Antriebslosigkeit, innere Leere, Schlaflosigkeit – typische Symptome für einen Burnout, an dem immer mehr Menschen erkranken. Auch Berufseinsteiger kann es treffen, wenn sie sich mit dem Außen identifizieren statt mit sich selbst. In ihrem Gastbeitrag erklärt Dr. med. Mirriam Prieß, wodurch Burnouts wirklich verursacht werden und wie man sich davor schützen kann.
Über die Autorin
Dr. med. Mirriam Prieß hat Medizin studiert und im Fachbereich Psychosomatik promoviert. Sie war als Ärztin in einer psychosomatischen Fachklinik für die Behandlung von Ängsten, Depressionen und Burnout verantwortlich. Seit 2005 ist sie als Coach und Beraterin tätig, hält Schulungen und Vorträge. Ihr Spezialgebiet liegt im Konflikt und Stressmanagement mit dem Schwerpunkt Burnout-Prävention. www.mirriampriess.de
Medizinisch gesehen ist Burnout zunächst ein Ausdruck absoluter Erschöpfung. Diese zeigt sich in körperlichen Symptomen wie Abgeschlagenheit oder dem Gefühl, kurz vor einer Grippe zu stehen. Aber auch die emotionale Ebene ist davon betroffen. Menschen, die an Burnout leiden, fühlen sich innerlich leer und ausgelaugt. Dann kann schon das Einkaufen im Supermarkt zum Problem werden. Das wirkt sich natürlich schnell auf das Verhalten zur Umwelt aus – der völlige Rückzug aus dem Sozialleben ist meist die Folge.
Stress ist nicht der einzige Faktor
Die Krankheit entsteht niemals über Nacht, sondern ist ein Entwicklungsprozess. Immer mehr Menschen sind betroffen, und auch Berufseinsteiger sind gefährdet. Die Betroffenen halten oft bis zum Ende ihre Fassade aufrecht und gestehen auch sich selbst erst viel zu spät ein, dass sie eigentlich längst am Ende ihrer Kräfte sind. Auslöser ist meist eine belastende Situation, die die Betroffenen nicht bewältigen können. Das kann zum Beispiel der eigene Leistungsanspruch im Berufsleben sein. Aber auch innere Konflikte wie die Trennung vom Partner oder die Trauer um einen Verstorbenen spielen eine große Rolle.
Lange dachte man, dass die Krankheit aufgrund von Überlastung und Stress entsteht. Aber Stress ist nicht der einzige Faktor, der zum Ausbrennen führt. Schließlich erkranken nicht alle, die unter Stress stehen, am Burnout-Syndrom. Menschen brennen nicht einfach aus, weil sie sich eine Zeitlang überfordert haben und vergessen haben, Grenzen zu ziehen. Die Ursache liegt woanders. Menschen brennen aus, weil sie die Beziehung zu sich selbst verloren haben. Weil sie ihr richtiges Maß nicht kennen, nicht wissen, wann sie Ja und wann sie Nein sagen müssen, weil sie ein Leben fern ihrer selbst führen.
Wer die Beziehung zu sich selbst und damit auch den inneren Dialog verloren hat, hat die Grundlage für die Bewältigung von Konflikten verloren. Wer nicht im Dialog mit sich selber steht, kann auch mit seiner Umwelt nicht mehr in einen Dialog treten, da er seine Bedürfnisse weder erkennen noch vertreten kann. Im Berufsleben bedeutet das dann, dass man nicht mehr in der Lage ist, für das einzutreten, was man braucht und will. Der Dialog mit sich selbst und der Dialog mit der Umwelt ist deshalb Grundvoraussetzung für ein gesundes Leben und damit auch für Leistungsfähigkeit.
Mirriam Prieß. Burnout kommt nicht nur von Stress: Warum wir wirklich ausbrennen – und wie wir zu uns selbst zurückfinden.
