Ohne IT-Experten ist die digitale Transformation nicht möglich. Mit ihrem Know-how sorgen sie dafür, dass die Unternehmen von Megatrends wie Cloud-Computing oder Big Data profitieren. Doch für den Job ist es wichtig, nicht nur technisches Wissen mitzubringen. Der IT-Spezialist muss auch erkennen, wie fit die Geschäftskunden mit Blick auf die Digitalisierung sind, was möglich ist – und was eben noch nicht. Von André Boße
Ein neues Wirtschaftswunder – das ist doch mal ein Versprechen. Als Treiber sieht sich die digitale Wirtschaft. Und für ihren Optimismus bringt sie gute Gründe mit. Unter dem Leitwort „d!conomy“ stellte die Branche auf der Cebit 2015 Konzepte und Ideen zur digitalen Transformation in den Unternehmen vor. Die Schlagworte lauten Cloud Computing und Mobile Security, Big Data und Smart Data. Zusammen mit den Möglichkeiten der Industrie 4.0, also den „Smart Factories“, dem Internet der Dinge und intelligenten Industrierobotern, erschaffen die Entwicklungen ein hochinnovatives Umfeld – und zwar nicht nur für produzierende Unternehmen, sondern zum Beispiel auch für die Logistik- und Handelsbranche. „Die digitale Transformation bietet ein nahezu unendliches Potenzial für die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle, Fertigungsprozesse und Produkte“, fasst Dr. Elke Frank, Leiterin Human Resources und Mitglied der Geschäftsleitung bei Microsoft Deutschland, die Chancen zusammen. Ihre Einschätzung: In Zukunft werden intelligente Objekte und smarte Informationen die Wertschöpfungsprozesse steuern und optimieren. Schaut man auf die produzierenden Unternehmen, steht eine Renaissance von „Made in Germany“ bevor: „Mit den technologischen Möglichkeiten der Industrie 4.0 kann selbst die Fertigung von Einzelstücken wieder rentabel organisiert werden“, sagt Frank. Sprich: Der Einfluss von Quantität auf die Produktionskosten nimmt ab. Die individuelle Qualität wird der Maßstab.
IT wandelt die Unternehmenskultur
Garanten für dieses digitale Wirtschaftwunder sind die IT-Experten. Die Branche betrachtet sich dabei nicht nur als reiner Dienstleister. Immer häufiger engagieren sich IT-Unternehmen in Initiativen; viele Firmen treiben den Wandel pro-aktiv voran. Klar, das bringt neue Kunden und belebt das Geschäft. Doch mit diesem Engagement ändert sich auch der Auftrag der IT-Experten. Egal, ob sie die Firmen extern oder intern unterstützen: Mit ihrer Arbeit stellen sie nicht nur neue technische Möglichkeiten zur Verfügung. Mit der von ihnen vorangetriebenen Digitalisierung ändern sie allumfassend die Unternehmenskultur. „So ist die Digitalisierung bereits dabei, die Arbeitswelt grundlegend zu verändern“, sagt Elke Frank von Microsoft. „Der Arbeitsplatz ist heute dort, wo der Mitarbeiter sich gerade aufhält – also nicht nur im Unternehmen oder im Home Office, sondern auch beim Kunden, am Flughafen, in der Bahn oder wo sonst ein Netzzugang verfügbar ist.“
d!conomy – ein Clip zur Einführung
Wofür stehen das Schlagwort „d!conomy“ und die digitale Transformation? Warum nimmt die IT die Rolle ein, die bei früheren industriellen Revolutionen der Webstuhl und die Dampfmaschine gespielt haben? Und: Wie weit reicht der Einfluss von Smart Factories, dem Internet der Dinge oder cyber-physischen Systemen? Ein kurzer Clip erklärt die d!conomy prägnant in aller Kürze. Zu sehen ist er bei Youtube via cebitchannel
Wer als IT-Spezialist in den Unternehmen die Weichen für die digitale Transformation stellt, muss daher damit rechnen, dass sich im Laufe des Prozesses nicht nur technische Fragen ergeben. Ein Thema wird immer auch sein, wie die digitale Technik die Zusammenarbeit und das Miteinander in den Unternehmen verändert. „Für IT-Experten wird es daher bedeutsam, sich immer neue Fachkompetenzen anzueignen und die Fähigkeit zum Perspektivenwechsel zu entwickeln“, sagt Elke Frank. „Schließlich müssen sie ihren Ansprechpartnern auf Augenhöhe begegnen sowie Verständnis für die Rahmenbedingungen im Unternehmen sowie die Bedürfnisse ihrer Kunden entwickeln.“ Wer bei Microsoft einsteigt, darf sich darauf einstellen, die neue Art des Arbeitens in doppelter Hinsicht voranzutreiben. „Zum einen stellen wir Technologien her, die modernes und flexibles Arbeiten überhaupt erst möglich machen – zum anderen leben wir intern die neue Arbeitswelt vor“, sagt die Personalchefin. Die IT-Spezialisten stehen damit beispielhaft für die Herausforderung, die Themen Technik und Unternehmenskultur zu verbinden. Wenn das in den IT-Unternehmen gelingt, besitzen diese eine Vorbildfunktion.
