… wieso, weshalb, warum? Transparenter Handel lebt von kritischen Fragen und ehrlichen Antworten. Letztere erwarten nicht nur die Konsumenten von ihrem Händler: Wer es als Handelsmanager mit Transparenz und Ethik ernst meint, muss faire Angebote machen und seine Lieferanten kennen. Von André Boße
Im Handel ist der Kunde König. Das ist natürlich nicht neu. Aber doch immer wieder anders. Denn der Kunde wandelt sich – und damit auch seine Bedürfnisse und die Themen, die ihn beim Konsum beschäftigen und sein Kaufverhalten beeinflussen. Vor ein paar Jahren noch sollte alles möglichst günstig sein – und der Handel reagierte darauf. Er startete unzählige Billig-Kampagnen, von denen „Geiz ist geil“ die wohl bekannteste war. Wenn Markt- und Sozialforscher heute auf das schauen, was der Kunde möchte, ist von dieser Billig-Mentalität nicht mehr viel übrig geblieben. Klar, preisbewusst sind die Konsumenten noch immer. Aber die Frage, was ein Artikel kostet, ist längst nicht mehr der alleinbestimmende Faktor für die Kaufentscheidung. Seit einigen Jahren nimmt die Bedeutung des „ethischen Konsums“ zu. Sprich: Der Kunde möchte wissen, was er kauft. Ihn interessiert auch, woher die Rohstoffe für ein Produkt kommen, auf welchem Weg es zu ihm gekommen ist und wer es ihm verkauft. Auf den Preis schaut er auch. Aber eben nicht nur.
Fast alle kaufen ethisch
„Das Interesse an ethischem Konsum wächst“, hat das Trendbüro des Hamburger Zukunftsforschers Peter Wippermann 2011 in seiner 3. Studie zum ethischen Konsum festgestellt. Bereits 2009 war das Interesse daran beachtlich: „67 Prozent der Befragten gaben damals an, häufig oder gelegentlich Produkte zu kaufen, die nach sozialen und ökologischen Kriterien hergestellt werden“, heißt es in der Studie. In der Studie von 2011 zeigt sich ein noch bemerkenswerteres Bild: „Heute kaufen 84 Prozent mindestens gelegentlich ethische Produkte. Der Anteil derjenigen, die angeben, häufig solche Produkte zu kaufen, ist von 26 Prozent im Jahre 2009 auf 41 Prozent im Jahre 2011 gestiegen.“ Gleichzeitig habe sich die Zahl der Selten- oder Nichtkäufer von solchen „ethischen Produkten“ beinahe halbiert. Konsumierte 2009 noch knapp ein Drittel der Befragten kaum oder gar nicht ethisch, sind es heute nur noch 17 Prozent.
Doch welche Faktoren bestimmen, ob die Kunden ein Produkt als „ethisch“ ansehen oder nicht? Auch hier hat das Trendbüro nachgefragt und herausgefunden, dass man ethischen Konsum differenziert betrachten muss: 92 Prozent der Befragten brachten menschenwürdige Arbeitsbedingungen mit Konsumethik in Verbindung. Auf hohe Werte kommen auch die Faktoren umweltfreundliche Herstellung (89 Prozent), fairer Handel (87 Prozent) sowie die soziale Verantwortung des Unternehmens (85 Prozent). Die biologische Erzeugung – die man durch die bekannten Bio-Siegel einfach auf den Produkten ausweisen kann – kommt dagegen auf vergleichsweise geringe 73 Prozent. Deutlich wird: Der „ethische Konsument“ gibt sich nicht mit Etiketten zufrieden. Ob ihn ein Produkt anspricht oder nicht, ist auch von Qualitäten abhängig, die für ihn unsichtbar bleiben. Denn noch gibt es kaum Siegel, die zweifelsfrei die ethische Qualität der gesamten Produktions- und Lieferkette bewerten. Umso wichtiger ist für den Handel heute das Thema Vertrauen: Es gewinnt, wer beim Konsumenten Glaubwürdigkeit genießt.
