Beatrice Reszat ist Schriftstellerin, Moderatorin und Songtexterin. Sie schrieb für Udo Lindenberg den Text „Hinterm Horizont geht’s weiter“ und arbeitete auch an seinem gerade frisch erschienenen Album mit. Ihr Gastartikel ist ein leidenschaftliches Plädoyer dafür, die Segel zu setzen und sich auf den Weg zu machen, um den eigenen Träumen zu folgen.
Als ich mit der Schule fertig war, hatte ich keinen blassen Schimmer, was ich beruflich machen wollte. Um mich herum schien jeder einen minutiös durchgetakteten Karriere- und Lebensplan zu haben. Studium, Praktikum, dann bei der Firma soundso anfangen, Karriereleiter mit den und den Etappen… Ich dagegen hatte zwar viele Ideen im Kopf, aber keinen Plan. Also begann ich, alles Mögliche auszuprobieren.
Beatrice Reszat: Mutmachbuch für Träumer. Denn hinterm Horizont geht‘s weiter. Scorpio 2015. 17,99 Euro
Ich war Fotoassistentin, arbeitete in einer Werbefilmproduktion, untertitelte Fotoromane, und dann ging ich auch noch zur Schauspielschule. Wenn ich mich dabei nicht ständig als Versagerin gefühlt hätte, hätte ich diesen unglaublich bunten und spannenden Weg viel mehr genießen können. Ich war dauernd im Stress, weil ich nicht den Job fand, der es dann für immer sein sollte. Dabei habe ich damals so viel gelernt, interessante Menschen getroffen, mehr über mich selbst erfahren, eigentlich eine unglaublich wertvolle und spannende Zeit. Schade um all den verpassten Spaß auf diesem Weg!
In meinem Buch heißen solche Menschen Traumsammler. Und es gibt viel mehr von ihnen, als wir glauben. Nur schämen sie sich oft, so wie ich damals, und versuchen sich in etwas hineinzuzwingen. Doch wo steht geschrieben, dass es nur einen Weg gibt? Ich habe mich inzwischen ausgesöhnt mit dem bunten Hund in mir. Noch heute mag ich nicht nur an einer Sache arbeiten.
Ich schreibe Songtexte, gleichzeitig beginne ich ein neues Buch und verhandle mit einem Sender über einen Moderationsjob. So liebe ich es, so macht mir arbeiten Freude. Jahrelang habe ich mir angehört, ich würde mich verzetteln, würde zu viel und nichts richtig machen, bis ich dachte, irgendetwas stimmt nicht mit mir. Aber niemand läuft in meinen Schuhen, niemand weiß, wie ich mich fühle, was mir Spaß macht. Und genau da liegt der Hase im Pfeffer.
Wir kümmern uns viel zu sehr darum, was andere von uns denken oder von uns erwarten. Ich war selbst jahrelang unglücklich in meinem Job. Paradoxerweise in einer Phase, in der ich sehr erfolgreich war und super verdient habe. Aber ich war nicht ich. Ich verstellte mich pausenlos, um der Person, die ich darstellen wollte, gerecht zu werden und endlich Anerkennung zu bekommen. Ich gab Unsummen aus, um Dinge zu kaufen, die ich nicht brauchte, um damit Menschen zu gefallen, die ich nicht mochte. Aber so füllt man keine Leere.
Eines Tages hatte ich genug und schmiss alles hin. Ich war nicht mehr bereit, meine Seele zu verkaufen, um angesehen und erfolgreich zu sein. Ich wollte herausfinden, was ganz allein für mich richtig war. Auch wenn mir der Allerwerteste auf Grundeis ging und meine Mutter sich Tabletten gegen Bluthochdruck verschreiben ließ. Mein Weg war nicht leicht, aber er führte mich zu dem, wonach ich mich immer gesehnt hatte: zu einem erfüllten Leben.
Überall begeisterte Menschen, die das Beste aus sich herausholen, die in ihrem Job das Bestmögliche erreichen.
Ich bin seither vielen Menschen begegnet, deren Augen wie erloschen sind, müde von einem Leben, das so anstrengend ist, weil sie es gegen ihre eigenen Träume und Bedürfnisse leben. Und das Schlimme ist, sie haben sich damit abgefunden. Es muss wohl so sein. Wo kämen wir hin, wenn jeder seinen Traumberuf leben würde. Ja, wo kämen wir hin? Stellen wir uns das doch einmal vor! Was für eine wunderbare Welt wäre das? Überall begeisterte Menschen, die das Beste aus sich herausholen, die in ihrem Job das Bestmögliche erreichen. Weil die Leidenschaft sie entzündet. Weil sie Spaß haben an dem was sie tun, weil sie morgens aufwachen, aus dem Bett springen und sich darauf freuen, ihren Job zu machen.
Wir alle werden als Träumer geboren. Die Phantasie und die Welt eines Kindes sind ohne Grenzen. Es möchte alles entdecken, alles erforschen. Aber irgendwann wird das Funktionieren wichtiger als unsere nimmermüde Lebendigkeit. Leistung und Erfolg heißt das goldene Kalb, um das wir von nun an tanzen. Und am Ende des Lebens steht der Mensch oft da und fragt sich, wozu das Ganze? Um der Reichste auf dem Friedhof zu sein? Karriere nur um des Erfolges oder Geldes willen hat oft einen hohen Preis. Unsere Träume verkümmern, unser Feuer der Begeisterung erlischt. Aber wir können es wieder entzünden!
Jeder hat irgendetwas, an dem sein Herz hängt, der Ausdruck seiner Einzigartigkeit, sein innerer Ruf. Ja, es kostet Mut und es gibt womöglich viel Gegenwind. Wenn wir davon ausgehen, dass die Statistik stimmt und 80 Prozent der Menschen unglücklich sind in ihrem Job, dann ist die Chance sehr groß, dass Sie vielen von ihnen begegnen, und sie alle werden einstimmen in den großen Chor der Miesepeter. „Das schaffst du nicht, das ist naiv. So funktioniert das Leben nicht!“ Lächeln Sie freundlich, drehen Sie sich um und verschwinden Sie! Es sind ihre eigenen Ängste, die sie Ihnen erzählen.
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Umgeben Sie sich mit Menschen, die ihre Begeisterung leben, die Sie inspirieren und mitreißen. Lassen Sie sich nicht einreden, dass Sie es nicht wert seien, dass Sie nicht gut genug, schön genug, schlau genug seien, um Ihren Traum zu leben. Niemand kann das entscheiden, außer Ihnen selbst. Etwas zu tun, das Sie wirklich zutiefst befriedigt, ist jeden Stein auf dem Weg wert. Jeder Traum ist kostbar und sollte gelebt werden. Auch Ihrer – geben Sie sich nicht mit weniger zufrieden!