„Traut euch was zu!“ Yvonne Groth im Interview

Seit zehn Jahren ist die Ingenieurin Yvonne Groth als Geschäftsführerin technischer Unternehmen tätig. Seit 2022 ist sie CEO von Dornier Construction & Service, einem Teil der Dornier Group, in dem Dienstleistungen rund um die Montage, Instandhaltung und Betriebsführung von Energieanlagen gebündelt werden. 2024 wurde sie mit dem Engineer Woman Award ausgezeichnet. Weitere Frauen in ähnlichen Positionen? Beinahe Fehlanzeige. Wie es ihr damit geht und wie sich das ändern kann, erzählt sie im Interview. Ihr Rat an junge Frauen: Traut euch was zu! Die Fragen stellte André Boße.

Zur Person

Yvonne Groth (Jahrgang 1979) studierte Landeskultur und Umweltschutz an der Universität Rostock, schloss das Studium als Diplom-Ingenieurin ab. Im Jahr 2006 stieg sie als Projektingenieurin bei der IBS Gruppe ein, wo sie ab 2015 die Geschäftsleitung übernahm. Seit 2022 ist sie Gesch.ftsführerin von Dornier Construction und Service, einem Bereich der Dornier Group, der Service rund um die Montage, Instandhaltung und Betriebsführung von Energieanlagen anbietet. Neben ihrer beruflichen Tätigkeit engagiert sich die zweifache Mutter seit vielen Jahren für die Förderung von Frauen. Sie ist Mentorin im Programm „Aufstieg in Unternehmen – Mentoring für Frauen in der Wirtschaft in Mecklenburg-Vorpommern“ sowie Gründerin des „Welcome Centers Mecklenburgische Seenplatte“, einer Anlaufstelle für Zuzüglerinnen, Rückkehrerinnen und Unternehmen, mit dem Ziel, weibliche Fachkräfte zu gewinnen und zu binden. 2024 wurde Yvonne Groth mit dem Engineer Woman Award ausgezeichnet.

Frau Groth, Sie sind eine große Verfechterin des Networkings. Warum ist es in Ihren Augen von zentraler Bedeutung für Frauen auf dem Weg in Führungspositionen?
Netzwerke sind generell wichtig, ich würde das nicht nur auf Frauen beziehen. In Netzwerken baut man Vertrauen zu Personen und zu potenziellen Geschäftspartnern auf. In Netzwerken hat man darüber hinaus die Möglichkeit, sich gegenseitig zu unterstützen, aus Erfahrungen zu lernen und Kontakte zu knüpfen. Speziell für Frauen erachte ich Netzwerke als wichtig, weil sie ihre Sichtbarkeit fördern, was gerade in technischen Branchen, in denen noch immer wenig Frauen unterwegs sind, von großer Bedeutung ist. Ich mache es zum Beispiel konkret so, dass ich – wenn ich eine Anfrage oder Einladung bekomme, die ich selbst nicht wahrnehmen kann – eine andere Frau vorschlage, die diesen Termin wahrnehmen kann. Einfach, um die Chance auf Präsenz nicht verfallen zu lassen.

Es gibt zwei Schulen von Netzwerkerinnen: In der eine plädiert man für reine Frauennetzwerke, in der anderen dafür, dass sich Frauen in gemischten, häufig von Männern dominierten Netzwerken stärker zeigen. Welcher Schule gehören Sie an?
Der zweiteren, ganz klar. Ich mag diese Trennung der Netzwerke nicht, denn in den Unternehmen muss man ja auch zusammenarbeiten. Ich war erst vor kurzem auf einer Fach-Veranstaltung, bei der sich die wenigen Frauen vernetzen sollten. Und was passierte: Wir wurden separiert. Da habe ich gefragt: „Und nun?“ Gerade in den MINT-Bereichen ist eine Trennung der Geschlechter nicht sinnvoll. Es gibt hier noch immer wenig Frauen in Führungspositionen. Nehmen Sie meinen Bereich, also die technische Ingenieurdienstleistung rund um Energieanlagen: Ich kenne keine andere Frau in der technischen Geschäftsführung. Ich bin allein unter Männern. Man findet Frauen in kaufmännischen Bereichen, im Personal. Aber im technischen Bereich nur sehr selten. Was sollte es bringen, auf exklusive Frauennetzwerke in unserer Branche zu setzen?

Bei Ihrer ersten beruflichen Station waren Sie zuerst Projektingenieurin und sind nach neun Jahren zur Geschäftsführerin aufgestiegen. Was haben Sie in diesen neun Jahren gut gemacht?
Es gehört schon ein bisschen was dazu, um von einer Expertin zu einer Führungskraft zu werden. Mein Vorteil war: Ich war immer breit aufgestellt. Ich habe Expertise in vielen Bereichen, sei es in der Abfallwirtschaft, in der Energietechnik, in der Arbeitssicherheit, im Qualitätsmanagement. Ich bringe viel Wissen mit, und ich behaupte, ich kann sehr gut organisieren. Das ist eine wichtige Führungsaufgabe: Man muss das große Ganze sehen, Prioritäten setzen können, um den richtigen Weg einzuschlagen. Und dann braucht man eine gute Menschenkenntnis und Fingerspitzengefühl.

Sie haben als Frau auf dem Weg nach oben Mentoring genossen, heute sind Sie selbst überzeugte Mentorin. Was macht gutes Mentoring für Frauen aus?
Ich bin Vorstandsvorsitzende der Regionalen Wirtschaftsinitiative in Mecklenburg- Vorpommern (RWI). Seit vielen Jahren führt die RWI das Projekt „Aufstieg in Unternehmen“ durch. Dieses Mentoring-Programm ist branchenübergreifend. Und genau das finde ich sehr gut: Wenn Personen aus unterschiedlichen Bereichen zueinander finden und sich austauschen können. Was zudem beim Mentoring wichtig ist: Es muss auf Augenhöhe stattfinden. Man braucht eine vertrauensvolle Basis, um miteinander reden zu können. Nur dann wird die Mentee über ihre Herausforderungen sprechen – und auch als Mentor kann man dann Hilfestellungen geben oder Sichtweisen anders darstellen. Damit die Mentee sieht: Es gibt auch andere Wege und Perspektiven.

Engineer Woman Award

Seit 2023 vergibt die Hannover Messe im Rahmen des Karrierekongresses FEMWORX zwei Preise für Frauen in MINT-Berufen. „Mit dem Engineer Woman Award wird eine Expertin geehrt, die durch ihre Innovationskraft, ihr Engagement oder ihre Leistungen im technischen Umfeld heraussticht“, heißt es in der Selbstbeschreibung des Awards. Der Young Engineer Woman Award würdigt Frauen unter 30 Jahren, „die herausragende Arbeit in ihrem Fachgebiet leisten oder sich in besonderem Maße über ihren Arbeitsbereich hinaus engagieren“.

Glauben Sie, dass sich Frauen selbstkritischer sehen, als Männer es tun?
Ja, das ist ein bekanntes Phänomen, das auch durch verschiedene Studien gestützt wird. Frauen neigen eher dazu, ihre Fähigkeiten zu hinterfragen und sich selbstkritischer zu sehen, während Männer oft selbstbewusster auftreten – auch wenn sie objektiv nicht kompetenter sind. Ein Beispiel dafür ist der sogenannte Confidence Gap: Untersuchungen zeigen, dass Frauen dazu tendieren, sich erst dann auf eine Position oder Aufgabe zu bewerben, wenn sie nahezu alle Anforderungen erfüllen, während Männer oft schon mit deutlich weniger Qualifikationen den Schritt wagen. Dies kann teilweise auf gesellschaftliche Prägung, Erziehung und Geschlechterrollen zurückgeführt werden. Frauen lernen häufig von klein auf, bescheidener und perfektionistischer zu sein, während Männern eher vermittelt wird, Risiken einzugehen und sich selbstbewusst darzustellen.

Wir erleben aktuell an vielen Stellen den Versuch, das Rad beim Thema Gender-Gerechtigkeit zurückzudrehen. Nehmen sie das auch wahr?
Schon, ja. Wenn Männer Fehlentscheidungen in Unternehmen getroffen haben, dann waren die Rahmenbedingungen schuld und oftmals folgen keine Personalentscheidungen. Passiert das einer Frau, ist sie schnell weg vom Fenster. Es ist recht offensichtlich, dass sich immer mehr Männer das Recht herausnehmen, beim Thema Gleichberechtigung nicht mehr aufmerksam sein zu müssen. Im März ging dieses Bild von Friedrich Merz‘ Spitzenrunde mit Unionspolitikern nach der Bundestagswahl viral, zu sehen waren sechs Männer. Das Online-Satire-Magazin „Der Postillon“ postete dazu: „Doch, doch, Frauen waren auch dabei: Was meinen Sie, wer den Tisch eingedeckt hat?“ Das ist zwar lustig, aber zeigt die Realität, dass Frauen bei solchen „Männerrunden“ ausgeschlossen werden.

Mir ist bewusst, dass ich eine Vorbildfunktion einnehme. Ich hoffe, dass meine Sichtbarkeit dazu beiträgt, dass andere Frauen ermutigt werden und dass Frauen Chancen in Führungspositionen bekommen.

Wie fühlen Sie sich in der von Männern dominierten Welt Ihrer Branche?
Noch immer fallen Frauen in meiner Branche auf. Letzte Woche war ich auf einer Veranstaltung und unter den 140 Teilnehmenden waren genau fünf Frauen. Das ist eine Quote von weniger als drei Prozent. Mir ist bewusst, dass ich eine Vorbildfunktion einnehme. Ich hoffe, dass meine Sichtbarkeit dazu beiträgt, dass andere Frauen ermutigt werden und dass Frauen Chancen in Führungspositionen bekommen.

Wie motivieren Sie sich, trotzdem immer weiterzumachen?
Ich bin engagiert! Ich finde es einfach sehr wichtig, dass Frauen ein Gesicht in meiner Branche bekommen, dass sie sichtbarer werden, sich nicht verstecken. Was mir sicher auch hilft: Mein trockener Humor.

