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Logistik morgen – digital und innovativ

In Zukunft wird die Logistik der Handelsunternehmen noch stärker von IT-Konzepten und dem „Omni-Channel“-Vertrieb geprägt werden. Daher sucht die Branche verstärkt nach Nachwuchskräften, die systemisch denken und Freude daran haben, neue Konzepte zu entwickeln. Von André Boße

Der Gebäudekomplex war nicht preiswert, rund 140 Millionen Euro hat er gekostet. Mehr als 1700 Mitarbeiter sind hier tätig und sorgen dafür, dass die täglich auf bis zu 2500 Paletten angelieferte Ware dorthin kommt, wo sie später verkauft wird, nämlich in die rund 1500 Märkte der Drogeriekette dm. Der neue Logistikkomplex des Handelsunternehmens in Weilerswist bei Köln gehört zu den modernsten Verteilerzentren Europas. Für das Unternehmen bedeutete der Bau die bislang größte Investition der Geschichte – ein Schritt, der zeigt, wie wichtig der Handelsbranche das Thema Logistik ist.

Und das vor allem aus zwei Gründen: zum einen, weil sich mit modernen und effizienten Abläufen Zeit und Geld sparen lässt; zum anderen, weil die Kunden heute einen deutlich höheren Anspruch an die Logistikkompetenz der Shops haben. Früher war es normal, dass eine Filiale ein Produkt auch mal nicht vorrätig hatte. Der Satz: „Wir hoffen auf die Lieferung Ende der Woche“ gehörte durchaus zum Standardrepertoire. Heute funktioniert der Handel anders: Wenn der Kunde etwas nicht sofort findet, geht er zur Konkurrenz – und wenn es diese lokal nicht gibt, wandert er ins Internet ab. Und zwar verstärkt auch bei Produkten wie Drogerieartikeln oder Lebensmitteln.

Kunden mit Anspruch
Aufgrund dieser Entwicklung steigt die Verantwortung der Logistikmanager in den Unternehmen der Handelsbranche. Die Prozesse zur Steuerung der Waren werden immer komplexer, der Kunde immer anspruchsvoller. Hinzu kommen hohe Erwartungen an die Nachhaltigkeit der Logistik, die heute eben nicht nur effizient, sondern auch umweltschonend und fair organisiert werden muss.

Auch dieses „grüne Denken“ wird vom Kunden verlangt, weshalb sich viele Handelsunternehmen die Nachhaltigkeit als einen wesentlichen Aspekt der Unternehmensstrategie auf die Fahne schreiben. Für Absolventen wird das Logistikmanagement in der Handelsbranche somit zu einem interessanten Einstiegsbereich: Es gibt viele Herausforderungen – und damit auch viele Chancen, Dinge anzustoßen und weiterzuentwickeln.

Ausgezeichnete Perspektiven bieten Handelsunternehmen mit guter Wachstumsperspektive. Wie zum Beispiel dm: Für die Drogeriekette wird das neue Verteilerzentrum mit zuletzt mehr als 150 neu eröffneten Märkten pro Geschäftsjahr und einem Portfolio von derzeit rund 12.500 Produkten schon wieder zu klein. „Durch unseren schnellen Expansionskurs müssen wir unsere Kapazitäten in den bestehenden Verteilzentren erhöhen und, wie bereits im laufenden Geschäftsjahr geschehen, weitere in Betrieb nehmen“, sagt Christian Bodi, der als Geschäftsführer für das Ressort Logistik verantwortlich ist.

Natürlich steigt dadurch auch der Personalbedarf in diesem Bereich, wobei Bodi von Einsteigern ins Logistikmanagement erwartet, dass sie wie „verantwortliche Dienstleister“ denken und handeln. „Dabei kommt es weniger darauf an, ein Logistikexperte zu sein“, sagt der Geschäftsführer, „sondern vielmehr darauf, die gesamte Wertschöpfungskette vom Industriepartner bis hin zum Kunden zu begreifen und zu gestalten.“

IT-Trends in der Logistik
Das funktioniert in modernen Logistikzentren natürlich längst nicht mehr so wie früher im Tante-Emma-Laden, wo alleine die Erfahrung zeigte, welche Produkte wann und wie häufig nachgefragt werden. Längst arbeiten die Logistikmanager mit moderner IT: „Innovative Software sowie leistungsstärkere Rechner und Datenbanken sorgen heute für eine hohe Vernetzung der Systeme“, beschreibt Christian Bodi die Herausforderungen.

