StartIngenieureLutz Mallon - Der Kapitän vom Forschungsschiff „Sonne“

Lutz Mallon – Der Kapitän vom Forschungsschiff „Sonne“

Ende 2014 wurde die Sonne in Betrieb gestellt und von Bundeskanzlerin Angela Merkel persönlich getauft. Das neue Forschungsschiff zählt zu den modernsten der Welt – und Lutz Mallon ist ihr Kapitän. An Bord trägt er Verantwortung für die Besatzung und die 40 Wissenschaftler, die vom Schiff aus die Tiefsee erforschen. Für den 56-Jährigen ist das ein Traumjob. Im Interview erzählt er, worauf es dabei ankommt und worauf sich Ingenieure einstellen müssen, wenn sie sich für eine Karriere auf hoher See entscheiden. Die Fragen stellte André Boße.

Zur Person

Lutz Mallon, geboren 1958, absolvierte von 1974 bis 1976 eine Ausbildung zum Matrosen in der Handelsschifffahrt bei der Deutschen Seereederei (DSR) in Rostock. Von 1983 bis 1986 studierte er in Warnemünde an der Ingenieurhochschule für Seefahrt Nautik und erwarb dort sein Patent als Kapitän. Bis 1996 fuhr er auf Schiffen der DSR als nautischer Offizier und wechselte dann in die Forschungsschifffahrt. Sein erstes Schiff als Kapitän fuhr er 2002. Derzeit ist Lutz Mallon Kapitän des neuen Forschungsschiffes „Sonne“ der Reederei Briese mit Sitz in Leer.

Herr Mallon, wo erwische ich Sie denn gerade?
Zu Hause.

Nicht an Bord der „Sonne“?
Nein, die befindet sich auf dem Weg in Richtung Panamakanal. Und ich habe Urlaub.

Können Sie als Seefahrer den Urlaub an Land überhaupt genießen?
Na ja, Urlaub ist Urlaub. Da gilt es vor allem, sich ein bisschen vom harten Job auf dem Schiff zu erholen. Mein Kapitänskollege vertritt mich, sodass es an Bord auch keine Probleme gibt und ich tatsächlich abschalten kann.

Sie sind jetzt für ein ganz neues Schiff verantwortlich: die „Sonne“, ein hochmodernes Forschungsschiff, getauft von der Bundeskanzlerin persönlich.
Für mich war hier besonders, dass ich den Bau des Schiffes begleitet habe. Ich bin im Februar 2013 von der alten „Sonne“ runter und war ein Jahr lang in der Endphase des Baus der neuen „Sonne“ in der Werft in Papenburg dabei.

Was war dort Ihre Aufgabe?
Na ja, ich habe aufgepasst, dass die das auch ordentlich machen. (lacht) Die Bauaufsicht hatte die Bundesanstalt für Wasserbau, ich war sozusagen der Vertreter der praktischen Seite, der die Erfahrungen von unzähligen Stunden auf See einbringen konnte. Es gibt halt Dinge, die an Land sinnvoll erscheinen – es auf dem Meer aber nicht sind.

Ein Jahr Arbeit auf dem Land – haben Sie in dieser Zeit das Meer vermisst?
Das war tatsächlich eine große Umstellung, da ich zum ersten Mal seit 40 Jahren so etwas wie geregelte Arbeitszeiten hatte. An Land wohnen, jeden Tag morgens in die Werft und abends wieder zurück – das kam mir schon komisch war, und ich war letztlich froh, als das Schiff endlich schwamm.

Sie könnten also nicht ohne die Seefahrt.
Sehen Sie, ich habe mit 16 Jahren meine Lehre begonnen und wollte schon damals nichts anderes, als zur See zu fahren. Nun bin ich Kapitän, und das ist natürlich eine besondere Aufgabe. Mich reizt es, Verantwortung zu übernehmen, die Besatzung zu leiten, die Wissenschaftler an Bord zu begleiten und anzuweisen. Einer muss auf einem Schiff den Hut aufhaben. Und das bin halt ich.