Wenn man sich den Karriereweg von Frauen genauer anschaut, welche sensiblen Wegmarken gibt es?
Wichtig ist der familiäre Aspekt. Dieser Aspekt ist für Männer deutlich weniger problematisch. Männer werden nie gefragt, wie sie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf realisieren. Dabei sind die Männer genauso bei der Familiengründung beteiligt wie die Frauen. Haben Frauen keinen Partner, der unterstützt, wird es für sie doppelt schwer, eine Führungsposition zu kommen. Daher ist es wichtig, dass Frauen diese Unterstützung auch bei ihren Partnern einfordern. Damit klar ist, wenn beide Partner arbeiten, dass in dieser Beziehung beide Seiten ihren Beitrag zu leisten haben. Frauen, die es sich nicht so recht zutrauen, mit ihren Partnern frühzeitig offen über dieses Thema zu reden, sollten diese Unterhaltung als eine Art Vorbereitung auf die Karriere begreifen. Denn in Führungspositionen kommt es ja auch darauf an, auch mal unangenehme Gespräche zu führen.

Was geben Sie jungen Frauen mit, die jetzt kurz vorm Eintritt in die Arbeitswelt stehen, gerade auch in männerdominierten Branchen?
Zu erkennen, welche Stärken sie haben. Nicht nur auf das zu schauen, was sie noch nicht können, sondern auch auf das, was sie bereits mitbringen. Natürlich möchte man immer einhundert Prozent erreichen. Aber es hilft gerade zu Beginn, die Ansprüche an sich selbst ein wenig herunterzuschrauben. Um dann später, in der Führungskräfteentwicklung weiter an sich zu arbeiten.

Kuratiert

Obstkäppchen engagieren sich gegen Altersarmut

Carina Raddatz ist zwar erst Anfang 30, also vom Rentenalter noch über 30 Jahre entfernt – aber Altersarmut hat sie zu ihrem Herzensthema gemacht. Als sie vor Jahren in der Kölner Innenstadt eine ältere Frau sah, die im Müll nach Pfandflaschen suchte, beschloss sie etwas zu tun und gründete den Verein Obstkäppchen e. V. Ihr Motto: „Altersarmut kommt uns nicht in die Tüte“. Die ehrenamtlichen Helfer*innen besuchen alte Menschen, die über wenig Einkommen verfügen, und bringen ihnen Tüten mit gesunden Lebensmitteln nach Hause. Dabei treten sie nicht nur Altersarmut, sondern auch Einsamkeit entgegen. Mehr als 10.000 Besuche gab es bisher – und das Projekt soll wachsen, neue Obstkäppchen sind willkommen! www.obstkäppchen.de

Frauen fehlen in der Bauindustrie

Der Bauindustrie fehlt es an Azubis und Fachkräften – besonders aber fehlt es ihr an Frauen. Eine statistische Analyse des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie zeigte, dass lediglich 14 Prozent der Beschäftigten im Wirtschaftszweig Baugewerbe weiblich sind. Bei keiner anderen Branche ist der Anteil so niedrig. Bei den Studierenden des Fachs Bauingenieurwesen liegt der Frauenanteil laut Studie bei 30 Prozent, bei den Absolventinnen und Absolventen, die schließlich in den Unternehmen arbeiten, bei 28 Prozent. Ein Ungleichgewicht herrscht laut Befragung bei der Bezahlung: Der Hauptverband informiert, dass das Gehaltsniveau von hochqualifizierten Frauen nur bei 83 Prozent (Expertin) bzw. 86 Prozent (Spezialistin) im Vergleich zum Niveau der männlichen Kollegen liegt.

Female Future Festival an vier Standorten

Das Female Future Festival ist der nach eigenen Angaben „größte Empowerment-Treffpunkt der DACH-Region für Karriere, Innovation, New Leadership, New Work und Job-Chancen“. An gleich vier Standorten findet das Festival statt: In München, am Bodensee, in Zürich und Wien. Namhafte Speakerinnen sprechen über Themen wie Personal Branding, New Work, Diversity, Change, Finanzen, Mental Health und vieles mehr. https://female-future.com

Von Kerstin Neurohr

Blickpunkt: Pionierinnen

Sie kämpften in einer männlich dominierten Gesellschaft für ihre Überzeugungen, setzten sich an die Spitze der technischen und künstlerischen Innovation und prägten den Verlauf der Geschichte mit ihren Ideen. In unserer Pionierinnen-Reihe stellen wir Frauen vor, die mit ihrem Mut und ihrem Durchsetzungsvermögen den Weg zur Gleichberechtigung geebnet haben. Von Kerstin Neurohr

Malala Yousafzai (*1997) – jüngste Friedensnobelpreisträgerin

Schon mit 11 Jahre begann sie sich für die Rechte von Frauen und Kindern in ihrem Heimatland Pakistan einzusetzen: Für die BBC Urdu (den urdusprachigen Dienst des britischen Fernsehsenders BBC) schrieb sie ein Online-Tagebuch über ihren Alltag im pakistanischen Swat-Tal, das unter der Herrschaft der pakistanischen Taliban stand. Diese hatten Mädchen den Schulbesuch verboten und ihre Schulen zerstört, sie bedrohten und ermordeten politische Gegner. Mädchen durften nicht mehr Musik hören, nicht tanzen und öffentliche Räume nur verschleiert betreten. Ihr Engagement verschaffte Malala Yousafzai viel Aufmerksamkeit – und brachte die Taliban so sehr auf, dass sie im Oktober 2012 einen Mordanschlag auf das Mädchen verübten, sie schossen ihr in den Kopf. Malala Yousafzai überlebte den Anschlag, und ihr mutiger Widerstand gegen Unterdrückung und ihr Kampf für das Recht auf Bildung fanden international große Beachtung. 2014 erhielt sie den Friedensnobelpreis und wurde damit zur jüngsten Preisträgerin in der Geschichte. Seit 2017 ist Malala Yousafzai Friedensbotschafterin der UN. Heute lebt sie in Großbritannien und setzt ihre Arbeit über den „Malala Fund“ fort, eine Organisation, die sich für die Bildung von Mädchen weltweit starkmacht. https://malala.org

Johanna Kappes (1879–1933) – erste Studentin in Deutschland

AdobeStock/Zefirka
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Studieren? Männersache! Was heute schwer vorstellbar ist, war bis vor 125 Jahren Realität: Erst im Jahr 1900 wurden Frauen zum Studium zugelassen. Entscheidend zu der Öffnung beigetragen hat Johanna Kappes, die in Karlsruhe Abitur machte und Medizin studieren wollte. Sie ging nach Freiburg und konnte dort mehrere Professoren von ihrem Wunsch und ihren Fähigkeiten überzeugen. Die Mediziner erlaubten Johanna Kappes, Vorlesungen zu besuchen. Aber das Examen blieb ihr verwehrt. Unterstützt vom „Verein Frauenbildung-Frauenstudium“ verfasste Kappes Ende 1899 eine Petition an den Senat. Diese wurde abgelehnt, doch der Prorektor der Universität schaltete sich ein, leitete die Petition an das zuständige Ministerium nach Karlsruhe weiter – und das entschied, dass auch Frauen an der Universität in Freiburg studieren dürfen. Johanna Kappes und vier Kommilitoninnen immatrikulierten sich im Februar 1900 rückwirkend zum Beginn des Wintersemesters 1899/1900, wobei ihre bereits erbrachten Leistungen angerechnet wurden. Kappes wurde Ärztin, promovierte 1904 und führte mit ihrem Mann, der ebenfalls Arzt war, in Nürnberg eine Gemeinschaftspraxis, in der sie bis zu ihrem Tod tätig war.

The Liverbirds (aktiv von 1962-1967) – erste rein weibliche Rockband

AdobeStock/Good Studio
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„Vier Mädchen haben sich entschlossen, die Welt zu erobern und ein praktisches Beispiel der vielzitierten Gleichberechtigung zu geben“, so wurde ihr Auftritt auf dem „Beat-Festival“ in Wien 1965 angekündigt: Pamela Birch (Gesang/Gitarre), Valerie Gell (Gesang/Gitarre), Mary McGlory (Gesang/Bassgitarre) und Sylvia Saunders (Schlagzeug) – „The Liverbirds“ aus Liverpool. Ohne wirklich Instrumente spielen zu können, gründen sie eine Band und touren schon bald durch Großbritannien, sind mit den damals noch unbekannten Rolling Stones unterwegs, lernen die Kinks kennen (als deren Instrumente geklaut werden, stellen die Liverbirds ihre zur Verfügung – darauf spielen die Kinks ihren Hit „You Really Got me“ ein). Mit gerade mal 17, 18 Jahren kommen die Girls aus Liverpool nach Hamburg und treten dort im Star Club auf – vier Jahre lang stehen sie dort immer wieder auf der Bühne. Die erste Girl-Rock-Band der Welt! Als „die weiblichen Beatles“ werden sie gehandelt, doch ihre Musik ist rauer. 1968 werden die Liverbirds zu einer Tour nach Japan eingeladen – doch Sylvia kann nicht mitfahren, weil sie schwanger ist, und Valerie nicht, weil ihr Ehemann es ihr verbietet. Pamela und Mary fahren, doch sie beschließen auf der Tour, nicht weiter gemeinsam Musik zu machen. So endet ihre Musik-Karriere, weil die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen noch nicht soweit sind, dass Frauen dauerhaft im Musik-Business Erfolg haben können.

Colleen Hoover (*1979) – Autorin und New-Adult-Pionierin

Ihre Geschichte als Autorin hat selbst das Zeug zum Roman: Ihr erstes Buch, „Weil ich Layken liebe“, schrieb sie als Weihnachtsgeschenk für ihre Mutter. Weil die Familie so begeistert war, veröffentlichte sie es als E-Book – und wenig später hatte sie ihren ersten Bestseller. Heute hat Colleen Hover mehr als 20 Romane veröffentlicht und zählt zu den meistverkauften amerikanischen Autorinnen. Ihr Erfolgsrezept: Liebe und Leidenschaft, die ganz großen Gefühle, dazu etwas Spice, leicht zu lesen. Damit hat sie ein Genre begründet, New Adult, und dem Buchmarkt einen Aufschwung verschafft, wie es ihn lange nicht gab. Colleen Hover hat mittlerweile mehr als 20 Millionen Bücher verkauft, lebt mit ihrem Mann und drei Söhnen in Texas, schreibt weiter und ist mit mehr als 1,3 Millionen Followern überaus erfolgreich auf TikTok aktiv.

