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„ Im Zentrum steht der Mensch“

Als Vorstandsmitglied von Siemens ist Prof. Dr. Siegfried Russwurm für den Sektor Industry des Konzerns verantwortlich. Im Interview erklärt der promovierte Ingenieur, warum er fest daran glaubt, dass die Ideen der Industrie 4.0 nur dann erfolgreich umgesetzt werden, wenn Menschen dafür ihr Talent einbringen. Die Fragen stellte André Boße.

Zur Person

Prof. Dr. Siegfried Russwurm, Foto: Siemens
Prof. Dr. Siegfried Russwurm, Foto: Siemens

Prof. Dr. Siegfried Russwurm studierte und promovierte am Lehrstuhl für Technische Mechanik der Universität Erlangen-Nürnberg. 1992 stieg er bei Siemens als Produktionsingenieur im Bereich Medizinische Technik ein. Seit 2008 ist er Mitglied des Siemens-Vorstands. 2009 wurde der heute 50-Jährige zum Honorarprofessor im Fachgebiet Mechatronik an der Universität Erlangen-Nürnberg bestellt.

Wie wird sich durch den Einzug der Industrie 4.0. die Arbeit für die kommende Ingenieurgeneration verändern?
Wir erleben aktuell eine ganzheitliche Weiterentwicklung von Maschinen und Anlagen – und das verlangt selbstverständlich auch eine Weiterentwicklung der Fähigkeiten der Menschen. Denn bei aller Autonomie, die wir der Produktion mit intelligenten Maschinen zutrauen: Es ist und bleibt der Mensch, der die Funktionen der Maschinen definiert. Der Ingenieur muss festlegen, nach welchen Produktionsregeln und Zielgrößen die Produktionssysteme agieren.

Konkret: Was kann der Mensch, was die Maschine nicht kann?
Er weiß beispielsweise, wie ein Material bearbeitet werden muss. Er entscheidet auch, ob die Produktion besonders schnell oder besonders ressourceneffizient sein soll. Diese Aufgabe verlangt von den Mitarbeitern ein immer tieferes Verständnis von der Produktion. Wie stark dieser Trend bereits greift, wird gut sichtbar an der Qualifikationsstruktur der Mitarbeiter in unserem Unternehmen: Seit 1970 hat sich der Anteil an Hochschulabsolventen mehr als verdreifacht, sie machen inzwischen 37 Prozent der Belegschaft aus.

Sie sind vor mehr als 20 Jahren bei Siemens eingestiegen, seitdem hat sich die Technologie sehr schnell weiterentwickelt. Dennoch: Welches Ingenieur-Know-how, das damals wichtig war, ist auch heute noch für Einsteiger unverzichtbar?
Heute wie damals gilt, dass man in einem Unternehmen wie Siemens an der Spitze des technologisch Machbaren arbeitet. Auch in meinem Einstiegsjahr 1992 ging es schon um die Themen Produktivitätssteigerung, höhere Geschwindigkeit und Flexibilität. Jedoch stellen sich die Anforderungen heute anders als zu der Zeit, als ich als Produktionsingenieur begonnen habe.

Wo liegen die Unterschiede?
Produktivität bezieht sich heute nicht mehr lediglich auf die Produktivität einzelner Mitarbeiter. Heute ist damit auch gemeint, dass das gesamte Unternehmen produktiver sowie energie- und ressourceneffizienter wirtschaften muss. Sprechen wir heute über Geschwindigkeit, geht es nicht nur um eine schnellere Produktion. „Time-to-Market“ lautet das Zauberwort: Die Markteinführungszeiten von der Idee für ein neues Produkt bis zu seiner Verfügbarkeit für den Kunden sollen immer kürzer werden. Flexibilität bedeutet heute, dass Unternehmen auf immer differenziertere Kundenwünsche für ein Produkt eingehen müssen. Der Kunde konfiguriert sein Produkt selbst im Web – und hat den Anspruch, dass es am besten schon mit dem letzten Mausklick ausgeliefert wird. Für Produktionsingenieure bedeutet das: „Production on Demand“ und Produktionsplanung in Echtzeit.

Die Komplexität nimmt also zu. Hilft die Industrie 4.0 dabei, diesen Wandel zu gestalten?
Ja, denn sie gibt auf diese Herausforderungen genau die richtigen Antworten. Wenn Industrie 4.0 ein Erfolg wird, dann aber nur, weil viele heute noch eigenständige Disziplinen ihre Berührungsängste ablegen und zusammenarbeiten. Vor diesem Hintergrund steigen die Anforderungen an die Ausbildung, etwa durch interdisziplinäre Ausrichtungen wie die Mechatronik. Aber im Zentrum steht weiterhin der Mensch. Immer wieder taucht in Diskussionen zum Thema Industrie 4.0 der Gedanke auf, dass viele Menschen überflüssig werden, wenn Maschinen autark die Produktion übernehmen. Aber ich bin überzeugt, dass der Mensch in einer Industrie-4.0-Welt unerlässlich bleibt: als kreativer Lenker und Denker, der mit seiner Intelligenz wirklich alle Vorgänge und Abläufe vordenkt und in Software den Maschinen beibringt. Denn nur dann können sie so funktionieren, wie der Mensch es wünscht.

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