Die Gemengelage ist diffus: Mal ist die generative KI eine Heilsbringerin, mal verantwortlich für den Verlust vieler Jobs oder sogar die Apokalypse. Die Wahrheit liegt wohl in der Mitte. Ja, die KI wird viele Aufgaben übernehmen, von der Fleißarbeit bis zur Ideenfindung. Dennoch ergibt sich mit Blick auf die Arbeit von Softwareentwicklerinnen und -entwicklern ein positives Szenario: Der Fachkräftemangel wird durch die KI abgemildert, die Zufriedenheit im Job steigt. Denn wenn Developer eines nicht mögen, dann Langeweile. Ein Essay von André Boße.
Was ist dieser Sam Altman denn nun, Prophet mit flexiblen Positionen oder einfach nur ein guter Geschäftsmann? Die Süddeutsche Zeitung brachte im Juli 2024 ein Porträt über den Chef des derzeit einflussreichsten KI-Unternehmens OpenAI; 2023 erkor das Time Magazine ihn zum „CEO of the year“. In dem SZ-Artikel wird noch einmal daran erinnert, dass Altman im Jahr 2015 die Ansicht vertreten hatte, die KI „wird uns vermutlich alle töten, aber bis dahin wird sie wirklich nützlich sein“. Okay, diese Aussage ist zehn Jahre alt. Seitdem ist aus der Zukunfts- eine Gegenwartstechnologie geworden, doch warnte Altman laut SZ auch im Jahr 2023 noch: „Wenn diese Technologie schiefgeht, kann es gewaltig schiefgehen.“
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OpenAI löst „Superalignment“-Team auf
Erst im Juli 2023 hatte OpenAI ein Team gegründet, das mit der Aufgabe betraut wurde, ein KI-System, das klüger ist als wir Menschen sind, so zu kontrollieren, dass es sich angemessen, also im Sinne der Menschlichkeit, verhält – und den Menschen nicht überw.ltigt. Dieses spezielle „Superalignment“-Team wurde knapp ein Jahr später wieder aufgelöst. So meldete es im Mai 2024 das Tech-Magazin Wired. Zuvor hatten mehrere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter das Team verlassen. In einem Posting in den sozialen Netzwerken merkte das aus Deutschland stammende, leitende Ex-Teammitglied Jan Leike an, seine Entscheidung beruhe auf Meinungsverschiedenheiten über die Prioritäten des Unternehmens und die Höhe der Ressourcen, die seinem Team zugewiesen wurden. Laut Unternehmen werde der Auftrag des Teams von nun an in die generelle Forschung und Entwicklung integriert.
Schaut man wiederum auf die Homepage seiner Company OpenAI, heißt es dort in der Selbstbeschreibung des Unternehmens: „Unsere Mission ist es, sicherzustellen, dass künstliche allgemeine Intelligenz (i. O. „artificial general intelligence“) der gesamten Menschheit zugutekommt.“ Ein Satz, der sich nicht so liest, als sei die KI eine Gefahr – sondern eher die zentrale Hoffnungsträgerin, um die vielen Probleme der Menschheit zu lösen. Wo die Wahrheit liegt? Vermutlich wie so häufig in der Mitte. Weder ist davon auszugehen, dass es der KI eines Tages in den „Sinn“ kommt, die Menschheit abzuschaffen. Noch wird es so weit kommen, dass wir Menschen uns entspannt zurücklehnen können, während die KI die Klimakatastrophe beendet oder die Ernährung aller Menschen sicherstellt.
Sam Altman: Keine Angst, aber angemessene Vorsicht
Klar ist aber: Wie bei allen neuen Technologien müssen wir Menschen aufpassen, dass sie uns nicht über den Kopf wächst. Das funktioniert zum Beispiel mithilfe von Regularien. Technische Gesellschaften sind geübt darin, Fortschritte in ein funktionierendes Regelwerk einfließen zu lassen. Die gesamte Straßenverkehrsordnung ist ein gutes Beispiel dafür. Diese wurde bei der Erfindung des Autos ja nicht mitgeliefert, sie ist vielmehr das Ergebnis eines Prozesses, sich Gedanken darüber zu machen, wie es gelingen kann, motorisierte Fahrzeuge im öffentlichen Raum zu integrieren.
In einer Diskussion am Massachusetts Institute of Technology (MIT) im Mai 2024 fand Altman ein anderes, differenziertes Beispiel, um die Notwendigkeit von Regulierungen zu veranschaulichen. Unterschiedliche Arten von KI-Systemen erforderten unterschiedliche Regulierungsniveaus, sagte Altman in dem Gespräch, das auf der Website des MIT dokumentiert ist. Er verglich diese Denkweise mit den kontextspezifischen Vorschriften für Lebensmittel: Baue man diese zu Hause in Gartenkästen nur für den Eigenverbrauch an, ergebe sich daraus kein Regulierungsauftrag. Werden Lebensmittel jedoch im großen Stil angebaut, um sie landesweit in Geschäften zu verkaufen, seien viele Vorschriften notwendig. Was Altman sagen will: Auf die Balance kommt es an. Darauf, aus dem jeweiligen Kontext und der jeweiligen Wirkungskraft je nach Nutzung die richtigen regulatorischen Maßnahmen abzuleiten. Sein Credo: „Lasst uns nicht aus Angst handeln, sondern mit einer angemessenen Vorsicht vorgehen.“ So wird Sam Altman auf der MIT-Homepage zitiert.
Heute noch programmieren lernen – sinnvoll oder nicht?
Angemessen aufmerksam zu sein, ist auch ein kluges Mindset für alle, die aktuell im IT-Bereich ihre Karriere beginnen. Henok Kuflom ist Vice President der IT-Personalberatung Ratbacher. Seit vielen Monaten werde er regelmäßig mit pessimistischen Prognosen aus der Branche konfrontiert, schreibt er in einem Meinungsbeitrag auf der Ratbacher-Homepage. „KI programmiert so gut wie ein Mensch“, „In fünf Jahren gibt es keine Programmierer mehr“ oder „KI wird die meisten Programmierjobs überflüssig machen“ – dies sei der Sound, der durch die Medien gehe, seit mit ChatGPT ein Large Language Model (LLM) den Weg in die Öffentlichkeit gefunden hat. Eine Phantomdiskussion sei das allerdings nicht, wie Kuflom schreibt: „Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, ChatGPT und Co. zu nutzen. Eine davon ist die Entwicklung von Code, denn die Anwendungen mit Künstlicher Intelligenz unter der Haube beherrschen unter anderem beliebte Script- und Programmiersprachen wie JavaScript, Python, PHP, C++, C# und SQL.“
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Sinnhaftigkeit und Werte
Die Community-Befragung „#wanted and #misunderstood – A developer survey“ des Portals WeAreDevelopers kam zu dem Ergebnis, dass Sinnhaftigkeit der Arbeit und die Werte eines potenziellen Arbeitgebers für den Großteil der Befragten eine entscheidende Rolle spielen. So bevorzugten 70 Prozent der Teilnehmenden Unternehmen mit „klaren Nachhaltigkeitszielen“, wie es in der Pressemitteilung heißt. 46 Prozent der Befragten sei die Sinnhaftigkeit eines Jobs sogar wichtiger als die Vergütung. Damit stuften sie diese als wichtigsten Entscheidungsfaktor ein. 42 Prozent der Teilnehmenden bevorzugten eine Vier- Tage-Woche zugunsten einer ausgewogeneren Work-Life-Balance.
Noch jedoch sei der Code, den die KI-Tools generieren, „häufig teilweise fehlerhaft, instabil oder unsicher“. Es sei aber auch sicher, dass die Programmierfähigkeiten der LLMs besser werden. Weshalb er Verständnis dafür mitbringt, „wenn sich Einsteiger fragen, ob sie das Programmieren überhaupt lernen sollen. Schließlich könnten beide Gruppen schon bald mit KI-Anwendungen konkurrieren – und unter Umständen das Rennen verlieren.“
Egal, wie gut die KI programmiert: Developer sorgen für Qualität
Wie dieses Rennen ausgehen wird? Kuflom entwickelt in seinem Beitrag zwei Szenarien. Der – aus Sicht der Programmierer – negative Ausblick: „Die Künstliche Intelligenz beherrscht bald alle gängigen Programmiersprachen. Der Code ist exzellent und es gibt keinen Grund zur Beanstandung.“ In diesem Fall würden klassische Programmier-Skills tatsächlich überflüssig werden, „weil die KI-Programme effizienter – also schneller, fehlerfreier und billiger – als Menschen arbeiten“. War’s das dann für dieses Berufsbild? Nein, schreibt der Experte. Das Jobprofil gestaltet sich nur anders. Benötigt werden in diesem Szenario Skills im Bereich der Softwarearchitektur, wenn es also darum geht, zu planen und Qualität zu sichern. Ein weiterer Bereich, auf den sich Programmierer fokussieren könnten, sei das Prompting, also das Anweisen der LLMs. Ein drittes mögliches Feld, so Kuflom, sei der Fokus auf weniger häufig genutzte Programmiersprachen wie Cobol, Fortran oder ABAP: Hier könnten sich Nischen für versierte Software- Developer ergeben, schreibt der IT-Personalberater.