Darüber hinaus beobachtet der dm-Geschäftsführer den Trend einer weiteren Automatisierung im Bereich der Kommissionierung sowie immer flexiblere Produktionsabläufe. „Hier hilft in Zukunft die neue Verzahnung der Tätigkeiten von Menschen und Maschinen“, prognostiziert Bodi mit Blick auf die „Industrie 4.0“, in der sich über das „Internet der Dinge“ Maschinen vernetzen und miteinander kommunizieren.

Mit „Big Data“ wird in naher Zukunft außerdem ein weiteres IT-Trendthema Einzug ins Logistikmanagement halten, wie Kay Schiebur, Chief Supply Chain Officer beim Großhandelsunternehmen Lekkerland, sagt: „Durch den Einsatz verbesserter IT-Lösungen werden wir in der Logistik verstärkt relevante Daten nutzen, um die Kundenbedürfnisse zu analysieren und auszuwerten.“

Das Großhandelsunternehmen mit Deutschlandsitz in Frechen bei Köln beliefert vor allem Kioske und Tankstellen-Shops und ist damit ein Handelsexperte für „To- Go“-Produkte – einen Bereich, der in den vergangenen Jahren deutlich an Bedeutung gewonnen hat. „Das Konsumverhalten der Menschen hat sich geändert“, erläutert Schiebur. „Konsumenten wünschen sich verstärkt auch unterwegs frische Produkte, und die Erwartungshaltung in Bezug auf die Qualität nimmt ständig zu.“ Zum Beispiel wünschen Endkunden sich heute auch in Tankstellen Back-Shops mit frischen Brötchen oder Kaffeespezialitäten, früher eindeutig Domänen von Bäckereien und Cafés.

Info-Portal zu Studiengängen

Ob Bachelor oder Master, ein MBA mit Logistikschwerpunkt oder ein dualer Studiengang: Das Internetportal logistik-studieren.de bündelt alle nötigen Informationen über relevante Hochschulabschlüsse. Zudem bietet das Portal Beschreibungen zu Jobprofilen für Logistikmanager, Erfahrungsberichte von Einsteigern, Stipendien und Fördermöglichkeiten sowie eine Übersicht über die Verdienstmöglichkeiten je nach Funktion und Abschluss.
www.logistik-studieren.de

Ein Lkw, drei Temperaturen
Für Tankstellen und Kioske sind diese Geschäftsfelder eine gute Chance auf Mehreinnahmen. Für den Großhändler sind sie eine logistische Herausforderung. Um ihr gerecht zu werden, hat Lekkerland ein innovatives Konzept entwickelt und es „Multitemperatur- Logistik“ genannt. „Unser Ausgangspunkt war, einen Mehrwert für unsere Kunden zu schaffen, indem wir den administrativen Aufwand bei der Anlieferung im Shop verringern“, sagt der Logistikleiter. Bislang war es üblich, dass für jede notwendige Lagertemperatur eigene Großhändler verantwortlich waren: jeweils einer für zum Beispiel ungekühlte Chips, gekühlten frischen Salat und tiefgekühlte Brötchen. Die Shopbetreiber mussten drei Bestellungen aufgeben, annehmen und prüfen.

Die Innovation: Die Logistikexperten des Großhändlers haben spezielle Lkw konzipiert, die mit einer einzigen Fahrt Produkte aller Temperaturklassen transportieren können. „Wir sind hierbei einem interdisziplinären Ansatz gefolgt“, erklärt Kay Schiebur. „In die Entwicklung waren viele Bereiche von der Warendisposition und der Qualitätskontrolle über das Lager und den Transport bis hin zum Vertrieb involviert.“ Die Lkw-Aufbauten wurden zusammen mit einem externen Fahrzeugbauer entwickelt, die Abläufe und Vorrichtungen durch den TÜV zertifiziert. „Dabei haben wir besonderen Wert darauf gelegt, neben der externen Expertise auch unsere Fuhrparkleiter und Fahrer einzubinden“, so Schiebur.

