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Ein Job für Schatzsucher

Ob komplexes Urban Mining oder neue mikrobiologische Methoden – um noch mehr Wertstoffe aus dem Hausmüll zu gewinnen, bietet die Recyclingbranche eine Menge spannender Berufsfelder. Die Herausforderung ist es dabei, Umweltschutz mit ökonomischem Denken zu verbinden. Von André Boße

Die Stadt als Schatzkammer. Überall gibt es wertvolle Stoffe zu entdecken. Kupfer und Aluminium. Stahl und Holz. Kunststoffe und mineralische Baustoffe. Aufstöbern kann man sie in Bauwerken und Maschinen, auf Schrottplätzen und in technischen Geräten. Sind diese Dinge noch in Betrieb, werden die Rohstoffe dort benötigt. Doch was, wenn die Fabrik schließt? Das alte Wohnhaus einem neuen Platz macht? Die Maschine ihren Dienst getan hat? Falsch wäre es, diese wertvollen Rohstoffe einfach verrotten zu lassen. Was für eine Verschwendung: Weltweit werden die Rohstoffe knapp. Primäre Ressourcen zu bergen, wird immer riskanter und teurer – dabei stecken die Städte voller sekundärer Ressourcen, die man gut gebrauchen kann. Es ist daher an der Zeit, sich Gedanken darüber zu machen, wie man diese Rohstoffe bergen, heben oder schürfen kann. Wie die Kohle aus dem Bergwerk, den Kalk aus den Felsen oder das Gold aus dem Schürfgraben. Urban Mining nennt man diese Rohstoffschatzsuche in der Stadt. Vorgenommen wird sie von Prospektoren. Von Experten, die wissen, wo es was zu holen gibt und wie man da rankommt.

Urban Mining: Schatzsuche in der Stadt
Für den Wiener Professor Paul H. Brunner ist der Beruf des Urban-Mining-Prospektors ein Job mit Zukunft. Der Forscher leitet an der TU Wien das Institut für Abfallwirtschaft und Ressourcenmanagement. Zusammen mit Kollegen sucht Brunner nach Methoden, das Urban Mining zu organisieren. Das ist kompliziert, denn eine Stadt ist ein ziemlich undurchschaubares Gebilde, das über keinen Rohstoffkatalog verfügt. Relativ einfach ist die Sache bei relativ kurzlebigen Gütern. „Hier“, so Brunner, „ können ohne große Probleme Ansätze entwickelt werden, die sich an den heute vorhandenen und in den nächsten Jahren zu erwartenden Technologien orientieren.“ Beispiele sind Handys, Laptops oder sogar Autos: Ein paar Jahre lang tun sie ihren Dienst, dann werden sie dem Recycling zugeführt, um die wertvollen Stoffe als Sekundärressourcen zu gewinnen. „Für die wichtigeren langlebigen Güter ist das Recycling jedoch wesentlich schwieriger“, sagt Brunner. Wer heute ein Haus baut, das mehreren Generationen ein Dach über dem Kopf geben soll, kann nicht abschätzen, wie die Welt in 50 Jahren aussehen wird. Welche Techniken werden dann zur Verfügung stehen, welche Rohstoffe werden besonders begehrt sein? Brunner: „Deshalb können derzeit nur allgemeine Richtsätze angewandt werden, wie zum Beispiel die Komplexität zu reduzieren und Zerlegbarkeit in saubere Komponenten zu fördern.“

