Martin Klaffke ist BWL-Professor und untersucht, wie sich Nachwuchskräfte in die Unternehmen integrieren. Bei der aktuellen Generation Y erkennt er einige Reibungsflächen. Warum manche Einsteiger keine Widerworte gewohnt sind und weshalb er einen Blick in den Knigge empfiehlt, erzählt der Generationenexperte im Interview. Die Fragen stellte André Boße.
Zur Person
Nach seinem Studium der Europäischen Wirtschaft und Promotion war Prof. Dr. Martin Klaffke mehr als acht Jahre in internationalen Management-Beratungen aktiv, zuletzt als Projektmanager bei Roland Berger Strategy Consultants. Als Professor für Betriebswirtschaft an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin sind seine Forschungsschwerpunkte die strategische Weiterentwicklung und Professionalisierung des Personalmanagements sowie das Management von nachhaltigen Veränderungsprozessen. Aktuell beschäftigt sich Klaffke, der zudem in Hamburg das Institute of Change Management leitet, mit Generationen-Management und zeigt dabei Konzepte zur Personalführung der Generation Y auf.
Herr Professor Klaffke, warum hilft uns der Blick auf Generationen, wenn wir über Diversity reden?
Die Zugehörigkeit zu einer Generation kann man daran festmachen, in welchem Zeitrahmen ein Mensch geboren wurde und welchen Einflüssen und Gegebenheiten er in seiner Jugend und dem frühen Erwachsenenleben ausgesetzt war. Die Generationenforschung stellt dabei fest, dass der Zeitgeist, auf den junge Menschen treffen, ihre Wünsche, Werte und beruflichen Vorstellungen prägt.
Welche Einflüsse sind das bei der Generation Y – also der aktuellen Nachwuchsgeneration in den Unternehmen?
Die Generation Y umfasst die Geburtsjahrgänge von circa 1980 bis 1995. Der aktuell in Unternehmen eintretende Bachelor-Nachwuchs wurde überwiegend in den frühen 1990er-Jahren geboren. Die Zeit, auf die wir hinsichtlich des prägenden Zeitgeistes schauen müssen, sind also die 2000er-Jahre, und hier haben sich mit Blick auf das soziale und wirtschaftliche Umfeld wesentliche Änderungen ergeben. So hat man in Deutschland mehr Aufmerksamkeit denn je auf Kinder gelegt. Viele Vertreter der Generation Y wurden von ihren Eltern als eine Art Projekt betrachtet. Dass wir uns nicht missverstehen: Die Kinder wurden von ihren Vätern und Müttern durchaus geliebt. Aber es gab auch das Ziel, dass aus den Kindern etwas Besonderes werden sollte. Interessant ist hier, wie die Einstellung der Eltern mit der Bildungspolitik korrespondiert.
In welcher Form?
Ab den 2000er-Jahren begannen Eltern, das Kümmern mit deutlich mehr Programmpunkten zu versehen. Die musikalische Früherziehung oder bilinguale Kitas sind typische Angebote für solche Eltern. Der Sinn dahinter ist eine Förderung, dennoch ist auch impliziert, dass die Kinder etwas leisten. Und das setzt sich in den späteren Jahren auch in der Schule fort, vor allem aber an den Hochschulen, wo das Bachelor- und Mastersystem dafür sorgt, dass die Studierenden viel schneller und regelmäßiger als früher Prüfungsleistungen erbringen müssen. Dieser Leistungsdruck trifft nun auf eine Art Belohnungs- oder Trophäenkultur. Sie kennen die Bundesjugendspiele? Früher gab es dort ab einer bestimmten Punktzahl eine Sieger- oder Ehrenurkunde. Man konnte aber auch leer ausgehen. Heute gibt es eine Teilnahmeurkunde für jeden. Das wiederum korrespondiert mit der Art und Weise, wie die Werbung die jungen Menschen im Zeitalter des Multi-Optionen-Konsums anspricht: Jeder ist heute ein Premiumkunde. Und zum Kaufen wird man aufgerufen, indem suggeriert wird: „Das hast du dir verdient.“
Wie beeinflussen diese Entwicklungen nun den Berufseinstieg?