Hier wird deutlich: Logistik ist auch im IT-Zeitalter ein praktisches Geschäft, denn die Waren werden auch weiterhin von Menschen verpackt, geladen und transportiert. Logistikmanager müssen daher ein Verständnis für die Bedürfnisse und Kompetenzen ihrer Mitarbeiter haben, sonst erweist sich das auf dem Papier schöne neue Logistikkonzept in der Praxis schnell als wenig brauchbar.

Transparenz ist ein Muss
Während es für den Großhandel vor allem auf flexible und effiziente Logistik ankommt, steht die Textilbranche vor einer zusätzlichen Herausforderung: Seit einiger Zeit schaut ein Teil der Öffentlichkeit sehr genau hin, wo die Kleidungsstücke hergestellt wurden und welchen Weg sie von der Näherei in den Shop gegangen sind.

Die logistische Herausforderung seiner Branche bringt Carsten Schmelting, Direktor des Bereichs Supply Chain Management des Hamburger Modekonzerns Tom Tailor, wie folgt auf den Punkt: „Schnelligkeit und Flexibilität zu geringen Kosten vor dem Hintergrund von Transparenz und Kontrolle des Warenstromes vom Ursprungsland bis zu Kunden.“Integrierte IT-Systeme haben hier die Aufgabe, die Logistikwege offenzulegen. „Transparenz ist das Schlüsselwort. Das bedeutet, sein Handeln für alle sichtbar zu machen“, antwortet Schmelting auf die Frage, was die Logistik leisten kann, damit das Textilhandelsunternehmen Vertrauen beim Kunden gewinnt.

Mit Blick auf die notwendigen Fähigkeiten der Absolventen für den Berufseinstieg nennt der Supply-Chain- Management-Experte Verständnis für die logistischen Grundlagen, also die organisatorischen Prozesse und Strukturen. „Zudem muss der Logistikmanager ein Controller sein, und zwar im Sinne von Planung, Kontrolle und Steuerung.“ Verstärkt suchen die Handelsunternehmen in der Logistik zudem Nachwuchskräfte, die ein hohes Maß an Veränderungs- und Leistungsbereitschaft mitbringen. „Wir setzen auf Mitarbeiter, die bestehende Abläufe konsequent in Frage stellen“, sagt der Lekkerland- Logistikverantwortliche Kay Schiebur. Nur so werde es möglich sein, die richtigen Antworten auf eine der wichtigsten Herausforderungen der Zukunft zu finden: auf den „Omni-Channel“-Vertrieb.

Herausforderung „Omni-Channel“
Der Begriff beschreibt eine Weiterentwicklung des „Multi-Channel“-Handels. Ging es dabei vor allem darum, möglichst viele Kanäle zu bedienen, verlangt „Omni-Channel“ danach, diese so zu verknüpfen, dass der Kunde den Eindruck hat, es gebe einen großen Kanal mit sehr vielen Möglichkeiten. „Ein Beispiel ist ein Kiosk, der seine Produkte nicht nur stationär, sondern auch online verkauft und gleichzeitig die Möglichkeit bietet, als Abholstation für Online-Käufe zu fungieren“, beschreibt Kay Schiebur den Ansatz aus der Perspektive seiner Großhandelskunden. Shops werden dann zu „Touchpoints“, an denen verschiedene Absatzkanäle zu einem großen Kanal verschmelzen. Für die Endkunden ist das praktisch. Für die Shops ergeben sich Chancen für Mehreinnahmen. Und für die Logistik eine weitere spannende Herausforderung für die Zukunft.

Logistik

Die Logistik gehört zu den heimlichen Motoren der deutschen Wirtschaft. „Es ist weitgehend unbekannt, dass die Logistik – gemessen am Umsatz – der drittgrößte Wirtschaftsbereich in Deutschland ist. Etwa die Hälfte der Leistung wird in den Logistikbereichen von Industrie und Handel erzeugt, die andere Hälfte bei den Logistikdienstleistern“, sagt Prof. Raimund Klinkner, Vorstandsvorsitzender der Bundesvereinigung Logistik (BVL), anlässlich des „Tages der Logistik“. Mit insgesamt 2,85 Millionen Beschäftigten erzielte der Wirtschaftsbereich im Jahr 2013 laut BVL-Pressemeldung rund 230 Milliarden Euro Umsatz – Tendenz steigend. Zum Vergleich: In der Autoindustrie finden laut Bundeswirtschaftsministerium deutlich weniger Menschen Beschäftigung, nämlich gut 756.000.

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