Am Anfang des Projekts gab es eine Vision: ein innovatives und nachhaltiges Gebäude, das sämtliche im Haus benötigte Energie selbst aus nachhaltigen Quellen erzeugt und das zu 100 Prozent recycelt werden kann. Das Gebäude sollte außerdem eine Verbindung zur Elektromobilität schaffen und Wege aufzeigen, wie durch ein Smart Grid Energieerzeugung und Energieverbrauch optimal auf lokaler Ebene aufeinander abgestimmt werden können. Von Dr. Frank Heinlein, Director Business Communication, Werner Sobek Group, und Dipl.-Ing. Thomas Thümmler, Head of Sustainability and Certification, WSGreenTechnologies
Die gebaute Umwelt spielt eine zentrale Rolle für den Schutz – oder die Zerstörung – unseres Planeten: Sie steht für mehr als ein Drittel des weltweiten Energieverbrauchs und der Emissionen sowie mehr als die Hälfte des Ressourcenverbrauchs und des Massenmüllaufkommens. Was können Ingenieure und Architekten angesichts dieser Zahlen tun, um für mehr Nachhaltigkeit in unseren Gebäuden zu sorgen?
Bereits 1927 untersuchten die berühmtesten Architekten der damaligen Zeit in der Stuttgarter Weißenhofsiedlung, welche Materialien und Konstruktionstechniken für das Bauen von morgen eingesetzt werden können. 90 Jahre später schreibt Werner Sobek die Geschichte der Weißenhofsiedlung fort. Ein Gebäude, das vor kurzem im Herzen des historischen Bestands errichtet wurde, zeigt, wie die Zukunft aussehen kann.
Im Mittelpunkt des Projekts stehen ausgeklügelte Energiekonzepte, eine selbstlernende Gebäudesteuerung, neuartige Bau- und Montagemethoden sowie ein sogenanntes „design for disassembly“, sodass das Haus sortenrein rezykliert werden kann. Dank eines ausgeklügelten Energiekonzepts und einer selbstlernenden Gebäudesteuerung erzeugt das Aktivhaus B10 das Doppelte seines Energiebedarfs aus nachhaltigen Quellen. Mit dem gewonnenen Überschuss werden zwei Elektroautos und ein benachbartes Gebäude des Architekten Le Corbusier versorgt. B10 verzahnt so die Energiesysteme von Elektromobilität und Gebäuden zu einem integral gesteuerten Gesamtsystem.
Das Projekt wurde in einem äußerst knappen zeitlichen Rahmen geplant und gebaut: Das erste Kick-Off-Meeting fand im September 2013 statt, bereits im Mai 2014 war das Gebäude fertig installiert. Planer und ausführende Firmen haben von der ersten Konzeptphase an sehr eng zusammengearbeitet. Nur durch einen zu weiten Teilen parallel verlaufenden Entwicklungsprozess an den Schnittstellen unterschiedlicher Disziplinen war es möglich, die zahlreichen technischen Anforderungen zu bewältigen, die sich aus dem hohen Innovationsgrad des Gebäudes ergaben.
Ziel des Projektteams war es, die im Bauwesen sonst übliche Trennung der Gewerke und die damit einhergehende manuelle Produktion vor Ort zu vermeiden. Durch eine Vorfertigung in der Fabrik konnte der Baukörper innerhalb eines Tages aufgebaut und betriebsbereit gemacht werden. Die gesamten Innenausbauten inklusive Küche und Bad waren zu diesem Zeitpunkt bereits installiert. In den nächsten Jahren wird es nun darum gehen, die bei B10 gewonnenen Erkenntnisse auch bei anderen, größeren Bauprojekten einzusetzen.