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Interview mit Martin Sprügl

Cellist, Tischler, technischer Zeichner, Projektleiter, Lehrer, Unternehmer, Selbstversorger: Der Lebens- und Arbeitsweg von Maschinenbauer Martin Sprügl hatte viele Kurven. Auf seinem Hof im Burgenland scheint er am Ziel angekommen zu sein. Nach zwei Burnouts weiß er, wie er Leben und Arbeiten miteinander verbinden kann. Das Interview führte Meike Nachtwey.

Zur Person

Martin Sprügl, Foto: Privat
Martin Sprügl, Foto: Privat

Der Österreicher Martin Sprügl besuchte zunächst die Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Graz, dann entschied er sich für die Höhere Technische Lehranstalt in Graz und damit für Maschinenbau. Nach dem Abschluss arbeitete er im Stahl- und Fassadenbau, als Lehrer an einer Waldorfschule und als Projektleiter für Beschattungsanlagen. Seit 2010 betreibt er einen Bauernhof als Selbstversorger. Martin Sprügl ist verheiratet, hat drei Kinder und lebt im Burgenland in Österreich.

Herr Sprügl, Sie haben zunächst Musik studiert, bevor Sie an der Abendschule Maschinenbau studierten – wieso Maschinenbau?
Ich habe mit sechs Jahren begonnen, Cello zu spielen, und musste mich mit 14 Jahren entscheiden, ob ich Musik oder einen technischen Beruf studieren möchte. Ich habe mit 14 Jahren als sogenanntes „Begabtenkind“ an der Hochschule Musik studiert, nebenbei habe ich die Oberstufe absolviert. Aber mit 21 Jahren habe ich es mir dann doch anders überlegt. Ich habe das Musikstudium aufgegeben und ein Jahr lang „meinen“ Beruf gesucht, letztendlich bin ich dann doch beim Handwerk und dem Maschinenbau gelandet. Ich habe eine Abendschule besucht und nebenbei in einer Tischlerei gearbeitet. Das hat mir sehr gut gefallen, auch wenn ich fünf Jahre lang fünf Tage in der Woche mit Job am Tag und Studium am Abend sehr ausgelastet war.

Haben Sie dann als Maschinenbauer gearbeitet?
Ja, mein erster Job war in einer Firma für Feinmesstechnik, doch das war überwiegend Büroarbeit, das war mir zu wenig handwerklich. Dann traf ich einen Freund aus der Abendschule, und er bot mir eine Stelle in seiner Stahlbaufirma an, die ich annahm. Dort wollte ich von der Pike auf alles lernen, habe als technischer Zeichner angefangen und mich zum Projektleiter hochgearbeitet. Nach zehn Jahren hatte ich die gesamte Bauabteilung unter mir, das war eine sehr spannende Zeit, und ich habe viel über die Baubranche gelernt. Aber ich wollte das nicht mein Leben lang so weitermachen, daher habe ich mein eigenes Unternehmen gegründet.

Sie besaßen mit zwei Kollegen eine Firma für Stahl, Glas, Fassaden und Metalltechnik – bis ein Burnout alles veränderte. Was war passiert?
Alles lief sehr gut an, und natürlich muss man sehr viel arbeiten, wenn man eine eigene Firma aufbauen will. Als aber beide Kollegen nacheinander abgesprungen sind und ich allein ein Unternehmen mit 26 Mitarbeitern, das ursprünglich auf drei Chefs ausgelegt war, leiten musste, wurde es einfach zu viel. Nach zwei Jahren schlitterte ich in meinen ersten Burnout.

