Sie kämpften in einer männlich dominierten Gesellschaft für ihre Überzeugungen, setzten sich an die Spitze der technischen und künstlerischen Innovation und prägten den Verlauf der Geschichte mit ihren Ideen. In unserer Pionierinnen-Reihe stellen wir Frauen vor, die mit ihrem Mut und ihrem Durchsetzungsvermögen den Weg zur Gleichberechtigung geebnet haben. Von Elisa Maifeld
Aenne Burda (1909 – 2005) – Wirtschaftswunderfrau mit Stil
Burda Moden prägte eine ganze Generation an Frauen – denn das Magazin zum Selbernähen traf zu Zeiten des deutschen Wirtschaftswunders den Nerv der Zeit. An der Spitze des herausgebenden Verlagshaues stand knapp 45 Jahre lang Aenne Burda. Nachdem der Verlag unter der Verantwortung ihres Ehemannes Franz Burda von dessen Geliebter – damals noch unter anderem Namen – wenig erfolgreich geführt wurde, übernahm Aenne Burda die Modezeitschrift und arbeitete sich in der schillernden Jetset-Modewelt hoch. Ab Januar 1950 brachte sie das Magazin unter dem Namen Burda Moden mit einer Auflage von 100.000 Exemplaren auf Erfolgskurs und sorgte dafür, dass es in den Folgejahren zum weltweit auflagenstärksten Modemagazin heranwuchs. Ihre bahnbrechende Idee: Die Frauen ihrer Generation konnten nähen, waren tatkräftig und hungrig nach Mode. Doch für viele Damen war modische Kleidung schlichtweg zu teuer. Der perfekte Zeitpunkt also, um Bögen für Schnittmuster zu liefern. So konnte sich jede Frau ihre Mode selbst schneidern – und das kurze Zeit nach den Modenschauen in den Metropolen wie Paris und London. Ihren größten beruflichen Erfolg feierte sie wohl im Jahr 1987 als sie den „Eisernen Vorhang“ durchbrach und bis nach Moskau expandierte. Eine Dokumentation über ihr Leben und Wirken ist noch bis Dezember in der ARD-Mediathek online abrufbar: www.daserste.de/unterhaltung/film/aenne-burda-die-wirtschaftswunderfrau
Gertrud Grunow (1870 – 1944) – Meisterin am Bauhaus in Weimar
Buchtipp:
2019 feiert das Bauhaus sein 100-jähriges Jubiläum. Die Künstler der Anfangsjahre – darunter Walter Gropius, Paul Klee und Wassily Kandinsky – verschafften sich schnell Aufmerksamkeit und Gehör. Bis heute beinahe unbekannt ist jedoch die Lehrende Gertrud Grunow – zu Unrecht. Denn ihr Verdienst in Weimar von 1919- 24 ist unbestritten: Grunow, selbst Sängerin und Komponistin, entwickelte eine eigene Musikpädagogik und war der Auffassung „Klang und Farbe lösen im Menschen Bewegungen aus.“ Sie vermittelte ihren Studierenden eine gleichberechtigte, harmonische Nutzung aller Sinne und nahm so Einfluss auf die frühe Ausrichtung des Bauhauses. Zum Jubiläumsjahr präsentiert die Humboldt-Universität zu Berlin (HU) eine Online-Plattform und eine Open-Access-Publikation, die über Leben, Wirken und Theorie der Pionierin am Bauhaus informiert. Dafür haben die Wissenschaftler bisher unveröffentlichtes Archivmaterial aufbereitet.
www.gertrud-grunow.de und www.bauhauskooperation.de
Katharine Graham (1917 – 2001) – Mrs. Washington Post
Buchtipp
Katharine Graham: Die Verlegerin. Wie die Chefin der ‚Washington Post‘ Amerika veränderte. Rowohlt 2018. 18 Euro.
Auch als E-Book erhältlich!