Job-Chancen finden Urban-Mining-Prospektoren schon heute in Ämtern oder in der Forschung. Experten glauben, dass sich schon bald immer mehr Unternehmen gründen werden, die sich auf diesen Bereich spezialisieren. „Um in einer Stadt zu prospektieren, muss man kein Geologe sein“, definiert der Wiener Professor das Anforderungsprofil. „Auch als Bauingenieur, Verfahrenstechniker oder Naturwissenschaftler besitzt man geeignete Kenntnisse.“ Vorbedingung sei ein vertieftes Verständnis für Stoffe und deren Verhalten. „Wesentliche Werkzeuge, um zu beurteilen, ob ein Rohstoff abbauwürdig ist, sind Methoden wie Material- und Stoffflussanalysen, Kosten-Wirksamkeitsanalysen sowie Methoden zur ökonomisch-ökologischen Bewertung von Sekundärressourcen“, so Brunner. Hinzu kämen ökonomische Ansätze wie die Marktforschung, denn natürlich soll sich Urban Mining rechnen, sodass die zu erwartenden Preise eine wichtige Rolle spielen.

Dienstleister für Elektroentsorgung
Während im Bereich des Urban Mining aktuell noch viel geforscht wird, hat sich in der Entsorgung von Elektrogeräten bereits ein umsatzstarker Markt gefestigt. Grundlage ist hier ein Gesetz aus dem Jahr 2005: Alle Hersteller und Importeure von Elektronikgeräten sind für die Entsorgung verantwortlich; je nach Gerätetyp muss ein Anteil von bis zu 80 Prozent des Gerätegewichts wiederverwendet oder recycelt werden. Schnell entstanden im Zuge der Gesetzgebung Spezialunternehmen, die für die großen Hersteller diese Aufgabe übernehmen. Eines von ihnen ist EcologyNet Europe, eine Tochter des Elektronikkonzerns Panasonic. Als eine der großen Herausforderungen der Arbeit sieht Geschäftsführer Sven Grieger den Spagat zwischen der Entsorgung von Schadstoffen auf der einen sowie der Gewinnung von Rohstoffen auf der anderen Seite. „Die Anforderung, gewinnbringend zu arbeiten, läuft dem Vorsatz, möglichst die Umwelt zu schonen, manchmal entgegen.“ Besonders in Altgeräten steckten viele Schadstoffe. Diese zu entsorgen, ist der erste Schritt, der, so Grieger, „sehr kostenintensiv sein kann“. Sind diese Stoffe entfernt, beginnt der Recyclingprozess, wobei die Trennung der Materialien nach wirtschaftlichen Kriterien erfolgt: Ziel ist es, über effiziente Prozesse Rohstoffe zu bündeln, um sie nachher besser zu vermarkten. „Von Vorteil sind daher Kenntnisse in der Entsorgungs- und der Verfahrenstechnik“, sagt Grieger zu den Anforderungen. Auch Know-how in Produktionstechnik sowie Chemie- und Physikkenntnisse seien bedeutsam, da die Vielfalt der Materialien in den Geräten mit jeder jüngeren Generation größer wird. Gefragt seien zudem Mitarbeiter, die interdisziplinär denken und handeln, betriebswissenschaftliche Kenntnisse mitbringen und aufgrund der internationalen Ausrichtung der Branche über sehr gute Englischkenntnisse verfügen.

Gute Bilanz: Aluminiumrecycling

Am Beispiel Aluminium lässt sich gut zeigen, wie effizient die Gewinnung von Aluminium als Sekundärressource im Vergleich zur Herstellung von neuem Aluminium als Primärrohstoff ist: Aluminium kann durch relativ einfache Verfahren zum Beispiel aus alten Getränkedosen gewonnen werden. Das alte Aluminium muss dafür geschmolzen werden – ein Vorgang, für den lediglich fünf Prozent der Energie gebraucht wird, die nötig ist, um neues Aluminium herzustellen. Entsprechend groß ist der Markt für Aluminiumrecycling: Alleine in Deutschland bietet dieser Bereich nach Angaben des Verbands der Aluminiumrecyclingindustrie rund 20.000 Arbeitsplätze.