Chapeau! Kultur-, Buch- und Linktipps

Mut in all seinen Facetten

cover MutWenn wir an Mut denken, haben wir sofort spektakuläre Leistungen oder außergewöhnliches Engagement vor Augen. Aber wie viel Mut braucht es für den ganz normalen Alltag? Wen sehen wir gesellschaftlich als mutig an, und wer beweist tatsächlich tagtäglich den meisten Mut? Diesen Fragen geht Maureen Reitinger auf den Grund, wenn sie sich an das Thema Mut in all seinen Facetten herantastet. In ihrem persönlichen, inspirierenden Essay holt sie Alltagsheld*innen vor den Vorhang und rückt den alltäglichen, kleinen Mut, der nur allzu häufig übersehen wird, ins Blickfeld. Maureen Reitinger: Mut. Kremayr & Scheriau 2025. 20,00 Euro.

Fitgreenmind: Unkomplizierte vegane Gerichte

Cover Maya_FitgreenSie ist 20 Jahre alt und hat über sechs Millionen Follower*innen auf Social Media: Maya Leinenbach alias Fitgreenmind. Mit unkomplizierten veganen Gerichten aus aller Welt begeistert sie ihre Follower*innen auf der ganzen Welt. Jetzt hat sie ihr zweites Kochbuch veröffentlicht – mit „über 100 veganen Rezepten für jeden Tag und special days“: Das sind Ideen fürs Meal-Prep und die Dinner-Party, Rezepte für eine Person oder ein Dinner mit Freunden – für jeden Anlass das passende Gericht! Maya Leinenbach: Plantiful Cooking. DK Verlag 2025. 24,95 Euro.

www.instagram.com/fitgreenmind

Ich weiß es doch auch nicht

Cover Kaiser, Ich weiß es doch auch nichtWas tun gegen Mansplaining? Ist es feministisch, Botox zu nutzen? Und wie lebt man weiter, wenn die tollste Person einfach stirbt? Mareice Kaiser hat einen Anti-Ratgeber geschrieben, in dem sie Antworten gibt – oder eher, in dem sie von ihrem eigenen Stolpern und Aufstehen erzählt. Ein Buch, das nicht so aussieht, aber politisch ist und sich anfühlt wie ein Gespräch mit einer guten Freundin. Der lebenskluge und humorvolle Blick von Mareice Kaiser wird komplettiert von den einzigartigen Illustrationen von Slinga. Mareice Kaiser: Ich weiß es doch auch nicht. 101 entlastende Antworten auf existenzielle Fragen. Penguin Verlag 2025. 23,00 Euro.

Frauenbilder im Dialog

Frauenbilder im Dialog Foto: the artist
Frauenbilder im Dialog Foto: the artist

Wie prägen Frauenbilder unser Leben und wie prägt unser Leben diese Bilder? Damit beschäftigt sich eine Ausstellung im Landesmuseum Hannover, die ausgewählte historische Ölgemälde, Meisterwerke aus der Sammlung des Museums, zusammen mit zeitgenössischen Fotografien der multidisziplinären Künstlerin Julia Krahn präsentiert. Im Dialog dieser unterschiedlichen Werke geht es weniger um die Darstellungen von Frauen als vielmehr um die Bilder, die wir in unseren Köpfen erzeugen.

8.3. bis 17.8.2025, Landesmuseum Hannover. www.landesmuseum-hannover.de

Kraftvolle Geschichten aus dem wahren Leben

Cover Afflerbach_ZuversichtKatharina Afflerbach hat kraftvolle Geschichten aus dem wahren Leben gesammelt – vor allem von Frauen, die durch schwere Zeiten gehen und ihren eigenen Weg zur Zuversicht finden. Eine dieser Frauen liegt nach einem schweren Arbeitsunfall monatelang im Krankenhaus und kämpft um ihr Leben, eine andere ist alkoholabhängig und wird obdachlos, eine weitere erlebt häusliche Gewalt. Bewegende Geschichten, die von tiefen persönlichen Krisen handeln, die berühren und auf einzigartige Weise inspirieren. Das Buch ist eine Einladung, die Zuversicht als Weg zu mehr Sicherheit, Vertrauen und innerer Stärke anzunehmen – ein kraftvolles Plädoyer für den Glauben an eine gute Zukunft, auch in den schwersten Zeiten des Lebens. Katharina Afflerbach: Zuversicht. Wahre Geschichten vom Weitermachen und Wachsen in schwierigen Zeiten. Goldegg 2025. 20,00 Euro.

Kleiner Schal, großer Hype

sophie scarf rød nye1Ein gestrickter Mini-Schal in Dreiecksform, mit einem Knoten wird er um den Hals geschlungen: Das ist der „Sophie Scarf“, der in der internationalen Modewelt einen riesigen Hype ausgelöst hat und von der Zeitschrift Elle zum Fashiontrend der Saison erklärt wurde. Entworfen hat ihn die Dänin Mette Wendelboe Okkels. Schon als Kind hat sie von ihrer Oma stricken gelernt, später studierte sie Medizin, dann machte sie sich selbständig – nicht im medizinischen Bereich, sondern sie entwickelt unter eigenem Label Anleitungen, für coole, schlichte Strickpullis. www.petiteknit.com

Köln 75 – Die Geschichte hinter Keith Jarretts Köln ConcertSeine Weltpremiere feiert KÖLN 75 auf den 75. Internationalen Filmfestspielen von

Foto: Wolfgang Ennebach Alamode Film
Foto: Wolfgang Ennebach Alamode Film

Berlin, seit 13.3. ist der Film im Kino zu sehen. KÖ L N 75 erzählt die wahre Geschichte der rebellischen 18-jährigen Vera Brandes (Mala Emde), die selbstbewusst alles aufs Spiel setzt, um ihren Traum zu verwirklichen. Gegen den Willen ihrer konservativen Eltern bucht sie auf eigenes Risiko das Kölner Opernhaus, um Keith Jarrett (John Magaro) im Januar 1975 für ein Konzert nach Köln zu holen. Sie weiß es noch nicht, aber diese improvisierte Stunde am Klavier, die bis zuletzt zu scheitern droht, wird auf Schallplatte verewigt und von vielen als eines der populärsten Kunstwerke des 20. Jahrhunderts angesehen: Keith Jarretts „The Köln Concert“.

Trost. Was wir alle brauchen.

Cover TrostDas Leben mit seinen unzähligen kleinen und großen Verlusten, die Weltlage mit ihren Krisen und Katastrophen. Es gibt heute viele Ereignisse, die Menschen untröstlich zurücklassen. Was aber, fragt Madeleine Hofmann, bedeutet Trost überhaupt? Die Autorin – gerade Anfang dreißig, als sie mit einer Krebsdiagnose konfrontiert wurde – teilt ihren persönlichen Trost-Weg, indem sie von ihren eigenen Erfahrungen und von Begegnungen mit Menschen erzählt, die auf verschiedene Weise sich und andere trösten – enge Vertraute, medizinische Fachkräfte, aber auch Kreative. Mühelos bringt Madeleine Hofmann Hochkultur und Popkultur zusammen und zeigt anhand verschiedener Themen – Essen, Humor, Kunst, Natur, Philosophie, Sprache –, wie individuell und existenziell Trost ist. Bei Spotify gibt es eine Playlist zum Buch. Madeleine Hofmann: Trost. Was wir alle brauchen. Kein & Aber 2025. 24,00 Euro.

Das letzte Wort hat: Katja Diehl, Mobilitätsexpertin, Autorin, Podcasterin & Speakerin

Katja Diehl kämpft nicht einfach für eine Verkehrswende, sondern für „eine liebenswerte Welt für alle“. Jahrelang war sie in leitenden Funktionen in der Mobilitätsund Logistikbranche tätig. Heute entwickelt sie Konzepte, wie Mobilität unabhängig vom Auto gelingt. Ihre Bücher sind Spiegel- Bestseller, sie hat einen Podcast („SheDrivesMobility“) und sitzt u. a. im Beirat von Baden- Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann. Für ihre Arbeit hat sie bereits zahlreiche Auszeichnungen erhalten: Der Focus zählte sie zu den „100 Frauen des Jahres“, ihr erstes Buch erhielt den Deutschen Wirtschaftsbuchpreis und Diehl gilt als eine der „Remarkable Women in Transport“. Die Fragen stellte Kerstin Neurohr

Sie fordern eine Mobilitätswende – wie sähe Deutschland denn aus, wenn alle Ihre Wünsche diesbezüglich in Erfüllung gingen?
Das Auto wäre nicht mehr der Lieferzustand bundesdeutscher Mobilität, sondern ein Angebot von vielen. Weil wir die Welt für alle verbessern, Wege vielleicht auch gar nicht mehr antreten müssen, weil Ziele nebenan liegen und unser Leben(sraum) so entspannt ist, dass wir nicht mehr in den Urlaub fliegen müssen, um uns zu erholen. Wir benötigen dringend ein Spiegelbild an den Tischen der Macht, wo unsere Mobilität ausgehandelt wird. Zu oft werden Frauen, Transgender, BIPoC, Behinderte (Black, Indigenous and People of Colour) mit ihren Bedürfnissen vor allem an subjektive Sicherheit und Wegeketten durch z. B. Carearbeit nicht mitgedacht und autoabhängig. Auch viele Menschen mit Behinderungen sind auf das Auto angewiesen, weil öffentliche Verkehrsmittel oft nicht barrierefrei sind. Ich sehe mich als Anwältin derer, die unfreiwillig Auto fahren, keinen Führerschein haben oder sich kein Auto leisten können.

Und weniger utopisch, mehr realistisch gedacht: Was sollte in den nächsten fünf Jahren unbedingt passieren in Sachen Mobilität?
Ich würde als Erstes den über 1.000 Städten und Gemeinden der Aktion „lebenswerte Städte“ das Recht geben, in ihren Städten und Gemeinden Tempo 30 einzuführen. Und damit massiv die Lebensqualität vor Ort zu erhöhen. Durch mehr Sicherheit, weniger Lärm und Emissionen. Also die zahnlose Reform der Straßenverkehrsordnung und des Straßenrechts durch Volker Wissing mit sehr viel mehr Biss ausstatten.

Zweitens würde ich anordnen, dass Verkehrssicherheit ein zentraler Baustein der Politik wird und „Vision Zero“ (null Verkehrstote im Straßenverkehr) ganz oben auf die Agenda setzen, damit Mobilität für alle und insbesondere für Alte, Behinderte und Kinder sicher wird.

Linktipp

https://katja-diehl.de

Und als Drittes würde ich ALLE fossilen Subventionen abschaffen – von Dienstwagen- bis Dieselprivileg. Mit den jährlichen Milliarden würde ich eine sichere Mobilität für alle bauen. So kostet uns das Dienstwagenprivileg je nach Schätzung, mindestens vier Milliarden Euro im Jahr, während ein flächendeckendes On-Demand-Rufbussystem in Deutschland bis 2030 insgesamt etwas über drei Milliarden kosten würde.