In seinem zweiten, positiven Szenario beschreibt Henok Kuflom eine IT-Welt, in der KI-Systeme „nur“ dazu dienen, die menschlichen Developer zu unterstützen. Dann müssten „bei komplexen Herausforderungen immer noch Entwickler aus Fleisch und Blut den Code durchleuchten und die Ergebnisse auf Herz und Nieren testen“, schreibt er. In der Praxis bedeute das, dass „der menschliche Softwareentwickler immer weniger selbst programmiert und immer mehr zum Projektleiter und QA-Manager (Quality Assurance Manager, Anmerk. d. Red.) wird“. Das sei wiederum eine sehr gute Entwicklung. Erstens mit Blick auf den eklatanten Fachkräftemangel. Zweitens, weil sich dadurch verhindern lässt, dass Softwareentwicklerinnen und -entwickler vor allem Routinearbeiten übernehmen müssen – und es damit zu Langeweile kommt.
Alles – bloß keine Langeweile
Wie zentral diese Entwicklung ist, zeigt der Report „#wanted and #misunderstood – A developer survey“, der vom Portal WeAreDevelopers auf Basis einer Umfrage in der Entwickler- Community erstellt wurde. Das Ergebnis laut Pressemitteilung: „Software-Entwickler legen vor allem Wert auf Zufriedenheit mit ihrer Arbeit – dieser Punkt ist für viele entscheidender als eine lange Unternehmenszugehörigkeit oder ein hohes Gehalt.“ So gab mehr als jeder zweite Befragte (59 Prozent) an, „sich in weniger als einem Monat weiter zu bewerben, wenn die aktuelle Stelle ihn oder sie langweilt“.
Wenn Unternehmen auch in Zukunft IT-Talente auf dem umkämpften Arbeits markt halten wollen, sollten sie von Anfang an kontinuierlich in die Mitarbeiterbindung investieren und Herausforderungen sowie Entwicklungs möglichkeiten anbieten.
Viele Arbeitgeber stellt diese Einstellung vor besondere Herausforderungen: Da die Entwicklerinnen und Entwickler sich laut Studie potenziell sehr schnell gegen ihren derzeitigen Arbeitsplatz entscheiden und generell offen für kurzfristige Änderungen sind, bleibt den Unternehmen oder Organisationen, bei denen sie angestellt sind, häufig nur wenig Zeit, um zu reagieren, sobald sie erkennen, dass der Arbeitsalltag von Langeweile geprägt ist und dadurch Motivationsverlust droht. „Wenn Unternehmen auch in Zukunft IT-Talente auf dem umkämpften Arbeitsmarkt halten wollen, sollten sie von Anfang an kontinuierlich in die Mitarbeiterbindung investieren und Herausforderungen sowie Entwicklungsmöglichkeiten anbieten“, fordert mit Blick auf das Studienergebnis der Autor Bernhard Lauer in einem Meinungsbeitrag des Entwickler- Online-Magazins dotnetpro.
Schon der Titel der Studie deutet an, dass der Vorwurf im Raum steht, die Arbeitgeber würden nicht unbedingt ein großes Verständnis dafür mitbringen, wie Entwicklerinnen und Entwickler arbeiten und worauf sie besonderen Wert legen: „#wanted and #misunderstood“ – gefragt, aber missverstanden. Die Umfrage, so Bernhard Lauer in seinem Beitrag, zeige, dass „europäischen Software-Entwicklern ihr Gehalt zwar sehr wichtig ist, es aber Werte gibt, denen die Arbeitgeber mindestens genauso viel Aufmerksamkeit schenken müssen, wenn sie im Rennen um die raren IT-Talente auf dem Markt die Nase vorn haben wollen.“ Zentral seien hier Möglichkeiten zur persönlichen Weiterentwicklung sowie ständige neue Herausforderungen, die der Ambition von Entwicklerinnen und Entwicklern gerecht werden. Diese seien, so Bernhard Lauer in seinem Fazit zum Studienergebnis, „Schlüsselelemente, um IT-Talente anzuziehen und zu halten.“
Im besten Fall sind KI-Codierer also keine Jobkiller, sondern Langeweilekiller. Sie sorgen dann dafür, dass sich die Qualität der Jobs erhöht – und damit auch die Zufriedenheit.
Und an dieser Stelle könnte die künstliche Intelligenz den Unternehmen und Organisatoren helfen. Im besten Fall sind KI-Codierer also keine Jobkiller, sondern Langeweilekiller. Sie sorgen dann dafür, dass sich die Qualität der Jobs erhöht – und damit auch die Zufriedenheit. Kombiniert man die beiden Szenarien, ergibt sich ein neues Bild für die Arbeit von Entwicklerinnen und Entwicklern in der von KI-Systemen mitgeprägten Zukunft. Die durch das maschinelle Lernen immer tatkräftigeren LLMs machen das, was sie deutlich schneller können als der Mensch – nämlich beim Codieren „Strecke zu machen“. Der Mensch wird dadurch aber nicht ersetzt, im Gegenteil: Er nutzt die KI-Hilfe, um Projekte zu planen und zu managen, die Qualität zu sichern und kreative Lösungen für komplexe Probleme zu finden. Das Schöne: Auch bei diesen Prozessen bieten sich LLMs als unterstützende Systeme an. Was im besten Fall dazu führt, dass die IT-Welt im KI-Zeitalter den Menschen ein Multitalent an die Seite stellt, das im besten Fall beides ist: fleißig und genial. Wobei die KI abhängig vom Menschen bleibt. Zumal dieser weiß, wo sich der Off-Schalter befindet.
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KI hilft bei Kooperationen
Dass KI-Systeme die Arbeit in der Softwareentwicklung beeinflussen werden, ist klar. Wie sehr – das war das Erkenntnisziel einer Studie der Digitalisierungs- und Unternehmensberatung Capgemini. Die Untersuchung, veröffentlicht im Sommer 2024, geht davon aus, dass LLMs „Software-Entwickler in zwei Jahren bei voraussichtlich mehr als 25 Prozent ihrer Arbeit in den Bereichen Software-Design, -Entwicklung und -Testen unterstützen“. Mit 80 Prozent geht eine große Mehrheit der befragten IT-Experten davon aus, dass sich ihre Rolle durch Tools und Lösungen mit Gen AI merklich verändern wird: „Indem diese zur Automatisierung einfacher, repetitiver Tätigkeiten beitragen, gewinnen die Fachkräfte mehr Zeit für anspruchsvollere Tätigkeiten mit höherem Nutzen“, heißt es in der Pressemitteilung zur Studienveröffentlichung. Mehr als drei Viertel der Softwareentwicklerinnen und -entwickler sind zudem davon überzeugt, dass „generative KI das Potenzial hat, die Zusammenarbeit mit Teams aus nichttechnischen Unternehmensbereichen zu erleichtern.“
Europaweit einzigartiges Forschungsprojekt zu virtuellen Abbildern
Reale Schauspieler in virtuellen Umgebungen sind aus Filmproduktionen nicht mehr wegzudenken. Nun plant das Institut für Informatik der Universität Bonn die Entwicklung eines Visual Computing Incubators (VCI) und einer neuen virtuellen Forschungsmethode, genannt InVirtuo 4.0. Ein Ziel ist beispielsweise die Erforschung von Krankheiten. Das Hardwaresystem des VCI soll es ermöglichen, digitale Zwillinge auszumessen. Dank einer Multi-Kamera sollen beispielsweise minimale Zitterbewegungen bei Parkinson dargestellt werden können. Mit InVirtuo 4.0 sollen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verschiedener Disziplinen unter Verwendung von virtueller Realität zusammenarbeiten.
Gute Aussichten für IT-Absolventinnen und -absolventen
Was sind die Herausforderungen und Kompetenzen von IT-Managern und IT-Teams? Diese Frage hat die Cegos Group und ihre auf Weiterbildung in digitalen Berufen und Technologien spezialisierte Tochtergesellschaft in einer internationalen Studie (PDF) ermittelt. Ein für Absolventinnen und Absolventen erfreuliches Ergebnis: 68 % der CIOs planen, neue IT-Fachkräfte einzustellen, um die anstehenden Herausforderungen zu bewältigen. Gefragt wurde auch nach den technischen Kompetenzen, in denen sich IT-Fachkräfte weiterbilden sollten: 90 % der CIOs nannten künstliche Intelligenz, 88 % Cybersicherheit und 85 % Datenanalyse als relevante Weiterbildungsthemen. Bei den Soft Skills wünschen sich die CIOs für ihre IT-Teams Schulungen zu Kreativität und Innovation (75 %), zur Stärkung von Tatkraft und unternehmerischem Denken (70 %). Außerdem sollen die Expertinnen und Experten lernen, ihr Wissen im Team zu teilen und zu delegieren.
