Schlafberatung und Trampolinspringen, Massage am Arbeitsplatz und Entspannungstechniken: Unternehmen, die es mit dem Gesundheitsmanagement ernst meinen, bieten ihren Mitarbeitern eine Menge. Als Einsteiger sollte man diese Angebote nutzen – und darüber hinaus selbst aktiv daran mitwirken, die Qualität des Arbeitsplatzes zu verbessern. Von André Boße
Ein Unternehmen, das eine Schlafberatung anbietet? Damit hätte man früher mal kommen sollen. In der Firma ging es nicht ums Schlafen, sondern ums Arbeiten. Wie und wann jemand schlief – das blieb Privatsache, solange der Mitarbeiter nicht auf die Idee kam, ein Nickerchen im Betrieb zu machen.
Heute ist der Schlaf der Mitarbeiter dagegen sehr wohl ein Thema. Zum Beispiel im Offenburger Werk von Tesa. Das Unternehmen bietet einen eigenen Schlafberater an, der sich um die Ruhephasen der Mitarbeiter kümmert. Weitere Angebote der Beiersdorf-Tochter: Massage am Arbeitsplatz, von eigens dafür ausgebildeten Mitarbeitern geleitete Sportangebote wie Trampolinspringen sowie wechselnde Kampagnen zum Thema Gesundheit. „Vorbildlich“, urteilte Frank Hauser, Geschäftsführer des Instituts Great Place To Work Deutschland, das sich jährlich auf die Suche nach den besten Arbeitgebern im Land macht. Tesa erhielt den Sonderpreis in der Kategorie „Betriebliche Gesundheitsförderung“.
Prävention macht sich bezahlt
Langsam, aber sicher gewinnt das Thema Gesundheitsmanagement in immer mehr Unternehmen an Bedeutung – und zwar aus gutem Grund. Eine Studie der Unternehmensberatung Booz & Company aus dem Jahr 2011 hat ergeben, dass die deutsche Wirtschaft durch die Krankheit von Erwerbstätigen jährlich rund 225 Milliarden Euro verliert. Um die abstrakte Summe greifbarer zu machen: Das ist rund ein Zehntel des deutschen Bruttosozialprodukts. Und das Problem droht sich noch zu verschärfen. Durch den demografischen Wandel werden die Belegschaften in den Unternehmen immer älter: Laut einer Umfrage unter 50 Unternehmen von Pricewaterhouse- Coopers aus dem Herbst 2011 ist in den deutschen Unternehmen derzeit jeder fünfte Beschäftigte älter als 50 Jahre; im Jahr 2016 wird es bereits jeder dritte sein. Dass das Thema Gesundheit längst nicht nur ein Thema für die ältere Generation ist, zeigt die neue „Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland“ des Robert Koch-Instituts. Ihr zufolge sind 9,9 Prozent der 18- bis 29-Jährigen an Depressionen erkrankt sind – so hoch ist der Anteil in keiner anderen Altersgruppe.
Karriereziel Gesundheitsmanager
Der betriebliche Gesundheitsmanager ist ein Jobprofil der Zukunft. Noch fehlt vielen Unternehmen professionelles Know-how auf diesem Gebiet, sodass externe oder interne Berater langfristig viel Wissen zum Thema in die Unternehmen hineinbringen werden. Wer sich als Betrieblicher Gesundheitsmanager ausbilden lassen möchte, kann sich an diversen Hochschulen einschreiben. Das auf Mitarbeiterberatung fokussierte Coaching- und Consulting- Unternehmen Carpe Diem 24 kooperiert mit der Uni Schwerin und bietet Weiterbildungsstudiengänge mit Hochschulzertifikat zu diversen Themen des Gesundheitsmanagements an – von der Betriebs- über die Kommunikations- bis zur Wirtschaftspsychologie. Frisch gegründet und eine gute Adresse für weitere Tipps zu diesem Thema: der Bundesverband Betriebliches Gesundheitsmanagement, zu erreichen unter www.bgm-bv.de
Mehr dazu hier
Kranke Menschen verursachen aus wirtschaftlicher Sicht Kosten. Doch das ist nur die halbe Wahrheit. Ein zeitgemäßes Gesundheitsmanagement wird somit zur Investition, die sich lohnt: Nach der Analyse von Booz & Company zahlt sich jeder Euro, der in betriebliche Gesundheitsprävention investiert wird, für die deutsche Volkswirtschaft mit 5 bis 16 Euro aus.