Was antworten sie jungen Menschen, die demnächst den Führerschein machen wollen und sich schon darauf freuen, bald unabhängig unterwegs zu sein?
Gibt es bei dir Carsharing? Damit sparst du enorm viel Geld und Zeit! Das Schöne: Carsharing boomt gerade vor allem im ländlichen Raum vornehmlich durch private Initiativen. Nicht, um alle Autos abzuschaffen, aber um Zweit- und Dritt-Pkw besser auslasten und weniger rumstehen zu haben.

Cover Katja Diehl Raus aus der Autokratie

Buchtipp

Katja Diehl: Raus aus der AUTOkratie. Rein in die Mobilität von morgen. Fischer 2024. 20,00 Euro.

E-Paper karriereführer recht 1.2025 – Nur Mut: Jurist:innen profitieren von Generativer KI und Offenheit für Innovation

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Zuversicht in Zeiten der Omnikrisen: Jurist:innen und Generative KI

Jurist:innen stehen vor neuen Herausforderungen in einer Ära der Omnikrisen. Wie Generative KI und innovative Arbeitsmodelle die Rechtsbranche verändern und warum Zuversicht und Offenheit entscheidend sind, um den Wandel erfolgreich zu gestalten – eine Analyse. Ein Essay von André Boße

Ein Begriff, der in diesem Jahr 2025 häufig Erwähnung findet, ist das Wort Zuversicht. Klar, die Zahl der politischen und gesellschaftlichen Problemlagen nimmt nicht ab. Niemand spricht mehr von der Krise im Singular. Wir erleben vielmehr das Zeitalter der Omnikrisen. Was das ist, definiert der Zukunftsforscher Matthias Horx in einem Meinungsbeitrag auf der Webseite seines Think-Tanks „The Future: Project“: „Zweifelsohne haben wir es heute mit sich überlagernden Krisenphänomenen zu tun: Krisen der Globalisierung, Krisen der Umwelt, Krisen der Gesellschaft, der Demokratie, der Technologie.“ Die „wahre Krise“ dieser Zeit jedoch sei eine „Wahrnehmungs- und Kognitionskrise“. Oder überspitzt formuliert: eine eingebildete Krise. Denn: „Die meisten Phänomene, die uns heute in eine apokalyptische Verzweiflungsstimmung bringen, gab es eigentlich immer schon:

Mörderische Kriege, Ungerechtigkeiten, Naturzerstörungen und großflächiger, bedrohlicher Wandel sind nichts Neues“, schreibt Horx. Das Problem sei: Die Legende vom ständigen Fortschritt habe uns glauben gemacht, alles würde immer besser. Fairer. Am Gemeinwohl interessierter. Dass es nun offensichtlich anders kommt, sorgt für eine herbe Enttäuschung. Mit der Folge, dass selbst normale und harmlose Phänomene und Entwicklungen als „monströs“ wahrgenommen werden. Weil, schreibt der Zukunftsforscher die „Hypermedialisierung durch Internet und Künstliche Intelligenz“ zu einer „kollektiven Hysterisierung von Wahrnehmungsformen“ führe. Schon der Volksmund hält für dieses Phänomen ein Sprichwort parat: „Nichts wird so heiß gegessen, wie es gekocht wird.“

Viele Probleme – aber die Lösung liegt auf dem Tisch

Woraus sich in dieser Stimmung heraus Zuversicht ableiten lässt: Mit einem Fokus auf das, was man kann. Was einen stark macht. Das gilt für alle Berufsgruppen. Es gilt aber besonders für Jurist:innen. In den vergangenen Jahren konnte durchaus der Eindruck entstehen, dass überall dort, wo Juristin: innen tätig sind, der Veränderungsdruck besonders groß ist. Mit der Folge, dass es die Zuversicht in Kanzleien, in der Verwaltung oder in den Rechtsabteilungen der Unternehmen schwer hatte. Dabei ist sie dort besonders wichtig. Um mit den Veränderungen nicht nur leben zu können, sondern daraus Stärken zu entwickeln. Auch, wenn’s unbequem wird. Matthias Horx schreibt dazu: „Individuen, Systeme, Unternehmen, Gesellschaften ändern sich kaum, wenn alles komfortabel ist.

Deutscher Legal Tech-Markt wächst

Foto: AdobeStock/fotohansel
Foto: AdobeStock/fotohansel

Der Legal Tech Monitor, veröffentlicht vom Legal Tech Verband, untersucht regelmäßig den technischen Fortschritt auf dem Rechtsmarkt. Die neue Studie für 2025 zeigt, dass der Markt eine beachtliche Größe erreicht hat. So sind in Deutschland rund 300 Legal Tech- Unternehmen aktiv, die bis zu 10.000 Beschäftigten Arbeit geben. Darunter natürlich nicht nur Jurist:innen – der Markt zeichnet sich durch eine große Interdisziplinarität aus. Bei den Unternehmen handelt es sich um bereits etablierte Player, aber auch um noch junge Startups, die sich häufig auf kleine Nischen spezialisieren und „dynamische, aber schwankende Wachstumsverläufe“ vorweisen. Sprich: Wer sich für einen Job in dieser jungen Szene interessiert, geht ein gewisses Risiko ein. Kann aber von der Dynamik profitieren.

Wege aus der Krisenstimmung

Wandel geschieht eher, wenn wir auf äußere Veränderungen reagieren – sprich: auf Krisen eine Antwort finden. (…) Wenn wir endlich aufhören, zu jammern und uns ständig darüber zu beschweren, was die Welt uns zumutet.“ Ein Blick in das Innenleben von Kanzleien und Rechtsabteilungen. Der juristische Informationsdienstleister Wolters Kluwer veröffentlicht einmal im Jahr eine „Future Lawyers Studie“; der aktuelle Report erschien im Herbst vergangenen Jahres. Der Titel lautet „Legal Innovation“, der Untertitel bringt die Frage auf den Punkt: „Die Zukunft gestalten oder abgehängt werden?“ Klar, jeder Teilnehmende der Befragung, die dieser Studie zugrunde liegt, sieht sich lieber als „Gestalter“, denn als ein Akteur, der „abgehängt“ wird.

Informationssicherheit managen

Wenn es aber darum geht, die fünf zentralen Trends zu benennen, die in den kommenden drei Jahren die größte Auswirkung auf den Rechtsmarkt haben werden, ist die Sichtweise eher negativ. Und zwar international: Die Studie beruht auf Interviews mit mehr als 700 Anwält:innen aus Kanzleien und Rechtsabteilungen in den USA sowie in neun Ländern Europas, darunter auch Deutschland. Die Trends lauten: Den hohen Kosten- und Preisdruck zu bewältigen – also dafür zu sorgen, dass sich das Geschäft weiterhin rechnet. Die Informationssicherheit managen – also Datenschutz zu garantieren, Missbrauch zu verhindern. Mit der Menge und Komplexität von Informationen klarzukommen – also nicht in Daten unterzugehen. Und schließlich genügend Fachkräfte zu gewinnen – also ein schlagkräftiges Team zusammenzustellen.

„Gemeinsam denkt es sich leichter als allein.“ Matthias Horx

Das sind vier Trends mit negativer Konnotation. Interessant daher, dass der fünfte Spitzentrend das Potenzial besitzt, alle vier anderen Probleme zu lösen: Die GenAI – also Systeme mit generativer Künstlicher Intelligenz, die in der Lage sind, eigene Inhalte herzustellen – werde sich immer verstärkter auf die Arbeit in Kanzleien und Rechtsabteilungen auswirken. Eingesetzt werde sie laut Studie heute vor allem, „um die Effizienz zu steigern und den wachsenden Anforderungen ihrer Mandant: innen gerecht zu werden“. Wobei die GenAI mehr kann: Sie macht Kanzleien effizienter, was den Kostendruck abmildern kann. Sie ist eine starke Methode, um die Komplexität von Daten zu reduzieren. Mit dem Ziel, die Daten nicht nur zu sammeln, sondern mit ihnen sinnvoll arbeiten zu können. Und: Eine Kanzlei oder eine Rechtsabteilung, die schon jetzt gewinnbringend auf die GenAI setzt, hat beste Karten, talentierte oder erprobte Spitzenkräfte zu gewinnen. Denn diese suchen sich ihre Arbeitgeber heute eben nicht nur danach aus, wer am besten zahlt. Die Studie zeigt: Noch höher bewerten die juristische Fachkräfte eine „akzeptable Work-Life- Balance“, und als genauso wichtig wie „wettbewerbsfähige Vergütungspakete“ betrachten sie die berufliche Entwicklung und Weiterbildung.

Rückkehr ins Büro – aber bitte für Begegnungen

In diesem wichtigen Feld punkten Arbeitgeber auch dann, wenn sie ein innovatives Arbeitsumfeld bieten. Das wiederum geht mit GenAI-Systemen auf dem neuesten Stand, die so eingesetzt werden, dass sie die Effizienz, Produktivität und auch die Qualität der Arbeit erhöhen. Was dann wiederum auf die Work-Life-Balance einzahlt. Denn wenn eine Künstliche Intelligenz Aktenberge analysiert, muss das eine Fachkraft nicht bis tief in die Nacht hinein erledigen. Stattdessen kann sie sich am Morgen danach mit den Schlussfolgerungen aus der Analyse beschäftigen. Und zwar gerne im persönlichen Austausch mit Kolleg:innen. Denn auch das zeigt die Studie: „Jurist:innen kehren in ihre Büros zurück“, lautet eine Zwischenüberschrift der Studien-Zusammenfassung. In fast Dreiviertel der befragten Kanzleien und Rechtsabteilungen arbeiten die Jursti: innen wieder vier und mehr Tage die Woche im Büro. Was im besten Fall dazu führe, dass die Fachkräfte diese gemeinsame Zeit „für den persönlichen Austausch“ nutzen, wie die Studie festhält.

