Familie und Beruf müssen kein Gegensatz sein. Ein professionelles Interimsmanagement stärkt beides und fördert junge Talente. Bei der Deutschen Bahn (DB), die hierzulande mehr als 200.000 Mitarbeiter hat, ist das Interimsmanagement fester Baustein der Personalarbeit. Annette von Wedel, Leiterin Diversity Management bei der DB, schildert in ihrem Gastbeitrag ein Beispiel aus der Praxis.
Durch den demografischen Wandel verschieben sich die Altersstrukturen in den Unternehmen. Gleichzeitig wünschen sich viele Frauen und Männer eine familienfreundlichere Arbeitswelt, in der sich Beruf und Privatleben besser als bislang vereinbaren lassen. Innovative Lösungen zur Personalgewinnung und Personalbindung sind gefragt. Eine davon heißt Interimsmanagement. Unternehmen besetzen frei werdende Stellen aus den eigenen Reihen. Die „Manager auf Zeit“ sammeln wertvolle Berufserfahrung.
Zum Beispiel Florentine Gerneitis. Routiniert geht sie ihr Wochenpensum durch. Auf der Agenda stehen Bewerbungs- und Auswahlgespräche, ein Treffen mit dem Betriebsrat sowie ein Verfahren am Arbeitsgericht, das sie noch vorbereiten muss. „Vermutlich wird das eine ganz normale Woche“, sagt die Juristin und lächelt. Gerneitis arbeitet bei der Deutschen Bahn und begleitet mit ihrem Team rund 1700 Mitarbeiter in Berlin, Leipzig und Stralsund in Personalangelegenheiten. Der nächste Anruf. Gerneitis sieht vom Schreibtisch auf – zuerst greift sie nach dem Hörer und dann nach dem Notizblock. Ein Bewerber mit Fragen zum Arbeitsvertrag. Die Personalmanagerin verspricht den Rückruf für den frühen Nachmittag, vorher wolle sie sich die entsprechenden Unterlagen noch mal ansehen. Gerneitis ist Arbeitsrechtlerin und hatte vor dem zweiten Staatsexamen schon als Rechtsreferendarin im Unternehmen gearbeitet. Sie packt an, bleibt dabei jedoch stets auf dem Boden. Für die Bahn ein Glücksfall: Sie holte die Juristin nach dem zweiten Staatsexamen zurück ins Unternehmen und gab ihr einen Fulltimejob mit viel Verantwortung. Kaum war Gerneitis eingearbeitet, stand die nächste Herausforderung an: „Meine Chefin fragte mich, ob ich sie während der Elternzeit vertreten will“, erinnert sich die Juristin. Eine Überraschung – und ein dickes Lob für ihre Leistungen. Florentine Gerneitis überlegte kurz und sagte zu. „Persönlich habe ich sehr viel dazu gelernt“, erzählt sie. „Mein Aufgabengebiet war plötzlich sehr viel größer, aber es hat auch sehr viel Spaß gemacht.“
Die Initiative zur Elternzeitvertretung ging von ihrer damaligen Chefin Anja Fenner aus, sie hatte das Potenzial früh erkannt und Gerneitis als Interimsmanagerin vorgeschlagen. Ihr waren Kontinuität und Vertrauen wichtig und dass während ihrer Elternzeit ein verlässlicher Ansprechpartner da war. Das Konzept ging auf: Einerseits war die Elternzeitvertretung für die Nachwuchsführungskraft die denkbar beste Vorbereitung auf den nächsten Karriereschritt. Andererseits konnte der Arbeitgeber die befristete Auszeit unkompliziert überbrücken. Ähnlich war es bei Mario Theis. Der Abteilungsleiter arbeitete bereits sieben Jahre für die DB in Frankfurt, da plagte ihn das Fernweh. „Andere Kulturen zu erleben, war mir immer wichtig. Doch ich wollte mir Zeit dafür nehmen, mehr als für einen Urlaub“, erzählt er. Schon lange hatten seine Frau und er die Idee zu einer Weltreise. Doch wie sollte er eine solche Auszeit mit seinem Job vereinbaren? Theis ging zu seinem Chef, äußerte seinen Wunsch und bekam grünes Licht. Bevor es allerdings losgehen konnte, musste eine geeignete Vertretung gefunden werden. Das Interimsmanagement war eine gute Lösung: Theis bekam ein halbes Jahr frei, dafür musste er vorher seinen Stellvertreter einarbeiten.
Arbeitgeber finanziert Auszeit vor
Das Interimsmanagement ist bei der DB heute fest etabliert. Nach drei Jahren im Unternehmen können Mitarbeiter ein Sabbatical von bis zu sechs Monaten einlegen. Der Arbeitgeber finanziert die Auszeit vor. Anschließend ist drei Jahre Zeit, den Vorschuss auszugleichen, etwa durch den Verzicht auf Boni. Das Angebot richtet sich nicht nur an Führungskräfte oder Mitarbeiter an der Schwelle zu einer Leitungsfunktion. Auch Tarifkräfte können eine Auszeit nehmen. Hier wird der Ausgleich über Arbeitszeitkonten und eine entsprechende Summe an Überstunden beziehungsweise Urlaubstagen geregelt. Das Interimsmanagement regelt neben der eigentlichen Vertretung gleichzeitig auch den Wiedereinstieg des Mitarbeiters in den Job. Das war auch bei Anja Fenner, der Chefin von Florentine Gerneitis so. Nach der Elternzeit wollte sie auf ihre alte Position zurückkehren. Daher sei es gut, „wenn die Spielregeln vorher klar sind und alle Seiten wissen, worauf sie sich einlassen“, so Fenner. Davon profitiert hat auch als drittes Beispiel Julia Füser, die wiederum für Florentine Gerneitis einspringen konnte. Ein schöner Zufall. Und für Füser die ideale Gelegenheit, um im Berufsleben Fuß zu fassen. „Es war der richtige Moment“, so Füser.
Und Mario Theis? Zusammen mit seiner Frau stieg er in den Flieger. Sie machten Station in Kambodscha, auf den Fidschi-Inseln, in Neuseeland sowie in Peru und Panama. Sein Stellvertreter trat den Job mit viel Begeisterung an. „Die Verantwortung abzugeben war zunächst komisch, doch unterm Strich haben sich alle Erwartungen erfüllt.“
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