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Rohstoffe einsparen: „Treiber der Veränderung“

Deutschland verbraucht zu viele Rohstoffe. Wie sich das ändern kann, erklärt Hannah Pilgrim, Leiterin des Koordinierungsbüros des AK Rohstoffe bei PowerShift e.V. Das Interview führte Sabine Olschner

Warum ist Rohstoffeinsparung oder – wiederverwertung eigentlich so wichtig?
Deutschland ist Exportweltmeister. Aber: Um viel exportieren zu können, importieren deutsche Unternehmen für die Produktion auch enorm viele Rohstoffe. Wir gehören weltweit zu den größten Verbrauchern von metallischen Rohstoffen. Diese importieren wir hauptsächlich aus Lateinamerika, dem südlichen Afrika oder Asien. Wir importieren aber nicht nur die Metalle, sondern wir verbrauchen auch das Land und das Wasser vor Ort und emittieren CO2. Bergbau zerstört enorm große Flächen, führt somit sehr häufig zu Landkonflikten, Umweltverschmutzung, Menschenrechtsverletzungen, beispielsweise durch Kinderarbeit, die Nichteinhaltung von internationalem Arbeitsrechten, Repression oder die Kriminalisierung von Umweltschützer*innen. Gleichzeitig sind wir eine wahre Wegwerfgesellschaft, vor allem im Elektronikbereich. Dadurch gehen enorme Mengen an Rohstoffen verloren oder werden nicht weiter genutzt. Allein in elektronischen Geräten wie Handys oder Laptops sind bis zu 50 oder 60 unterschiedliche metallische Rohstoffe verarbeitet.

Was will der Arbeitskreis Rohstoffe erreichen?
Was es braucht, ist eine Rohstoffwende, die unseren Rohstoffverbrauch absolut reduziert, Menschenrechte entlang der Wertschöpfungskette durchsetzt und die Rechte der Betroffenen vor Ort schützt. Unser Hauptadressat ist ganz klar die Politik. Strukturen müssen sich verändern, und das ist vor allem durch den Gesetzgeber möglich. Wir haben im vergangenen Jahr ein Positionspapier veröffentlicht, das von mehr als 40 Organisationen getragen wird. Dieses senden wir an politische Entscheidungsträger und führen Gespräche mit ihnen. Wir erhoffen uns, dass unsere Forderungen in die Wahlprogramme und Koalitionsverhandlungen bei den nächsten Bundestagswahlen Einzug finden. Gleichzeitig machen wir viel Öffentlichkeitsarbeit: Studien, Podcasts, Broschüren oder Veranstaltungen, um das Thema weiter in die Gesellschaft zu tragen.

Wer kann sich bei Ihnen engagieren?
In erster Linie arbeiten die Referent*innen aus den unterschiedlichen Organisationen in unserem Netzwerk. Aber wir suchen immer wieder Unterstützung, zum Beispiel in Form von Praktika in den einzelnen Organisationen. Grundsätzlich freuen wir uns aber über alle, die das Thema metallische Rohstoffe in ihren Beruf mitnehmen und sich dort den drängenden Fragen der Rohstoffpolitik annehmen.

Können Sie bereits Erfolge verzeichnen?
Ja, aber meines Erachtens natürlich immer noch viel zu wenig. In welchem Ausmaß wir auf Kosten von Menschen, Tieren, ja ganzen Ökosystemen anderenorts leben, sollte noch stärker problematisiert werden. Dennoch: Grundsätzlich ist das Bewusstsein für die ökologischen Auswirkungen unserer Lebensweise auch in der Öffentlichkeit angekommen, etwa durch soziale Bewegungen wie „Fridays for Future“ oder zunehmende Medienberichte aus den Abbaugebieten. Vielen ist klargeworden, dass wir so nicht weitermachen können. Die Stimmen, die eine Wende fordern, werden immer lauter. Was jedoch noch fehlt, sind konkrete politische Maßnahmen. Wenn wir wirklich etwas verändern wollen, müssen sich die politischen Strukturen verändern. Auf europäischer Ebene sehen wir momentan recht positive Signale, zum Beispiel das geplante Lieferkettengesetz. Das besagt, dass Menschenrechte und Umweltstandards entlang der gesamten Wertschöpfungskette von Rohstoffen eingehalten werden müssen und Unternehmen bei Verstößen haften. Der deutsche Entwurf für ein Lieferkettengesetz hat dagegen an vielen Stellen noch Schwachstellen. Außerdem haben Abgeordnete des EU-Parlaments kürzlich die EU-Kommission aufgefordert, verbindliche Ziele für 2030 festzulegen, um den Material- und Verbrauchsfußabdruck in Europa deutlich zu reduzieren. Das ist wirklich ein enormer Erfolg, denn wir brauchen vor allem Verbindlichkeiten und klare Ziele.

AK Rohstoffe

Der AK Rohstoffe wurde vor über zehn Jahren gegründet. Das zivilgesellschaftliche Netzwerk, dem zahlreiche Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen sowie die großen kirchlichen Hilfswerke angehören, setzt sich für Menschenrechte, soziale Standards und Umweltschutz im Rohstoffabbau sowie eine Wende der Rohstoffpolitik ein. Der Fokus liegt auf der Reduzierung des Verbrauchs von metallischen Rohstoffen, zum Beispiel Kupfer, Lithium, Bauxit und Platin.

Wie ließe sich der Verbrauch von metallischen Rohstoffen reduzieren?
Schon im Design eines Produkts muss es das Ziel sein, Rohstoffe einzusparen. Beispielsweise sollten Elektrogeräte modular aufgebaut sein, so dass man Einzelteile herausnehmen und sie ersetzen kann. Derzeit sind die meisten Teile verklebt, sodass man Geräte wegwerfen muss, wenn ein Bestandteil kaputt ist. Hier müssten viel häufiger Reparaturen möglich sein. Und auch im Recycling muss sich Einiges tun: So müssen beispielsweise die Wiederverwertungsquoten erhöht werden. All diese Fragen sind auch für Ingenieur*innen interessant: Wo können wir Rohstoffe einsparen, indem wir zum Beispiel Technologien verändern? Wie können wir den Anteil von sekundären Rohstoffen erhöhen? Wie denken wir überhaupt über unsere Materialien nach, mit denen wir arbeiten? Ingenieur*innen können wichtige Treiber der Veränderung sein. Dazu gehört, die politische Dimension von Rohstoffnutzung mitzudenken. Das sollte auch Thema im Studium sein.

Welche Ingenieurbereiche könnten konkret etwas verändern?
Zum Beispiel der Automobilsektor. Die Automobilindustrie als größtes verarbeitendes Gewerbe in Deutschland verbraucht am meisten Primärrohstoffe. Zugleich beobachten wir, dass Autos immer größer und damit schwerer werden. Das heißt auch: Mehr metallische Rohstoffe werden verbaut. Hier gäbe es zum Beispiel enorme Einsparpotenziale, wenn Autos wieder kleiner und leichter würden. Ein weiteres Beispiel ist der Elektronikbereich: Durch die zunehmende Digitalisierung brauchen wir immer mehr elektronische Geräte, die viele unterschiedliche Metalle notwendig machen. Gleichzeitig werfen wir aber weiterhin viele Geräte schon nach kurzer Zeit weg, und die Rückgewinnungsquoten sind zu gering. Hier muss weiter an Recyclingtechnologien gearbeitet werden, an nachhaltiger Software, an der Modularität von Bauteilen etc. All das sind Fragen, die mir für Ingenieur* innen hochinteressant erscheinen.

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