Deutschlandweit einmaliger MI NT-Studiengang an der T U Chemnitz
Zum Wintersemester 2024/25 ist an der Technischen Universität Chemnitz der überarbeitete Bachelor-Studiengang „MINT: Mathematik, Informatik und Naturwissenschaften mit Anwendungen in der Technik“ gestartet. Das Studium bietet eine solide Grundausbildung in zwei der drei wählbaren Fächer Mathematik, Physik und Informatik. Nach dem Studium können Absolventinnen und Absolventen direkt in den Beruf einsteigen oder einen aufbauenden Master anschließen. Neu ist, dass dieser Studiengang künftig auch die fachwissenschaftlichen Voraussetzungen für ein Studium „Lehramt an Oberschulen“ in den gewählten Fächern schafft.
Die Bauwirtschaft befindet sich mitten in der digitalen Transformation: Building Information Modeling (BIM) verändert die Art und Weise, wie Bauprojekte geplant, durchgeführt und verwaltet werden. Für Hochschulabsolventinnen und Hochschulabsolventen auch aus dem Bereich IT bietet BIM spannende Berufseinstiegsmöglichkeiten und zukunftsweisende Trends. Von Christoph Berger
Zur Person
Christoph Berger arbeitet im Kommunikationsteam der Geschäftsstelle von buildingSMART Deutschland, dem Kompetenznetzwerk für das digitale Planen, Bauen und Betreiben von Bauwerken. Ziel von buildingSMART Deutschland ist es, die digitale Transformation in der gesamten Wertschöpfungskette Bau voranzutreiben.
Building Information Modeling, kurz BIM, ist eine Methode, mit der Bauwerke besser geplant, gebaut und verwaltet werden können. Dabei bildet ein 3D-Modell die Grundlage, in dem alle wichtigen Daten zum Bauwerk digital erfasst und vernetzt werden. So können alle Beteiligten – zum Beispiel Architekten, Ingenieurinnen, Bauunternehmen und die späteren Betreiber – besser zusammenarbeiten. Sie alle greifen auf dasselbe Modell zu, wodurch Fehler frühzeitig erkannt und behoben werden und somit in der Bauausführung erst gar nicht passieren. Auch die Bauprozesse laufen wesentlich effizienter ab.
Ebenso lassen sich Änderungen im Planungsprozess schnell und einfach umsetzen. Das spart Zeit und Kosten. Wobei der Aspekt reduzierter Kosten auch noch an anderer Stelle zum Tragen kommt: Mengen und Massen lassen sich mit dem modellbasierten Arbeiten exakt erfassen. Bessere Kosten- und Budgetplanungen sind also weitere Vorteile der BIM-Methode. Oder in aller Kürze: BIM führt zu besserer Qualität und besseren Bauwerken.
Nachhaltigkeit und Ökobilanzierung
Und auch beim Thema Nachhaltigkeit kann der Einsatz der BIM-Methode wesentliche Verbesserungen mit sich bringen. Die genaue Bilanzierung von benötigten Mengen und Massen durch den Einsatz der BIM-Methode hat bereits einen nicht unwesentlichen Einfluss auf die Nachhaltigkeit von Bauwerken. Mit der ausführlichen und gezielten Erfassung von Daten zum jeweiligen Bauprojekt kann zudem eine ganzheitliche Ökobilanzierung durchgeführt werden, bei der alle Phasen des Lebenszyklus berücksichtigt werden – von der Rohstoffgewinnung über den Bau und Betrieb bis hin zum späteren Rückbau und dem Recycling der einstmals verbauten Materialen. Auch dies geschieht bereits in der Planungsphase.
So lassen sich mit BIM verschiedenste Szenarien anhand von Daten zur Materialherkunft, zu Transportwegen und Bauprozessen simulieren und vergleichen. Auch zu Konstruktionen. Es lassen sich durch diese Vorgehensweise nicht nur die besten ökonomischen, sondern auch die besten ökologischen Entscheidungen treffen, da viele negative Umweltauswirkungen vermieden werden. Weniger Energie- und Ressourcenverbräuche sowie geminderte Emissionen sind die Stichpunkte, die übrigens auch durch Regularien immer häufiger gefordert werden.
Open-BIM – die offene Zusammenarbeit
Im Gegensatz zu proprietären Lösungen, die auf herstellerspezifischen Softwarelösungen basieren, setzt Open-BIM auf offene Standards und Interoperabilität. Das heißt, dass verschiedene Softwarelösungen miteinander kompatibel sind und Daten ohne Probleme ausgetauscht werden können. Open-BIM ist demnach das Plus an BIM, da es nicht nur die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Akteuren am Bau möglich macht, sondern die BIM-Daten auch noch flexibel und herstellerunabhängig genutzt werden können.
Mit BIM-Weiterbildungen zu BIM-Wissen
buildingSMART hat zusammen mit dem VDI das Professional Certification Program entwickelt und damit einen weltweit gültigen Qualitätsmaßstab für die Bewertung und Vergleichbarkeit von Kenntnissen und Fertigkeiten in Building Information Modeling geschaffen.
Ein wichtiger Bestandteil ist dabei das Industry Foundation Classes (IFC)-Format. Von buildingSMART entwickelt, handelt es sich bei IFC um einen offenen, herstellerunabhängigen Standard, der dafür sorgt, dass BIM-Daten zwischen verschiedenen Softwareanwendungen ausgetauscht und gemeinsam genutzt werden können. Alle Beteiligten eines Bauprojekts können sich darauf verlassen, dass die Daten konsistent und korrekt übertragen werden – ganz egal, welche Software sie nutzen. So lassen sich Missverständnisse vermeiden und eine reibungslose Zusammenarbeit gewährleisten.
Ebenso sind die Informationsanforderungsspezifikationen oder Information Delivery Specifications (IDS) ein wichtiger Bestandteil von Open-BIM. Dieser, ebenfalls von buildingSMART entwickelte Standard, kann von Menschen leicht gelesen und von Computern interpretiert werden. Er ermöglicht die Automatisierung für Endbenutzer und schafft Klarheit, Vertrauen und Konsistenz. So kann mit IDS festgelegt werden, welche Daten in einem BIM-Datensatz enthalten sein müssen. Anschließend wird überprüft, ob sie auch tatsächlich geliefert werden bzw. wurden. IDS stellen außerdem sicher, welche Informationen in den verschiedenen Phasen eines Bauprojekts benötigt werden, sodass alle Beteiligten immer die richtigen Informationen zur richtigen Zeit und im richtigen Format bekommen. Damit ist dafür gesorgt, dass alles schneller geht und keine wichtigen Infos verloren gehen.
Mit BIM-Know-how durchstarten
Für Hochschulabsolventinnen und -absolventen bieten sich vor dem Hintergrund dieser Entwicklung mit BIM ganz neue Karrierechancen. Die Nachfrage nach Expertinnen und Experten mit BIM-Kenntnissen steigt. Hier haben auch IT-Expertinnen und Experten gute Chancen, die fit sind im Umgang mit digitalen Werkzeugen, die bereit sind, sich klassisches Know-how des Bauingenieurwesens anzueignen und Kenntnisse mit BIM-Software besitzen. Ist dieses Wissen oder die Bereitschaft vorhanden, sich BIM-Know-how anzueignen, ergeben sich für Berufseinsteiger diverse Möglichkeiten, in unterschiedlichsten Bereichen durchzustarten: in Planungsbüros und Bauunternehmen, bei Projektentwicklern, der öffentlichen Hand oder im Facility Management. Auch die entsprechenden Softwarehersteller sind auf der Suche nach den oben genannten Kombinationen. Eine Spezialisierung auf bestimmte BIM-Bereiche, wie etwa die Koordination oder das Management von BIM-Projekten, ist ebenfalls spannend.
Das Fazit lautet: Unternehmen, die auf BIM setzen, profitieren langfristig von effizienteren Prozessen, geringeren Kosten und einer höheren Bauqualität. Für Berufseinsteigerinnen und Berufseinsteiger heißt das, dass sie mit ihrem Wissen aus der Informationstechnologie in einer Branche durchstarten können, die sich rasant weiterentwickelt und viele Möglichkeiten bietet. Mit der Kombination aus digitalen Kompetenzen und traditionellem Ingenieurwissen können sie maßgeblich dazu beitragen, die Zukunft des Bauwesens zu gestalten.
Teamwork makes the dream work – das gilt vor allem in einem dynamischen Berufsfeld wie dem Technologie-Sektor. Eine erfolgreiche Zusammenarbeit im Team ist hier unerlässlich. Doch was braucht es dafür? Welche Eigenschaften sollten Berufseinsteigerinnen und -einsteiger mitbringen? Von Stephanie Schnabel
Zur Person
Stephanie Schnabel, Foto: Accenture
Stephanie Schnabel ist Senior Managerin und Recruiting Lead für den Technology Bereich bei Accenture DACH.
