Mit einer mehr als 570 Jahre langen Geschichte zählt Achenbach Buschhütten zu den ältesten Unternehmen Deutschlands. Im Bereich des Maschinenbaus fürs Walzen dünnster Aluminiumfolien ist das Unternehmen Weltmarktführer. André E. Barten leitet das Unternehmen in achter Generation. Worauf es dabei ankommt, erzählt er im Interview. Die Fragen stellte André Boße
Zur Person
André E. Barten, Foto: Achenbach Buschhütten
André E. Barten, Jahrgang 1981, ist Vorsitzender der Geschäftsführung der Achenbach Gruppe und führt das Familienunternehmen in der achten Generation. Nach seinem Studium des Wirtschaftsingenieurswesens stieg er 2008 in das Unternehmen ein, wurde ab 2012 Geschäftsführer der verschiedenen Unternehmensteile und übernahm 2020 die Gesamtverantwortung. Zusammen mit seinem Vater und dem Betriebsratsvorsitzenden erhielt er 2021 den renommierten „Preis für soziale Marktwirtschaft“ der Konrad-Adenauer- Stiftung. Als Mitglied des Industry Advisory Board des Exzellenzclusters „Internet of Production“ der RWTH Aachen ist André E. Barten in verschiedenen Aktivitäten rund um die Digitalisierung der Produktionstechnik engagiert.
Herr Barten, wann wird Ihnen im Alltag die lange Historie Ihres Unternehmens bewusst?
Man merkt an vielen Stellen, dass hier seit 573 Jahren unternehmerisch gearbeitet wird. Das Unternehmen befindet sich noch an dem Standort, an dem es 1452 gegründet wurde. Man kann diese Stelle benennen, anhand einer Wasserrechtszuteilung des damaligen lokalen Prinzen. Und genau dort steht heute unser Campus, wo Studierende und Auszubildende all das lernen, was sie für die Zukunft brauchen. Sie tun das in einer Halle, die zwar komplett modernisiert wurde, aber auch schon mehr als 100 Jahre auf dem Buckel hat.
Wie hilft diese Historie beim innovativen Denken? Unsere lange Historie ist ein Fundament, das sich zum Beispiel bei den Werten, die wir als Unternehmen leben, niederschlägt. Beim innovativen Denken hilft die Geschichte aber nicht. Im Gegenteil, sie darf uns nicht daran hindern, immer wieder neu zu denken, Neues zu entwickeln. Wir sind Weltmarktführer in einer Nische des Maschinenbaus, in einem sehr dezidierten Bereich. Unsere ganze Historie und die guten Entwicklungen der vergangenen 50 Jahre nützen uns in dem Augenblick nichts mehr, wenn es so weit kommen sollte, dass ein anderes Unternehmen das, was wir heute besonders gut machen, plötzlich noch ein wenig besser macht. Deshalb sind Innovationen für uns überlebenswichtig.
Sie leiten das Unternehmen in achter Generation. Wie haben Sie Ihren eigenen Weg gefunden, es zu führen?
Dieser Weg ergibt sich von allein, weil sich ein Unternehmen in der heutigen Zeit ständig neu erfinden muss. Alle zehn Jahre, vielleicht sogar alle fünf Jahre. Das ist eine große Aufgabe, aber natürlich auch eine große Chance. Ich will zwei Beispiele aus dem Maschinenbau nennen: Eines ist die enorme Entwicklung im Bereich von Werkstoffen und Werkstoffverbunden. Hier gibt es Möglichkeiten, immer wieder andere Materialien einzusetzen. Ein zweites Beispiel sind die Vernetzungslösungen: Wir sind ein Systemanbieter und arbeiten mit einem Cloud-System, das alle Maschinen miteinander vernetzt. Wir nutzen es schon seit Jahren, weil es gerade für unser Geschäft von großer Bedeutung ist.