Ende des Stundensatzes

Foto: AdobeStock/Nijat
Foto: AdobeStock/Nijat

Seit klar ist, dass die Generative KI in den Kanzleien für ungeahnte neue Effizienz sorgen wird, mehren sich die Stimmen, dass die klassische Abrechnung nach Stunden bald der Vergangenheit angehören könnte. In einem Meinungsbeitrag für die Nachrichtenagentur Reuters stellen die beiden juristischen Markt-Expert:innnen Sharzaad Borna und Jeremy Glaser in Aussicht, dass von einer Verlagerung hin zu Pauschalgebühren oder leistungsabhängigen Preisen auszugehen sei – „insbesondere in Bereichen wie Fusionen und Übernahmen“. Plattformen wie „Relativity“ oder „Harvey“ automatisierten diese Prozesse bereits heute. „Sie liefern Ergebnisse in einem Bruchteil der Zeit, die früher dafür benötigt wurde“, heißt es in dem Beitrag. „Diese Tools revolutionieren die Art und Weise, wie Anwaltskanzleien ihre Dienstleistungen erbringen, und zwingen sie dazu, ihre Abrechnungsmethoden für Zeit und Fachwissen zu überdenken.“

Generell stellen die Studienautor:innen fest, dass die Kanzleien und Rechtsabteilungen schon heute flexibler zu Werke gehen – und damit genau richtig liegen. „Um ihre Arbeit effizienter und effektiver zu gestalten, erweitern die Rechtsteams ihren Werkzeugkasten“, fassen die Studienautoren die Ergebnisse zusammen. „Durch GenAI haben sie die Möglichkeit, Arbeitsabläufe neu zu gestalten und den Personaleinsatz anzupassen und zu optimieren. Kanzleien haben die Möglichkeit, die Erbringung von Dienstleistungen für ihre Mandant:innen zu überdenken, einschließlich der Nutzung alternativer Honorarvereinbarungen, die von den traditionellen juristischen Geschäftsmodellen der abrechenbaren Stunden abweichen.“ Aus diesen Punkten leiten die Expert:innen von Wolters Kluwer in der Studienzusammenfassung die so bedeutsame „Zuversicht“ in diesen Zeiten der Veränderung ab: „Die Angehörigen der Rechtsberufe sind optimistisch, was ihre Fähigkeit angeht, mit dem sich beschleunigenden Wandel Schritt zu halten.“

Zuversicht durch neue Sicht

Auch in einem ganz anderen Berufsbereich stehen Jurist:innen vor der Aufgabe, dem Wandel nicht im Weg zu stehen, sondern ihn im Zusammenspiel mit anderen voranzutreiben: in der Verwaltung. Forschende von der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften legten zuletzt eine Studie vor, die der Frage nachgeht, wie die deutsche Verwaltung „innovationsfreundlicher“ werden könnte. Dass es bei dieser Studie auch um den juristischen Beruf gehen würde, liegt auf der Hand: „Mit rund 44 Prozent stellen Juristinnen und Juristen die größte Gruppe der Führungskr.fte in der Verwaltung“, heißt es in der Studie. So viel wie in keinem anderen Land in Europa. Dieser Umstand gewähre „einerseits die Rechtssicherheit“. Er könne aber auch der Entwicklung von Innovationsgeist und agilen Lösungsansätzen entgegenstehen. „Innovationen entstehen aus Ideen und Veränderungsbereitschaft“, wird Projektleiter Christoph M. Schmidt in der Zusammenfassung der Forschungsergebnisse auf der Homepage der Akademie zitiert. „Das gilt auch für die Transformation der staatlichen Verwaltung. Ihre Modernisierung wird nur gelingen, wenn sie sich agilen und effizienten Lösungswegen und hierarchie- und ressortübergreifenden Arbeitsweisen öffnet und statt auf das Vermeiden von Fehlern auf die aktive Suche nach Lösungen abzielt.“

„Wer vor dem Selbstwandel keine Angst hat, kann Großes bewirken.“ Matthias Horx

Das ist durchaus als Kritik an das juristische Arbeiten in der Verwaltung zu verstehen. In der Langfassung der Verwaltungsstudie wird Projektleiter Schmidt noch konkreter: Eine einseitige Fokussierung auf die juristische Qualifikation bei der Besetzung von Führungsstellen in der Verwaltung führe zu einer Vernachlässigung von Kompetenzen, die für eine „agilere und effizientere Verwaltung zumindest gleichermaßen nötig wären“. Nämlich: Innovationsbereitschaft und Agilität. Nicht, dass Jurist:innen diese Skills nicht besitzen. Jedoch stehen sie zumeist nicht im Zentrum des Anforderungsprofils. Weshalb es wichtig sei, „Anreize für Fachkräfte mit privatwirtschaftlichem Hintergrund“ zu schaffen, um so neues Fachwissen in die Verwaltung einzubringen und für neue Impulse zu sorgen.

Wandel ist unbequem – muss aber sein

Moment, könnte manch eine juristische Fachkraft jetzt denken. Sind wir das Problem? Nein. Jurst:innen stehen immer für Lösungen. Und diese zu finden, ist in der Welt der Omnikrisen wichtiger denn je. Nur: Ob Systeme der GenAI in den Kanzleien und Rechtsabteilungen oder Kolleg:innen aus anderen Bereichen und besonders mit privatwirtschaftlichem Hintergrund in den Verwaltungen – diese neuen Akteure fordern die Jurist:innen heraus, neu zu denken. Effizienter und produktiver zu arbeiten. Innovativer und zielgerichteter. Manchmal auch progressiver – und nicht auf das pochend, was schon immer galt. Wobei dies – und auch das ist ein Trend – gerne im persönlichen Austausch mit Kolleg:innen passieren darf. Um gemeinsam festzustellen, dass man zuversichtlich in die Zukunft blicken kann. Was in Teams häufig besser funktioniert als allein.

„Die menschliche Grundkompetenz ist nicht stetiger Wandel“, schreibt Zukunftsforscher Matthias Horx in seinem Meinungsbeitrag über „Die Omnikrise“. „Warum auch? Warum sollten wir das Funktionierende nicht beibehalten, das Existierende belassen?“ Nur: Wenn es nicht mehr recht funktioniert, dann stockt es. Dann ist Wandel nötig. Wie man ihn forcieren kann? Horx: „Indem wir die Angst vor dem Selbstwandel überwinden.“

Datenschutzbeauftragte Prof. Dr. Louisa Specht-Riemenschneider im Interview

Im Frühjahr 2024 bestimmte die Bundesregierung Prof. Dr. Louisa Specht- Riemenschneider zur Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI). Die Juraprofessorin ist damit das, was man in den Medien gerne „oberste Datenschützerin“ nennt. Worin sie in dieser Position ihre Aufgabe sieht, was die Gründe für das Akzeptanzproblem des Datenschutzes sind und warum sie Jurist:innen diesen Rechtsbereich empfiehlt, erzählt sie im Interview. Die Fragen stellte André Boße.

Zur Person

Prof. Dr. Louisa Specht-Riemenschneider (geboren 1985 in Oldenburg) ist seit September 2024 Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI). Sie war zuvor Inhaberin des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht, Recht der Datenwirtschaft, des Datenschutzes, der Digitalisierung und der Künstlichen Intelligenz der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn. Sie studierte Rechtswissenschaft in Bremen, promovierte und habilitierte in Freiburg und hatte anschließend Professuren in Köln und Passau inne. Als Direktorin leitete sie das Institut für Handels- und Wirtschaftsrecht der rechts- und staatswissenschaftlichen Fakultät sowie das Zentrum für Medizinische Datennutzbarkeit und Translation (ZMDT). Zudem begleitete sie die Gründung des Dateninstituts unter Federführung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) und des Bundesministeriums des Innern und für Heimat (BMI).

Frau Prof. Dr. Louisa Specht-Riemenschneider, was macht Datenschutz in Ihren Augen zu einem Kernthema dieser Zeit?
Das gesellschaftliche und wirtschaftliche Interesse an Datennutzbarkeit und digitalen Angeboten steigt jeden Tag. Politik ist immer ein Spiegel der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Realitäten. Deshalb sehen wir auch zunehmend Gesetzgebung, mit der Datennutzbarkeit und digitale Angebote unterstützt werden sollen. Momentan nehme ich vor allem Rufe nach einer drastischen Reduzierung von Datenschutz und Datenschutzaufsicht wahr. Ich sehe meine Aufgabe und die Aufgabe meines Hauses darin, in Erinnerung zu rufen, dass Datenschutzrecht ein Schutzinstrument zur Gewährleistung eines für die Demokratie sehr wichtigen Grundrechts ist: dem informationellen Selbstbestimmungsrecht. Sich nicht überwacht zu fühlen, ist Grundlage unserer Freiheit, ist Grundlage unseres Wertesystems. Das sollte nicht in Vergessenheit geraten.

Passiert aber.
Es ist daher sehr wichtig, dass wir uns bewusst darüber sind, auf welchen Weg wir uns mit einer schleichenden Reduktion des Datenschutzrechts begeben könnten. Es ist menschlich, diese Langzeitrisiken zu unterschätzen, umso wichtiger scheint es mir, darauf hinzuweisen, dass Datenschutz kein Selbstzweck ist, sondern demokratie- und freiheitssichernd wirkt. Gleichzeitig darf Datenschutzrecht nicht als Hinderungsinstrument für gesellschaftlich und wirtschaftlich dringend benötigte Digitalisierungs- prozesse fehlverstanden werden. Die DSGVO ist nie angetreten, um jegliche Datennutzbarkeit zu verhindern. Wer das behauptet, hat Sinn und Zweck des Datenschutzrechts nicht verstanden.

Wie sehen Sie in dieser Hinsicht konkret Ihre Aufgabe?
Ich sehe meine Aufgabe und die Aufgabe meines Hauses sehr stark darin, zu zeigen, wie Digitalisierung und Datennutzbarkeit im Einklang mit dem Datenschutzrecht gelingen können. Das Datenschutzrecht kann Wegbereiter für eine grundrechtssensible Digitalisierung sein. Datenschutz ist Vertrauensfaktor und Vertrauen in einen digitalen Dienst kann einen wirtschaftlichen Vorteil bedeuten. Insofern glaube ich daran, dass dann, wenn Datenschutz und Nutzerfreundlichkeit zusammengedacht werden, Datenschutz ein echter Standortvorteil werden kann.