Wie in so vielen Bereichen des Lebens gibt es auch hier nicht die eine richtige Antwort. Und gerade für Berufseinsteigerinnen und -einsteiger sollte klar sein, dass sie viele Fähigkeiten erst im Job erlernen und weiter ausbauen. Neben dem technischen Fachwissen sind auch analytisches Denken sowie Teamfähigkeit essenziell – aber etwas genauer:
Eine gewisse Bereitschaft, sich mit ständig wechselnden technischen Anforderungen zu beschäftigen, sollten Berufseinsteigerinnen und -einsteiger mitbringen. Flexibilität und die Fähigkeit, sich schnell in neuen Situationen zurechtzufinden, sind von Vorteil. Je nach Bereich und Position sollten sie auch in der Lage sein, technische Anforderungen verständlich an Kunden und/oder Kolleginnen und Kollegen zu vermitteln. Das erfordert gute Präsentationsfähigkeiten. Klare und präzise Kommunikation hilft zudem, Missverständnisse zu vermeiden und Projekte effizient voranzutreiben.
Die Fähigkeit, Probleme schnell zu identifizieren, zu analysieren und kreative Lösungen zu entwickeln, ist wichtig, um die Anforderungen von Verantwortlichen, Abteilungen oder Kunden zu erfüllen. Ein strukturiertes und logisches Vorgehen hilft dabei, effiziente und sichere Lösungen zu entwickeln sowie Systeme und Prozesse zu optimieren.
Teamfähigkeit ist für die erfolgreiche Zusammenarbeit im Technologie-Sektor unerlässlich. IT-Projekte erfordern oft die Zusammenarbeit mit verschiedenen Abteilungen und Teams. Komplexe technische Konzepte verständlich zu erklären und sich sowohl schriftlich als auch mündlich klar auszudrücken, ist für eine reibungslose Zusammenarbeit wichtig.
Mit einem gewissen technischen Know-how, mit analytischem Denken und Teamfähigkeit stehen Berufseinsteigerinnen und -einsteigern alle Türen offen, um in der schnelllebigen IT-Welt erfolgreich zu navigieren und innovative Lösungen zu entwickeln, die echten Mehrwert bieten.
Spannung und ein aktuelles Thema verbindet Juristin Alexa Linell zu einem Wissenschaftsthriller: Veda, wie die Autorin Juristin, glaubt nicht, dass ihr Ex-Freund Danilo Selbstmord begangen hat. Bei ihren Recherchen stößt sie auf eine Serie mysteriöser Kriminalfälle und auf eine künstliche Intelligenz, die alles über jeden weiß, der mit ihr in Kontakt kommt. In den falschen Händen kann sie zu einem schrecklichen Instrument werden. Alexa Linell. BOX – Nimm dich in Acht vor dieser KI. 368 Seiten. HarperCollins Taschenbuch. Erscheint am 19.11.2024. 14,00 €.
Mein Freund, der Roboter
Der vielfach ausgezeichnete Animationsfilm „Robot Dreams“ (Kinostart 2024) beschreibt in wunderschönen Bildern und mit toller Musik, wie ein einsamer Hund sich einen Roboter baut und die beiden zu Freunden werden.
Wie wir von KI profitieren, ohne die Kontrolle zu verlieren
Bald werden wir in unserem täglichen Leben von KI umgeben sein. Als Mitgründer von DeepMind hat Mustafa Suleyman viele Jahre im Zentrum der KI-Revolution gearbeitet. Er weiß, was die neuen Technologien können und was sie anzurichten vermögen. Das kommende Jahrzehnt wird seiner Einschätzung zufolge von rasanten technologischen Sprüngen und Entwicklungen geprägt sein, über deren Folgen und Risiken wir noch kein klares Bild haben. Gewiss ist: Wir brauchen die KI, um die Herausforderungen zu meistern, vor denen wir stehen. Gleichzeitig bergen die neuen Technologien Gefahren wie sie von noch keiner früheren Fortschrittswelle ausgegangen sind. Was macht man mit einer Welle, die auf den Strand zurast und sich nicht aufhalten lässt? Mustafa Suleyman / Michael Bhaskar. The Coming Wave. Künstliche Intelligenz, Macht und das größte Dilemma des 21. Jahrhunderts. 377 Seiten. C. H. Beck 2024. 28,00 €.
Motiviert arbeiten – so geht’s
Flexibilität, Human Relations, Human Skills und Eigenverantwortung – oft braucht es gar nicht viel, damit die Arbeit Freude macht. Jonas Höhn weiß, worauf es ankommt. Anhand von zahlreichen Beispielen zeigt er, wie eine moderne Unternehmenskultur gelingen kann. Jonas Höhn. Arbeitslust statt Frust. Gemeinsam zu mehr Wertschätzung, Verbundenheit und Produktivität. 232 Seiten. Gabal-Verlag 2024. 29,90 €.
Digital-Zwang?
Der Verein Digitalcourage wehrt sich dagegen und engagiert sich für eine lebenswerte Welt im Digitalzeitalter.
Werden Maschinen den Menschen abschaffen?
Der Roman „Maniac“ von Benjamín Labatut wurde zum Wissensbuch des Jahres 2024 nominiert. Der Autor konfrontiert uns mit einer der großen Fragen unserer Zeit: Welche Rolle werden die Maschinen unserer Spezies künftig zugestehen? Benjamín Labatut. Maniac. 395 Seiten. Suhrkamp 2023. 14,00 €.
Was bedeutet die Idee von fühlenden Maschinen für uns Menschen?
Alle reden über ChatGPT, LaMDA und Co., die Wissensfragen beantworten, Texte schreiben und sogar vermeintlich persönliche Gespräche mit uns führen. Es hat sich daher eine Debatte um die Frage entzündet, ob diese Systeme fühlen oder eine Art Bewusstsein entwickeln könnten. Und selbst wenn sie alles nur simulieren: Was bedeutet das für uns und unsere Emotionalität? Welcher Umgang mit ihnen ist problematisch, verwerflich oder aber eine willkommene Ergänzung unserer Lebenswelt? Eva Weber-Guskar klärt darüber auf, in welchen Bereichen diese emotionalisierte KI bereits verwendet wird. Sie regt aus philosophischer Perspektive zur Diskussion darüber an, wie KI verantwortungsvoll weiterentwickelt und angewandt werden soll. Eva Weber-Guskar. Gefühle der Zukunft. 160 Seiten. Ullstein 2024. 20,99 €.
Effektive Strategien gegen digitalen Stress
Die digitale Transformation ist für David Bausch untrennbar verbunden mit digitalem Stress. Die digitalen Belastungsfaktoren lauern an den unterschiedlichsten Stellen in unserem Arbeitsalltag. Hinzu kommt die wachsende Jobunsicherheit durch künstliche Intelligenz. Der Autor beleuchtet die Schattenseiten der digitalisierten Arbeitswelt, stellt zentrale Stressfaktoren vor und erklärt, wie erfolgreiche Stressprävention gelingt. Dieter Bausch. Digitaler Stress: Schattenseite der neuen Arbeitswelt. Entstehung, Herausforderung und Bewältigung. 239 Seiten. Haufe 2024. 29,99 €.
Du kaufst ein Smartphone … und die Jagd auf dich beginnt
Die Studentin Janine kauft ein gebrauchtes Smartphone in einem Handyshop. Kurz danach wird der Inhaber des Ladens ermordet. Die Polizei verdächtigt Janine, mit dem Mord zu tun zu haben und beschlagnahmt ihr Handy. Was hat es mit dem Smartphone auf sich? Und wem kann Janine wirklich trauen? Marc Meller. Das Smartphone: Du kaufst ein Smartphone. Du schaltest es ein. Und die Jagd auf dich beginnt. 352 Seiten. Lübbe 2024. 18,00 €.
Bestens unterhalten und informiert
Keine Zeit für ausgedehnte Zeitungslektüre? Moderator und TV-Autor Michael Beisenherz liefert mit seinem Podcast „Apokalypse & Filterkaffee“ die Schlagzeilen des Tages frisch aufgebrüht und genussfertig in die Kopfhörer.
Produkte/Dienstleistungen
Arbeiten bei der Schnorpfeil Rhein-Main GmbH & Co. KG ist ein Beruf mit Herausforderung und Perspektive. Denn Projekte außerhalb der Norm sind unser Spezialgebiet. Wir haben uns spezialisiert auf
– Flugverkehrsflächen
– Bahnbau
– (Energie-) Infrastrukturbau
Anzahl der Standorte
1 Inland
0 Ausland
Jahresumsatz
40 Mio. Euro in 2023
Anzahl der MitarbeiterInnen
Rhein-Main: 100 Mitarbeiter
Unternehmensgruppe Schnorpfeil: über 900 Mitarbeiter
Einsatzmöglichkeiten
Wir wollen die Zukunft der Mobilitäts- und Energiewende mitgestalten. Für die Menschen in der Metropol-Region Rhein-Main und in Deutschland. Und weil wir die fachlichen Kompetenzen, die Strukturen und den Teamgeist mitbringen, um auch unter anspruchsvollsten Bedingungen Top-Leistungen und Spitzenqualität abzuliefern. Jeder Auftrag ist für uns Ansporn zur Bestform aufzulaufen.
