Das Hamburger Handelsunternehmen Tchibo hat für sein Projekt „Handeln mit Verantwortung“ den Nachhaltigkeitspreis Logistik 2013 gewonnen. Was diesen Ansatz auszeichnet und wie es gelingen kann, ein nachhaltiges Konzept mit Leben zu füllen, erklärt Tchibo-Logistikchef Marc-Stephan Heinsen im Interview. Die Fragen stellte André Boße.
Zur Person
Marc-Stephan Heinsen ist Direktor für Supply Chain Management und Logistik beim Einzelhandelsunternehmen Tchibo. Neben dem Stammgeschäft mit Kaffee verkauft die Hamburger Firma unter anderem Konsumartikel – und zwar sowohl in eigenen Shops als auch in Verkaufsregalen in Supermärkten sowie über das Internet.
Herr Heinsen, was zeichnet Ihr Logistikkonzept aus?
Neben unserem Stammgeschäft mit Kaffee bieten wir wöchentlich wechselnde Non-Food-Produkte an. Kunden können ihre Mobilfunk- und Energieverträge bei uns abschließen, ihre nächste Reise buchen oder sich Blumen nach Hause liefern lassen. Grundsätzlich bieten wir diese Produkte – bis auf die Blumen – sowohl in unseren Filialen als auch im Internet sowie in den Verkaufsregalen unserer Lebensmittelpartner an. Diese Vielfalt an verschiedenen Sortimenten und Vertriebswegen definiert die Anforderungen an unsere Logistik. Wir müssen die Besonderheiten der Food-Logistik genauso gut erfüllen wie die bedarfsgerechte Aussteuerung der Non-Food-Produkte. Als weitere Komplexitätssteigerung beeinflussen die Anforderungen des Cross-Channel-Geschäfts unser Logistikkonzept, da wir über unsere diversen Kanäle alle Vertriebswege miteinander verknüpfen. Damit ist es dem Kunden zum Beispiel möglich, von zu Hause aus über das Internet eine Ware zur Abholung in eine Filiale zu bestellen – oder aber umgekehrt in einer Filiale via Tablet Artikel zu ordern, die wir ihm dann nach Hause liefern.
Wie kann es gelingen, diese komplexe Logistik möglichst umweltfreundlich zu gestalten?
Nachhaltigkeit ist ein integraler Bestandteil unserer Geschäftsstrategie, wobei die Logistik hier ein wichtiger Stellhebel ist. Klar, wir möchten Umsatz und Gewinn erzielen. Jedoch nicht auf Kosten der Umwelt und nicht zu Lasten der Menschen, die für unser und mit unserem Unternehmen arbeiten. Wesentliche Bestandteile einer nachhaltigen Logistik sind eine ressourcenschonende Beschaffung, effiziente Transportkonzepte sowie ein abgestimmtes Zusammenspiel der Vertriebswege. Entscheidend ist zudem, dass alle relevanten Unternehmensbereiche entlang der Wertschöpfungskette in das nachhaltige Konzept eingebunden werden.
Was bedeutet das konkret?
Zum Beispiel denken wir schon bei der Konzeption eines neuen Produkts über die Größe der Verpackung nach. Bei diesen Überlegungen arbeiten die Produktentwicklung, das Marketing, der Einkauf und der Vertrieb zusammen. Konzipiert, priorisiert und gesteuert werden alle Maßnahmen zur Nachhaltigkeit in der Corporate-Responsibility-Fachabteilung, kurz CR. In jedem Fachbereich gibt es darüber hinaus Nachhaltigkeitsexperten, die mit den Kollegen der CR-Abteilung ein Tandem zu den jeweiligen Nachhaltigkeitsthemen bilden. Damit bündeln wir die Erfahrungen und Ideen der spezialisierten Nachhaltigkeitsmanager mit dem Experten- Know-how der Logistikmanager.
Wie stellen Sie sicher, dass das ganze Logistiknetzwerk nach Ihrem Nachhaltigkeitsgrundsatz handeln?
Die internen Fachabteilungen orientieren sich an zentralen Nachhaltigkeitsrichtlinien mit konkreten Jahreszielen. Externe Partner müssen schon im Ausschreibungsprozess besondere Nachhaltigkeitsanforderungen erfüllen. Dies gilt für Hersteller von Non-Food- Produkten genauso wie für Transportunternehmer. Und selbstverständlich kontrollieren wir stetig die Einhaltung der geforderten Nachhaltigkeitsanforderungen bei den Geschäftspartnern. Bei uns sind die Begriffe Vertrauen und Kontrolle eng miteinander verknüpft. Sie stehen nicht im Widerspruch, weil wir denken, dass Kontrollen kontinuierlich das Vertrauen bestätigen und Zielabweichungen transparent machen.
Welche Fähigkeiten sind für die Mitarbeiter in der Logistik wichtig?
Es ist absehbar, dass die Anforderungen an Logistik weiter steigen werden. Dadurch bilden sich weitere spezifische Anforderungsprofile heraus. Das eine, allgemeingültige Zukunftsbild eines Logistikmanagers gibt es damit nicht mehr. Wir erwarten, dass in Zukunft spezialisierte Logistikmanager mit verschiedenen Rollenprofilen nachgefragt werden.
Können Sie diese Rollenprofile konkretisieren?
Zum Beispiel wird eine noch stärkere Verknüpfung von Logistik und IT stattfinden. Studiengänge wie IT-Logistik werden diese Lücke schließen, indem sie analytische Kompetenzen, IT-Knowhow sowie logistisches Prozesswissen verbinden. Zudem werden Logistikmanager gute Chancen haben, ihre Kompetenzen im Change Management sowie in der Prozessoptimierung globaler Wertschöpfungsketten einzubringen.
Was raten Sie Absolventen für den Karriereeinstieg in die Logistik?
Neben einer fundierten fachlichen Spezialisierung ist praktische Erfahrung das A und O. Praktika und Auslandsaufenthalte sind heute und in Zukunft von großer Bedeutung. Zudem ist es vorteilhaft, wenn Einsteiger es verstehen, in Prozessen zu denken, und eine gewisse Zahlenaffinität mitbringen. Ebenso wichtig sind Fremdsprachen.