Gesucht: Vertriebler für Rohstoffhandel
Einer der weltweit größten Player der Recycling- und Entsorgungsbranche ist die Alba Group, die mit rund 9000 Mitarbeitern in allen Recycling- und Abfallbereichen tätig ist – von der Entsorgung über Rohstoffhandel und Werkstoffmanagement bis zu Facility Services. Auch bei dem Berliner Unternehmen geht der Trend zur Globalisierung: Weltweit sinkt der Rohstoffbestand, umso wichtiger werden die Sekundärrohstoffe, die durch sauberes Recycling gewonnen werden. Da in großen Teilen Europas oder auch den USA der Recyclingmarkt allmählich gesättigt ist, rücken bei der Alba Group vermehrt Staaten in den Fokus, die beim Thema Recycling noch Nachholbedarf haben. Dazu zählen Südeuropa, der Balkan, Indien, Vietnam oder Brasilien. Durch die weltweite Expansion auf der einen Seite und die Zusammenarbeit mit ausländischen Firmen auf der anderen Seite stehen bei den Anforderungen an den Nachwuchs internationales, kulturelles sowie sprachliches Know-how im Vordergrund: Kandidaten können mit Fremdsprachenkenntnissen sowie Praxiserfahrungen im Ausland punkten. Im Berliner Unternehmen besonders gefragt sind derzeit Vertriebsspezialisten, die für den weltweiten Handel mit Sekundärrohstoffen zuständig sind. Dabei setzt das Unternehmen auch auf Quereinsteiger: „Auch ausgebildete Lehrer oder Banker gehen heute zum Beispiel als Metallhändler ihrer eigentlichen Berufung nach“, sagt Carla Eysel, Head of Corporate Function Human Resources. Notwendige Voraussetzung sei dabei neben ausgeprägten Soft Skills ein ganzheitlicher Blick auf die Kreislauf- und Rohstoffwirtschaft mit ihren vielen Facetten.

Mikorobiologie trifft Verfahrenstechnik
Wie sehr die Recyclingbranche vom Fachwissen echter Spezialisten lebt, belegt ein Besuch beim Bifa-Umweltinstitut in Augsburg. Beim Dienstleister für Entwicklungs- und Engineering- Themen im Bereich des Technischen Umweltschutzes arbeiten 40 Mitarbeiter daran, das Thema Recycling weiterzuentwickeln. Zum Team gehören neben Ingenieuren auch Natur- und Geisteswissenschaftler sowie Betriebswirte. In der F&E-Abteilung beschäftigt sich das Unternehmen mit neuen Verfahrenstechniken und der Mikrobiologie, mit klassischen Wertstoffen wie Papier oder Plastik und mit Hochtechnologiemetallen sowie karbonfaserverstärkten Kunststoffen. „Natürlich kann niemand alles. Wir leben vom Teamwork“, sagt Siegfried Kreibe, einer der drei Geschäftsführer des Unternehmens. Jeder Mitarbeiter müsse eine fundierte Ausbildung in seinem Fachbereich mitbringen. Dann gelte es, diese Expertisen in den Teams zusammenzubringen – zum Beispiel bei der Frage, wie die Verwertung von Abfall aus Wohnsiedlungen weiter verbessert werden kann. „Es geht um Verwertungsverfahren von Bioabfällen und Verpackungen, aber auch darum festzustellen, welche weiteren Wertstoffe aus dem Restmüll geholt werden können.“

Der Müll als Rohstoffreservat – auch hier ist also das Talent von Prospektoren gefragt. Gute Aussichten für Leute, die wissen, wo die Wertstoffe versteckt sind und wie man sie gewinnt. Der Lohn ist nicht nur ein spannender Job, sondern auch ein echter Beitrag zu einem nachhaltigeren Umgang mit den immer knapper werdenden Ressourcen.

Weiterschauen: Videoclips zum Thema

Kurzer Info-Film zum Urban Mining von Deutsche Welle-TV: www.dw.de/urban-mining

Längere Dokumentation zu Urban Mining: www.vimeo.com/50605926

„Die Rohstoff-Jäger“, ZDF-Doku der Reihe „planet.e“: www.planete.zdf.de
(Suchbegriff: Rohstoff-Jäger)

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