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Balance macht zufrieden und motiviert

Es sind nicht die Gehälter und Aufstiegschancen allein, die dafür sorgen, dass sich Mitarbeiter in einem Unternehmen wohlfühlen. Besonders die junge Generation bringt den Anspruch mit, Arbeit und Leben so in Einklang zu bringen, dass sich beides befruchtet. Die Unternehmen haben das erkannt und bieten heute eine Vielzahl von Möglichkeiten – aber reicht das? Von André Boße

Work-Life-Balance ist das Top-Personalthema dieser Tage. Einen großen Anteil an dieser Entwicklung hat die sogenannte Generation Y, die heute in die Unternehmen einsteigt oder bereits auf dem Weg ist, dort Führungspositionen einzunehmen. Wer dieser Generation angehört, wurde noch in eine Welt hineingeboren, in der sich das Leben der Arbeit unterordnete, wie Work-Life-Balance-Coach Dagmar Terbeznik sagt. „In dieser Welt ging es mehr ums Äußere als ums Innere. Mehr um Konkurrenz als um Kooperation. Mehr um Status als um Inhalt. Mehr um Individualität als um Kollektivität.“ Nun möchten selbstbewusste Vertreter der Generation Y diese Aspekte umdrehen – und zwar auch, weil sie erkennen, dass eine zu große Belastung häufig zu seelischen Erkrankungen führt. Jedoch darf man ein Problem mit der Work-Life-Balance nicht sofort mit einer psychischen Erkrankung gleichsetzen. „Bei einer Work-Life-Balance-Problematik kommt es zu einer Unzufriedenheit, weil die Lebensbereiche nicht in der notwendigen Balance sind“, definiert Dagmar Terbeznik. „Das kann zu Stress und damit auch zu einer Krise führen, muss es aber nicht.“ Wenn also ein Einsteiger früh spürt, dass die Bereiche Arbeit und Privatleben nicht im Gleichgewicht stehen, erkennt er damit einen möglichen Ursprung einer späteren Krise. Wer sich um die eigene Balance kümmert, betreibt damit eine Art Vorsorge, um nicht früh schlappzumachen oder sogar auszubrennen. Dabei zeigt sich, dass gerade junge Menschen bei dieser Prävention nicht alleingelassen werden möchten: Sie wollen, dass das Unternehmen nicht nur Leistung erwartet, sondern sich an der Vorbeugung beteiligt.

Study-Life-Beratung

Für Studierende kurz vor den Prüfungen oder Einsteiger mit Bachelor, die nun ein berufsbegleitendes Masterstudium beginnen, steht vor allem eine ausgeglichene Study-Life-Balance im Fokus. An vielen Hochschulen gibt es heute Kontaktstellen, die zu dem Thema beraten und konkrete Hilfen stellen. Zudem bieten viele Unis und Fachhochschulen Seminare für Studenten an. Die Krankenkasse AOK bietet auf ihrer Homepage zudem einen Balance-Test sowie Anti-Stress-Tipps.
www.aok-on.de/studierende/stimmt-ihre-study-life-balance

Ein Blick in die Personalkonzepte der Unternehmen belegt, dass es durchdachte Strategien gibt, die Erwartungen ihrer Mitarbeiter zu erfüllen. Der Autokonzern Daimler hat 2009 eine Kooperation mit der Universität Heidelberg gestartet, um herauszufinden, welche Work-Life-Balance-Maßnahmen wirklich nachgefragt werden. Mehr als 6000 Führungskräfte und Mitarbeiter gaben zuletzt ihre Einschätzungen zum Gleichgewicht zwischen Arbeits- und Privatleben ab. So ist es den Mitarbeitern zum Beispiel wichtig, dass Grenzen beachtet sowie Zeiten zum Abschalten und zur Erholung wirklich ernst genommen werden. Auf Basis dieses Ergebnisses entstand im Konzern zum Beispiel das Programm „Mail on Holiday“, das den Mail-Eingang zu Urlaubszeiten organisiert, sodass ein Mitarbeiter, der Urlaub hat, weder in seiner freien Zeit noch nach seiner Rückkehr von Mails erschlagen wird. „Diese neue Kommunikationsregel ist eine ganz wesentliche Maßnahme, damit unsere Belegschaft in Ruhephasen noch besser ‚abschalten‘ kann“, sagt Wilfried Porth, Personalvorstand und Arbeitsdirektor sowie Vorstand Mercedes-Benz Vans der Daimler AG.