Grüner Anstrich reicht nicht
„Transparenz und Offenheit sind gefragt“, schließt Arne Herbst, Leiter Recruitment & Beratung Personal der Otto Group aus dieser Entwicklung. Der Einzelhandelskonzern ist Auftraggeber der Trendbüro-Studie und stellt sich der Aufgabe, ethischen Konsum für den Massenmarkt attraktiv zu gestalten. „Es ist wichtig, dem Kunden die Möglichkeit einer schnellen und einfachen Information zu dem jeweiligen Produkt und zum Engagement des Unternehmens zu geben“, sagt Herbst. Schließlich schauten die Kunden heute sehr genau hin, ob ein Unternehmen es wirklich ernst mit der Ethik meint – oder ob es sich nur einen grünen Anstrich verpasst. „Unternehmen, die bei diesem sogenannten Greenwashing erwischt werden, können in unserer Zeit, in der sich Informationen durch Internet und Social Media rasend schnell verbreiten, rasch ein Problem bekommen“, sagt der Personalverantwortliche. „Man muss daher als Unternehmen auch glaubhaft handeln. Tut man das nicht, verspielt man das Vertrauen der Kunden und sein Image als attraktiver Arbeitgeber.“ Wie man zusätzliches Vertrauen gewinnt? „Dabei gilt der Grundsatz, immer ein wenig mehr zu geben, als der Kunde erwartet.“
Damit dies gelingt, muss der Handel in vielen Bereichen neue Wege gehen. Er muss die Kunden noch besser kennen- und verstehen lernen – und muss differenzieren können, ob ein Konsument zum Beispiel eine besonders effiziente Waschmaschine ersteht, weil er möglichst reinen Gewissens waschen möchte, oder weil er sich von der Klasse A++ vor allem Einsparungen im Wasserverbrauch erhofft. Wer heute im Handel einsteigt, steht daher vor der Aufgabe, den Kunden genau dort abzuholen, wo er steht. „Neben fachlichem Know-how im jeweiligen Tätigkeitsbereich sind vor allem Selbstverantwortung, Eigenständigkeit, Einsatzbereitschaft sowie Mut und Motivation zum Beschreiten neuer Wege wichtig“, beschreibt Arne Herbst das Anforderungsprofil an Nachwuchskräfte – vergisst aber nicht zu erwähnen, dass auch die Handelskonzerne selbst in der Lieferpflicht stehen: „Absolventen sehen heute bei der Auswahl ihres Arbeitgebers genau hin. Sie informieren sich umfassend und studieren aufmerksam Arbeitgeber-Rankings, die ja auch die diversen Corporate-Responsibility- Themen aufführen.“
Orientiert am Kunden, stark in der Kommunikation
Haben Nachwuchskraft und Unternehmen – gerade mit Blick auf die ethischen Haltungen –zusammengefunden, stehen die Chancen auf eine erfolgreiche Karriere ausgezeichnet, wie Wilfried Malcher, Experte für die Themen Ausbildung und Karriere beim Handelsverband Deutschland (HDE), sagt: „Mehr als 80 Prozent ihrer Führungskräfte generieren Handelsunternehmen aus den eigenen Reihen.“ Doch ein Kinderspiel ist der Aufstieg nicht. „Der Handelsmanager von heute muss auch einen hohen Grad an Kundenorientierung und Kommunikationsfähigkeit mitbringen“, sagt Malcher. Besonders wichtig: Wer den Handel transparent gestalten möchte, muss in der Lage sein, Fragen an die Zulieferer und Lieferanten zu stellen. „Die Bereitschaft und die Fähigkeit, immer wieder dazuzulernen, ist deshalb ebenfalls entscheidend“, sagt Malcher.
Utopia – die Plattform für ethischen Konsum
Konsumenten mit Utopien? Kein Widerspruch, sondern Wesensmerkmal der Nutzer von utopia.de, der selbsternannten Plattform für strategischen Konsum und Nachhaltigkeit. Seit 2007 funktioniert das Internetportal als eine Mischung aus Online-Magazin, Ratgeber und Community für ethische Konsumenten. Wer in die Handelsbranche einsteigen möchte, findet in den Foren, Artikeln oder Themendossiers wertvolle Informationen über die Bedürfnisse und Wünsche der neuen Generation von Kunden, die sehr bewusst konsumiert, dabei sehr hohe Ansprüche stellt, jedoch – wenn sie zufrieden ist – sehr viel Vertrauen zurückzahlt.