Südwest Verlag 2013. ISBN 978-3517088815. 16,99 Euro
Mit Vollgas in den neuen Job
Jeder, der nicht mit sich im Dialog steht, ist gefährdet auszubrennen. Gefahr bei Berufseinsteigern besteht vor allem dann, wenn sie es jedem Recht machen und besonders gute Leistung erbringen wollen. Ohne es zu bemerken, gehen sie dann häufig über ihre eigenen Grenzen und überlasten sich enorm. Man kann aber immer nur so viel geben, wie möglich ist, und genau das muss man selber erkennen – in jedem Lebensbereich und in jeder Lebensphase. Diejenigen, die das nicht anerkennen, orientieren sich nicht an sich selbst, sondern an Idealvorstellungen. Sie setzen sich Ziele, die nicht realistisch sind.
Dem Burnout vorbeugen heißt also zuerst zu lernen, auf sich selber zu hören. Dafür muss man die Beziehung zu sich aufnehmen und herausfinden, woran man persönlich erkennen kann, ob man im Gleichgewicht ist oder nicht. Nur wer die ersten Anzeichen einer inneren Störung erkennt, kann auch darauf reagieren und Lösungen finden.
Auch Berufseinsteiger, die zu sehr darauf verbissen sind, sich zu beweisen, laufen Gefahr, sich zu verlieren und zu erschöpfen. Diejenigen, die ausbrennen, brennen häufig genau darüber aus: Sie fühlen sich unsicher und versuchen, ihr geringes Selbstwertgefühl zu kompensieren, indem sie sich beweisen. Es ist deshalb wichtig, seinen eigenen Wert unabhängig von beruflichem Erfolg zu erkennen. Denn wer Dinge tut, um sich zu beweisen, wird weniger Erfolg haben als derjenige, der die Dinge um seiner selbst willen tut, und das aus einem ganz pragmatischen Grund: Der Letztere hat weniger Angst zu scheitern und ist dadurch weniger blockiert.
Dem Burnout vorbeugen heißt also auch herauszufinden, wer man selber ist, das heißt sich in seinem Wesen zu erkennen und zu leben. Nur wer wirklich er selbst ist, kann auch im neuen Job Vollgas geben.
Gesundheit und Leistungsfähigkeit setzt voraus, dass man nicht nur im Beruf zu seiner wahren Identität findet. Es gibt sechs zentrale Lebensbereiche im Leben eines Menschen: Partnerschaft und Familie, Beruf, Gesundheit, soziale Kontakte, Individualität und Hobbys, Glaube und Spiritualität. Wer gesund und glücklich leben möchte, muss für ein ausgeglichenes Leben in allen sechs Bereichen sorgen. Burnout-Prävention heißt deshalb auch, sich in seinem Alltag bewusst Zeit für sich selber einzuräumen, zum Beispiel für seine Hobbys. Jeder sollte sagen können: „Ich stehe in jedem Lebensbereich dort, wo ich stehen will. Das bin ich.“
Tipps von Mirriam Prieß
1. Machen Sie eine Bestandsaufnahme: Stehen Sie in jedem der sechs Lebensbereiche dort, wo Sie stehen wollen? Definieren Sie für sich, woran Sie erkennen können, dass das, was Sie tun, Ihnen auch tatsächlich entspricht und Sie mit sich im Dialog stehen.
2. Nicht nur der Job ist wichtig: Auf ein Gleichgewicht zwischen allen Lebensbereichen achten.
3. Jedem Konflikt geht eine Störung voraus: Lernen Sie, Störungen rechtzeitig anzusprechen, um so einen Konflikt gar nicht erst entstehen zu lassen.
4. Eigene Prioritäten setzen und den Alltag danach ausrichten.
5. Konflikte immer direkt ansprechen und versuchen, sie zu lösen.
6. Nicht zu viele Sachen gleichzeitig machen.
7. Pausen sind wichtig: Entspannungsphasen bewusst in den Alltag integrieren.
8. Auch Urlaub muss sein: regelmäßig Auszeiten nehmen.
9. Der Mensch ist, was er isst: Ausgewogen ernähren und die Vitamine nicht vergessen.
10. Auch unter der Woche ausreichend schlafen.
11. Lernen Sie, Nein zu sagen, nicht nur zu anderen, sondern auch zu sich selbst, das heißt, erkennen Sie Ihre Grenzen an.
12. Regelmäßig etwas tun, wobei man auf seine Kosten kommt.
13. Probleme nicht verdrängen, sondern sich Hilfe suchen.
14. Vertrauen ist gut – Selbstkontrolle ist besser: mit Freunden über die eigene Lebensführung reden.