Chronische Überforderung vermeiden
Kein Wunder also, dass immer mehr Arbeitgeber das Gesundheitsmanagement in der Unternehmensstruktur ganz oben aufhängen. Zum Beispiel SMA, international erfolgreicher Hersteller von Wechselrichtern für Solarmodule aus Nordhessen. Verantwortlich für das Thema ist Personalvorstand Jürgen Dolle. Jährlich erstellt das Unternehmen einen Strategiebericht, in dem die betriebliche Gesundheitssituation systematisch analysiert wird. „Wir kooperieren mit den gesetzlichen Krankenkassen, der Berufsgenossenschaft sowie insbesondere mit einer Reihe von privaten Anbietern“, sagt Dolle. Dazu gehörten Präventionsexperten sowie Trainer und Berater für Themen wie Stressbewältigung, Entspannung, Bewegung, Ernährung, Sucht oder Führungsverhalten. Die Topmanager bei SMA sind sich sicher, beim Thema Gesundheitsmanagement eine Investition in die Zukunft zu tätigen. „Die Bedeutung des Themas wird in Zukunft noch weiter zunehmen“, sagt Personalvorstand Dolle. „Hintergrund ist neben dem demografischen Wandel und dem Mangel an Nachwuchskräften vor allem die Arbeitsverdichtung und die Zunahme des individuellen Verantwortungsdrucks infolge des globalen Wettbewerbs.“ Aus Sicht des Gesundheitsmanagements sei es daher zwingend erforderlich, dafür Sorge zu tragen, dass die beruflichen Anforderungen mit dem Leistungsvermögen des Mitarbeiters übereinstimmen. Dolle: „Nur so vermeidet man chronische Überforderungen.“ Konkret bietet das Unternehmen seinen Mitarbeitern Seminare rund um die Gesundheit im Arbeitsalltag an. Die Themen: „Progressive Muskelentspannung“ oder „Arbeiten im Gleichgewicht – Stress erfolgreich bewältigen“. Und auch bei SMA war gesunder Schlaf das Thema einer Veranstaltung.
Gesundheit lebt vom Mitmachen
Noch einen Schritt weiter geht man bei BASF in Ludwigshafen, wo derzeit ein Zentrum für Work-Life-Management entsteht. Das Konzept bietet ein Maßnahmenpaket: von der Kinderbetreuung über die Themen Sport und Gesundheit bis zur Sozialberatung. „In Zukunft werden die Mitarbeiter einen effektiven Zugang zu Problemanalyse, Beratung, Unterstützungs- und Trainingsmaßnahmen erhalten“, sagt BASF-Sprecherin Honorata Doba.
Zielgruppe des Gesundheitsmanagements bei BASF sind gerade die akademischen Nachwuchskräfte. „Selbstverständlich begrüßen wir motivierte und leistungsbereite Bewerber“, sagt Honorata Doba. „Wir machen sie aber von Anfang an auf unsere Angebote zur Gesundheitsförderung und auf die ärztliche Betreuung aufmerksam.“ So startete BASF zuletzt das Projekt „Auftanken statt leerfahren“, das mit besonderem Blick auf die junge Generation vermittelt, warum Auszeiten und Pausen so bedeutend sind. „Es ist wichtig, dass gerade Berufsanfängern klar ist, dass sie verantwortungsbewusst mit ihrer Energie und ihren Ressourcen umgehen müssen“, so Doba. Schließlich seien gesunde Mitarbeiter die Grundvoraussetzung, um die unternehmerischen Ziele zu erreichen.
Buch-Tipp
Nachwuchskräfte mit Führungsverantwortung müssen nicht passiv warten, bis die Unternehmensleitung Konzepte für Gesundheitsmanagement erarbeitet. Im Gegenteil: Wer sich aktiv einbringt, sammelt wichtige Punkte auf dem Weg nach oben. Worauf es beim Entwurf dieser Konzepte ankommt, erklärt ein Buch von Thorsten Uhle und Michael Treier. Eine beigelegte Daten-CD bietet nützliche Arbeits- und Präsentationsmaterialien.
Thorsten Uhle, Michael Treier: Betriebliches Gesundheitsmanagement.
Springer 2011. ISBN 978-3540959335. 44,95 Euro