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„Was wir brauchen, ist gute Arbeit“

Arbeit und Leben – schön und gut. Aber die beiden Welten erst zu trennen, um dann an einer Balance zu arbeiten? „Bullshit“, sagt der Philosoph und Buchautor Thomas Vašek. Sein Buch „Work-Life-Bullshit“ trägt den Untertitel „Warum die Trennung von Arbeit und Leben in die Irre führt“. Im Gespräch erklärt der 45-Jährige, was wirklich hilft – nämlich mehr Freiheit in der Arbeit. Das Interview führte André Boße.

Zur Person

Thomas Vašek, geboren 1968 in Wien, studierte Philosophie, Mathematik und VWL, widmete sich aber schon vor dem Abschluss journalistischen und publizistischen Tätigkeiten. Er ist Autor diverser Bücher und Chefredakteur des philosophischen Magazins „Hohe Luft“.

Herr Vašek, warum sollte der Beginn des Arbeitslebens für jeden Absolventen ein Grund zur Freude sein?
Das Arbeitsleben gibt uns die Möglichkeit, unsere Fähigkeiten zu entfalten. Für uns Menschen ist die Arbeit ein wichtiges Mittel, um etwas aus unserem Leben zu machen.

Warum fühlen sich dann so viele Menschen von der Arbeit belastet?
Die Einstellung zur Arbeit hat sich verändert. Unsere Eltern und Großeltern haben die Arbeit in erster Linie als ein Mittel zum Zweck betrachtet. Man hat damit seinen Lebensunterhalt verdient und, wenn es gut lief, ein kleines Vermögen angespart. Den Anspruch, sich bei der Arbeit selbst zu verwirklichen, kannte man damals nicht. Heute denken wir zu Recht anders. Wir erwarten, dass uns die Arbeit erfüllt. Dass sie uns Spaß bereitet. Das sind hohe Ansprüche, denen eine Arbeit nicht immer gerecht werden kann. Erwartung und Realität klaffen auseinander – und zurück bleibt ein Gefühl der Unzufriedenheit. Der größte Fehler in dieser Situation wäre zu kapitulieren, indem wir sagen: Wenn die Arbeit unsere Erwartungen nicht erfüllen kann, verlegen wir unsere gesamten Ansprüche halt in die Freizeit. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass wir die Arbeit als Zeitverschwendung empfinden, weil sie uns davon abhält, uns als Persönlichkeit zu entfalten.

Was wäre der richtige Gedanke?
Was wir brauchen, ist eine gute Arbeit. Dafür müssen wir überwinden, dass wir unser Leben in zwei strikt voneinander getrennte Bereiche einteilen, auf der einen Seite die Arbeit als lästige Notwendigkeit, und auf der anderen Seite die Zeit für unser wahres Leben. Diese Trennung ist falsch. Sie führt dazu, dass wir unsere Arbeitszeit, die nun einmal einen Großteil unserer Lebenszeit ausmacht, als sinnlos betrachten. Darum mag ich den Begriff der Work-Life- Balance auch nicht. Ich weiß schon, dass der etwas Positives bewirken möchte. Aber rein vom Begriff her unterstützt er die Unterstellung, die Arbeit sei kein Teil des wahren Lebens.

Verstehen Sie denn, dass viele Menschen es als Belastung sehen, wenn die Arbeit zu sehr ins Private rüberschwappt, weil man zum Beispiel durch die digitalen Medien ständig erreichbar ist?
Klar, es ist belastend, wenn ich pro Tag 500 Mails beantworten muss und ich auch abends nicht zur Ruhe komme. Interessant ist aber, dass auf der anderen Seite auch das private Kommunikationsverhalten in den Arbeitsbereich schwappt. Wenn der Arbeitgeber es erlaubt, checken Mitarbeiter ständig ihre privaten Mails oder posten private Inhalte in sozialen Netzwerken. Wer sich also durch die ständige Erreichbarkeit zu sehr belastet fühlt, sollte nicht nur über seine Arbeit klagen, sondern auch schauen, inwieweit der private Umgang mit den digitalen Medien dazu beiträgt.