Dabei legen wir großen Wert darauf, unsere Nachwuchskräfte im eigenen Haus auszubilden. Denn begeisterte Mitarbeitende sind die Grundlage unseres nachhaltigen Erfolgs.
Wir suchen tatkräftige Unterstützung in den Bereichen
– Bauleitung
– Arbeitsvorbereitung
– Abrechnung
– Kalkulation
– Einkauf
Auf die Frage, wie es mit der deutschen Wirtschaft wieder aufwärts gehen kann, finden junge Ingenieur*innen interessante Antworten. Statt über externe Hindernisse zu klagen, setzen sie auf Investitionen – in Innovationen und ins Personal. Ein Essay von André Boße
Es wird viel über den Nachwuchs gesprochen. Zeit, ihn selbst zu befragen. Das dachten sich auch die Autor*innen, die für den Verein Deutscher Ingenieure (VDI) die Metastudie „Wir gestalten Zukunft“ erarbeiteten, vorgelegt im Juli 2024. Die Untersuchung ist Teil der Initiative „Zukunft Deutschland 2050“, mit der sich der VDI das Ziel gesetzt hat, Wege aus der Wachstums- und Innovationsschwäche aufzuzeigen, die Deutschland aktuell ökonomisch bremsen. Damit sich die Bundesrepublik „auch in Zukunft als führende Industrienation im internationalen Standortwettbewerb positionieren kann“, wie es im Aufruf der Initiative heißt.
Bei Klima und Nachhaltigkeit vorne dabei
Wie innovativ arbeiten Unternehmen? Ein Indikator dafür ist die Zahl der Patente, die in bestimmten Bereichen angemeldet werden. Die Metastudie „Wir gestalten Zukunft“ des VDI (PDF) zeigt für den Bereich Nachhaltigkeit, Klima, Energie, Umwelt, dass die deutschen Unternehmen mit 616 Patenten im jüngsten Erhebungsjahr international auf Platz vier liegen – hinter Japan (2.341), den USA (1.190) und China (958). Weitere europäische Länder kommen auf 293 (Frankreich) und 123 (Großbritannien) angemeldete Patente in grünen Zukunftstechnologien.
Einen zentralen Teil der Studie widmen die Autor*innen den Perspektiven der VDI Young Engineers, dem Netzwerk des VDI speziell für Nachwuchskräfte. Dass die Ansichten von jungen Ingenieur*innen zum Thema Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes aktuell von hoher Bedeutung sind, liegt für den VDI auf der Hand: „Angesichts des Fachkräftemangels in Deutschland und der im Vergleich zu den starken Babyboomer- Jahrgängen schwächer besetzten jüngeren Jahrgänge spielen die Nachwuchskräfte eine entscheidende Rolle für die zukünftige technologische Stärke Deutschlands“, heißt es im Report. Und wie ist die Stimmung beim Nachwuchs? Kurze Antwort: skeptisch. Aber aus interessanten Gründen.
Gefahr für die Wettbewerbsfähigkeit
Bereits seit einigen Monaten geistert die Warnung durch die Medien, Deutschlands Wettbewerbsfähigkeit sei in Gefahr. Als einen Grund dafür nannte der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) in seiner im Juni vorgestellten Studie „Wettbewerb der Steuersysteme“ die im Vergleich zu anderen Ländern deutlich zu hohe Steuerbelastung. Vertreter*innen von energieintensiven Industrien verwiesen zuletzt hingegen in erster Linie auf die hohen Energiepreise, die die Wettbewerbsfähigkeit bedrohen. So stellte die Wirtschaftsvereinigung Stahl in einem Positionspapier klar: „Die Stromkosten in Deutschland sind insgesamt zu hoch – nach wie vor.“ Ein Umstand, der den notwendigen Wandel der Stahlindustrie gefährde, denn: „Ausreichende Mengen an erneuerbarem Strom zu international wettbewerbsfähigen Preisen sind eine unabdingbare Voraussetzung für eine klimaneutrale Stahlproduktion in Deutschland“, heißt es im Positionspapier.
Zu viel Steuern, zu hohe Energiekosten – die beiden Verbände begründen die Probleme also anhand externer Faktoren. Interessant ist, dass die für die VDI-Studie befragten Young Engineers bei der Nennung der Punkte, die bestimmen, ob Deutschland wettbewerbsfähig bleibt oder nicht, als erstes einen internen Aspekt benennen: Fachkräfte. Wichtig sei eine genügend große Anzahl davon, gekoppelt mit einer guten Ausbildung sowie Möglichkeiten, sich stetig weiterzubilden und weiterzuentwickeln. Die jungen Ingenieur*innen verweisen also nicht auf die Rahmenbedingungen wie Steuern oder Energiepreise, sondern auf die Bedeutung des fachlichen Know-hows innerhalb der Unternehmen. Um den Namen der Publikation aufzunehmen: Die Menschen sind es, die Zukunft gestalten.
Nachwuchs sieht andere Kriterien
Wie aber ist es aus Sicht der Young Engineers in dieser Hinsicht um die Gestaltungskraft der deutschen Industrie bestellt? Noch einigermaßen gut. Mit Betonung auf „noch“. Bei der Frage, wie gut die Unternehmen im internationalen Vergleich bei der Entwicklung neuer Technologien mithalten können, geben sechs Prozent der Befragten an, Deutschland sei „sehr wettbewerbsfähig“ und 50 Prozent „eher wettbewerbsfähig“. Dieser halbwegs positiv Blick trübt sich bei der Frage, wie sich diese Wettbewerbsfähigkeit im Bereich der neuen Technologien in den kommenden fünf bis zehn Jahren entwickeln wird. Wohin also geht der Trend? Hier gibt sich der Nachwuchs mehrheitlich pessimistisch: 67 Prozent der Befragten glauben, die Wettbewerbsfähigkeit werde sich „eher verschlechtern“, elf Prozent gehen sogar davon aus, sie werde sich „stark verschlechtern“. Diese Einschätzungen der Young Engineers sind ein echtes Alarmsignal.
Young Engineers wollen ein Umfeld vorfinden, in dem alle Generationen die Möglichkeiten und die Motivation mitbringen, Dinge zu lernen und sich zu entwickeln.
Die Studienautor*innen baten die Befragten auch, Möglichkeiten aufzuzeigen, wie der Innovationsstandort Deutschland gestärkt werden könnte. Und auch mit Blick auf die Lösungen bestätigt sich der Fokus des Nachwuchses auf die Menschen, die in den technischen Unternehmen tätig sind: Die Young Engineers schlagen zum Beispiel vor, die Investitionen in Innovationen zu steigern – besonders von öffentlicher Seite – sowie bürokratische und regulative Hürden zu beseitigen, um somit das Gründen von Unternehmen zu vereinfachen. Sprich: eine bessere Start-up-Kultur zu etablieren.
Menschen statt Technik
Dass die Gestaltungskraft der technischen Unternehmen gesamtgesellschaftlich benötigt wird, zeigen die Aufgaben der nahen Zukunft. Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) stellt in seiner Arbeitsmarktanalyse „Ingenieurmonitor 2024“ in Aussicht, dass in den kommenden Jahren der Bedarf an Beschäftigten in Ingenieurberufen durch die Aufgabe bei den Themen Digitalisierung und Klimaschutz deutlich zunehmen werde. Dazu sei mit einem stark steigenden demografischen Ersatzbedarf zu rechnen, weil die Babyboomer in den Ruhestand gehen. „Sorge macht daher, dass die Anzahl der Studienanfänger*innen in den Ingenieurwissenschaften in den letzten Jahren stark rückl.ufig ist“, schreiben die Expert*innen in ihrem Report.
Umso wichtiger ist es für die Unternehmen, die Nachwuchskräfte, die sie für sich gewinnen konnten, auch tatsächlich zu halten. Eine große Fluktuation kann dadurch verhindert werden, dem Nachwuchs eine gute Perspektive zu geben – und ihn in Entscheidungen einzubeziehen. Prof. Dr. Michael Weyrich, Vorsitzender der VDI/VDE-Gesellschaft für Messund Automatisierungstechnik, weist in einem Meinungsbeitrag im VDI-Blog darauf hin, dass seiner Auffassung nach aktuell zwei Fragen zu wenig diskutiert werden, wenn es um die Zukunftsaussichten der deutschen Unternehmen geht: Wie begeistern wir junge Menschen? Und wie bekommen wir unsere Leistungsträger von morgen?
Die brillantesten Analysen, was technologisch machbar ist, sind hinfällig, wenn es zu wenig Leute gibt, die die deutsche Ingenieurskunst vorantreiben.