Wie ging es danach weiter?
Ich hatte vorher schon gemerkt, dass diese reine Technikzentrierung für mich nicht gut ist und bin just in dem Moment, als der Konkurs meiner Firma passierte, von der Schule, an der meine Frau Lehrerin war, gefragt worden, ob ich dort nicht als Lehrer für das Fach Werken anfangen wolle. Da ich während meines Musikstudiums auch Pädagogik gelernt hatte, sagte ich zu und unterrichtete von da an Werken und – als ehemaliger Leistungssportler – Sport. Währenddessen bildete ich mich kontinuierlich weiter und unterrichtete später auch noch Physik in der Oberstufe. Nach vier Jahren wollte ich aber doch noch einmal wissen, ob ich wirklich mit der Technik „durch“ bin und habe mich als Techniker in einem kleinen Stahlbetrieb beworben. Der Job war sehr abwechslungsreich, aber ganz zufrieden war ich nicht. Ich habe schnell gemerkt, dass es die Technik allein auch nicht ist. Trotzdem versuchte ich den Job so lange und gut wie möglich zu machen und geriet so unversehens in meinen zweiten Burnout.

Heute sind Sie Selbstversorger mit eigenem Bauernhof – wie kam es dazu?
Nachdem ich in meiner Kindheit viel Zeit auf einem Bauernhof verbracht habe, war immer der Wunsch im Hinterkopf, irgendwann einmal einen Hof zu besitzen. Der Zeitpunkt nach dem zweiten Burnout war günstig: Zwei unserer drei Töchter waren bereits ausgezogen, also hatten wir nur noch Verantwortung für uns selbst und die „kleinste“ Tochter. Und eines Tages rief mich ein Freund an und hatte einen Hof zu verkaufen. Als meine Frau und ich ihn uns ansahen, war es Liebe auf den ersten Blick. Wir haben ihn gekauft und wollten am Anfang eigentlich nicht als Selbstversorger den Hof bewirtschaften, aber es hat so gut funktioniert, dass wir uns heute zu 80 Prozent selbst versorgen.

Kommt Ihnen dabei Ihre Ausbildung zum Maschinenbauer zugute?
Bauphysik, Wärmetechnik, Statik … oft bin ich in eine Arbeit vertieft und frage mich dann manchmal: Warum kann ich das alles? Das verdanke ich dieser Ausbildung zum Maschinenbauer. Außerdem habe ich Problemlösungsverständnis entwickelt und strukturiertes Denken gelernt. Das hilft mir heute sehr, nicht vor mich hinzuwurschteln, sondern Struktur in Arbeitsabläufe zu bringen oder zu erkennen und diese einzuhalten.

Was können Ingenieure tun, um die Welt noch ein bisschen besser, grüner zu machen?
Ganz wichtig erscheint mir, Dinge zu beobachten und auf sich wirken zu lassen, bevor man sie beurteilt und erlerntes Wissen anwendet und wiederkäut. Die neuen Studiengänge, wie Bio-Engineering oder Technischer Umweltschutz, halte ich in dieser Hinsicht für eine Sackgasse, da heute eine Ingenieurskunst gefragt ist, bei der das ganze Know-how in eine umweltverträgliche Technik und nicht in eine Umwelttechnik fließen sollte. Dort sehe ich großen Handlungsbedarf.

Was raten Sie jungen Ingenieuren für die Karriere?
Ich denke, es ist wichtig, sich nicht nur technisch zu bilden, sondern auch in Richtung einer humanistischen Bildung zu bewegen, zum Beispiel in Form von Philosophie, damit man ein breiteres Spektrum von Weltverständnis bekommt. Das Problem an den Unis heute ist, dass nur noch fachspezifisch ausgebildet wird, es werden kaum Allgemeinbildung oder humanistische Bildung im Sinne eines Humboldt vermittelt. Ich glaube aber, dass dies notwendig ist, um die Zusammenhänge, die wir in Zukunft brauchen, zu verstehen, und um vernünftig eingreifen zu können.

Redaktionstipp

Christoph Quarch:
Der kleine Alltagsphilosoph.
Gräfe und Unzer Verlag 2014.
ISBN 978-3833835605. 9,99 Euro

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