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Energiewende: Energie-Analyst Frank Peter im Interview

Als stellvertretender Direktor des Think Tanks Agora Energiewende überblickt Frank Peter den Ausbau der erneuerbaren Energien und ihre Integration ins Stromnetz. Im Interview erklärt er, warum Flexibilität in der Nachfrage der Schlüssel für die Energiewende ist und an welchen Stellen der Energiewirtschaft Ingenieure spannende Aufgabenfelder finden. Das Interview führte André Boße.

Zur Person

Frank Peter ist stellvertretender Direktor von Agora Energiewende, in dieser Funktion koordiniert er auch die Arbeiten des Teams Deutschland. Bevor er zu Agora kam, arbeitete er zwölf Jahre bei der Prognos AG in Berlin. Frank Peter hat zahlreiche Projekte zu Klimaschutzfragen, Strommarktentwicklungen und erneuerbaren Energien sowohl für politische als auch privatwirtschaftliche Stakeholder geleitet. Im Rahmen seiner Tätigkeiten war er mehrfach als Sachverständiger für den Bundestag und die Bundesregierung zu verschiedenen Energiefragen tätig. Frank Peter hat an der Technischen Universität Berlin Technischen Umweltschutz studiert. Zum Unternehmen Agora Energiewende wurde im Jahr 2012 von der European Climate Foundation und der Stiftung Mercator ins Leben gerufen, um die Herausforderungen der Energiewende anzupacken. Die Initiative ist Teil der gemeinnützigen Smart Energy for Europe Platform (SEFEP) gGmbH. Das Mandat von Agora Energiewende besteht darin, akademisch belastbare und politisch umsetzbare Wege zu entwickeln, wie sich die Energiesysteme in Deutschland und zunehmend weltweit in Richtung sauberer Energie transformieren lassen. Die Kernfinanzierung stammt von der Stiftung Mercator und der European Climate Foundation. Agora Energiewende kann daher unabhängig von Geschäftsinteressen und politischem Druck arbeiten.

Herr Peter, wir hatten einen heißen Sommer mit langer Dürrezeit, es wurde viel über den Klimawandel gesprochen. Bringen solche Debatten auch die Energiewende weiter voran?
Jede Debatte über die Auswirkungen des Klimawandels bringt die Energiewende ins Bewusstsein. Der Druck, die Klimaschutzziele mit Hilfe der Energiewende zu erreichen, ist noch einmal gestiegen. Wir hätten uns aber tatsächlich einen noch deutlicheren Link zwischen den beiden Themen Klima und Energie gewünscht.

Wer erzeugt beim Thema Klima und Energie den Druck, von dem Sie sprechen?
Ich glaube, dass die Gesellschaft diesen Druck erhöht. Ein Sommer wie der vergangene zeigt, dass auch wir in der Mitte Europas vom Klimawandel betroffen sind – und zwar nicht erst in 50 Jahren, sondern schon jetzt. Wir befinden uns also bereits in diesem Wandel, und der Gesellschaft wird bewusst, dass wir jetzt dringend damit beginnen müssen, die CO2-Emissionen zu verringern. Hier spielen die erneuerbaren Energien eine große Rolle.

Deutschland war Vorreiter der Energiewende. Sind wir das noch immer?
Als eine der größten Weltwirtschaften nehmen wir im internationalen Kontext eine Vorreiterrolle und eine Vorbildfunktion ein. Es geht dabei auch um die Glaubwürdigkeit der deutschen Industrie und Wirtschaft: Deutschland hat sich sehr schnell für die Energiewende entschieden und mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien begonnen. Jetzt werden wir natürlich international beäugt: Wie machen die das, wie schnell geht es voran? Wie zufrieden sind Sie mit den Fortschritten? Ich glaube, dass ein wenig verspätet die Erkenntnis reift, dass alleine der Ausbau der erneuerbaren Energien kein Klimaschutz bedeutet. Es ist schon entscheidend, dass man dazu aus den alten Energien, insbesondere aus der Kohle, aussteigt. Das muss wirtschafts- und strukturpolitisch organisiert werden – und hier ist Deutschland bislang zu langsam.

War der Begriff der Energiewende vielleicht zu optimistisch?
Man stellt sich darunter ja einen schnellen Richtungswechsel vor, dabei ist der Prozess komplex und langwierig. Haben Sie schon einmal im Fahrerhäuschen eines alten Lastwagens ohne Lenkunterstützung gesessen? Wenn Sie versuchen, so ein Fahrzeug auf engem Raum zu drehen, dann erfahren Sie, wie kompliziert und langsam eine solche Wende sein kann – und wie viel Nervenstärke, langen Atem und Armmuskulatur Sie dafür benötigen. Ich glaube, so muss man sich auch die Energiewende vorstellen.

Ein Sommer wie der vergangene zeigt, dass auch wir in der Mitte Europas vom Klimawandel betroffen sind – und zwar nicht erst in 50 Jahren, sondern schon jetzt.