Warum? Weil es uns hilft, unser Nischenwissen in die digitale Welt zu führen. Im Prinzip ist das nichts Neues: Wir machen etwas, sammeln Daten – und sorgen in der Analyse dafür, dass wir Muster erkennen und noch besser werden. So arbeitet der Maschinenbau seit vielen Jahren. Wobei uns heute digitale Methoden dabei helfen, diese Lern- und Erneuerungseffekte zu vergrößern. Die Digitalisierung unterstützt den Maschinenbau also dabei, das, was er kann, noch besser zu machen.
Innovation kommt immer aus dem Ingenieur heraus. Was dieser früher in der Mechanik und später dann in der Automatisierung gemacht hat, findet nun in der Welt der digitalen Daten statt.
Heißt aber auch: Die Innovation entsteht nicht durch die Technik allein.
Nein, sie kommt immer aus dem Ingenieur heraus. Was dieser früher in der Mechanik und später dann in der Automatisierung gemacht hat, findet nun in der Welt der digitalen Daten statt. Weshalb es so wichtig ist, den Menschen die digitale Transformation nicht aufzudrücken. Ohnehin ist die Art des Denkens bei den Ingenieuren oder Technikern bereits angelegt.
Sie sind Weltmarktführer. Was bedeutet das für Ihre tägliche Arbeit?
Wir sind Weltmarktführer in einer Nische. Diese ist für große Anbieter nicht skalierbar und damit nicht interessant. Marktführerschaft wird immer dann ein Problem, wenn der Bereich zu groß wird. Weil man dann einen Großteil des Marktes verteidigen muss. Das müssen wir nicht. Wir müssen aber aufpassen, dass wir nicht eine Veränderung des Marktes verschlafen – und plötzlich andere Akteure auftauchen, die das, was mir machen, besser oder günstiger können.
Und Sie müssen aufpassen, dass die Nische nicht zu klein wird.
Genau. Daher ist es so wichtig, dass die Produkte, die wir liefern, Zukunftspro dukte sind. Wir bedienen in unserem Spezialgebiet Megatrends. Zum Beispiel die Elektromobilität und die Entwicklung von Batterien. Es gibt einen wahnsinnigen Bedarf an Speicher. Wenn Sie heute einen Staubsauger kaufen, finden Sie bei den meisten Geräten kein Kabel mehr. Immer mehr Maschinen oder Powertools laufen mit Batterien. Der Markt wächst, die Technologie wird immer besser und preisgünstiger, weil mehr Geld investiert wird. Ein weiterer Zweig, der wächst, ist der Markt für nachhaltige Verpackungen. Die Kreislaufwirtschaft hat erkannt, dass das Aluminium zwar bei der Erstherstellung sehr energieintensiv ist, es aber danach sehr lange im Kreislauf bleibt. Das heißt, ich kann aus einer Espresso- Kapsel wieder eine Espresso-Kapsel und wieder eine Espresso-Kapsel machen. Gleiches gilt bei Blister-Verpackungen für Tabletten.
Was fasziniert Sie als Wirtschaftsingenieur an dem, was Sie mit dem Unternehmen machen?
Der tatsächliche Prozess, der mit unseren Maschinen abläuft. Wir beginnen mit einem dicken Walzbarren, am Ende haben wir Folien mit einer Stärke von 0,0045 Millimetern. In dem Prozess drücken wir mit einer Kraft von 600 bis 800 Tonnen auf den Barren, sprühen bis zu 10.000 Liter Öl drauf. Wir ziehen und erwärmen die Walzen, pumpen sie teilweise auf 500 bar auf. Da wirken die Kräfte einer Diesel-Lok. Und wenn man dann sieht, dass sich eine unserer Batteriefolien in einem Akku befindet und diese Batterie dafür sorgt, dass ein Auto damit fährt – dann ist das für einen Ingenieur schon sehr spannend.
Neben Tiefe und Ernsthaftigkeit für eine Sache braucht es Mut, den einen Schritt weiter zu machen und Dinge auszuprobieren.
