StartDigitalIT-Consultant: Aufgaben der Digitalisierung

IT-Consultant: Aufgaben der Digitalisierung

Die digitale Transformation stellt Unternehmen vor große Herausforderungen. Gefragt sind IT-Consultants, die nicht nur fachliches Know-how mitbringen, sondern sich auch darauf verstehen, den Kunden zu verstehen und ins Boot zu holen. Dabei im Trend: Consulting „Made in Germany“. Denn die Unternehmen haben ihre Berater gerne in der Nähe. Von André Boße

Schon mal von Sappese gehört? Auch für Christian Euler war der Begriff neu. Aufgeschnappt hat ihn der Geschäftsbereichsleiter Integration Consulting beim IT-Beratungsunternehmen MSG in Italien: Er besuchte dort einen Kunden und sprach mit den Mitarbeitern der Firma über die Herausforderungen der digitalen Transformation. Eine Fachkraft sagte, es falle ihr zunehmend schwer, die Kollegen aus der IT zu verstehen, die SAP-Experten, die immer in dieser seltsamen Fachsprache reden würden: Sappese. Eine schöne Anekdote – aber auch ein echtes Problem. Denn wie soll die große Herausforderung der digitalen Transformation gelingen, wenn die beiden Lager – hier die IT, dort das Management – verschiedene Sprachen sprechen?

Gesucht: Data-Science-Experten

Vielen Unternehmen fehlt das Spezial-Know-how, um das  Potenzial auszuschöpfen, das sich aus der  Analyse verknüpfter Kunden-,  Produktions-,  Logistik- und Marktdaten ergibt. Dabei haben sie laut der Studie „Data  Science“ von Sopra Steria Consulting die sich daraus ergebenden Möglichkeiten erkannt. Gesucht wird daher qualifiziertes  Fachpersonal: Knapp zwei Drittel der Befragten wollen in Zukunft  Data-Science-Experten einstellen; 52 Prozent suchen bereits heute nach  entsprechend qualifiziertem Personal. Quelle: www.soprasteria.de

Das Beispiel zeigt: IT-Beratung ist im Zeitalter des Megatrends Digitalisierung keine eindimensionale Angelegenheit. Es geht nicht mehr darum, dem Kunden passende neue Software-Lösungen an die Hand zu geben und diese zum Laufen zu bringen. Die Mammutaufgabe digitale Transformation verlangt, dass IT-Lösungen ganzheitlich im Unternehmen integriert werden. Daher kann es sich kein Unternehmen leisten, dass das Management die Daten-Spezialisten nicht versteht – und umgekehrt die ITler über die Unternehmensstrategie nur rätseln können. Es liegt daher auf der Hand, dass die Kommunikation in der IT-Beratung heute einen zentralen Stellenwert besitzt

„Die Sprache ist ein ganz wichtiger Aspekt der Beratung, und wie in jedem professionellen Umfeld, so etablieren sich natürlich auch in der IT-Beratung eigene Begriffe und Redewendungen“, sagt Christian Euler. Um damit umzugehen, seien gerade aufseiten der IT-Berater die Soft Skills sehr bedeutsam. „Dazu gehören eben insbesondere kommunikative Fähigkeiten. Denn es kommt ja darauf an, sicherzustellen, dass alle Beteiligten ein gemeinsames Verständnis erzielen und ihre Erwar-tungen aufeinander abstimmen – und das kann nur funktionieren, wenn ich sowohl zuhöre als auch die richtigen Fragen stelle sowie Sachverhalte gut erläutere.“

Wieder in: Beratung „Made in Germany“

Dass Beratung etwas mit Kommunikation zu tun hat, klingt logisch. Doch gibt es in der IT-Branche einen bemerkenswerten Paradigmenwechsel. Viele Jahre lang galt es als sinnvoll, viele Beratungs-Projekte auszulagern und über lange Distanzen hinweg zu stemmen. Die Branche rühmte sich damit, dass ein IT-Berater für seinen Job nicht unbedingt in Reichweite des Kunden tätig sein muss – die Zukunft des IT-Consultings liege in virtuellen Räumen und Clouds. Heute spricht man bei IBM wieder von IT-Services „Made in Germany“.