Tragische Lebensverläufe können auch ein Antrieb sein, um mutigen Schrittes vorwärts zu marschieren. Genau das beweist die Lebensgeschichte von Katharine Graham: Mit 46 Jahren wurde die Journalistin zur Verlegerin der Washington Post, einer der weltweit wichtigsten Tageszeitungen. Das Unternehmen gehörte ursprünglich ihrem Vater, später ihrem Ehemann. Nach dessen Suizid lehnte sie alle Angebote zum Verkauf des Verlags ab – ihr Weg: Sie übernahm den Chefposten des Gatten und setzte sich in der männerdominierten Welt des Journalismus durch. Bis heute prägen ihre mutigen Entscheidungen die Zeitung: Im Jahr 1971 ließ sie die streng geheimen „Pentagon-Papiere“ über den Vietnam-Krieg veröffentlichen. Von einer drohenden Strafe wegen Landesverrats ließ sie sich nicht abschrecken und entschied: „Wir drucken!“. Ein Jahr später deckte die Zeitung die „Watergate-Affäre“ auf und zwang damit den damaligen US-Präsidenten Richard Nixon im Jahr 1974 zum Rücktritt. In aller Bescheidenheit modernisierte sie das Unternehmen innerhalb von 20 Jahren vom Familienbetrieb zum modernen Medienhaus – dabei erarbeitete Graham sich großen Einfluss weit über die USA hinaus.
Zaha Hadid (1950 – 2016) – Stararchitekten mit Vorliebe für schräge Wände
Ihr Baustil ist unverwechselbar und rund um den Globus zu bestaunen: Zaha Hadid baute Gebäude, die in Bewegung zu sein scheinen. Dabei kam sie ohne senkrechte Wände und rechte Winkel aus. 2004 erhielt die irakische Stararchitektin mit englischem Pass als erste Frau den weltweit wichtigsten Preis für Architektur – den „Pritzker-Preis“. Ihre Bauten stehen für sich. Dazu gehören Museen wie das Phaeno Museum (Wolfsburg), Reinhold-Messner-Museum (Plan de Corones, Südtirol), Riverside Museum (Glasgow), Kulturgebäude wie das Opernhaus in Guangzhou (China), Heydar Aliyev Project in Baku (Aserbaidschan) oder funktionale Werke wie die BMW-Fabrik (Leipzig) oder das Schwimmzentrum im Olympiapark (London). Ihr Erstlingswerk steht in Deutschland: Hadid plante das Feuerwehrhaus des Möbelunternehmens Vitra in Weil am Rhein. Mit 65 Jahren verstarb die Frau, die nie ein Wohnhaus für sich selbst baute, unerwartet an einem Herzinfarkt.
Ruth Bader Ginsburg (*1933) – feministische Verfassungsrichterin
Ruth Bader Ginsburg ist Juristin und seit 60 Jahren Vorreiterin für die Gleichberechtigung. Mit 86 Jahren ist sie die älteste Richterin am US-amerikanischen Supreme Court. Seit ihren Studienjahren in Harvard weiß sie genau, was Diskriminierung bedeutet: In den 1960er Jahren ist sie eine von neun Frauen unter 500 Männern und muss wie ihre Weggefährtinnen die Schikanen des Dekans erdulden – doch sich unterkriegen zu lassen ist nicht ihr Stil. Seit Anbeginn ihrer juristischen Laufbahn kämpft sie vor Gericht für mehr Emanzipation, oftmals siegte sie. Erfolge erzielte sie dabei für Männer und Frauen gleichermaßen – denn damit Emanzipation gelingt, sind Männer ebenso wichtig wie Frauen. So erstritt sie beispielsweise Wohngeld für einen weiblichen Leutnant in der Air Force oder staatliche Finanzhilfen für einen jungen Vater, dessen Frau nach der Geburt des Kindes verstorben war. Eine Neuheit in den USA, denn solch eine Unterstützung war bis dato nur Witwen vorbehalten. Aktuell erholt sich Ginsburg von einem Krebsleiden und trotzt US-Präsident Donald Trump, der liebend gerne einem hart-rechten Juristen am Verfassungsgericht ihren Posten geben würde.
Filmtipp:
RBG – Ein Leben für die Gerechtigkeit, USA 2018 Regie: Betsy West, Julie Cohen.