Biogene Reststoffe für Wirtschaft und Industrie verwertbar zu machen – das ist das vorrangige Forschungsziel des Instituts für angewandte Biopolymerforschung (ibp) an der Hochschule Hof. Nun könnte den Forscherinnen und Forschern ein interessanter Durchbruch gelungen sein. Von Sabine Olschner
Mit Hilfe von Elektronenbestrahlung konnten die Forschenden aus Hof bisher weitestgehend ungenutzte Reststoffe aus der Papierindustrie so behandeln, dass diese als Biokunststoffe zur Weiterverarbeitung eingesetzt werden können. Die so gewonnenen Werkstoffe sind weiterhin vollständig biologisch abbaubar und könnten schon heute für allerlei Produkte verwendet werden. Aber es gibt noch ein ungelöstes Problem: Lignin. Das Biopolymer kommt in der Natur unter anderem in Bäumen vor, wo es für die Verholzung der Zellen und die Zugfestigkeit des Holzes verantwortlich ist.
Bei der Produktion von Papier wird Lignin als Reststoff allerdings ausgeschieden, da es andernfalls zum Vergilben der Papierblätter führen würde. Das so gewonnene Kraftlignin macht 85 Prozent der weltweiten Ligninproduktion aus. Es wird derzeit aber nur zu etwa fünf Prozent genutzt, zum Beispiel als Beimischung in Zement, Tiernahrung oder in Granulaten, die zu spritzgegossenen Bauteilen weiterverarbeitet werden. 95 Prozent dagegen dienen allenfalls zur Energiegewinnung. Das möchten die Forschenden in Hof ändern. Das Problem dabei ist: Kraftlignin war als natürliches Biopolymer bislang für die Industrie schlicht nicht verwendbar, da es sich im Urzustand nicht schmelzen und damit auch nicht formen oder verarbeiten lässt.
Es gibt mehrere Möglichkeiten, die Struktur von Lignin so zu verändern, dass man es formen und verarbeiten kann. Eine chemische Behandlung kam dabei für die Forschenden nicht in Frage, da das Endprodukt immer biologisch abbaubar bleiben sollte. Darum haben sie sich für das Experimentieren mit einer Elektronenbestrahlung entschieden. Das Team absolvierte etliche Testreihen, um das gewünschte Ziel zu erreichen. Als Folge der Bestrahlung bilden sich an dieser Oberfläche freie Radikale, die sich bei der Compoundierung mit einem anderen Biokunststoff verbinden und die chemische Struktur in der gewünschten Form verändern.
Allerdings, so räumen die Forschenden der Hochschule Hof ein, sind damit noch nicht alle Probleme bei der Nutzbarmachung des Reststoffes Lignin beseitigt.
Durch dieses Ergebnis wurde es den Forschenden auch möglich, einen thermisch stabilen Lignincompound, also eine neue Verbindung des Biokunststoffes zu entwickeln. Dieser kann nun durch eine formgebende Düse gepresst und somit gestaltet werden. Das entsprechende Verfahren nennt sich Extrusion, mit dem zum Beispiel Schlauchfolien hergestellt werden können. Nach der Extrusion verfügen die Produkte zudem über sehr gute mechanische Eigenschaften wie hohe Zugfestigkeit und eine hohe Bruchdehnung, was die Einsatzmöglichkeiten des Produktes erweitert.
Allerdings, so räumen die Forschenden der Hochschule Hof ein, sind damit noch nicht alle Probleme bei der Nutzbarmachung des Reststoffes Lignin beseitigt: Lignin hat – auch in der bearbeiteten Form – einen leichten Geruch nach Verbranntem an sich. Daher ist es derzeit noch nicht für alle Produkte geeignet ist, insbesondere nicht für solche, die nah am Menschen sind. Hier muss also noch weiter geforscht werden.