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Wunder in der Wüste

In nur sechs Stunden empfangen die Wüsten weltweit mehr Energie von der Sonne, als die Menschheit in einem ganzen Jahr verbraucht. Desertec, eines der ehrgeizigsten Infrastrukturprojekte für sauberen Strom, baut auf dieser Erkenntnis auf. Von Franziska Andrä

Wunder in der Wüste - Desertec

In den Wüsten der Erde mit Sonnenenergie sauberen Strom erzeugen. Damit den Strombedarf der wachsenden Weltbevölkerung decken. Die Trinkwassergewinnung und die sozioökonomische Entwicklung in den Wüstenregionen verbessern. Gleichzeitig die globalen CO2-Emissionen reduzieren, und dabei noch die internationale Zusammenarbeit und Sicherheitspolitik fördern. Ist das zu schön, um wahr zu sein? Nein, befanden die Deutsche Gesellschaft Club of Rome e.V., Mitglieder des internationalen Wissenschaftlernetzwerks Trans-Mediterranean Renewable Energy Cooperation (TREC) sowie engagierte Privatpersonen. Sie gründeten im Januar 2009 die Desertec-Stiftung, um die Umsetzung des globalen Konzeptes „Sauberer Strom aus Wüsten“ weltweit voranzutreiben.

Grundgedanke des Desertec-Konzeptes ist, Strom aus erneuerbaren Energien vor allem dort zu erzeugen, wo diese am reichhaltigsten vorkommen – in Wüsten. Wichtigste Technologie für den Wüstenstrom ist die Solarthermie: Sonnenenergie wird durch Spiegel konzentriert, um Wasser zu erhitzen. Mit dem entstehenden Dampf wird eine Stromturbine angetrieben. Zur Kühlung des Dampfkreislaufs kann an der Küste Meerwasser eingesetzt und dadurch gleichzeitig durch Entsalzung Trinkwasser gewonnen werden. An küstenfernen Wüstenstandorten kann man auf wassersparende Luftkühlung zurückgreifen. Ein großer Vorteil der Solarthermie ist die Möglichkeit, die Sonnenenergie in großen Wärmespeichern zu sammeln und sie nachts oder ganz gezielt bei Lastspitzen an den Dampfkreislauf abzugeben. So ist die solarthermische Energie auch für den Einsatz im Netzverbund mit anderen erneuerbaren Energien aus Wind und Photovoltaik geeignet, da sie Schwankungen ausgleicht und somit zur Stabilisierung der Stromnetze beiträgt. Es ist geplant, diese erneuerbaren Energiequellen über ein verlustarmes Hochspannungs-Gleichstrom-Netz über große Strecken miteinander und mit den Verbrauchszentren zu verbinden. Das würde eine wirtschaftliche, sichere und nachhaltige Versorgung der Welt mit sauberem Strom ermöglichen.

Vor der Gründung der Desertec Foundation wurden ausführliche Untersuchungen zur Umsetzung des Konzepts vorgenommen, vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt ebenso wie von Forschungseinrichtungen für erneuerbare Energien der Regierungen von Marokko, Algerien, Libyen, Ägypten, Jordanien und Jemen. Erzeugt werden soll der Strom zunächst nämlich in der MENA-Region, also im Mittleren Osten und Nordafrika. Ziel ist, bis zum Jahr 2050 einen Großteil des regionalen Bedarfs und 15 Prozent des europäischen Verbrauchs durch den sauberen Wüstenstrom zu decken. Doch ist dieses Ziel angesichts der politischen Lage in Nordafrika und dem Mittleren Osten überhaupt realisierbar? Katrin-Susanne Richter, Vorstand der Desertec Foundation, nimmt dazu Stellung: „Die Umsetzung von Desertec ist ein langfristiges Vorhaben. Derzeit gehen wir nicht davon aus, dass es durch die aktuellen Entwicklungen wesentlich beeinträchtigt wird. Die Zerstörungen in Tunesien und Ägypten hatten weder Kraftwerke noch Stromleitungen im Fokus. Die Desertec Foundation hofft, dass die Solarpläne dieser Länder fortgeführt werden.“ Gerade jetzt sei es für Europa auch aus sicherheitspolitischen Gründen sinnvoll, sich für eine Energiekooperation im Sinne von Desertec zu engagieren. Denn das Wüstenstrom-Konzept biete den geeigneten Ansatz, die wirtschaftlichen Perspektiven für die stark wachsende Bevölkerung in der MENA-Region zu verbessern. Schließlich dient Desertec nicht nur dem Klimaschutz, sondern fördere auch die sozioökonomische Entwicklung der Standortländer durch Wissenstransfer, Investitionen und die Schaffung von Arbeitsplätzen in dem neuen, nachhaltigen Industriesektor der erneuerbaren Energien. Da passt es gut, dass Thiemo Gropp, ebenfalls Vorstand der Desertec Stiftung, im April 2011 für Ende 2012 die Ausschreibungen für das erste Solarkraftwerk in Marokko ankündigte. Ab etwa 2015 könne der Bau der Anlage in der Größenordnung von 500 Megawatt beginnen.

Zur Umsetzung der Desertec-Vision gründete die Desertec Foundation zusammen mit zwölf Partnern aus der Industrie- und Finanzwelt die Industrieinitiative Dii. Ein 30-köpfiges Team arbeitet dort an der Entwicklung von technischen, ökonomischen, politischen und regulatorischen Rahmenbedingungen, die Investitionen in erneuerbare Energie und miteinander verbundene Stromnetze möglich machen sollen. Ganz konkret bereiten die Dii-Experten gemeinsam mit der marokkanischen Regierung ein Pilotprojekt bestehend aus Photovoltaik- und solarthermischen Anlagen in Marokko vor. Zu den Aufgaben der Industrieinitiative zählt nicht nur die Entwicklung eines langfristigen Umsetzungsplans bis zum Jahr 2050, sondern auch die Planung von Referenzprojekten zur Demonstration der Machbarkeit des Wüstenstrom-Konzepts.

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