Sie sprachen gerade vom Begriff der guten Arbeit. Was verstehen Sie darunter?
Es ist wichtig, die Arbeit an die Menschen anzupassen – und nicht umgekehrt. Wir brauchen nicht mehr Freiheit von der Arbeit, sondern Freiheit in der Arbeit. Angebote wie Sabbaticals sind sicherlich ein richtiger Schritt, aber das ist erst der Anfang. Es muss für die Mitarbeiter noch viel mehr Möglichkeiten geben, flexibel die Arbeitszeit zu gestalten. Dazu zählt zum Beispiel die Einführung eines Zeitwertkontos: Der Mitarbeiter spart sich mit einem Teil seines Gehalts Zeit an und hat dann das Recht, wann immer er will, diese freie Zeit in Anspruch zu nehmen.

Was kann ein Einsteiger vom ersten Tag an tun, um seinen Job so zu gestalten, dass er zu einer guten Arbeit führt?
Gute Arbeit verlangt immer auch etwas von dem, der sie verrichtet. Gute Arbeit ist immer auch engagierte Arbeit. Der erste Schritt ist daher, als junger Mensch die Arbeit als etwas Positives zu sehen, als ein Feld, in dem ich die Möglichkeit erhalte zu zeigen, was ich kann. Wichtig ist außerdem zu erkennen, dass ich selbst eine Verantwortung für die Zeit trage, die ich mit der Arbeit verbringe. Dazu gehört auch zu merken, wenn ein Job nicht zu mir passt – und dann die richtigen Schlüsse zu ziehen. Mein Rat an Einsteiger wäre daher, sich in den ersten Monaten immer wieder zu fragen, ob das, was sie tun, ihrer Vorstellung von einem guten Leben entspricht. Ob die Arbeit ihre Fähigkeiten zur Geltung bringt oder nicht.

Wobei Arbeit ja weit mehr ist, als die eigenen Fähigkeiten anzuwenden.
Das ist ein wichtiger Punkt. Arbeit ist komplex. Wie alle Bereiche des Lebens. Sie können den besten Job der Welt haben: exzellente Karriereperspektive, gutes Gehalt, eine interessante Tätigkeit. Und trotzdem kann es für Sie persönlich eine schlechte Arbeit sein, weil sie bestimmte Bedingungen nicht erfüllt. Es kann zum Beispiel sein, dass Sie bei diesem Job die Prozesse des Lernens vermissen, weil Sie sich nicht ausprobieren dürfen, oder es nicht vorgesehen ist, bei der Lösung eines Problems einmal eine andere Perspektive einzunehmen. Bei allem Geld und allen Chancen zur Beförderung, die dieser Job bietet: Wenn Sie auf das Lernen viel Wert legen, können die anderen Dinge das nicht kompensieren. Dann ist dies für Sie persönlich eine schlechte Arbeit.

Woran merkt man denn als Einsteiger, was einem wirklich wichtig ist?
Setzen Sie sich hin und halten Sie fest, wie viel Zeit Sie in den kommenden Monaten mit der Arbeit verbringen werden. Und erstellen Sie dann eine Liste mit Aspekten, die Ihnen die Arbeit in dieser Zeit erfüllen soll. Packen Sie Ihr Leben also nicht komplett in die Freizeit, sondern weisen Sie Lebenswertes auch der Arbeitszeit zu! Arbeit sollte eben nicht nur Mittel zum Zweck sein. Arbeit ist wertvolle Lebenszeit – und wer Engagement zeigt, besitzt die besten Chancen, bei der Arbeit eine gute Zeit zu verbringen.

Buchtipp

Thomas Vašek: Work-Life-Bullshit.
Warum die Trennung von Arbeit und Leben in die Irre führt.
Riemann 2013. ISBN 978-3570501535. 16,99 Euro
www.work-life-bullshit.de

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