Wie gelingt es Ihnen im Unternehmen, die Innovationskraft der verschiedenen Generationen zu bündeln? Das funktioniert über gegenseitigen Respekt. Hier hat die junge Generation heute einen Vorteil: Sie bringt Erfahrungen mit, die die Älteren nicht unbedingt haben. Nämlich die Erfahrung, wie sich digitale Methoden gewinnbringend einsetzen lassen. Das kennt jeder aus der Familie: Früher war es immer der Opa, der dem Enkel etwas beigebracht hat. Heute kann der Enkel bei bestimmten digitalen Themen auch dem Opa helfen. Diese Form von Kollaboration ist nicht einfach zu organisieren, sie ist aber eine Riesenchance für traditionelle Unternehmen aus dem deutschen Maschinenbau. Weil man von beiden Seiten innovatives Denken einbringen kann. Damit das funktioniert, darf es kein Hierarchie- Gefälle von Alt nach Jung geben. Und: Die Kollaboration muss im Unternehmen gut moderiert werden. Weil alles, was disruptiv ist, bei den Jungen dazu führen kann, dass sie ein bisschen zu hoch fliegen – und den Älteren sagen: „So, wie Ihr das macht, ist’s Mist.“ Wodurch die Älteren eine Abwehrhaltung entwickeln könnten. Diese Fronten dürfen sich nicht bilden. Ein Spannungsfeld soll es aber bleiben, denn ein solches bewirkt Innovationen.
Durch Ihren Campus kommen Sie regelmäßig mit der jungen Generation in Interaktion. Was würden Sie den Ingenieuren von morgen gerne mitgeben? Dass man zwei Dinge benötigt: Tiefe und Ernsthaftigkeit. Innovationen im Maschinenbau entstehen nicht, wenn man sich viele Videos im Internet ansieht. Und sie entstehen auch nicht durch endlose theoretische Reden. Man muss stattdessen Sachen machen, um sie zu verstehen. Genau das ist bei uns im Campus möglich: Er bietet ein Reallabor, eine Demonstrationsfabrik. Das passt zur Arbeit als Ingenieur: Der Maschinenbau ist dann erfolgreich, wenn er ins Machen kommt. Es gibt diesen Spruch, den ich gerne nutze: „Machen ist wie wollen, nur krasser.“ Um die nötige Tiefe und Ernsthaftigkeit zu erreichen, braucht man Disziplin, braucht man Biss, und zwar auf langer Strecke, nicht nur bei bestimmten Projekten. Und man braucht Mut. Mut, auch mal ins Risiko zu gehen, den einen Schritt weiter zu machen, Dinge auszuprobieren, auch wenn der Ausgang nicht zu einhundert Prozent sicher ist. Ich glaube, dieser Mut fehlt der jungen Generation manchmal ein bisschen. Weil die Angst, Fehler zu machen oder sich auf unsicheres Terrain zu begeben, heute größer ist, als es bei den Generationen davor der Fall war.
Haben Sie denn im Unternehmen eine Fehlerkultur, die der jungen Generation diesen Mut gibt?
Ich glaube noch nicht. Das ist natürlich abhängig von der individuellen Führungskraft, aber ich denke schon, dass wir selbst noch eines lernen müssen: Es gibt gute Fehler und dumme Fehler. Gute Fehler zu erlauben, das ist die Königsdisziplin. Und da müssen wir als Organisation sicher noch ein paar weitere Schritte machen.
Zum Unternehmen
1452 installieren die Brüder Busch an einem Bach in Kreuztal im Siegerland einen mit einem Wasserrad angetriebenen Eisenhammer, um schmiedbares Eisen herzustellen. Es ist der Beginn einer Unternehmensgeschichte, die sich bis heute fortsetzt. Mitte des 19. Jahrhunderts kauft die Familie Achenbach den Eisenhammer und baut an Ort und Stelle eine Gießerei. Acht Generationen später ist das Unternehmen Achenbach Buschhütten Systemanbieter und in wesentlichen Teilen Weltmarktführer für die Herstellung von Maschinen zum Flachwalzen und Folienschneiden von Nicht-Eisen-Metallen. Das Unternehmen ist weiterhin im Familienbesitz und beschäftigt aktuell rund 550 Mitarbeiter. Im Campus Buschhütten, beheimatet in einer alten Produktionshalle des Unternehmens, entwickeln Partner von technischen Universitäten und regionalen Industrieunternehmen praxisnah neue Produktionstechniken.