Verena Krebs ist Vorstandsmitglied des Vereins Pacific Garbage Screening, der eine schwimmende Plattform entwickeln will, die Plastik und Plastikpartikel aus dem Wasser filtert. Die Bauingenieurin mit Schwerpunkt Konstruktiver Wasserbau erläutert im Interview, wie sie und ihr Team die Meere von Plastik befreien wollen. Die Fragen stellte Sabine Olschner
Wie entstand die Idee zu der Meeresplattform?
Die Idee entwickelte Marcella Hansch während ihrer Masterarbeit im Fach Architektur. Sie entwarf die Architektur für die Plattform und suchte anschließend Experten aus den verschiedenen Fachbereichen, um die Idee weiterzudenken. Als Doktorandin im Bereich Wasserbau kam ich nach einem Vortrag an unserem Institut für Wasserbau und Wasserwirtschaft mit ihr in Kontakt. Gemeinsam mit anderen überlegten wir, ob und wie das Konzept tatsächlich umgesetzt werden kann.
Wie setzt sich das Team zusammen?
Unser interdisziplinäres Team ist seit der Gründung des Vereins vor zwei Jahren stark gewachsen. Es besteht aus Studenten, Doktoranden und Absolventen unter anderem verschiedener Ingenieurbereiche wie Entsorgungsingenieurwesen, Werkstofftechnik und Maschinenbau, aber auch aus Vertretern der Biotechnologie, der Meeresbiologie und der Geographie. Die meisten sind wie ich an der RWTH Aachen tätig. Wir bekommen viele Anfragen, derzeit sind wir aber erst einmal genug Leute – außer es melden sich Experten aus dem Schiffsbau und der Meerestechnik.
Wie soll Ihre schwimmende Plattform funktionieren?
Die meisten Plastikarten, die in das Meer gelangen, sind leichter als Wasser, sodass die Plastikpartikel bei ruhiger Strömung aufschwimmen. Mit der Architektur der Plattform soll das Wasser im Meer so weit beruhigt werden, dass die Plastikpartikel an die Oberfläche kommen und dort gesammelt und entfernt werden können. Darüber hinaus wollen wir Ideen entwickeln, wie der Plastikmüll wiederverwertet werden könnte.
Problem Plastikmüll
Derzeit gelangen pro Jahr schätzungsweise zwischen 4,8 bis 12,7 Millionen Tonnen Plastikmüll in die Meere, ist auf der Website des WWF zu lesen. Das entspricht einer Lastwagenladung pro Minute. Wird die Entwicklung nicht gestoppt, wird sich im Jahr 2050 genau so viel Plastikmüll wie Fisch in den Meeren befinden. Ein Großteil des Plastikmülls landet im tieferen Gewässer oder auf dem Meeresboden und ist daher schwer einzusammeln. Schätzungen zufolge haben sich bislang dort etwa 80 Millionen Tonnen angesammelt. Über 800 Tierarten in Meeren oder im Küstenbereich sind vom Plastikmüll beeinträchtigt – also fast die Hälfte aller Meeressäuger- und Seevogelarten.
Wie weit sind Sie technisch mit dem Konzept?
Das Projekt steckt noch immer in den Kinderschuhen. Wir haben sehr viele Ideen, die weiter untersucht werden müssen. Wir bereiten derzeit Modelle im kleinen Maßstab vor, mit denen wir Versuche vornehmen können. Da wir alle nur ehrenamtlich arbeiten, versuchen wir Sponsoren zu gewinnen, die uns eine Machbarkeitsstudie ermöglichen. Ein Schwerpunkt in letzter Zeit lag daher auf dem Marketing, das unsere Idee erst richtig bekannt gemacht hat. Dadurch konnten wir erfolgreich eine Crowdfunding-Kampagne durchführen. Mit dem Geld, das wir hier gesammelt haben, können wir schon mal ein paar halbe Stellen finanzieren. Dann geht es hoffentlich mit mehr Tempo voran.
Wann wird Ihre Plattform tatsächlich für die Meere einsatzbereit sein?
Ob unser Konzept es wirklich auf die Meere schaffen wird, wissen wir derzeit noch gar nicht. Momentan konzentrieren wir uns darauf, einen Weg zu finden, die Plattform an Flussmündungen einzusetzen. Denn 80 Prozent des Plastiks gelangt über die Flüsse in die Meere. Es ist für uns einfacher, das Ganze erst einmal auf einer kleineren Skala umzusetzen. Wenn es dort funktioniert, können wir uns weitere Lösungen für das Meer überlegen.
Pacific Garbage Screening Mehr zur Meeresplattform, die Müll sammeln soll, unter www.pacific-garbage-screening.de
Was glauben Sie: Werden wir in der Lage sein, die Meere jemals plastikfrei zu bekommen?
Zum jetzigen Zeitpunkt denke ich, das ist unmöglich. Aber wir sollten alles dafür tun, dass sich die Situation verbessert und es vielleicht doch möglich wird. Zum Glück passiert momentan wahnsinnig viel auf diesem Gebiet: Man diskutiert über Plastik- beziehungsweise Müllvermeidung, und es gibt zahlreiche Projekte für die Reduzierung der Müllmengen, die sich bereits in der Umwelt befinden. Immer mehr Leuten wird bewusst, dass wir künftig nicht mehr so viel Müll produzieren dürfen wie bisher. Ich hoffe, dass viele der Projekte, die derzeit angegangen werden, Wirkung zeigen. Denn am Ende muss die Quelle, also der Plastikeintrag in die Umwelt, versiegen, nur so können wir mit technischen Lösungen wie unseren das Problem wirklich in den Griff bekommen.
The Ocean Cleanup
Auch der 23-jährige Boyan Slat, ehemaliger Student der Luft- und Raumfahrttechnik aus den Niederlanden, will die Weltmeere von Plastikmüll säubern. Er möchte riesige schwimmende Filter im Meer platzieren, in die der Müll hineintreibt. Bis zu sieben Millionen Tonnen Plastik könnten so aus dem Wasser geholt werden. Der junge Holländer führte mit seinem Unternehmen The Ocean Cleanup eine Machbarkeitsstudie durch und ist überzeugt, „dass das Konzept eine machbare Methode ist, um fast die Hälfte des gesamten Plastiks der Großen Pazifischen Müllhalde zu entfernen“. Seit September werden die ersten Anlagen in Kalifornien getestet. www.theoceancleanup.com
Cleanriverproject.de
Stephan Horch, Fotodesigner, -künstler und Freizeitpaddler, macht mit Fotokunst auf den zunehmenden Plastikmüll in Flüssen aufmerksam: Er sammelt auf seinen Kajaktouren Müll ein und fotografiert ihn vor der Entsorgung. Dafür erhielt er den Ehrensache-Preis vom SWR Fernsehen. www.cleanriverproject.de