„Ich glaube, das ist die wichtigste Frage in und für Deutschland – fast wichtiger als die Entscheidung, welche Zukunftstechnologien wir anpacken und welche nicht“, schreibt Weyrich. Es werde viel über die notwendigen Themenfelder diskutiert, die die Zeitenwende auslösen, „da geht es dann um KI, Digitalisierung, Quanten und andere Schlagworte“. Die brillantesten Analysen, was technologisch machbar sei, seien jedoch hinfällig, wenn es in den Unternehmen zu wenig Leute gebe, die die deutsche Ingenieurskunst vorantreiben.
Statt also vorrangig über die Technik möchte Michael Weyrich verstärkt über die Menschen reden. So gelte es, über die Generationen hinweg „Kooperationen zu fördern und gemeinsam neue Technologien zu gestalten“. Sein Plädoyer: Jede Generation anzunehmen, wie sie ist – mit ihren eigenen Bedürfnissen und Interessen. Das mache die Ansprache der jungen Menschen kompliziert, weil sich die Generationen Y, Z und die kommende Generation Alpha voneinander unterscheiden. „Dennoch ist es wichtig, Brücken zwischen den Generationen zu bauen und einen Austausch zu ermöglichen, von dem alle Beteiligten profitieren“, schreibt Weyrich in seinem Beitrag.
Start-uPs attraktiV Für Ingenieur*innen
Eine Studie der University of Illinois at Urbana-Champaign und der ESMT Berlin hat nach Faktoren gesucht, die die Berufswahl von High Potentials im Bereich der Ingenieurwissenschaften beeinflussen. Obwohl Mitarbeitende in Start-ups rund 20 Prozent weniger verdienen als ihre Kolleg*innen in großen, etablierten Unternehmen, seien die Mitarbeitenden von Start-ups im Durchschnitt besser qualifiziert als die Beschäftigten etablierter Unternehmen – was die Studie anhand der Rangliste der Promotionsprogramme gemessen hat. Bei der Suche nach den Gründen fand die Untersuchung heraus, dass diese Einsteiger*innen besonders schätzten, autonom und an Spitzentechnologien zu arbeiten. Start-ups profitieren von diesem Trend: Sie haben von Beginn an die Chance, hochqualifizierte und motivierte Mitarbeitende zu finden – und zwar ohne beim Gehalt mit den großen Unternehmen mithalten zu müssen.
Fachkraft als „Digitalisierungstool“
Wie zentral diese Aufgabe ist, darauf verweist Thomas Appolonio, Gesch.ftsführer des Beratungsunternehmens 123C Digital Consulting. In einer Studie zur Digitalisierung der deutschen Unternehmen habe man festgestellt, dass bei der Entfesselung der Gestaltungskraft beim Thema Digitalisierung der Faktor Mensch eine herausragende Rolle spiele. „Wir waren überrascht, dass der Mensch als wichtigstes Digitalisierungstool, noch vor der Technik selbst, wahrgenommen wird. Das klingt zwar paradox, bietet aber große Chancen“, formulierte er es bei der Vorstellung der Studienergebnisse. Für ihn gehe es insbesondere darum, das Mindset der Mitarbeitenden positiv zu ändern. „Die Fachkompetenz ist das eine. Für den Erfolg der Digitalisierung im Unternehmen ist die Haltung der Mitarbeitenden von hoher Bedeutung. Der Change-Gedanke muss in den Köpfen aller ankommen und im besten Fall gelebt werden“, sagt Appolonio.
Wer es ernst damit meint, etwas für die Zukunft Deutschlands als Standort für Industrie und technische Unternehmen zu tun, sollte also unbedingt bei den Menschen anfangen. Klar, Steuern und Energiepreise geben dem unternehmerischen Handeln wichtige Rahmen. Und die Digitalisierung ist und bleibt der Motor für neue Geschäftsmodelle und höhere Effizienz. Die Gefahr ist jedoch, dass man so intensiv über Regulationen klagt und über die Technik spricht, dass man darüber die Menschen vergisst, die nötig sind, neue Wege zu finden und zu gehen – und dabei möglichst viele mitzunehmen.
Investitionen in Innovation
„Zukunft Deutschland 2050“ hat der VDI seine Initiative genannt. Bis dahin sind es noch gut 25 Jahre. Wie hoch dann die Steuerbelastung ist? Wie es um die Energiepreise bestellt ist? Komplett offen – und abhängig von Faktoren wie politischen Wahlen oder internationalen Konflikten, über die Unternehmen keine Kontrolle ausüben können. Was sie jedoch beeinflussen können, ist ihr Zugang zu den Menschen. Eine Nachwuchskraft, die heute mit 25 Jahren als Ingenieurin oder Ingenieur einsteigt, wird 2025 knapp über 50 sein – und damit mit recht hoher Wahrscheinlichkeit Führungsverantwortung besitzen. Die Unternehmen stehen damit vor der Aufgabe, schon heute in diese Führungskraft von morgen zu investieren.
Um sie für ihren Beruf zu begeistern, ihr eine Perspektive zu geben. Was dafür nötig ist, auf diese Fragen haben die Young Engineers des VDI in der Befragung ja einige Antworten gegeben. Der Nachwuchs will Investitionen in Innovationen – damit es nicht heißt: „Können wir nicht machen, weil das Geld fehlt.“ Er will eine positive Start-up-Kultur – damit es möglich ist, eigene Ideen in eine Gründung einfließen zu lassen, die kein Risiko darstellt, sondern eine Rampe für die eigene Karriere. Und schließlich wollen die Young Engineers ein Umfeld vorfinden, in dem alle Generationen die Möglichkeiten und die Motivation mitbringen, Dinge zu lernen und sich zu entwickeln. An dieser Stelle sind die Unternehmen gefragt: Nicht nur klagen, auch machen. Dann klappt’s auch mit der Zukunft.
Der Ausweg aus der Polykrise
Die Schlüsselthemen Künstliche Intelligenz, Sicherheit, Nachhaltigkeit, Arbeitsmarkt und Bildung konfrontieren Menschen mit vermeintlichen Widersprüchen. Wer sich als Unternehmer, CEO oder Führungskraft einen Überblick über aktuelle Herausforderungen zu verschaffen versucht, kann durchaus Angst bekommen. Die sechs Expert*innen, allesamt in der Wirtschaftswelt versiert, lösen die vermeintlichen Widersprüche auf und zeigen, wie Deutschland sich jetzt neu erfinden muss. Anahita Thoms, Sebastian Dettmers, Gülsah Wilke, Fabian Kienbaum, Magdalena Oehl, Hauke Schwiezer (Hrsg): Zukunft im Widerspruch. Wie Deutschland sich jetzt neu erfinden muss. Campus 2024. 26 Euro
An der Schwelle zur zweiten Quantenrevolution gelangt die Quantenphysik von der Grundlagenforschung in die industrielle Anwendung. Für die Entwicklung von Quantencomputern, Quantensimulation, Kryptographie und Sensorik brauchen Industrieunternehmen qualifiziertes Personal, das gegenwärtig kaum zu finden ist. Die Leibniz Universität Hannover und die TU Braunschweig bieten deshalb zwei miteinander verknüpfte Masterstudiengänge an, die Wissen und Fähigkeiten aus den Bereichen Physik, Mathematik, Informatik und den Ingenieurwissenschaften verbinden. Nach erfolgreichem Abschluss können die Studierenden technologische Fachkenntnisse über einzelne spezifische Anwendungsfelder nutzen, um quantentechnologische Lösungen aus dem Grundlagenlabor in die Praxis zu transferieren.
Neuer Master in Geothermie
Erdwärme ist ein wichtiger Baustein der Energiewende. Ab dem Sommersemester 2025 bietet der neue Masterstudiengang Geothermie an der TU Bergakademie Freiberg die Gelegenheit, sich auf diese Zukunftstechnologie zu spezialisieren. Praktisch wird es in dem Studiengang darum gehen, für die oberflächennahe Geothermie Erdwärmesonden zu planen und energetische Berechnungen durchzuführen. Für offene Anlagen der tiefen Geothermie und für geothermische Speicher werden die Reservoire erkundet und charakterisiert. Dazu gehört auch die Modellierung der thermischen Ausbreitung. Neben den Grundlagen der flachen und tiefen Geothermie und der Hydrogeochemie stehen auch Betriebswirtschaft und Recht auf dem Stundenplan.+
Berufsmesse mit Beats
Im Juni lockte das erste Business-Festival für Elektronik, Informationstechnik und Informatik mehrere Hundert Studierende und Studieninteressierte aus ganz Deutschland ins Stromwerk nach Dresden. Unternehmen der Technologiebranche präsentierten sich den Nachwuchskräften, begleitet von Bands und DJs. Berufseinsteiger*innen sprachen auf der Bühne darüber, wie sie ihr Studium der Elektro- und Informationstechnik gemeistert haben, was ihre Beweggründe waren und welche Chancen das Feld bietet. Veranstaltet wurde das Event vom VDE mit Unterstützung der Professur für Schaltungstechnik und Netzwerktheorie der Technischen Universität Dresden. Das Business-Festival soll im nächsten Jahr wieder stattfinden.