Die Generation kommt ins Unternehmen und erwartet ganz selbstverständlich, dort ebenfalls als Premium wahrgenommen zu werden. Sich anzupassen – das kann sie sich dagegen oft weniger gut vorstellen. Von Kindesbeinen an haben die Eltern, Verwandten und das soziale Umfeld vieles auf sie ausgerichtet, nun kommen sie jedoch in ein Setting, in dem die Vertreter der etablierten Generationen sitzen, die auf der beruflichen Ebene plötzlich kaum noch Verständnis für die Premiumerwartung des Nachwuchses haben.
Wie sollte die Generation Y darauf reagieren?
Es wäre falsch zu denken, dass einem der demografische Wandel in die Hände spielt und dass sich die Unternehmen verändern müssen, man selber jedoch nicht. Es gibt zwar einen Fachkräftemangel, aber längst nicht in allen Branchen. Wer also einen guten Einstieg in die Arbeitswelt hinlegen möchte, sollte einige Punkte beachten. Hierzu gehört zunächst die Reflexion des eigenen Verhaltens. Wer neu in ein Unternehmen kommt, wird von den erfahrenen Kollegen sehr genau und durchaus skeptisch beobachtet. Es ist hilfreich zu wissen, dass einige Dinge, die im Alltag für junge Menschen selbstverständlich sind, im Job-Kontext für Reibung sorgen können.
Welche konkreten Bereiche sind besonders sensibel?
Es gibt einen großen Unterschied zwischen den Generationen beim Ausdruck von Anerkennung und Wertschätzung von Leistung. Ältere Kollegen setzen oftmals auf ihre Seniorität und ihr Expertenwissen. Darauf, dass weiterhin zählt, was man vor fünf oder zehn Jahren geleistet hat. Lob gibt es von ihnen nicht für die Normalleistung, sondern nur für herausragende Erfolge – im Sinne von „nicht geschimpft ist schon gelobt genug“. Für die Jüngeren steht die Wertschätzung als Mensch und ihre aktuelle Leistung im Vordergrund. Es geht ihnen darum, Anerkennung auch für die kleinen Schritte und das bisher Erreichte zu erhalten. Daraus resultiert auch die große Ungeduld der Generation Y, die vielen Älteren sauer aufstößt. Alles muss schnell gehen und sofort bewertet werden. So wie im Internet oder auch an der Uni, wo schnell Prüfung auf Prüfung folgt und sofort Credits verteilt werden. Es ist sinnvoll, als Nachwuchskraft auf die Balance zu achten, auch einmal innezuhalten und das langsamere Tempo des anderen anzunehmen. Ein weiterer zentraler Punkt ist das Thema Smartphone: Die junge Generation ist es gewohnt, in der Pause in die Netzwerke und Chats zu gehen. Ältere Kollegen suchen dagegen oft eher das persönliche Gespräch – und empfinden das Zücken des Smartphones in jeder freien Minute als Unhöflichkeit oder deuten es sogar als Desinteresse.
Gelungene Diversity ist also auch ein Knigge-Thema.
Es ist eine Frage von wechselseitigem Verständnis und Annäherung. Ich kann der jungen Generation als Neulinge im Erwerbsleben nur empfehlen, einen Blick auf die Standards im geschäftlichen Umgang zu werfen. Wann ist das Sie angebracht, wann darf man duzen? Wie setzt man eine formale E-Mail mit korrekter Anrede auf? Wichtig ist hier vor allem zu erkennen, dass etablierte Führungskräfte in den Unternehmen nicht unbedingt so cool und locker unterwegs sind wie die ungefähr gleich alten Eltern zu Hause. Viele Väter und Mütter der Kinder aus der Generation Y möchten gerne die besten Kumpels ihres Nachwuchses sein. Am Arbeitsplatz dagegen haben die älteren Kollegen und Vorgesetzten genau das nicht vor.