Wie steht es um die Digi-Fitness?
Um zu erfahren, wie die digitale Transformation konkret stattfindet, lohnt sich ein Besuch beim Dortmunder IT-Consultant Materna. Das Unternehmen berät Kunden aus Wirtschaft und Verwaltung bei allen Fragen der Digitalisierung. Ein Schwerpunkt ist dabei die Erschließung neuer Kanäle für Themen wie Vertrieb, Kundenansprache oder interne Kommunikation. Weil sich die Firma dabei als Full-Service- Dienstleister sieht, kommt es für die Materna-IT-Experten darauf an, auch bei wirtschaftswissenschaftlichen Themen wie Marketing oder Vertrieb auf Augenhöhe mit den Geschäftskunden zu sprechen. Konkret passiert das zum Beispiel bei eintägigen Workshops, den sogenannten Digital Checks. Dabei erarbeiten die IT-Spezialisten gemeinsam mit dem Geschäftskunden den „aktuellen Status der Digitalisierungskompetenz“, wie Andreas Eull es formuliert, Director Sales im Geschäftsfeld Digital Enterprise. Im Anschluss an den Workshop erhalten Maternas Kunden individuell entwickelte Handlungsempfehlungen zum weiteren Vorgehen. Erst dann beginnen die Maßnahmen der digitalen Transformation. Die ITExperten arbeiten also nicht mit Standardprogrammen. Es geht darum, den Kunden weder zu über- noch zu unterfordern. Entscheidend sind daher die Antworten auf die Fragen: Was kann der Kunde schon und was will er nach der Transformation können?
Dabei sei es, so Andreas Eull, für die IT-Experten wichtig, die Firmen immer wieder darauf hinzuweisen, wie weitreichend die Veränderungen durch die digitale Transformation sein werden – und zwar nicht nur für produzierende Unternehmen, die sich im Zuge der Industrie 4.0 Smart Factories und Industrieroboter der neuesten Generation zulegen. „In allen Firmen nimmt die Zahl der digitalen Touchpoints zu, Megatrends wie Cloud Computing, Big Data und Social Media vergrößern die Auswirkungen der digitalen Transformation“, erklärt Eull. Zum Beispiel verändern sich mit dem technologischen Wandel auch das Recruiting und das Talent-Management der Personalbereiche. „So sind die sozialen Netzwerke bereits wichtige Plattformen, um potenzielle neue Mitarbeiter anzusprechen“, sagt Eull. Und weil in vielen Unternehmen darüber hinaus sogar der Nachschub von Kaffee und die Terminfindung der Betriebs- Fußballmannschaft digital organisiert wird, gibt es heute schon keinen Unternehmensbereich mehr, der nicht mithilfe die IT geregelt wird. „Es geht darum, die digitale Technologie zu nutzen, um Unternehmen erfolgreicher zu machen“, fasst Eull die Herausforderung d!conomy zusammen. Gelingt das flächendeckend, kann man wohl wirklich von einem digitalen Wirtschaftswunder sprechen – mit den IT-Experten in der Rolle der Möglichmacher.
Buchtipp: Digitale Transformation
Wer als Unternehmen heute nicht ständig in Bewegung ist, wird Probleme bekommen. Das ist eine der Kernaussagen von Tim Coles Buch über die „Digitale Transformation“. Dessen Untertitel lautet: „Wie digitale Technologien die Zukunft vieler Unternehmen bedrohen und was heute getan werden muss, um zu den Gewinnern des Wandels zu zählen.“ Cole macht also klar: Die Digitalisierung ist kein Kann-Projekt, um den Umsatz zu steigern, sie ist für die Unternehmen eine der größten Herausforderungen dieser Zeit.
Tim Cole:
Digitale Transformation.
Vahlen Oktober 2015.
ISBN: 978-3800650439. 24,90 Euro