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Greenwashing: Grüne Werbelügen

So manche Nachhaltigkeitsversprechen, die Hersteller geben, entpuppen sich als leere Worthülsen. „Greenwashing“ nennt es sich, wenn Unternehmen sich selber „grüner“ darstellen, als sie wirklich sind. IT-Ingenieur Dominik Sothmann, Gründer der Flip GmbH, beschreibt in einem Gastbeitrag, wie man Greenwashing erkennt und was man dagegen tun kann.

Fünf Arten von Greenwashing-Methoden – oder Kombinationen daraus – sind bekannt:

  1. Produkte werden als umweltfreundlich oder nachhaltig beworben, ohne dass es Belege dafür gibt. Es ist also einfach eine Behauptung.
  2. Unternehmen entwerfen eigene Öko-Siegel, deren Kriterien sie selber festlegen.
  3. Es werden leere, häufig übergroße Versprechungen für die Zukunft gemacht. Einen Plan zur Erreichung dieser Ziele gibt es aber häufig nicht.
  4. Ein Produkt wird im Ganzen als nachhaltig beworben, obwohl nur ein Teilaspekt davon nachhaltig ist.
  5. Es werden Probleme – und oft Lösungen dafür – dargestellt, die es gar nicht gibt, weil es dagegen bereits Gesetze gibt.

Ein frühes Beispiel für Greenwashing ist der Ökostrom: Die ersten Angebote nach der Liberalisierung des Strommarktes wurden in der Branche noch belächelt. Doch irgendwann erkannten die Energieunternehmen, dass es viele Menschen gibt, denen ökologische Stromprodukte wichtig sind. Auf einmal schossen neue grüne Marken wie Pilze aus dem Boden. Schon damals hatten die Verbraucher*innen das Nachsehen. Denn ob es sich bei dem angebotenen Ökostrom um Marken großer Ölkonzerne handelte, die nun nicht gerade Vorreiter in Sachen Ökologie sind, oder nicht, war in der Außendarstellung meistens nicht zu erkennen.

Warum handeln Hersteller oft so intransparent gegenüber ihren Kund*innen und machen falsche Aussagen? Der Nachhaltigkeitsmarkt ist keine kleine Nische mehr, sondern ein sehr relevanter Markt, der stetig wächst. Das haben auch Unternehmen erkannt und versuchen, mit nachhaltigen Versprechen neue Zielgruppen zu erreichen. Einigen Unternehmen ist es dabei ziemlich egal, dass hinter Nachhaltigkeit mehr als ein wirtschaftlich attraktiver Markt steht.

Greenwashing ist in vielen Fällen eine absichtliche und bewusste Täuschung und damit nicht als Kavaliersdelikt zu werten.

Das Problem beim Greenwashing: Die Konsument*innen werden hinters Licht geführt und belogen. Es ist nahezu unmöglich, als Verbraucher*in selber festzustellen, ob man hereingelegt wird oder nicht. Das ist besonders tragisch, wenn man bedenkt, dass es Millionen von Verbraucher*innen in Deutschland gibt, die bewusst mit ihrem Konsum zu mehr Nachhaltigkeit beitragen wollen. Wenn sie auf Greenwashing hereinfallen, bewirken sie genau das Gegenteil von dem, was sie beabsichtigen. Zudem leiden auch die wirklich nachhaltigen Unternehmen darunter, denn sie können sich bei der Außendarstellung ihrer Lösungen wenig von den Greenwashing- Unternehmen differenzieren. Greenwashing schadet also der Green Economy im Ganzen.

Greenwashing ist in vielen Fällen eine absichtliche und bewusste Täuschung und damit nicht als Kavaliersdelikt zu werten. Es muss also auf verschiedenen Ebenen etwas passieren, um dagegen anzugehen. Die EU-Kommission will beispielsweise eine Richtlinie zu unlauteren Geschäftspraktiken ändern und Greenwashing auf eine sogenannte schwarze Liste setzen. Auf deren Basis könnten Verbraucher*innen grüne Werbelügen anzeigen.

Verdachtsfälle einreichen

Wir haben die Firma Flip gegründet, um Greenwashing aktiv zu entlarven und „echten“ grünen Lösungen zusätzliche Sichtbarkeit zu geben. Dazu recherchieren für uns Journalist* innen investigativ, in Einzelfällen teilweise über Wochen. Die Ergebnisse veröffentlichen wir kostenlos auf unserer Website www.letsflip.de und auf Instagram. Verbraucher*innen können auch Verdachtsfälle oder Recherchewünsche an uns senden. Unser Ziel ist, Konsumgelder an die Stellen umzuleiten, an denen sie wirklich eine positive Auswirkung haben. So schwächen wir die Trittbrettfahrer und stärken echte Überzeugungstäter im Nachhaltigkeitsmarkt.

Neben unseren Recherchen, die für Transparenz und Aufklärung sorgen, arbeiten wir derzeit an einem E-Commerce- Marktplatz mit Greenwashing- Filter. So stellen wir sicher, dass jeder bei uns greenwashing-frei einkaufen kann. Darüber hinaus wollen wir in unserem Shop erklären, was die spezifischen Herausforderungen bei der Produktion innerhalb jeder Branche sind und wie die jeweiligen Anbieter damit bei ihren Produkten umgehen. Außerdem haben wir das Sneaker- Experiment (www.sneaker-experiment. de) als Fortsetzung unserer Sneakerjagd gestartet. Mit der Sneakerjagd hatten wir Ende 2021 rund 10 Millionen Menschen erreicht. Wir haben alte Sneaker von Prominenten mit GPS-Trackern verwanzt und auf verschiedenen Wegen entsorgt. Die getrackten Sneaker führten uns unter anderem bis auf illegale Mülldeponien in Kenia. Wir konnten damit zeigen, dass alte Sneaker oft in Afrika die Umwelt vermüllen und die großen Hersteller sich um das Problem nicht kümmern. Jetzt im Sneaker-Experiment gehen wir der Frage nach: Kann man einen Schuh entwickeln, der dabei hilft, dieses Müllproblem zu lösen? Geplant ist dafür, ein Crowdfunding zu starten, nachdem wir mit unseren Projektpartnern die Machbarkeit sichergestellt haben.

Tipp des Greenwashing-Experten:

Was können angehende Ingenieur*innen tun, um Greenwashing beim eigenen Arbeitgeber zu erkennen?

Grundsätzlich sollte man immer kritisch nachfragen und prüfen, ob Kernaussagen des Unternehmens zum Thema Nachhaltigkeit auch gelebt werden oder einfach nur Worthülsen sind, die modern klingen. Bei Letzterem sollte man stutzig werden und für sich persönlich abwägen, wie man damit umgeht.

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