei nicht ausschließlich um an Science-Fiction erinnernde Innovationen wie smarte Handschuhe gehen muss, zeigt das Bespiel von Dr. Alexander Hildebrandt, Forschungsingenieur und Experte für künstliche Intelligenz beim deutschen Automatisierungsspezialisten Festo.
Aktuell arbeitet er an einer Lösung für elektrische Antriebe, die mit einem Servocontroller betrieben werden. „Diese Controller regulieren beispielsweise den Motorstrom, die Lastgeschwindigkeit und die Lastposition der gewünschten Anwendung“, erklärt Hildebrandt. Je nach Einsatzort in den Fabriken sind die Parameter des Controllers anders. Üblich ist bislang, dass die Kunden selbst diese Einstellungen in der tatsächlichen Maschinenumgebung vornehmen und anpassen müssen. Das kostet Zeit und Manpower, oder es kann zu Produktionsausfällen kommen, wenn die Einstellungen nicht optimal sind. „Daher arbeiten wir derzeit an einer Lösung, bei der sich der Servocontroller in der realen Anwendung selbst an die dort vorherrschenden Begebenheiten anpasst“, sagt Hildebrandt. Die Maschine richtet sich damit also eigenständig in der Fabrik ein. Sie ist nach der Konfiguration sofort einsatzbereit und optimiert die Einstellungen, sobald etwas nicht mehr passt.
Computernetz simuliert Gehirne Viele KI-Lösungen klingen nach Zukunftsmusik, doch über künstliche Intelligenz wird in den Ingenieurwissenschaften und in der Informatik schon lange diskutiert. Bereits drei Jahrzehnte alt ist der Ansatz, die Struktur des menschlichen Gehirns mit Hilfe eines Netzwerks von Computern nachzubauen. Diese künstlichen neuronalen Netze waren einige Zeit lang in der Forschung und Entwicklung sehr angesagt. Die Idee: Ein Netzwerk aus vielen Computern saugt Informationen auf, bewertet sie und sucht nach Mustern.
„Schon vor Jahrzehnten wurden sehr interessante Lösungsmöglichkeiten publiziert“, sagt Festo-Forschungsingenieur Alexander Hildebrandt. Nach diesem ersten Hype sei zunächst einmal Ruhe eingekehrt, weil die Ergebnisse nicht an die Erwartungen heranreichten. „Nun“, sagt Hildebrandt, „ist das sogenannte Deep Learning in aller Munde, das die bereits vorhandenen Theorien der künstlichen neuronalen Netze nutzt.“ Der Zeitpunkt des neuen Hypes ist nicht zufällig: „Der Unterschied zu früheren Zeiten liegt in der deutlich schnelleren Rechen- und Speicherleistung moderner vernetzter Rechner-Architekturen“, so Hildebrandt. Sprich: Erst die neueste Generation von Prozessoren kann die alte Idee von künstlichen neuronalen Netzen umsetzen. Nun werden durch das Deep Learning Maschinen in die Lage gebracht, Muster in Bild-, Audio- oder Textdateien zu erkennen – und genau das ist es, was den menschlichen Denkapparat auszeichnet.
Maschine wird zum Gehirn
Das Berliner Start-up Heuro Labs zählt weltweit zu den Pionieren bei der Entwicklung neuer KI-Technologien. Das IT-System Cognitio wird in die Lage gebracht, Daten wie Bilder oder Audios zu erkennen, zu verstehen – und daraus Schlüsse zu ziehen. „Menschliche Intelligenz hat ein Limit, was Raum und Zeit betrifft“, sagt Co-Gründer Mohammed Sayed. „Es dauert, bis wir Dinge herausbekommen, zudem können wir nicht an zwei Orten gleichzeitig sein.“ Maschinen sind rasend schnell, werden nicht müde und können dupliziert werden. Derzeit arbeitet das Team daran, Systeme auch aus kleineren Datensätzen lernen zu lassen und weniger Rechner einzusetzen. Sayed: „Wir können gut arbeitende Modelle innerhalb von Minuten aufbauen.“
Weitere Infos unter www.heurolabs.com
Schlüssel für autonome Autos
Das Beispiel zeigt: Künstliche Intelligenz und Digitalisierung – das ist ein Geben und Nehmen. Einerseits fördern schnellere Prozessoren neue KI-Lösungen. Andererseits ermöglichen neue KI-Entwicklungen bahnbrechende Innovationen. Zum Beispiel die Einführung des autonom fahrenden Autos. „Künstliche Intelligenz ist eine Schlüsseltechnologie für das autonome Fahren und damit eine Investition in unsere Zukunft“, sagte laut einer Pressemitteilung Matthias Müller, Vorstandsvorsitzender des Volkswagen Konzerns, aus Anlass der Beteiligung des Autobauers am Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) (lesen Sie dazu auch das Interview mit DFKI-Chef Prof. Wolfgang Wahlster). Volkswagen verspricht sich von der DFKI-Beteiligung neue Impulse für die Digitalisierung seiner Fabriken und die Automatisierung von Unternehmensabläufen. „Wir wollen die KI-Forschung in der Autobranche und darüber hinaus voranbringen“, so Müller.
Für Ingenieure bedeutet das Engagement eines großen Technikkonzerns wie Volkswagen: Es geht künftig kein Weg mehr an den Themen der künstlichen Intelligenz vorbei. „Die rudimentären Ideen der KI entspringen der Mathematik und der angewandten Informatik“, definiert Alexander Hildebrandt von Festo die Anforderungen, vor denen junge Ingenieure stehen. „Um sich tiefgehend mit dem Thema der KI zu beschäftigen, muss ein Ingenieur genau diese beiden Schwerpunkte beherrschen.“ Die Zukunft gehört also Ingenieuren, die wissen, worauf es bei der Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine ankommt.