Fällt der Ausstieg auch deshalb so schwer, weil bei den erneuerbaren Energien noch technische Lösungen fehlen?
Wir kommen in technischer Hinsicht gut voran, einige Lösungen werden aber noch gebraucht. Zum Beispiel müssen wir eine Flexibilität auf der Nachfrageseite organisieren, schließlich handelt es sich bei den erneuerbaren Energien Wind und Sonne um fluktuierende Quellen. Bislang war es so, dass die Stromerzeugung der Nachfrage folgte.

Sprich: Wurde viel Strom benötigt, wurden die Kraftwerke weiter hochgefahren.
Genau. In Zukunft wird es so sein, dass die Nachfrage sich am Angebot orientiert. Es gibt bei den Abnehmern Anwendungen, die deutlich flexibler gestaltet werden können und die zeitlich so verlagert werden, dass sie dann Strom benötigen, wenn die Erneuerbaren tagsüber mehr Energie erzeugen. Ich denke hier zum Beispiel an das Einheizen oder Kühlen von Industrieanlagen, aber auch an das Aufladen von Elektroflotten, das so organisiert werden kann, dass es nicht zu den Stoßzeiten passiert, wenn generell viel Strom benötigt wird.

Wie kann diese Flexibilität technisch organisiert werden?
Ideal ist, wenn der Verbraucher davon gar nichts mitbekommt, sprich: wenn zum Beispiel Apps die Steuerung des Stromverbrauchs übernehmen. Es gibt bereits eine Menge Start-ups, die Software dieser Art entwickeln. Und auch in den Unternehmen denken die Ingenieure darüber nach, wie es gelingen kann, bei der Stromnachfrage flexibler zu werden. So entstehen in Industrieunternehmen neue Hallen, in denen selbstproduzierte Grundstoffe zwischengelagert werden, sodass deren Herstellung durch energieintensive Verfahren wie zum Beispiel der Elektrolyse zu Stoßzeiten auch mal ausgesetzt werden kann, ohne dass die weiterführende Produktion darunter leidet. In meinen Augen sind das wichtige Aspekte, denn die Flexibilisierung der Nachfrage ist einer der Schlüssel, um ein erneuerbares Energiesystem zu realisieren.

Die Digitalisierung ist der Enabler der Energiewende.

Welche Rolle spielen digitale Techniken bei der Umsetzung der Energiewende?
Ich sprach eben schon von Apps, die entwickelt werden, auch smarte und vernetzte Knotenpunkte werden eine Rolle spielen. Viele Anwendungen stehen auf der Schnittstelle zwischen Energietechnik und IT, die Digitalisierung ist somit der Enabler der Energiewende. Das zeigt sich schon alleine daran, dass in einem komplexen Energiesystem schon heute in Echtzeit unglaublich viele Zustandsbeschreibungen ausgetauscht und auf dieser Basis Entscheidungen getroffen werden. Hier wird die Digitalisierung zum Schlüssel für ein smartes System – mit Blick auf die Informationstechnik, aber auch auf den Datenschutz. Und ich gehe davon aus, dass hier in naher Zukunft ein Markt für neue Entwicklungen entsteht, der insbesondere für Ingenieure sehr spannend werden wird.

Wobei der Ingenieur hier mit IT-Spezialisten zusammenarbeiten wird.
Ja, diese Entwicklung beobachten wir schon seit einigen Jahren bei den großen Netzbetreibern: Die Systemsteuerung geschieht zunehmend automatisiert. Es gibt immer weniger Mitarbeiter, die Knöpfe drehen oder Hebel betätigen. Diese Aufgabe wird von Algorithmen übernommen, die typischerweise weniger fehleranfällig sind. Das heißt jedoch nicht, dass es für Ingenieure weniger zu tun gibt: Gesucht werden kreative Lösungen für diese Systeme, zudem rücken Themen wie die Sicherheit der Systeme in den Fokus, damit verhindert wird, dass kriminelle Manipulationen das gesamte Energiesystem lahmlegen.

Gibt es ein weiteres Feld, bei dem Sie – gerade mit Blick auf junge Ingenieure – großes Potenzial sehen?
Ich glaube, dass die Wasserstofftechnik an Bedeutung gewinnen wird. Wasserstoff als Energiespeicher ist in vielen Bereichen eine gute Lösung, um im Güter- und Luftverkehr, aber auch in der Industrie auf fossile Brennstoffe zu verzichten. Wasserstoff bietet eine Vielzahl guter Eigenschaften: Er ist auf verschiedene Art herstellbar, bietet eine enorme Energiedichte, man kann bei einer Beimischung zu Erdgas direkt mit ihm Motoren betreiben, in der Industrie ist er an vielen Stellen einsetzbar. Kurz: Wasserstoff ist ein wichtiger Allrounder und in meinen Augen die Schlüsseltechnologie, um weitreichend CO2-Ausstöße einzusparen. Hier werden wir in den kommenden Jahren erkennbare Innovationsschübe erleben.

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