Thomas Gutberlet führt in dritter Generation das Handelsunternehmen Tegut, das rund 300 Lebensmittelmärkte betreibt. Das Besondere: ein reichhaltiges Bio-Sortiment. Über die Tegut-Philosophie, die dahintersteckt, sprach mit ihm Christiane Siemann.
Zur Person
Der Enkel von Theo Gutberlet ist seit Ende August 2009 Vorstandsvorsitzender der Tegut Gutberlet Stiftung & Co. KG. Ins Unternehmen stieg er vor rund 15 Jahren mit der Leitung des Bereichs „Marketing & Merchandising“ ein, später verantwortete er „Finanzen & Rechnungswesen“ und seit November 2002 als Vorstand den Bereich Sortiment & Marketing. Thomas Gutberlet ist verheiratet und hat zwei Kinder.
Herr Gutberlet, Sie führen die Handelsgruppe Tegut, die als erste Produkte aus der biologischdynamischen Landwirtschaft vertrieb. Wie kam es dazu?
In der Nachkriegszeit hat mein Großvater das Unternehmen gegründet, und seine christlich-katholischen Werte sind in die Unternehmenskultur eingegangen. Mein Vater hat 30 Jahre später diese Werte in moderner anthroposophischer Form interpretiert. Das heißt unter anderem: Ein denkender und handelnder Mensch ist auch für die Entwicklung von Körper und Geist verantwortlich. Auf der Suche nach Lebensmitteln, die den Lebensbedingungen der Menschen entsprechen, ist mein Vater dann auf das gestoßen, was man heute kurz als „Bio“ bezeichnet. Er begann, sich für die Grundlagen zu interessieren, und hat ein Bio-Sortiment etabliert. Auf diesem Weg wurden wir ein echter Vorreiter für Bio-Produkte.
Haben die Verbraucher von damals „Bio“ akzeptiert?
Obwohl die biologisch-dynamische Landwirtschaft bereits mehr als 100 Jahre alt ist, hat sie für den Verbraucher viele Jahrzehnte keine maßgebliche Rolle gespielt. Das Angebot von Tegut wurde als sehr exotisch empfunden. Das war die Zeit, als in Großstädten die ersten Müsli-Läden eröffneten, die häufig belächelt wurden. Damals wussten wenige Kunden Bio-Produkte zu schätzen, aber sie haben dann jedes Jahr mehr Freunde gefunden. Heute beträgt unser Umsatzanteil aus dem Bio-Sortiment rund 25 Prozent.
Machen Ihnen die Bio-Sortimente anderer Supermärkte heute Konkurrenz?
Nein, nicht wirklich. Uns unterscheidet von anderen, dass wir absolute Spezialisten beim Handel mit nachhaltigen Lebensmitteln sind. Von unseren 3000 Bio-Artikeln gibt es viele, die auch in den nächsten zehn Jahren in keinem Supermarkt, die in der Regel zehn Prozent davon führen, zu finden sein werden. Es ist jedoch nicht nur eine Frage der Menge: Zu unserer Philosophie gehört beispielsweise auch, dass wir Wert auf Saatgut aus biologischer Züchtung legen. Für uns bedeutet biologische Nachhaltigkeit überdies der Verzicht auf Gentechnik, die Förderung des ökologischen und traditionellen Landbaus und die Schonung natürlicher Ressourcen. Beispielsweise nutzen wir seit mehr als zehn Jahren FSCzertifiziertes Papier. Das Logo des Forest Stewardship Council – kurz FSC – signalisiert, dass es sich um Holzprodukte handelt, die aus nachhaltiger Waldnutzung stammen. Die Ressourcen werden geschont, und bei der Waldbewirtschaftung wird das soziale und ökonomische Wohlergehen der Waldarbeiter und der lokalen Bevölkerung langfristig erhalten und vergrößert. Bei der Herstellung von Recyclingpapier lassen sich im Vergleich zu Frischfaserpapier jeweils rund 60 Prozent Energie und Wasser einsparen. Durch die Verwendung von Recyclingpapier kann Tegut pro Jahr 359 Tonnen Frischholz einsparen.
Müssen BWL-Absolventen, die bei Tegut arbeiten wollen, die Grundsätze der Nachhaltigkeit „inhaliert“ haben?
Wir ziehen als Unternehmen Mitarbeitende an, die eine Affinität zum Thema Bio und Nachhaltigkeit haben. Es kommen natürlich auch andere, die erst bei uns darauf aufmerksam werden und sich in Schulungen und Weiterbildungen damit auseinandersetzen. Genauso wichtig wie die Anerkennung unserer Philosophie ist für uns als Handelsunternehmen generell Reaktionsschnelligkeit und Freude am selbstständigen Arbeiten mit der Lust, Ideen einzubringen, für die es auch den Freiraum zur Umsetzung gibt. Natürlich müssen unsere Mitarbeitenden den Kontakt mit Menschen lieben. Handel bedeutet nicht, im stillen Kämmerlein Analysen zu erstellen, sondern mit Kunden ebenso wie mit den Kolleginnen und Kollegen der zentralen Dienste, der Produktionsbetriebe und der Märkte zu arbeiten.
Zeigt sich die Nachhaltigkeit auch in der Personalentwicklung?
Mit dem Eintrittsdatum ins Unternehmen werden Absolventen in das Tegut-Förderprogramm aufgenommen. Der Förderzeitraum ist abhängig von der Funktion, die sie anstreben. Sie werden vor Ort von einem Ausbilder begleitet, und die Weiterbildung erfolgt in der Tegut-Akademie. Wer den Weg als Nachwuchsführungskraft gehen möchte, wird gründlich vorbereitet und qualifiziert. Beispielsweise lernen Berufseinsteiger in Seminaren Führungskultur, Mitarbeiterkoordination, betriebswirtschaftliche Kennziffern, Warensteuerung sowie Verantwortung für Warenfächer.
Über Tegut
Das Handelsunternehmen wurde 1947 von Theo Gutberlet unter dem Namen „Thegu“ gegründet. Sein Sohn Wolfgang erweiterte als einer der ersten Unternehmer im großen Stil die Warenpalette der Supermärkte um Bio-Produkte. Heute hat die Handelsgruppe rund 300 Märkte und ist in Hessen, Thüringen, Nordbayern sowie in Göttingen und Mainz zu finden. Derzeit sind 6353 Mitarbeitende für Tegut tätig. Das Unternehmen befindet sich in dritter Generation im Besitz der Familie Gutberlet sowie der Gutberlet-Familienstiftung. Im Oktober 2012 wurde vereinbart, dass die Migros Genossenschaft Zürich das Handelsgeschäft der Tegut Gutberlet Stiftung & Co. KG zum 1. Januar 2013 übernehmen wird. Tegut wird weiterhin mit seinem Namen und derselben strategischen Ausrichtung sowie unter der Leitung von Thomas Gutberlet weitergeführt werden.