StartHandel/E-CommerceBlickpunkt: Precycling – unverpackt und umweltfreundlich

Blickpunkt: Precycling – unverpackt und umweltfreundlich

Wer täglich kocht und dazu verschiedene Zutaten benötigt, bemerkt schnell, wie viel Verpackungsmüll sich dabei ansammelt. Das muss nicht sein, dachten sich mehrere Gründer in Deutschland – und eröffneten Läden, in denen man Lebensmittel ohne Verpackung einkaufen kann. Wir erklären das Precycling. Von Sabine Olschner

Das Mehl wandert in die mitgebrachte Tupperdose, die Äpfel in den Jutesack, die Bonbons in die recycelbaren Papiertüten – so funktioniert Einkaufen in den verpackungslosen Geschäften. Die ersten gibt es bereits in Deutschland: Einer hat im Februar 2014 in Kiel eröffnet, ein weiterer im September in Berlin-Kreuzberg. Marie Delaperrière, BWLerin und Inhaberin des Kieler Unverpackt-Ladens, erklärt, wie sie auf die Idee gekommen ist: „Mich störten schon lange die vielen Plastikverpackungen nach dem Einkauf. Als ich dann ein Buch in die Hände bekam, in dem jemand davon berichtete, wie er ein Jahr lang keinen Müll produziert hat, war ich von der Idee fasziniert und machte mich auf die Suche nach passenden Lieferanten.“

Bei Marie Delaperrière gibt es auf rund 60 Quadratmetern über 300 Produkte: Getreide, Teigwaren, Hülsenfrüchte, Nüsse, Öle und Essig, Oliven, Knabbereien, Tee, Kaffee, Obst, Gemüse, Trockenfrüchte, Spirituosen, Süßwaren, Reinigungsmittel sowie Duschgel und Seifen. Die Produkte sind überwiegend biologisch und werden in Spendern oder anderen Behältern angeboten. „Leicht verderbliche Waren wie Fisch, Fleisch und Molkereiprodukte bieten wir derzeit noch nicht an, weil die Hygieneauflagen dafür zu hoch sind“, erklärt die 40-Jährige, die sich bei der Konzeption ihres Ladens eng mit den Gesundheitsbehörden abgestimmt hat. Kunden können ihre eigenen Mehrwegbehälter mitbringen oder diese im Geschäft kaufen.

Hygienisch einwandfrei
Ein ähnliches Prinzip verfolgen Sara Wolf und Milena Glimbovski, die vor Kurzem ihren Laden „Original Unverpackt“ in Berlin eröffnet haben: „Unsere Kunden können in unserem Laden Pfandbehälter kaufen, oder sie bringen ihre eigenen Schalen mit, die dann bei feuchten Produkten, wie etwa Käse, von unseren Mitarbeitern ausgewischt werden, damit sie hygienisch einwandfrei sind.“ Die Behälter kommen am Eingang auf eine Waage, sodass die Kunden wirklich nur den Inhalt zahlen. Dank eines spülmaschinenfesten Etiketts müssen die Behälter nicht immer wieder neu gewogen, sondern können mehrfach verwendet werden. Auch das gehört zum Precycling.

Die 31-jährige Sara Wolf hat Internationale Beziehungen studiert, Milena Glimbovski, 24 Jahre alt, ist Mediengestalterin und Kommunikationswissenschaftlerin. Die beiden haben sich als Kolleginnen in einer Kommunikationsagentur kennengelernt und beim gemeinsamen Kochen immer wieder gemerkt, wie unsinnig die vielen Verpackungen beim Einkauf sind. Daraus entstand die Geschäftsidee, die sie seitdem voller Elan verfolgen. Das notwendige Kapital haben sie durch ein Crowdfunding-Projekt zusammenbekommen: 20.000 Euro war das Ziel – am Ende sind über 115.000 Euro zusammengekommen. „Das Ergebnis hat alle unsere Erwartungen übertroffen und zeigt, wie viele Leute sich eine Alternative zu dem Verpackungswahn wünschen“, erklärt Sara Wolf.

Precycling nennt sich diese umweltfreundliche Variante – also erst gar keinen Müll entstehen zu lassen

Bewusste Standortwahl
Den Standort Berlin-Kreuzberg haben die beiden bewusst gewählt, weil sie sich hier in guter Nachbarschaft befinden: Nebenan gibt es zum Beispiel einen veganen Burgerladen, und auch die Anwohner sind eher alternativ geprägt und daher von dem Konzept sehr angetan. Die Suche nach einem passenden Ladenlokal hat zwar lange gedauert, aber nun sind die beiden Gründerinnen mit ihrem Geschäft zufrieden. „Mittelfristig planen wir, noch weitere Läden zu eröffnen“, so Milena Glimbovski.

Sowohl die Kieler als auch die Berliner Unternehmerinnen achten bereits beim Einkauf darauf, dass auch ihre Lieferanten möglichst ohne Verpackung arbeiten. Precycling nennt sich diese umweltfreundliche Variante – also erst gar keinen Müll entstehen zu lassen. „Viele meiner Lieferanten benutzen Papiersäcke oder Kartons“, berichtet Marie Delaperrière. „Wo Plastik unvermeidbar ist, achte ich darauf, dass es nicht auch noch überflüssige Überverpackungen gibt.“ Sara Wolf und Milena Glimbovski arbeiten am liebsten mit kleinen, regionalen Lieferanten zusammen. „Diese sind flexibler als Großlieferanten, ihre Produktionsprozesse auf unser Konzept anzupassen. Gemeinsam entwickeln wir Ideen, wie sich Einwegverpackungen vermeiden lassen.“ Die Preise in den verpackungsfreien Läden sind übrigens nicht höher als in herkömmlichen Supermärkten. Außerdem haben Kunden den Vorteil, dass sie nur so viel mitnehmen können, wie sie auch tatsächlich brauchen – und seien es nur wenige Gramm.

Die Idee vom Einkaufen ohne Verpackung wird sicherlich weitere Kreise ziehen. Ob die Kunden auch langfristig begeistert sein werden, wird sich zeigen. In London musste der Shop „Unpackaged“ mit angegliederter Bar und Restaurant schon nach einem Jahr wieder schließen. Aber das ist eine andere Geschichte…

Läden ohne Verpackung

Unverpackt in Kiel
www.unverpackt-kiel.de

Original Unverpackt in Berlin
www.original-unverpackt.de

Freikost in Bonn
www.freikost.de

Lunzers Maß-Greißlerei in Wien
www.mass-greisslerei.at

Eine weitere müllvermeidende Idee

Die Franchise-Kette Kochhaus verkauft ihre Zutaten passend zu ihren Rezepten – immer nur so viel, wie für das Rezept notwendig ist.
www.kochhaus.de/das-begehbare-rezeptbuch

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