Sie selbst sagen, der Datenschutz habe in Teilen der deutschen Gesellschaft ein Akzeptanzproblem. Woher rührt es?
Das Akzeptanzproblem hat aus meiner Sicht zwei wesentliche Gründe: Funktionsdefizite und Rechtsunsicherheit. Im Alltag begegnet uns oft nur die vermeintlich unbequeme Seite des Datenschutzrechts: Cookie-Banner, lange und unverständliche Einwilligungstexte oder unnötige Bürokratie. Zur ehrlichen Diskussion gehört es daher zu sagen: An manchen Stellen gestaltet das Datenschutzrecht den Alltag der Menschen nicht so, wie es gedacht war. Der oder dem Einzelnen die Möglichkeit zu geben, selbstbestimmte Entscheidungen über die Verwendung der sie oder ihn betreffenden personenbezogenen Daten zu geben, ist in der Theorie gut gedacht, häufig funktioniert diese selbstbestimmte Entscheidung aber nicht, weil ich mich gezwungen fühle, einen Dienst zu nutzen. Und kaum jemand liest Datenschutzerklärungen oder AGB. Das wissen wir aus den Verhaltenswissenschaften seit Jahrzehnten, aber der Gesetzgeber scheint diese Einwände nicht hören zu wollen. Ich will also sagen: Man könnte die gesetzliche Ausgestaltung des Datenschutzrechts besser machen.

Datenschutz ist Vertrauensfaktor und Vertrauen in einen digitalen Dienst kann einen wirtschaftlichen Vorteil bedeuten.

Sie sprachen von der Rechtsunsicherheit als zweitem Akzeptanzproblem. Warum ergibt sich dieses?
Die Datenschutzgrundverordnung ist eine Grundverordnung, die viele unbestimmte Rechtsbegriffe und Abwägungsklauseln enthält, die es für den Datenverarbeiter schwierig macht, mit hinreichender Sicherheit im Vorfeld einer Datenverarbeitung abschätzen zu können, welche Daten unter welchen Bedingungen verarbeitet werden dürfen und welche eben nicht. Dadurch entsteht Frustration auch bei denjenigen, die sich gern an Recht und Gesetz halten möchten.

Datenschutz ist immer auch ein Thema der Tagespolitik. Wie können Sie mit Ihrer Arbeit gewährleisten, dass Sie als Bundesbeauftrage mit Ihrer Expertise nicht von politischem „Aktionismus“, zum Beispiel nach bestimmten Ereignissen, überrollt werden?
Ich habe direkt zu Beginn meiner Amtszeit das Angebot gemacht, dass die Akteure aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft sehr gerne sehr früh auf mich und meine Behörde zukommen können. Wir beraten bei Projekten gerne direkt und konstruktiv von Anfang an. Auch versuche ich mit meinem Haus, selbst aktiv auf politische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Akteure zuzugehen. Gleichzeitig habe ich Verständnis dafür, dass Politik auf Ereignisse auch kurzfristig reagieren muss. Zwischen der Handlungsfähigkeit des Staates und übereilten Entscheidungen liegt aber nur ein schmaler Grat.

Meine Aufgabe ist es, darauf hinzuweisen, dass bei allem Verständnis für Kurzfristerfordernisse, zum Beispiel in der Sicherheitspolitik, die Langfristrisiken, die ein Zurückstellen des Datenschutzrechts hinter Sicherheitsbedürfnissen für Freiheit und Demokratie haben kann, nicht einfach unter den Tisch gekehrt werden. Am Ende gilt das Grundgesetz: Seine Grundrechte und Wertentscheidungen. Oder, um es mit Benjamin Franklin zu sagen: Wer die Freiheit aufgibt, um Sicherheit zu gewinnen, hat weder das eine noch das andere verdient – und wird am Ende beides verlieren.

Wie wird sich das Thema Datenschutz durch immer neue KI-Systeme verändern?
Die Entwicklung im Bereich KI stellt das Datenschutzrecht vor enorme Herausforderungen. Wir müssen sicherstellen, dass Künstliche Intelligenz mit unseren Grundrechten und den Prinzipien der DSGVO im Einklang steht. Gleichzeitig fordert KI diese in gewisser Weise heraus, etwa wenn es um Transparenz in der „Black Box“ oder um die Gewährleistung von Betroffenenrechten geht. Ich sehe aber nicht nur datenschutzrechtliche Risiken, ich sehe natürlich auch die erheblichen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Chancen, die KI bietet. Deshalb ist es wichtig, dass wir uns darüber Gedanken machen, wie wir den datenschutzrechtlichen Herausforderungen bei der Entwicklung und der Nutzung von KI begegnen können. Ich baue in meiner Behörde derzeit ein eigenständiges KI-Referat weiter aus, um hinreichend Inhouse-Expertise zu haben.

Aufgaben und Befugnisse der BfDI

Die Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI) ist eine eigenständige oberste Bundesbehörde und Hüterin des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung. Zudem beaufsichtigt sie die Telekommunikations- und Postdienstunternehmen und kontrolliert diese Stellen, ob die rechtlichen Bestimmungen zum Datenschutz umgesetzt und eingehalten werden. Gleichzeitig ist die BfDI Beraterin des Deutschen Bundestages in datenschutzrechtlichen Fragen. Sie klärt die Öffentlichkeit über Risiken, Vorschriften, Garantien und Rechte im Zusammenhang mit der Verarbeitung personenbezogener Daten auf. Die Bürger: innen haben das Recht, sich mit einer Beschwerde an die BfDI zu wenden, wenn sie der Ansicht sind, dass eine der Aufsicht der BfDI unterliegende Stelle ihre Rechte in den Bereichen Datenschutz oder Informationsfreiheit verletzt hat.

Warum ist der Bereich Datenschutz in Ihren Augen ein gutes Feld, um dort als Jurist:in tätig zu sein?
Das Datenschutzrecht und das Datenrecht insgesamt ist ein vergleichsweise junges, dynamisches und hochrelevantes Rechtsgebiet. Für Juristinnen und Juristen bietet es die Möglichkeit, an der Schnittstelle von Recht, Technologie und Gesellschaft zu arbeiten. Zudem ist das Datenschutzrecht zunehmend im Kontext von Wettbewerbs-, Verbraucher-, Urheber- und Digitalrecht insgesamt zu sehen, was völlig neue Rechtsfragen aufwirft. Hier tatsächlich ein Rechtsgebiet von seinen Ursprüngen an mitbegleiten und mitgestalten zu dürfen, bietet ganz wunderbare Entwicklungsperspektiven und macht einfach Spaß.

Eine Aufgabe Ihres Jobs ist es, unbequem zu sein. Dinge zu hinterfragen und weiterzudenken. Wie und wann haben Sie sich diese Skills angeeignet?
Ich komme aus der Wissenschaft. Nirgendwo denkt man so kritisch wie dort. Ich hinterfrage erst einmal alles und schaue mit einem wissenschaftlich-neutralen Blick auf die Probleme. Und ich lasse mich nicht mit halbgaren Antworten abspeisen. Was mir stets sehr geholfen hat: Ich bin in meinem Denken kritisch und meinen Vorschlägen konkret, weil ich in der Sache die beste Lösung will. Und mein erster Eindruck nach gut fünf Monaten im Amt ist, dass dies als sehr hilfreich gewürdigt wird. Mir geht es darum, fachlich einen guten Job zu machen. Und dafür gebe ich alles.

Was sind bei Ihrer Arbeit Momente, in denen Sie denken: „I love my job“?
Ich liebe meinen Job jeden Tag. Aber ganz besonders in den Momenten, in denen ich merke, dass unsere Arbeit Wirkung zeigt und Probleme löst. Je größer das Problem, je größer die Herausforderung, desto mehr Spaß macht es mir, nach Lösungen zu suchen.

Kuratiert

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Jurist*innen aufgepasst: Recht in der Social-Media-Welt

Hass und Hetze im Internet haben ein erschreckendes Ausmaß erreicht. Die bayerische Initiative „Justiz und Medien – konsequent gegen Hass“ schützt gezielt Content Creator*innen. Über ein Online-Verfahren können Influencer strafbare Hasskommentare direkt bei der Justiz melden. Ziel ist es, Hasskriminalität konsequent zu bekämpfen.
https://bit.ly/4jzmHYK

EuGH: Unternehmen dürfen Anrede nicht zur Pflicht machen

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat am 9. Januar 2025 entschieden, dass Unternehmen ihre Kunden nicht zur Angabe einer geschlechterspezifischen Anrede wie „Herr“ oder „Frau“ verpflichten dürfen. Das Urteil (C-394/23) besagt, dass die Erhebung solcher personenbezogenen Daten gegen die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) verstößt, wenn diese für den jeweiligen Zweck nicht notwendig sind. Der Fall betrifft das französische Eisenbahnunternehmen SNCF Connect. SNCF verlangte bei Online-Ticketkäufen die verpflichtende Angabe einer Anrede.
https://bit.ly/4aJGwZq

Für den Klimaschutz: Gutachten zu staatlichen Pflichten

Der Internationale Gerichtshof (IGH) erstellt erstmals ein Rechtsgutachten zur Klimaschutz- Verpflichtung von Staaten. Nach Anhörungen von 98 Staaten und 12 Organisationen soll geklärt werden, ob Staaten rechtlich stärker zum Klimaschutz verpflichtet werden können. Das Gutachten, das 2025 erwartet wird, ist nicht bindend, könnte aber global Einfluss haben. Entwicklungsländer fordern drastische Maßnahmen, große Wirtschaftsstaaten verweisen auf das Pariser Abkommen. https://rsw.beck.de/aktuell/daily/meldung/detail/klimaschutz-un-gericht-igh-rechtsgutachten-pflichten

Von Sonja Theile-Ochel

Die ersten 100 Tage im Job – 5 Erfolgstipps für einen gelungenen Einstieg als Nachwuchsjurist:in

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Der Berufseinstieg als Nachwuchsjurist:in ist entscheidend für die Karriere. Die ersten 100 Tage bieten Chancen und Herausforderungen. Dr. Anja Schäfer ist Juristin und Karrierementorin. In ihrem Gastbeitrag verrät sie 5 Tipps – von Selbstbewusstsein bis Netzwerken, um den Start erfolgreich zu meistern.

Der wichtigste Schritt beim Start in eine neue Tätigkeit ist, dafür zu sorgen, dass Sie einen guten Start haben. Wie der römische Feldherr und Kaiser Gaius Julius Cäsar es treffend formulierte: „Ich kam, sah und siegte.“

Nachwuchsjurist:innen ist es jedoch oft nicht bewusst, dass über Sympathie und Antipathie innerhalb weniger Sekunden entschieden wird. Der erste Eindruck zählt – und eine zweite Chance, ihn zu verbessern, gibt es selten. Fällt er negativ aus, kann das nicht nur die Probezeit erschweren, sondern auch zukünftige Entwicklungsmöglichkeiten erheblich beeinflussen.

Der erste Eindruck zählt und eine zweite Chance, ihn zu verbessern, gibt es selten.

