Selbermachen ist im Trend. Immer mehr Menschen widmen sich in ihrer Freizeit Do-it-yourself-Aufgaben, kurz DIY. Bastle, tüftle, renoviere, nähe oder gärtnere! Bei diesen Arbeiten kann man dem, was man gerne macht, ohne Angst nachgehen. Keine Qualitätskontrolle, kein Termindruck, keine Vorgaben. Einfach mit Begeisterung etwas verwirklichen. Und DIY ist auch eine risikoarme Methode, um aus einem Hobby vielleicht ein zweites Standbein oder gar einen Beruf zu machen. Ein Bericht von Petrina Engelke und Franziska Immel-Andrä
Immer mehr Menschen entdecken ihre Leidenschaft fürs Heimwerken in Haus und Garten. Urban Farming und Guerilla Gardening sind angesagt: Gemüse mitten in der Stadt anbauen oder einfach mal ein paar Pflanzensamen auf einer Verkehrsinsel säen. Und auch Möbel, Spielsachen, Kleidung und andere Gebrauchsgegenstände stellen viele inzwischen selber her. „Dinge selber zu machen ist ungemein entspannend, aber auf eine anregende und kreative Weise, und der Stolz auf das Ergebnis vollendet das Glücksgefühl“, sagt Axel Heinz, einer der Macher der Website Makerist, auf der man aufwändig produzierte Handarbeits-Videokurse und dazugehörige Materialpakete bestellen kann. „Hinzu kommt, dass nach Jahren der Digitalisierung, Beschleunigung und Globalisierung das Pendel zurückschwingt. Es ist schön, etwas Echtes in den Händen zu halten, das nicht am anderen Ende der Welt produziert wurde.“
So scheint das Internet die Do-it-yourself- Bewegung doppelt anzufeuern. Einerseits durch die Sehnsucht nach Ursprünglichem, Greifbarem – die quasi als Gegenpol zur abstrakten, scheinbar unendlichen Welt der Daten in uns entsteht. Andererseits, weil wir in diesen Datenströmen genau die Anleitungen und Inspirationen finden, die uns helfen, unsere DIY-Projekte umzusetzen. „Während vor zehn Jahren das Bild vom Bastler noch das eines ganz eigenen Typen war, der isoliert in seinem Keller vor sich hin tüftelte, hat es dieses Hobby inzwischen aus dem verstaubten Image an die Oberfläche geschafft“, sagt Gerhard Muthenthaler, Mitbegründer der Erfinderläden in Berlin, Hamburg und Salzburg (und online). „Wir leben in einer Zeit, in der durch Youtube-Tutorials und Blogs theoretisch jeder jedes Wissen erlangen und ein kleiner Ingenieur werden kann.“
Dass die Menschen wieder mehr selber machen wollen, hat aber nicht – oder nicht nur – mit dem Zeitgeschmack zu tun. Mit seinem 2012 erschienenen Buch „Makers“ ruft Ex-„Wired“-Chefredakteur Chris Anderson die nächste industrielle Revolution aus: Verbraucher werden zu Erfindern und Produzenten – und sparen sich all die Firmen, Fabriken und Fließbänder, die sonst zum Beispiel zwischen einer Smartphonehülle und einem Telefonbesitzer stehen. Denn die Hülle kann sich inzwischen jeder selber machen – im 3-D-Drucker.
Kein Wunder also, dass schon für verschiedenste Bastler und Tüftler das Hobby irgendwann zum Beruf wurde. Ein Beruf, der aus Begeisterung und Faszination entstanden ist. Ein Beruf, der ohne Prüfungen aus einem selbst gekommen ist. Roland Wolf etwa tüftelte mit seiner Freundin Mary sowie den Geschwistern Christian und Martin im elterlichen Keller an einer Idee: Sie wollten Brillen aus einem natürlichen Material herstellen, und zwar aus einem Stück, ganz ohne Schrauben. Mit einfachsten Mitteln schafften sie es binnen eines Monats, eine erste Holzbrille zu basteln – doch sie taugte noch nicht. Die Freude am Selbermachen blieb. „Wir machen fast alles selbst – von der Brille über das Etui und den Samplekoffer bis hin zum Messestand“, sagt Roland Wolf heute. Längst ist aus der Keller-Bastelei eine Firma namens Rolf Spectacles gewachsen, die eigene Patente hält.
Die neuen Selbermacher werden Fachkräfte und studierte Ingenieure aber nicht verdrängen. Schließlich arbeiten beide an unterschiedlichen Dingen. Erfinderladen-Chef Muthenthaler fasst es so zusammen: „Der Ingenieur arbeitet oft im Auftrag an der Lösung eines klar definierten Problems. Der Bastler erkennt selbst das Problem, welches er dann zu lösen versucht.“ Auch Ingenieure, die sich nicht mit einer eigenen Idee selbstständig machen möchten, können sich von diesen Bastlern etwas abschauen: die Art und Weise, wie sie Probleme lösen. So haben beispielsweise die Wolfs die ersten Hürden nicht nur mit Beharrlichkeit, sondern auch mit Maschinen-Hacking überwunden: Als gelernter Bau- und Landmaschinentechniker half Martin Iljazovic, Geräte wie eine Melkmaschine und Mopedbremsen zweckzuentfremden, um näher an die perfekte Holzbrille heranzukommen. Diese Experimente mündeten später in einer spezialisierten Fertigungstechnik. Wenn man nicht alles selbermacht!
Web-Tipps für DIY-Freunde
Produkte, die aus Materialien und Objekten hergestellt wurden, die andere als wertlos erachten
www.weupcycle.comIdeen, Tipps und Tricks zum Heimwerken in Haus und Garten
www.mach-mal.deAltes Tomaten-Saatgut retten
www.tomatenretter.deDas große Bastler-Vorbild aus den USA
www.adafruit.comNoch mal eine Idee aus den USA: Quirky – die besten Ideen werden produziert
www.quirky.comEssbare Stadt
www.andernach.de/stadt/essbare-stadt/Stadtbienen – perfekte Haustiere
www.deutschland-summt.de