Vor drei Jahren gründete der Konzern in Magdeburg das IBM Client Innovation Center Germany, eine IT-Beratung, die zwar an den Konzern angedockt ist, für sich aber die Dyna-mik eines Start-ups beansprucht. „Die Entscheidung, das Center in Deutschland anzusiedeln, vereinfacht die Kommunikation mit dem Kunden, weil wir gemeinsam in einer Zeitzone und in einem Land tätig sind“, sagt Managing Director Frank Schwarz. Warum ist heute notwendig, was vor einigen Jahren noch verzichtbar erschien? „Immer mehr Kunden legen Wert darauf, mit IT-Beratern zusammenzuarbeiten, denen sie in die Augen schauen können“, sagt Schwarz. „Das schafft Vertrauen – und das ist dann auch eine Frage des Bauchgefühls.“

IT-Beratung für Verwaltungen

Der Umsetzungsdruck bei öffentlichen Verwaltungen ist mit Blick auf die digitale Transformation mindestens so groß wie in der freien Wirtschaft. Die Bürger verlangen von den Ämtern digitale Lösungen – die Verwaltungen selbst könnten dadurch viel Geld sparen. Viele IT-Consultingunter-nehmen betreiben daher einen eigenen Bereich für den öffentlichen Sektor. Auch die Verwaltungen bieten vermehrt Job-Profile für IT-Spezialisten.

Der Grund für das neue Kundenbedürfnis nach Nähe: Die IT-Beratung hinterlässt immer tiefere Eindrücke in der Strategie eines Unternehmens. Früher war für die IT-Consultants in der Regel der CIO eines Unternehmens der einzige Ansprechpartner. Heute ist häufig der CEO mit an Bord – und mit ihm idealerweise alle weiteren Chief Officers. Denn die Digitalisierung betrifft eben alle Unternehmensbereiche, von Geschäfts- und Prozessmodellen über die Interaktion mit den Kunden bis hin zu Themen wie Beschaffung oder Personal.

Die digitale Transformation wird zur strategischen Kernaufgabe der heutigen Zeit. Der Beratungsbedarf der Unternehmen ist somit riesig – die Anforderungen an die IT-Berater jedoch auch. „Die Kunden erwarten mehr, wenn sie wissen, dass die Beratung vor Ort ansässig ist“, wie Frank Schwarz von IBM sagt. „Der Anspruch an unsere Arbeit wird dadurch höher. Die Kunden verlangen zum Beispiel, dass wir das Problem, mit dessen Lösung sie uns beauftragen, sehr gründlich durchdenken.“

Begriffsklärung für den Kunden Konkret beschäftigt die Kunden aktuell insbesondere die Frage, inwieweit ihnen die neuen digitalen Möglich-keiten neue Prozesse und Geschäftsmodelle ermöglichen. „Schlagworte sind hier zum Beispiel das Internet der Dinge, Big Data, Analytics oder Cloud Computing“, sagt Dr. Matthias Förster, Leiter des Consultingbereichs beim IT-Dienstleister Atos Deutschland.

„Die Digitalisierung erfordert darüber hinaus andere Formen der Zusammenarbeit, veränderte Organisationsformen und die Betrachtung zusätzlicher technischer oder finanzieller Risiken.“ Das Problem dabei: Die Digitalisierung ist zwar in aller Munde. Doch stellt sich – wie häufig bei Megatrends – beinahe jeder etwas Anderes darunter vor. Das Management sieht Chancen fürs Geschäft, die Personal- und Buchhaltungsabteilungen wünschen sich effizientere Arbeitsabläufe, das Marketing baut auf Social Media – und überall im Unternehmen finden sich Skeptiker, die auf Sicherheitslücken und Überforderungen verweisen. „Gerade bei einem Trendthema wie der digitalen Transformation, unter dem sich jede Zielgruppe etwas anderes vorstellen könnte, ist es daher zu Beginn elementar wichtig, ein gemeinsames Verständnis zu schaffen“, schließt Matthias Förster daraus.

Erhöhte Chancen

Eines bleibt beim IT-Consulting wichtig: Zwar sind strategische Leitgedanken und Kommunikation wichtig, doch reicht kluges Reden alleine nicht aus. Die fachlichen Anforderungen an die Spezialisten sind weiterhin enorm hoch – die Komplexität der fachlichen Aufgaben nimmt weiter zu. Zum Beispiel mit Blick auf die „bi-modale“ oder auch „2-Speed“-IT: In den Unternehmen existieren sehr häufig zwei Arten von IT-Systemen, einmal die älteren, komplexen, schwierig anzupassenden Strukturen, dann die neuen und schnellen Systeme.