Eine sorgfältige Vorbereitung ist daher nicht nur für das Vorstellungsgespräch, sondern auch für den Start in den ersten Job in einer Kanzlei oder auch in jedem anderen Tätigkeitsbereich unerlässlich. Diese Investition zahlt sich aus, wie die folgenden fünf Tipps zeigen werden.

  1. Perfekt starten: Warum der erste Eindruck so entscheidend ist Prüfen Sie selbst, wie Sie sich präsentieren, wie Sie wirken und wie Sie wahrgenommen werden (wollen). Schließlich ist Ihr persönlicher Auftritt nicht nur von Ihrer Kleidung abhängig. Holen Sie sich gezielt Feedback zu Ihrer Wirkung und Außenwahrnehmung – etwa von wohlgesonnenen Freund:innen, ehemaligen Kolleg:innen oder Vorgesetzten. Betrachten Sie die Weiterentwicklung Ihres nonverbalen Auftretens als sinnvolle Investition. Aspekte wie Ihre Stimme oder Körpersprache können einen entscheidenden Unterschied machen. Zudem kann ein:e Mentor:in, entweder aus Ihrem Arbeitsumfeld oder extern, eine wertvolle Unterstützung beim Berufseinstieg sein. Klären Sie zeitnah Ihren fachlichen Fortbildungsbedarf und gehen Sie ihn aktiv an. Setzen Sie sich mit Tools und Technologien auseinander, die in Ihrem neuen Arbeitsumfeld relevant sind. Schließen Sie zudem sprachliche Lücken oder andere Qualifikationsdefizite, um den positiven Eindruck aus dem Vorstellungsgespräch auch im beruflichen Alltag weiterzuführen.
  2. Selbstbewusst auftreten: Ein Schlüssel für Ihren Erfolg Die ersten 100 Tage im neuen Job sind entscheidend für einen erfolgreichen Berufseinstieg. Bereiten Sie sich daher bereits vor dem ersten Arbeitstag mental darauf vor, indem Sie Ihre innere Stimme auf Erfolg programmieren. Auf diese Weise starten Sie mit Selbstvertrauen, Selbstwertgefühl und Selbstbewusstsein in Ihre neue Tätigkeit. Analysieren Sie auch die äußeren Umstände, die mitunter unnötigen Stress oder Ärger verursachen. Beispielsweise können lange oder stauanfällige Anfahrtswege mit dem Auto durch eine Umstellung auf die Bahn entspannter gestaltet werden – oder umgekehrt. Eine weitere Möglichkeit ist, während der Einarbeitungszeit oder spätestens danach flexible Arbeitsmodelle wie Homeoffice für einige Tage pro Woche zu nutzen.
  3. Wissen ist Macht: Mit Ihrer Expertise beruflich durchstarten Nutzen Sie (nicht nur) die ersten 100 Tage im neuen Arbeitsumfeld gezielt, um Ihre Expertise zu stärken und Ihre Sichtbarkeit zu erhöhen. Falls zu Beginn noch unklar ist, welche Aufgabenbereiche Sie inhaltlich übernehmen werden, klären Sie dies frühzeitig in den ersten Monaten. Besprechen Sie mit Ihren Vorgesetzten und Kolleg: innen, welche fachlichen Weiterbildungen während oder nach der Probezeit sowie in den ersten drei Berufsjahren sinnvoll und notwendig sind. Stellen Sie außerdem heraus, wie Ihre bisherigen Fachkenntnisse aus früheren Tätigkeiten, praxisbezogenen Erfahrungen (beispielsweise aus dem Referendariat oder einem Praktikum) oder zusätzliche Qualifikationen, wie etwa eine Promotion, in Ihrem neuen Arbeitsumfeld einen Mehrwert bieten. So können Sie sich sowohl intern als auch extern optimal positionieren.
  4. Mehr als Routineaufgaben: Die eigene Expertise gezielt einbringen Vor allem Nachwuchsjuristinnen legen Wert darauf, hauptsächlich Aufgaben zu übernehmen, die ihre Expertise betonen und häufig darauf fokussiert sind, den (Kanzlei- oder Mandats-)Arbeitsalltag zu bewältigen. Nutzen Sie jede sich Ihnen bietende Gelegenheit wie interne Meetings oder den Austausch mit Mandant:innen dafür, Ihre Fachkenntnisse aktiv einzubringen. Auf diese Weise können Sie sich gezielt als Expert:in positionieren, bekannt werden und Anerkennung für Ihre Expertise erlangen – immer mit Blick auf Ihre persönlichen Ziele und Ihr berufliches Fortkommen.
  5. Netzwerken im digitalen Zeitalter: LinkedIn als Sichtbarkeitsmultiplikator (nicht nur) für Ihren Karrierestart Zeigen Sie Ihr Knowhow und individuellen Stärken auch im virtuellen Raum. Falls Sie noch kein LinkedIn-Profil haben, legen Sie sich spätestens mit Ihrem Berufseinstieg ein professionell aufgestelltes zu.

Der erste Arbeitstag ist ein guter Anlass, Ihr bereits bestehendes Netzwerk über Ihre neue Position zu informieren. Aktualisieren Sie Ihr Profil, posten Sie einen passenden Beitrag (z. B. auf LinkedIn) oder senden Sie eine E-Mail mit Ihren aktuellen Kontaktdaten. Nutzen Sie die Plattform auch strategisch für den weiteren Aufbau Ihres beruflichen Netzwerks. Über einen QR-Code haben Sie Ihr LinkedIn-Profil jederzeit zur Hand und können dieses auf Netzwerkveranstaltungen schnell mit anderen Personen teilen und so mit diesen in Kontakt und im Gespräch bleiben.

Es gibt viele Möglichkeiten, wie Sie den erfolgreichen Start in Ihrem neuen (Kanzlei-) Arbeitsumfeld gestalten können. Seien Sie jedoch realistisch und bedenken Sie, dass sich Ihre Bemühungen meist erst im Laufe der Zeit auszahlen. Bleiben Sie geduldig und arbeiten Sie kontinuierlich an Ihrer Sichtbarkeit als Expert:in. Schließlich gilt der Spruch: „Rom wurde auch nicht an einem Tag erbaut.“

Die Autorin:

Podcast-Anja-SchäferDr. Anja Schäfer ist Anwältin und Karrierementorin. Sie unterstützt exklusiv Jurist:innen in puncto Expert:innenpositionierung, Personal Branding und strategischem Netzwerkaufbau mit dem Ziel, persönliche Karriereziele zu erreichen oder sich beruflich neu zu orientieren. Sie spricht über die genannten Themen im „Juristinnen machen Karriere! … Podcast“ und hat ihre besten Tipps zum Download im Karriere-Erfolgsfahrplan für Jurist:innen zusammengefasst.
https://open.spotify.com/show/6B23eCYgRBzIS9GgA8zfEG?si=43707de8c9b746b3

Lügen erkennen! Vernehmen wie ein Profi

Wie erkennt man Lügen, entlarvt falsche Identitäten und gewinnt wertvolle Informationen? Professionelle Vernehmungsmethoden bieten spannende Einblicke. Prof. Dr. Michael Saller verrät in diesem Gastbeitrag die Vernehmungsmethoden der Profis.

Zur Person

Prof. Dr. Michael Saller, M.Jur. (Oxford) ist Professor für Wirtschaftsrecht an der Ernst-Abbe-Hochschule Jena und Special Counsel einer führenden Wirtschaftskanzlei in Frankfurt. Der frühere Ermittler des Bundeskartellamts leitete später als Senior Expert bei der OECD in Paris internationale Projekte und nutzte dabei die Vernehmungstechniken intensiv zur Gesprächs- und Verhandlungsführung. Er lehrt zudem an der Frankfurt School of Finance und der ADG Business School Montabaur.

Oft ist es schwer zu erkennen, ob jemand die Wahrheit sagt, lügt oder einem Irrtum unterliegt. Zudem können ungenaue Fragestellungen und mangelnde Vorbereitung den Informationsgewinn erschweren. Menschen verschweigen, irren oder lügen – teils aus Scham, teils aus Eigennutz.

Die Vernehmungsmethoden der Ermittler

Polizisten, Staatsanwälte und Richter müssen einen Sachverhalt zunächst ermitteln, bevor sie Anklage erheben oder Beschuldigte verurteilen können. Die Strafverfolgungsbehörden befassen sich seit vielen Jahrzehnten umfassend mit Fragestellungen zur Informationsgewinnung und nutzen ausgeklügelte Methoden, um von Zeugen und Tätern Auskunft zu erhalten. Dabei ist vor Gericht der sogenannte „Personalbeweis“ – also der Beweis, der durch die Aussage einer Person erbracht wird – nach wie vor von höchster Bedeutung.

Die Urteile von etwa 95 Prozent aller Strafverfahren und 70 Prozent aller Zivilverfahren beruhen auf Zeugenaussagen. Viele Erkenntnisse aus der Vernehmungslehre können auch außerhalb von Strafverfahren Anwendung finden. Der Ermittler steuert das Gespräch – „Wer fragt, der führt“ –, nutzt dabei bestimmte Fragetechniken und muss anschließend beurteilen, wie zuverlässig die Aussagen seines Gegenübers sind. Manche Zeugen und Beschuldigte werden bereitwillig Informationen liefern, während andere, wenn es für sie vorteilhaft ist, lügen, Fakten verschweigen oder die Aussage gänzlich verweigern.

Bei einer Vernehmung geht es darum, Wissen zu generieren – genauso wie bei einem journalistischen Interview, einer sogenannten Due Diligence, einem Verkaufsgespräch oder auch bei Preisverhandlungen mit einem Zulieferer.

Wissen ist Macht – Informationen zeigen sowohl die Möglichkeiten als auch die Grenzen auf.

Der ehemalige FBI-Verhandlungsführer Chris Voss sagte einmal, dass ein guter Verhandlungsführer eine gelungene Verhandlung mit solider Vorbereitung beginnt, ein exzellenter Verhandlungsführer jedoch die Verhandlung selbst nutzt, um zusätzliche Informationen zu erlangen. Allerdings offenbaren Gesprächspartner meist nicht alle Informationen, sei es aus wirtschaftlichem Interesse, aus Angst vor Sanktionen, aus Scham oder aus Selbstschutz.

Völlig unterschiedliche Institutionen – angefangen bei der römisch-katholischen Inquisition, die auch Folter als Vernehmungsmethode einsetzte, über Polizeikräfte, Staatsanwälte und Gerichte, bis hin zu Geheimdiensten wie der CIA und dem Mossad – haben sich mit genau diesen Fragen auseinandergesetzt. Es ist wichtig, zwischen Methoden zur Informationsgewinnung und Methoden zur Erlangung eines Geständnisses zu unterscheiden.