www.utopia.de
Mit Blick auf den Trend zum ethischen Konsum sieht der HDE-Experte zwei Entwicklungen, die für Nachwuchskräfte von besonderer Bedeutung sind: Zum einen stellen immer mehr große Handelsunternehmen Fachpersonal ein, das in den Konzernen für die Themen Ethik und Transparenz verantwortlich ist und dafür Sorge trägt, dass die hohen Ansprüche nicht im täglichen Geschäfte verloren gehen. „Der Handel hat sich hier gut positioniert“, sagt Malcher. Wer also als Einsteiger mit dem konkreten Schwerpunkt „Ethik“ einsteigen möchte, findet in den großen Konzernen Abteilungen und Jobs zu diesem Thema. Ein zweiter Trend, der vor allem der jungen Generation Vorteile verschafft: Transparenz hat auch etwas mit den Themen soziale Medien und Vernetzung zu tun. Längst haben die Konsumenten selbst die Möglichkeit, Preise zu vergleichen oder Recherchen über die Produktionsprozesse zu starten. „Viele Einzelhändler haben heute die Chancen, die diese Technologien bieten, erkannt und sind mit ausgefeilten Multichannel- Strategien off- und online erreichbar“, sagt Malcher.
Eigene Überwachungsprogramme
So ist es heute weder ethisch vertretbar noch aus Handelssicht sinnvoll, Prozesse zu verschleiern oder die Kunden im Dunkeln zu lassen. Das gilt auch für die Bekleidungsbranche: Beim Düsseldorfer Einzel- und Großhandelsunternehmen Peek & Cloppenburg heißt es, man kenne die Problematik der Arbeitsbedingungen in manchen Produktionsländern, nehme seine Verantwortung als Händler wahr und wirke partnerschaftlich an der Sicherstellung guter Arbeitsbedingungen mit. Um diesen eigenen Anspruch zu erfüllen, hat das Unternehmen 1997 ein Überwachungsprogramm geschaffen, in dem unabhängige Spezialisten die Produktionsbedingungen prüfen und – wenn Bedarf besteht – konkrete Verbesserungsvorschläge unterbreiten. Zudem beteiligt sich das Modehaus seit 2003 an der Initiative BSCI (Business Social Compliance Initiative) – einer Plattform, eingerichtet von europäischen Einzelhändlern, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, die Standards der weltweiten Wertschöpfungskette zu überprüfen und zu verbessern. Bei Peek & Cloppenburg heißt es: Lieferant wird nur, wer vor der Zusammenarbeit den „Code of Conduct“ der Initiative unterzeichnet. Christina Kremer, im Düsseldorfer Unternehmen Leiterin Personalmarketing, setzt dabei auf den Input von neuen Mitarbeitern. „Dazu gehört selbstverständlich auch, dass Nachwuchskräfte bestehende Prozesse kritisch hinterfragen und neue Ideen austauschen.“
Von Einsteigern wird also nicht gewünscht, dass sie ihre ethischen Prinzipien mit dem Karrierestart beim Pförtner abgeben. Gefragt sind vielmehr Nachwuchskräfte, die ihr Unternehmen aktiv und ideenreich dabei unterstützen, das Kundenbedürfnis nach Fairness und Nachhaltigkeit im Handel zu erfüllen.
Sneep – Netzwerk für Wirtschaftsethik
Sneep steht für „Student Network for Ethics and Economics in Practice“ und versteht sich als Netzwerk für Wirtschafts- und Unternehmensethik. Interessant ist das Angebot insbesondere auch für Absolventen, denn Sneep ist ein praxisnahes Netzwerk, das Einsteigern Tipps und Impulse für einen Karrierestart im Handel oder anderen Bereichen gibt, bei dem die Nachwuchskraft ökonomisches Denken mit Ethik und Nachhaltigkeit verbindet. In den diversen Sneep-Projekten knüpfen Absolventen Kontakte mit Unternehmen. Zudem gibt es eine Stellenbörse, die auch Einsteigerjobs vermittelt.
www.sneep.info