Buchtipp

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Steffen Rietz, Falk Steinhoff: FAQ Projekt-management. Symposion Publishing 2016. 15,90 Euro.

„Momentan stehen die Front-Ends stark im Fokus“, sagt Christian Euler von MSG. „Es nützt aber nichts, wenn nur die Front-Ends sehr gut sind, die Prozesse im Backoffice aber nicht mehr funktionieren.“ Generell bringt diese „Zwei-Klassen-IT“ große Probleme bei der digitalen Transformation mit sich. Euler sagt: „Es geht an vielen Stellen auch um die Vernetzung mit Partnern und Kunden. Dafür sind neue Lösungen notwendig, sogenannte Systems of Engagement. Wobei diese eben auch mit den vorhandenen, teilweise älteren Systemen verbunden werden müssen.“ Das ist eine komplizierte Arbeit – zumal der Kunde ein „geht nicht“ in der digitalen Welt kaum akzeptiert. Deshalb ist neben den kommunikativen Skills eine solide technische Ausbildung – auch schon der Nachwuchskräfte – notwendig. So sagt Frank Schwarz vom IBM Client Innovation Center Germany:

„Das hat zur Folge, dass wir im Unternehmen deutlich mehr auf Master- als auf Bachelor-Absolventen setzen. In meinen Augen braucht es nämlich eine gewisse Zeit, bis man nachhaltig den erforderlichen Grundstock an Wissen aufgebaut hat.“ Das Erfolgsrezept in der IT-Beratung lautet also, fachliches Wissen mit Beraterqualitäten zu koppeln. „Vielseitige Mitarbeiter werden in Zukunft immer wichtiger“, schätzt Christian Euler von MSG. „Meiner Einschätzung nach wird es immer bedeutsamer werden, Technikkompetenz mit Branchenkenntnis zu verbinden. Nur so lassen sich die vielen Möglichkeiten der Digitalisierung nutzen.“

Für Frank Schwarz von IBM ist es wesentlich, zu verstehen, wo genau die Probleme der Kunden eigentlich liegen. „Einer der ersten Sätze, die ich bei den Begrüßungsvorträgen für neue Mitarbeiter sage, lautet: Überlegt euch, wozu das System für diesen Kunden eigentlich gut ist. Sprich: Macht euch klar, dass hinter der IT-Struktur echte Menschen arbeiten, die ein echtes Problem gelöst haben wollen.“ Seine Leitfrage lautet: „Was würde der Welt fehlen, wenn es dieses Unternehmen nicht mehr gäbe? Aus dieser Antwort heraus kann ich die Strategien entwickeln, um die Aspekte, die fehlen würden und damit das Unternehmen auszeichnen, mit Hilfe von IT-Projekten zu stärken.“ Entscheidend ist, dass IT-Berater erkennen: Für die Unternehmen ist die Digitalisierung kein Selbstzweck. Die Aufgabe des IT-Consultants ist es daher, Schritt für Schritt deutlich zu machen, worin die Vorteile der digitalen Transformation liegen und wie sie sich in die jeweilige Unternehmensstrategie einbinden lassen.

Schein und Sein verbinden

Laut „Transformationswerk Report“ der Unternehmensberatung Doubleyuu bewerten 44 Prozent der Führungskräfte in Unternehmen ihre eigene Kompetenz im Feld der digitalen Transformation als „hoch“ bis „sehr hoch“. Die Mitarbeiter sind anderer Meinung: Nur 14 Prozent bescheinigen ihren Vorgesetzten diese Kompetenzen. Während 53 Prozent der Chefs davon ausgehen, ihre Leute genügend an den Prozessen der Digita-lisierung zu beteiligen, sind bei den Mit-arbeitern nur 18 Prozent dieser Meinung. Für IT-Berater entsteht hier ein weiteres Aufgabenfeld – nämlich dafür zu sorgen, dass Schein und Sein zusammengehen.

Quelle: www.doubleyuu.com

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