Buchtipp:

Cover Erzähl mir alles!„Erzähl mir alles!“ Wie Verhandlungen und (Personal-) Gespräche mit Hilfe professioneller Vernehmungsmethoden effektiver gelingen können. Springer Verlag, 2024, 29,99 €

In den meisten Gesprächen, Interviews, Befragungen, Verhandlungen und auch Vernehmungen geht es um die Gewinnung von Informationen. Eher selten, meist im Rahmen strafrechtlicher Verfolgungen, geht es darum, ein Geständnis zu erwirken. Auch bei der Vernehmung eines Beschuldigten sollte der Ermittler zunächst versuchen, möglichst viele Fakten zu sammeln, bevor er den Versuch unternimmt, ein Geständnis zu erlangen. Werkzeuge zur Informationsgewinnung sind das kognitive Interview, die sogenannte PEACE-Methode sowie journalistische Techniken. Neben den Techniken zur Informationsgewinnung gibt es auch solche, die darauf abzielen, Befragte zu einem Geständnis zu bewegen, wie beispielsweise die Festlegungstechnik. Ein Geständnis gilt nach wie vor als das wertvollste Beweismittel, wenn es darum geht, einen Fall schnell und sauber abzuschließen.

Lügen erkennen

Wer würde nicht gerne wissen, ob der Gesprächspartner die volle Wahrheit sagt, diese ein wenig verdreht oder uns ein komplettes Märchen auftischt? Kein Wunder, dass sich Wissenschaftler in Theorie und Praxis viele Gedanken darüber gemacht haben, ob und wie eine Lüge zu entlarven ist. Auch in Gerichtsprozessen müssen Richter regelmäßig den Wahrheitsgehalt einer Aussage einschätzen.

Lügner nutzen Parallelerlebnisse.

Für ungeübte Lügner ist es schwierig, komplette Geschichten zu erfinden, ohne sich in Widersprüche zu verstricken. Deshalb greifen sie oft auf echte Erlebnisse zurück. Eine Untersuchung zu falschen Identitäten von Kriminellen zeigte beispielsweise, dass diese häufig nur einen kleinen Teil ihrer echten Identität verändern. Um eine Geschichte detailliert erzählen zu können, nutzen Lügner oft sogenannte Parallelerlebnisse. Sie verwenden Details aus früher real erlebten Ereignissen und integrieren diese in ihre Geschichte. So kann ein Befragter, der fälschlicherweise angibt, bei einem Meeting anwesend gewesen zu sein, von einem anderen Meeting berichten, das einige Zeit vorher stattfand. Dadurch ist er in der Lage, Details wie die Sitzordnung, die Getränke oder den Anfahrtsweg zu nennen. Ein Beschuldigter, der für eine fragliche Tatzeit kein Alibi hat, kann detailliert vortragen, wie er zu diesem Zeitpunkt im Kino war, auch wenn er den Film eine Woche zuvor gesehen hat.

Details entlarven Lügner

Die Erzählung eines Parallelereignisses ist schwer zu erkennen, da Merkmale wie Detailreichtum, Gefühlsbeteiligung oder die Konstanz der Geschichte über mehrere Befragungen hinweg die Story glaubhaft erscheinen lassen. Dennoch ist es möglich, auch Erzählungen von Parallelereignissen als solche zu enttarnen. Ein Ansatz kann sein, nach tagesspezifischen Details zu fragen, zum Beispiel, wie das Wetter an diesem Tag war, oder beim Kinobesuch, wer die Eintrittskarte verkauft hat. Eine andere Möglichkeit besteht darin, die Ereignisse vor oder nach dem Parallelereignis abzufragen.

5 weitere Tipps zur Informationsgewinnung

  1. Mündliche Gespräche führen in der Regel zu mehr Details und relevanteren Informationen als schriftliche Befragungen.
  2. Nehmen Sie sich bei wichtigen Gesprächen Zeit für Small Talk und den Aufbau einer Verbindung. Zeigen Sie Ihren Gesprächspartnern Wertschätzung.
  3. Lassen Sie Ihren Gesprächspartner zu Beginn frei sprechen. Unterbrechen Sie nicht und bleiben Sie wertfrei! Den Aussagen im freien Bericht können Sie fast immer vertrauen.
  4. Schließen Sie nie von der Person auf die Richtigkeit ihrer Aussage. Auch erfolgreiche Geschäftsleute lügen – manchmal sogar sehr gut!
  5. Irrtümer sind gefährlicher als Lügen, da der Erzähler oft alle Glaubhaftigkeitsmerkmale aufweist.

Schrift-Sätze – Kultur-, Buch- und Linktipps

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Neue Wege des Stressmanagements in der hybriden Arbeitswelt

Cover Praxisbuch StressmanagementDas „Praxisbuch Stressmanagement für die hybride Arbeitswelt“ zeigt, wie man Stress zwischen Homeoffice und Büro mit multimodalen Ansätzen meistert. Es kombiniert Forschungserkenntnisse mit praxisnahen Übungen, um Belastungen zu reduzieren und die Vorteile hybrider Arbeit optimal zu nutzen. Ein kompakter Ratgeber für gesunde Routinen und mentale Balance. Dr. Sandra Waeldin: Praxisbuch Stressmanagement für die hybride Arbeitswelt. Wiley-VCH 2024, 368 Seiten, 24,99 Euro.

Wut – Plädoyer für ein verpöntes Gefühl

Cover Heidi Kastner WutDarf Wut sein? Ja! In unserer Gesellschaft wird Wut zwar abgelehnt, aber ihre Unterdrückung führt zu Zynismus, psychosomatischen Erkrankungen oder gefährlichen Ausbrüchen. Die Gerichtspsychiaterin Heidi Kastner untersucht anhand von Fallbeispielen die historische Entwicklung unseres eingeschränkten Umgangs mit Wut. Ein Plädoyer für authentische Emotionen. Heidi Kastner: Wut – Plädoyer für ein verpöntes Gefühl. Kremayr & Scheriau 2024, 128 Seiten, 16 Euro.

Nachhaltigkeit und Recht

Cover Podszun/Rohner Nachhaltigkeit und RechtWie wird Nachhaltigkeit in Zukunft rechtlich gestaltet? Das Werk analysiert die wachsende Bedeutung von Nachhaltigkeit im Recht und beleuchtet deren Auswirkungen auf Unternehmen und Gesetzgebung. Kernpunkte sind aktuelle Anforderungen, wie das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, nachhaltige Standards in Unternehmen und die Integration von Klimaschutzaspekten in Gesetzgebungsprozesse. Das Lehrbuch liefert fundierte Einblicke und praxisnahe Fallanalysen – ideal für Studierende und Unternehmensjurist*innen. Rupprecht Podszun / Tristan Rohner: Nachhaltigkeit und Recht. C.H. Beck, 352 Seiten, 2024, 39,80 Euro.

Food Crimes was schmeckt dahinter?

Podcast Food-CrimesDer Podcast „Food Crimes – Was schmeckt dahinter?“ deckt jede Woche die skurrilsten Lebensmittel-Verbrechen auf. Lilly Temme und Florian Reza folgen Krümelspuren von vergifteten Erdnüssen bis zu gefälschtem Wein. Originalquellen und prominente Gäste bringen die Fälle lebendig nahe. Spannende Insights treffen auf persönliche Gespräche – ein Muss für Gourmets und True-Crime-Fans.

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Über Leben und Tod

Cover Über Leben und TodFlorian Klenks neues Buch „Über Leben und Tod“ eröffnet tiefe Einblicke in die Arbeit des Gerichtsmediziners Christian Reiter. Mit spannenden Fällen wie dem Lauda-Air-Absturz beleuchtet es die Schnittstelle von Wissenschaft und Gesellschaft. Ein fesselndes Sachbuch mit neuem Blick auf Sterben und Leben. Florian Klenk: Über Leben und Tod. In der Gerichtsmedizin. Zsolnay, 192 Seiten, 2024, 23 Euro.

Krypto im Visier: Jurist Elias über Recht und Innovation

Podcast XPEERienceElias von der Finanzmarktaufsicht Österreich (FMA) ist im Bereich Wertpapieraufsicht und Finanzinnovationen tätig. Mit seinem juristischen Hintergrund gibt er spannende Einblicke in die Welt von Krypto-Assets, künstlicher Intelligenz und die damit einhergehenden rechtlichen Herausforderungen. Er erklärt, welche Rolle die FMA bei der Zulassung und Aufsicht von Dienstleistern im Bereich der Kryptowährungen spielt und wie sie Verbraucher*innen vor Betrug schützt.

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Dein Gehirn kann viel mehr, als du glaubst

Cover REMIND Dein Gehirn kann viel mehr, als du glaubstSteuern wir unser Gehirn oder steuert unser Gehirn uns? Die Antwort hängt davon ab, ob wir eine Bedienungsanleitung für unsere grauen Zellen besitzen. Wie oft scheitern wir daran, unser Leben zu verbessern – trotz unseres festen Willens? Der Grund liegt nicht bei uns selbst, sondern in der Funktionsweise unseres Gehirns. Doch das Gehirn kann lernen, mit uns statt gegen uns zu arbeiten. Mit ihrer wissenschaftlich fundierten REMIND®-Methode zeigt Yvonne Diewald Wege auf, wie sich hartnäckige Probleme wie Depressionen, Ängste, Beziehungsschwierigkeiten oder der Umgang mit Finanzen auflösen lassen. Yvonne Diewald: Remind – Dein Gehirn kann viel mehr, als du glaubst. Allegria Verlag, 320 Seiten, 2024, 21,99 Euro

„Gute Arbeit!“ Inspiration für die Arbeitswelt von Morgen

Cover Gute Arbeit!Das Buch „Gute Arbeit! Eine Anstiftung zur Selbstwirksamkeit“ liefert einen praxisnahen Leitfaden für die moderne Arbeitswelt. Es erklärt Trends, Methoden und den Einfluss der Digitalisierung. Mit Übungen und konkreten Tipps unterstützt es Leser dabei, innovative Arbeitsmodelle aktiv in den Alltag zu integrieren. Ein inspirierender Impuls für zukunftsfähiges Arbeiten! Marion King: Gute Arbeit! Eine Anstiftung zur Selbstwirksamkeit . Vahlen 2024. 296 Seiten, 29,80 €.