Wie können durch innovative Arbeitsgestaltung Impulse für die Zukunftsfähigkeit industrieller Unternehmen und für die Entwicklung strukturschwacher Regionen gewonnen werden? Können Beschäftigte von digitalen Technologien und virtualisierten Arbeitsprozessen profitieren? Ist Homeoffice auch für Fachkräfte in Industrie und Handwerk denkbar? Diese Fragen sind vor allem für Regionen im Strukturwandel von zunehmender Bedeutung, denn die Leistungs-, Anpassungs- und Innovationsfähigkeit in industriellen und produktionsnahen Betrieben ist eng verbunden mit der Attraktivität der Region als Wirtschaftsstandort und als Lebensumfeld. Von Dr. Volker Hielscher, Geschäftsführer des Instituts für Sozialforschung und Sozialwirtschaft (iso) e.V.
Die genannten Herausforderungen geht das Projekt „Virtuelle Arbeitsgestaltung & Technologien für Innovationen im Strukturwandel“ (ViSAAR) an, das durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert wird. Im Rahmen des Vorhabens arbeiten vier Institute aus dem Bereich der Wirtschaftsinformatik, der Produktionstechnik, der Unternehmensförderung und der Arbeitsforschung und sieben mittelständische Unternehmen des Saarlands zusammen.
Ziel des Projekts ViSAAR ist es, kleine und mittelständische Unternehmen in strukturschwachen Regionen des Saarlands durch innovative organisatorische und digitale Lösungen im Bereich des ortsunabhängigen Arbeitens zukunftsfähig aufzustellen. Auch jenseits der Corona-Krise ist dieses Thema für viele Unternehmen und Beschäftigte von einer strategischen Bedeutung. Die virtuelle Steuerung, die digitale Abwicklung der Prozesse und die Integration virtueller Aktivitäten in reguläre ortsgebundene Tätigkeiten erfordern einen Wandel in den Unternehmen, bei den Führungskräften und den Belegschaften. Besonders kommt es darauf an, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei der Handhabung neuer Geräte und digitaler Anwendungen sowie bei der Entwicklung neuer Arbeitsroutinen zu unterstützen. Deshalb werden die Belegschaften bereits frühzeitig bei der Konzi-pierung der betrieblichen Maßnahmen und Projekte beteiligt.
Welche Maßnahmen in den einzelnen Verbundunternehmen durchgeführt werden, hängt vom betriebsindividuellen Bedarf ab und könne sich dabei auf unterschiedliche Handlungsfelder beziehen:
- Virtuelle Führung: z. B. ortsunabhängige Interaktionsunterstützung für Mitarbeitende, dashboard-basiertes Management, Steuerung am Digitalen Zwilling
- Virtuelle Kollaboration: z. B. wissensintensive Zusammenarbeit von Mensch zu Mensch und von Mensch zu Technik über Distanzen hinweg
- Virtuelle Mobilität: z. B. mobiles Arbeiten für jeden Einzelnen, Flexibilisierung des Arbeitsortes, Klimaschutz durch Reduzierung von Reisetätigkeiten
- Virtuelle Produktion: z. B. Produktionsassistenz während der Arbeitsdurchführung, Optimierung automatisierter Prozesse
- Virtuelles Coaching: z. B. orts- und zeitunabhängige Aus- und Weiterbildung, Remote-Schulungen am Arbeitsplatz.
Mit den Unternehmen werden Modelle entwickelt, erprobt und in einen Regelbetrieb überführt. Hierbei werden einerseits eher bodenständige Lösungen realisiert, etwa die virtuelle Unterstützung bei der Einrichtung von Baustellen und der Einhaltung der Arbeitssicherheit oder die Remote-Assistenz von Servicetechnikern. Andererseits kommen auch komplexe Technologiekonzepte zum Tragen, zum Beispiel die weltweite technische Inspektion von Kraftwerksanlagen, die von Deutschland aus gesteuert wird.
Die Umsetzung in den Unternehmen erfolgt unter intensiver Mitwirkung von technischen Fach- und Führungskräften. Die beteiligten Ingenieurinnen und Ingenieure bringen dabei nicht nur ihre Kompetenzen für die technische Realisierung ein, sondern auch ihre Fähigkeiten, die vielfältigen Bedarfe im Betrieb zu erkennen und in nachhaltige Lösungen einfließen zu lassen. Die Konzeption dieser Lösungen erfolgt gemeinsam mit den Unternehmen in einem interdisziplinären Team von Ingenieur*innen aus der Produktionstechnik, von IT-Experten*innen, Sozialwissenschaftler*innen und Unternehmensberater*innen.
Als Ergebnis entstehen betriebliche Leuchtturmprojekte, die in die Region ausstrahlen sollen. Dies geschieht zum einen über Veranstaltungen mit regionalen Multiplikatoren wie Wirtschaftsförderern, Verbänden und Kammern. Zum anderen werden zu bestimmten Themen und Fragestellungen Expert-Groups eingerichtet, in denen die ViSAAR-Unternehmen, technische Expert*innen und Arbeitsforscher*innen zusammenwirken. So wurde in der Startphase eine Expert- Group zum Thema Changemanagement aufgelegt, um das „Anschieben“ der betrieblichen Projekte und die Beteiligung der Belegschaften zu unterstützen. Für Fragen der technischen und organisatorischen Gestaltung virtueller Arbeit sollen weitere dieser themenbezogenen Treffen folgen. Perspektivisch sollen die Expert-Groups auch für andere Unternehmen der Region geöffnet und somit Lernprozesse von den Vorgehensweisen und Lösungsansätzen des ViSAAR-Projekts ermöglicht werden. Die Ergebnisse des Projekts werden unter dem Blickwinkel der möglichen Innovationsimpulse für Unternehmen und Region sowie mit Blick auf die Arbeitsqualität der technischen Fachkräfte evaluiert.
Gutgekleidete Avatare
Wenn künftig immer mehr Menschen als Avatare zusammenarbeiten sollen, will auch die Mode- und Konsumgüterindustrie ihren Anteil daran haben. Verschiedene Unternehmen machen sich bereits Gedanken dazu, wie sie Avatare mit virtuellen Produkten bestücken können. Laut dem amerikanischen Sender CNBC hat Nike bereits Markenanmeldungen für virtuelle Turnschuhe und Kleidungsstücke eingereicht. Das Unternehmen gründete dafür ein Start-up, das digitale Sneaker und weitere Sammlerstücke entwirft. Zusammen mit einem Künstler wurden bereits drei Sneakermodelle für 3.000, 5.000 und 10.000 Dollar herausgegeben, die schon von über 600 Personen für ihre Avatare gekauft wurden. Der Showroom für die Kleidung befindet sich bei Nikeland auf der Online-Spieleplattform Roblox.