Den Hut aufzuhaben, bedeutet aber auch, da zu sein, wenn es mal schwierig wird.
Unbedingt, denn an Bord eines Schiffes herrscht nicht immer nur Friede, Freude, Eierkuchen. Es ist nicht immer schönes Wetter da draußen, dann muss man den Forschern schon mal klarmachen, dass bei einem zu starken Wind oder zu hohem Seegang keine Geräte eingesetzt werden können. Das ist nicht immer einfach, denn die Wissenschaftler möchten schnell mit ihrem geplanten Forschungsprogramm vorwärtskommen – erkennen aber häufig die Gefahren nicht. Mein Job ist es dann, das richtige Maß aus Sicherheit und Forschung zu finden. Denn das Wohl der Menschen an Bord steht über allem. Und was man auch nicht vergessen darf: Die Ausrüstung der Forscher ist oft ein paar Millionen wert. Auch das muss ich im Blick haben.

Welcher Typ ist dann gefragt: jemand mit klarer Ansage oder eher der ausgleichende Typ?
Es muss die klare Ansage sein. Um es auf den Punkt zu bringen: Wenn es um die Sicherheit von Personen und Schiff geht, kann es an Bord keine Demokratie geben. Darum gilt: Der Kapitän macht die Ansage – und dann wird nicht mehr darüber diskutiert. Wobei ich mir natürlich bei der Planung der anstehenden Aufgaben Rat bei meiner Mannschaft einhole, bei meinem Ersten Offizier oder beim Bootsmann, der an Bord die Arbeiten an Deck leitet.

Welchen Forschungsauftrag wird die „Sonne“ haben, wenn Sie wieder an Bord sind?
Wir sind dann im Pazifik, wo die Forscher seismische Vermessungen auf dem Meeresboden durchführen. Geologen entnehmen von dort unten Proben und suchen zum Beispiel nach Manganknollen oder anderen Erzen, die man unten finden kann.

Interessiert Sie der Forschungsauftrag der Wissenschaftler?
Es ist wichtig, dass wir als Besatzung wissen, wann und warum etwas gemacht werden soll. Nur dann können wir die Forschungseinsätze richtig einschätzen. Es gehört daher dazu, dass die Wissenschaftler kurze Vorträge halten und uns als Besatzung in ihre Forschungsmaterie und die Ziele einführen. Dabei ist uns die Relevanz dieser wissenschaftlichen Arbeit klar. Je mehr die Forscher die Zusammenhänge bei der Entstehung des Klimas erkennen, desto klarer wird, wie viel die Meere mit dem Klimawandel zu tun haben. Deshalb sind auf der „Sonne“ immer auch Klimaforscher dabei.

Mit Blick auf junge Ingenieure, die sich auch vorstellen, eine Karriere auf See zu starten: Was für Eigenschaften sind wichtig, um ein guter Kapitän zu sein?
Neben der fachlichen Kompetenz gehören Fleiß und Teamfähigkeit dazu. Man muss sich in die Gemeinschaft an Bord integrieren: Auf der „Sonne“ sind wir 72 Leute, 32 Mann Besatzung und 40 Wissenschaftler – und das auf einem Schiff mit 116 Meter Länge und 20 Meter Breite. Es ist also relativ eng, sodass es Menschen, die generell viel Platz für ihre eigenen Entfaltungsmöglichkeiten benötigen, eher schwer haben. Man fühlt sich auf einem Schiff auf Dauer nur wohl, wenn man wirklich die Liebe für die Seefahrt hat. Wenn jemand häufiger unzufrieden an Bord geht, dann wird das in der Regel auf Dauer nichts.

Sie haben 40 Jahre Seefahrt hinter sich…
Ja, und einen Job an Land könnte ich mir auf Dauer nicht vorstellen: Morgens mit der Butterbrotdose und der Kaffeekanne ins Büro fahren und abends wieder nach Hause – das wäre nichts für mich.

Forschungsschiff „Sonne“

Das neue Forschungsschiff „Sonne“ wurde Ende 2014 in Betrieb gestellt und löste damit das alte Forschungsschiff gleichen Namens ab. Gebaut wurde es in der Meyer Werft in Papenburg, die zuständige Reederei ist Briese Schifffahrt. Gebaut wurde die neue „Sonne“ im Auftrag des Bundesministeriums für Forschung und Bildung. Haupteinsatzgebiete sind der Indische und der Pazifische Ozean, wo die „Sonne“ in der Tiefsee den Klimawandel untersucht und auf Grund nach Rohstoffen und Mineralen sucht.

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