Auch der Triebwerkhersteller MTU hat seine Mitarbeiter gefragt, worauf es ihnen im Berufsleben ankommt. Ein besonders interessantes Ergebnis lieferten die jungen Einsteiger: „Für die Generation Y rangiert das Angebot von flexiblen Arbeitszeiten sogar noch vor den Karrierechancen im Unternehmen“, sagt Gudrun Bauer, Referentin für Personalpolitik und Fachkoordinatorin für Corporate Responsibility. Talentierte Einsteiger und junge Führungskräfte sind durchaus gewillt, viel zu leisten. Jedoch möchten sie im Gegenzug mitentscheiden können, wann und wo sie diese Leistungen erbringen. Bei MTU existieren mehr als 50 flexible Arbeitszeitmodelle – von Gleitzeit über Job-Sharing und Sabbatical bis hin zu Teilzeitmodellen für bestimmte Lebensphasen, zum Beispiel, wenn für eine gewisse Zeit die Familie im Vordergrund steht.

Ein weiterer Schwerpunkt des Münchener Unternehmens ist das Gesundheitsmanagement. Konkret sieht das so aus: Ein unternehmenseigenes Gesundheitsstudio bietet Kurse wie Yoga und Vibrationstraining an, die Mitarbeiter können eine sportliche Sonderpause einlegen, im Betriebsrestaurant gibt es „leichte Küche“ und eine Ernährungsberatung. „Wir möchten unsere Mitarbeiter ermutigen, neue Wege zu gehen“, sagt Gudrun Bauer. Damit diese Maßnahmen auch umgesetzt werden, sei das „aktive Vorleben durch das Management das A und O“. So tragen die Führungskräfte dafür Sorge, dass die betrieblichen Vereinbarungen zur Work-Life-Balance in ihrem Verantwortungsbereich auch umgesetzt werden. Oliver Roentgen, Leiter der Personalentwicklung bei Able, dem Mutterkonzern des Ingenieurdienstleisters Ferchau, weiß: „Belastende Situationen im Beruf und Privatleben können jeden betreffen. Wir ignorieren das nicht, und dort, wo wir einen direkten Einfluss auf belastende Situationen haben, engagieren wir uns.“ In Zusammenarbeit mit den Sozialexperten der Arbeiterwohlfahrt AWO berät und unterstützt das Unternehmen bei Problemen im sozialen und gesundheitlichen Umfeld, von der Konflikt- und Schuldnerberatung über den Umgang mit mentalen Belastungen bis hin zur konkreten Hilfe, wenn plötzlich ein Kind krank oder ein naher Verwandter pflegebedürftig wird.

Klar ist aber auch: Wer als junger Mensch bei einem Ingenieurdienstleister einsteigt, der muss auch weiterhin mit hohen Anforderungen an die Mobilität und Flexibilität rechnen. Dass das auch mal anstrengend sein kann, ist klar – wobei in Unternehmen, die mit knappen Terminvorgaben für Projekte und Kostendruck zu tun haben, letztlich die Haltung zum Mitarbeiter entscheidend ist. Roentgen: „Es macht einen großen Unterschied, ob Mitarbeiter nur als Projekt-Ressource wahrgenommen werden oder ganzheitlich.“ Unternehmen, die Work-Life-Balance ernst nehmen, verstehen also, dass ihre Mitarbeiterschaft nicht aus Arbeitskräften besteht, sondern aus Persönlichkeiten. Und sie verstehen auch, dass in deren Leben mal etwas schiefgehen kann oder sich je nach Lebensphase die Bedürfnisse ändern. Wenn die jungen Mitarbeiter ihre Wünsche klar formulieren und die Unternehmen diese Wünsche wirklich verstehen, kann das Konzept der Work-Life-Balance vor allem eines zur Folge haben: Die Arbeit macht deutlich mehr Spaß.

Perfekter Tag

Wie sieht ein perfekter Tag aus, an dem man trotz vieler Herausforderungen die Familie, das Freizeitvergnügen und nicht zuletzt seine eigene Produktivität so managt, dass man am Abend mit innerem Gleichgewicht einschläft? Auf einer TED-Konferenz hat der australische Work- Life-Balance-Experte Nigel Marsh einen sehr inspirierenden Kurzvortrag zu dem Thema gehalten und zur Eigenverantwortlichkeit gemahnt, denn: Das Thema Gleich gewicht ist viel zu wichtig, um es alleine dem Arbeitgeber zu überlassen.

Der Vortrag als Video:

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