Dass Wasser eine wertvolle Ressource ist, merken wir in Deutschland vor allem in trockenen Sommern. Zudem mehren sich Naturkatastrophen nach Starkregen-Ereignissen. Zeit, über einen neuen Umgang mit Wasser nachzudenken. Die Ingenieure Louis Kott und Paul Kober engagieren sich bei der Berliner Regenwasseragentur für eine kluge Bewirtschaftung der Ressource, die vom Himmel fällt. Die Fragen stellte André Boße
Zu den Personen
Paul Kober und Louis Kott sind Teil des Beratungsteams der Berliner Regenwasseragentur. Paul Kober ist Ingenieur für Technischen Umweltschutz. Er arbeitete in der Forschung im Bereich Siedlungswasserwirtschaft und beschäftigte sich dort vor allem mit der Behandlung von Stra.enabflüssen. Louis Kott hat zuvor einen Bachelor-Abschluss in Umweltingenieurwesen und einen Master in Urbaner Infrastrukturplanung gemacht. Zu seinen ersten beruflichen Stationen zählten Anstellungen in Planungsbüros und der Deutschen Bahn Netz AG.
Unsere Toilettenspülung läuft mit Trinkwasser, Regenwasser wird nur selten gesammelt, bei Starkregen laufen die Kanalisationen über und verschmutzen die Oberflächengewässer – wie wir es zuletzt bei Olympia in der Seine in Paris erlebt haben. Warum eigentlich ist das Wassermanagement in Deutschland und vielen Regionen Europas so schräg?
Louis Kott: Das liegt vor allem daran, dass Wasser lange Zeit nicht als knappe Ressource betrachtet wurde. Dementsprechend wurde es behandelt. Kurz: Man hat es laufen lassen. Daraus resultiert, dass wir Wasser in Trinkwasserqualität für Zwecke verwenden, für die diese Qualität eigentlich nicht erforderlich wäre. Das ist immer noch der Status quo. Wobei wir langsam, aber sicher merken, dass sich das ändert.
Was genau ändert sich?
Kott: Regenereignisse treten seltener auf, dafür werden sie zunehmend ex – tremer. Wir haben mit längeren Trockenperioden zu kämpfen, sodass Grundwasserstände oder die Pegel von Seen sinken. Wir spüren plötzlich: Wasser ist eben doch eine knappe Ressource. Oder führt, bei extremem Starkregen, zu Risiken durch Überflutungen. Paul Kober: Was Studien zeigen: Die absolute Regenmenge übers Jahr verteilt ändert sich nicht wesentlich, aber die Regenereignisse verschieben sich mehr und mehr auf das Winterhalbjahr. So kommt es im Sommer zu langen Hitze- und Trockenperioden, die einhergehen mit überhitzten Städten – und zwar auch nachts: Die Zahl der so genannten tropischen Nächte nimmt statistisch gesehen zu.
Die dezentrale Regenwasserbewirtschaftung ist ein wichtiges Instrument zur Klimafolgenanpassung.
Kurz: Das Wasser kann uns heute durch die Auswirkungen des Klimawandels nicht mehr egal sein.
Kober: Genau. Wir befinden uns aktuell in einer Phase, in der der alte Status quo auf eine neue Gegenwart trifft. Städte und Kommunen bekommen das vor Augen geführt und entwickeln Strategien, wie Regenwasser bewirtschaftet werden kann – anstatt es wie bisher einfach nur in die Kanalisation abzuleiten, nach dem Motto: Aus den Augen, aus dem Sinn. Schließlich ist die dezentrale Regenwasserbewirtschaftung darüber hinaus auch ein wichtiges Instrument zur Klimafolgenanpassung.
Wie kann eine solche Bewirtschaftung funktionieren?
Kott: Die Stadt Berlin hat dafür einen „Masterplan Wasser“ aufgestellt, um alle Potenziale zu betrachten, Strategien zu entwickeln und daraus Maßnahmen einzuleiten. Darüber hinaus gilt in Berlin seit 2018, dass bei einem Neubau oder einer wesentlichen Änderung im Bestandsbau das Regenwasser auf dem Grundstück bewirtschaftet werden soll – und nicht mehr in die Kanalisation eingeleitet werden darf.
Das heißt: Das Regenwasser bleibt auf dem Grundstück. Kober: Genau. Die Idee, dass es am besten ist, wenn es einfach abfließt, hat sich damit erledigt. Das ist wichtig, weil man sich vor Augen führen muss, dass bei stärkeren Regenereignissen die Mischwasserkanalisation im Innenstadtbereich verdünntes Schmutzwasser in die Oberflächengewässer bringt – und diese somit belastet. In Berlin ist davon der Landwehrkanal besonders betroffen.
Foto: AdobeStock/Dusan Kostic
Wenn das Regenwasser nicht mehr in die Kanalisation abgeleitet werden darf, ist die Bewirtschaftung des Wassers Privatsache, richtig?
Kott: Ja. Weshalb es unsere Aufgabe als Regenwasseragentur ist, die Menschen zu beraten: Was kann man technisch tun, um von der Bewirtschaftung zu profitieren? Die Leute kommen mit Planungsvorhaben auf uns zu, sie wollen neu bauen oder sanieren und stehen nun vor der Aufgabe, das Regenwasser auf dem Grundstück zu bewirtschaften. Wichtig für uns ist, dass wir eine Vielfalt von Maßnahmen bereithalten. Wir haben nicht die eine Standardlösung. Unser Ansatz ist es, mit vielen verschiedenen Maßnahmen alle Komponenten des natürlichen Wasserhaushalts abzubilden und zeitgleich möglichst viel Mehrwert zu schaffen.
Was heißt das konkret?
Kober: Es geht einmal darum, das Regenwasser zu managen, das zu viel gefallen ist – also nicht technisch fürs Haus nutzbar ist. Wir überlegen dabei, wie man das Regenwasser zur Verdunstung bringen kann. Gerade beim Neubau bietet es sich an, die Dächer zu begrünen. Auch geht es darum, auf dem Grundstück Flächen bereitzuhalten, auf denen das Wasser versickern kann, wobei hier naturnahe Lösungen wie eine Muldenversickerung hoch im Kurs stehen.
Wobei dieses Wasser dann ja auch verloren geht.
Kott: Um das Wasser wirklich nutzen zu können, braucht man Speicher. Zum Beispiel Zisternen, also unterirdische Speicher. Auch Kellertanks sind möglich. Nutzen kann man es dann für die Bewässerung, die Toilettenspülung, zum Wäschewaschen oder auch zum Putzen. Welche Maßnahme im jeweiligen Fall richtig ist, zeigt sich individuell bei den Beratungsgesprächen. Haben wir ein Grundstück, das sich im Sommer schnell erhitzt, schauen wir, ob es Möglichkeiten gibt, Flächen zu entsiegeln. Und auch die Frage, wie gut das Wasser versickert, stellt sich von Grundstück zu Grundstück anders. Es gibt in Berlin Gebiete, wo das sehr gut funktioniert. Bei anderen ist es schwieriger. Hinzu kommt, dass der jeweilige Abstand zum Grundwasserspiegel bedacht werden muss. Die Beratung ist also wirklich sehr individuell.
Building Information Modeling, kurz BIM, ist auch in der Wasserwirtschaft ein großes Thema.
Wie gut lassen sich digitale und KI-Methoden für Ihre Arbeit nutzen?
Kober: Gemeinsam mit den Berliner Wasserbetrieben wurde ein Prototyp eines digitalen Planungstisches entwickelt. Ziel ist es, daran Regenwasser-Konzepte zu erstellen und dabei alle wichtigen Akteure einzubeziehen. Das ist sehr wichtig, weil das Thema Regenwasser immer impliziert, dass viele Stellen davon beeinflusst sind. Es gibt die Wasserbehörde, die auf das Grundwasser achtet, dazu den Denkmalschutz oder die verschiedenen Nutzerinnen und Nutzer. Zu solchen Planungstools laufen derzeit in Berlin spannende Forschungsprojekte, in die wir involviert sind. Darüber hinaus gibt es in Berlin einen großen digitalen Schatz, nämlich den Umweltatlas. Dieser bietet für die gesamte Stadt verschiedene Geodaten, zum Beispiel zur bereits umgesetzten Dachbegrünung. Auch die Grundwasserstände oder Bodenverhältnisse sind einsehbar. Dieser Datenschatz erweitert sich ständig. Er ist damit ein sehr gutes digitales Tool, um für Ingenieurinnen und Ingenieure aus den verschiedensten Bereichen herauszufinden, wo was getan werden kann. Kott: Darüber hinaus ist das Building Information Modeling, kurz BIM, auch in der Wasserwirtschaft ein großes Thema. Die 3D-Planung ermöglicht uns, in Planungsprozessen frühzeitig Probleme zu erkennen, zum Beispiel Konflikte bei der Nutzung von Leitungen. Auch lassen sich Schnittstellen viel früher identifizieren, indem sich Planungen visualisieren lassen.
Was für Fähigkeiten muss man mitbringen, um in Ihrem Berufsfeld erfolgreich zu arbeiten?
Kott: Das A und O ist die Kommunikation. Einerseits, weil wir in der Beratung aktiv sind, andererseits, weil wir in der Regel an Schnittstellen arbeiten, zum Beispiel zu öffentlichen Institutionen wie Bezirksämtern, Senatsverwaltungen oder Berliner Wasserbetrieben. Und natürlich sind die Planenden sowie die Grundstücksbesitzerinnen und -besitzer auch Teil der Prozesse. In diesem Zusammenspiel nehmen wir die Rolle des Vermittlers auf, im Sinne einer nachhaltigen Bewirtschaftung des Regenwassers. Damit dies gelingt, ist auch strategisches Denken wichtig – und der Mut, Ideen frühzeitig zu platzieren. Denn es ist in solchen Planungsprozessen nicht immer so, dass die Leute früh ans Regenwasser denken. Kober: Man muss auch wissensdurstig sein, um bei den Themen auf dem aktuellen Stand zu bleiben. Begeisterung fürs Thema hilft, um neue Mitstreiter und Mitstreiterinnen zu gewinnen mit dem Ziel, Berlin zu einer klimaangepassten Stadt werden zu lassen. Damit das gelingt, braucht es sehr viele Menschen, die absolut von der Idee überzeugt sind.
Zur Initiative
Die Berliner Regenwasseragentur ist eine gemeinsame Initiative der Senatsverwaltung für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt (Land Berlin) und der Berliner Wasserbetriebe. Sie versteht sich als Servicestelle rund um die dezentrale Regenwasserbewirtschaftung. Sie soll das Land Berlin seinem Ziel näherbringen, Berlin wassersensibel zu gestalten – sprich: möglichst viel Regenwasser vor Ort zu halten und damit den natürlichen Wasserhaushalt zu stärken. Dies soll durch die Begrünung von Dächern und Fassaden, die Entsiegelung von Flächen sowie die Speicherung, Nutzung, Verdunstung und Versickerung von Regenwasser geschehen.
Die generative künstliche Intelligenz besitzt das Potenzial, die menschliche Arbeit produktiver denn je zu machen. Für Unternehmen stellt sich daher nicht die Frage, ob sie auf diese Technik setzen – sondern in welcher Intensität. Von André Boße
Mit der Metapher des „iPhone-Moments“ beschreiben Miriam Meckel und Léa Steinacker in ihrem Buch „Alles überall auf einmal – Wie Künstliche Intelligenz unsere Welt verändert und was wir dabei gewinnen können“ die gegenwärtige Situation: Die Technologie sei erstmals für jede und jeden verfügbar, kostenlos zum Ausprobieren, kostengünstig für alle, die sich länger damit beschäftigen wollen. Diese Verfügbarkeit gebe es auch im geschäftlichen Umfeld, wie Meckel und Steinacker schreiben: „Wer heute mit digitalen Tools arbeitet, kann sich bei fast allem tatkräftig durch generative KI unterstützen lassen“, heißt es im Kapitel „Hurra, die Produktivität ist wieder da! KI und das neue Wirtschaftswachstum“.
Zeit dafür, sich die Unterstützung der KI zu sichern, wird es. Nicht nur mit Blick auf die schwachen Wachstumsprognosen in Deutschland, sondern auch bei näherer Beschäftigung mit der Frage, ob denn die digitale Transformation bislang ihre Erfolgsversprechen eingehalten habe. Und hier fällt die Bilanz erstaunlich nüchtern aus: Bislang, so die Autorinnen, sei der versprochene Produktivitätsschub eben nicht eingetreten. Zwar seien die Investitionen in die digitale Technik rasant gestiegen. Wirklich produktiver wird in den Unternehmen aber nicht gearbeitet.
KI kann 100 Stunden im Jahr bringen
Das Beratungsbüro des Instituts der Deutschen Wirtschaft, IW Consult, hat in einer Studie das Wertschöpfungspotenzial von KI-Lösungen für die deutsche Industrie in Zahlen gefasst. Das Kernergebnis der Studie „Der digitale Faktor“: „330 Milliarden Euro könnte generative KI in Zukunft zur Bruttowertschöpfung in Deutschland beitragen.“ Die Produktivitätssteigerungen durch die Nutzung generativer KI-Tools können dazu führen, dass „eine Arbeitnehmerin oder ein Arbeitnehmer in Deutschland in Zukunft im Durchschnitt 100 Stunden im Jahr durch diese Anwendungen einsparen könnte“.
„Wir sehen das Computerzeitalter überall, nur nicht in den Produktivitätsstatistiken“, zitieren Meckel und Steinacker in ihrem Buch den Ökonomen und Nobelpreisträger Robert Solow. Warum das so ist, dafür lassen sich nur Indizien finden. Im Verdacht steht zum Beispiel der Umstand, dass die digitale Transformation gerade zu Beginn viel Zeit kostet, und wenn nach der Implementierung der Moment gekommen wäre, die Effizienz zu steigern, steht schon wieder eine neue Technik ins Haus oder sorgen Regulierungen und Security-Fragen dafür, dass der Produktivitätsschub weiter ausgebremst wird.
Nun aber könne die generative KI dafür sorgen, dass sich das Paradox auflöst – und die Digitalisierung wirklich für mehr Effizienz sorgt. KI sei vergleichbar mit der Erfindung der Dampfmaschine oder der Elektrizität, schreiben Miriam Meckel und Léa Steinacker in ihrem Buch – zwei Entwicklungen, die für große Produktivitätsschübe verantwortlich waren. Die aber auch dafür sorgten, dass Unternehmen im Zuge dieser technischen Revolutionen umdenken mussten. „Solche Technologien“ – und zu diesen zählt laut Meckel und Steinacker eben auch die generative KI – „stören nicht nur die kontinuierliche Weiterentwicklung von Geschäftsmodellen auf den bekannten Pfaden. Sie verändern radikal, wie wir leben, arbeiten und wirtschaften.“ Die Vermutungen der beiden Autorinnen werden von neuen Studien zum Einsatz von generativer KI gestützt. So legte das Beratungsunternehmen McKinsey die Studie „The economic potential of generative AI“ vor, der Untertitel gibt die Richtung vor: „The next productivity frontier“ – „die nächste Stufe der Produktivität“. Die Studienautor*innen prognostizieren, dass Anwendungen mit generativer KI eine zusätzliche Wertschöpfung in Höhe von bis zu 4,4 Billionen US-Dollar erzielen können.
Die generative KI ist eben kein System, das aus eigenem Antrieb heraus arbeitet oder Dinge erschafft.
Nun sind Potenziale nur dann wirksam, wenn sie auch gehoben werden. Und hier kommt der Mensch ist Spiel: Die generative KI ist eben kein System, das aus eigenem Antrieb heraus arbeitet oder Dinge erschafft. Bei der Wirksamkeit kommt es immer auf das Zusammenspiel zwischen Mensch und Maschine an. Darauf, dass der Mensch die generative KI als einen neuen Kollaborateur begreift, mit dem er zusammenarbeitet. Im Umgang mit dieser Technik spricht man weniger von Nutzerinnen und Nutzern als von Co-Kreateuren. Was danach verlangt, dass man sich der generativen KI mit einem anderen Mindset widmet als es bei üblichen IT-Anwendungen der Fall ist.
Es wäre grundverkehrt, die generative KI als Tool zu betrachten, das „von sich aus“ für mehr Produktivität sorgt. Das Gegenteil muss passieren: Die Menschen müssen sich der generativen KI widmen. Sie müssen experimentieren, sich weiterbilden, Verständnis für die Potenziale und Risiken entwickeln. Und hier sind auch die Unternehmen gefragt: Auch sie müssen mehr tun, als nur darauf zu hoffen, dass die generative KI neue Geschäftsmodelle entwickelt und die Produktivität nach oben treibt. Sie sind gefragt, ihre Mitarbeitenden fit für diese Zukunftstechnologie zu machen. „Wenn wir in einer immer komplexeren Welt mithalten wollen“, schreiben Miriam Meckel und Léa Steinacker in ihrem Buch, „dann müssen wir auch unsere menschliche Intelligenz erweitern“. Das Schöne ist: Auch dabei kann uns die generative KI mit ihren Möglichkeiten helfen. Wobei es in den Unternehmen darauf ankommt, dass die Führungsebenen dies zulassen. Was auch heißt: Die Affinität für die künstliche Intelligenz ist ab jetzt eine wesentliche Fähigkeit.
Buchtipp
Miriam Meckel & Léa Steinacker: Alles überall auf einmal. Wie Künstliche Intelligenz unsere Welt verändert und was wir dabei gewinnen können. Rowohlt 2024. 26 Euro