StartBauingenieureOpen-BIM für die Infrastruktur

Open-BIM für die Infrastruktur

Wenn im Bauwesen die Rede von digitaler Transformation ist, dann wird die BIM-Methode (Building Information Modeling) als ein entscheidender Baustein für diesen Wandel genannt. Zu Recht, denn welche Technologien auch immer zum Einsatz kommen, die dabei generierten Daten werden in der Regel in einem Bauwerksdatenmodell, einem BIM-Modell, zusammengeführt. Doch für die Nachhaltigkeit braucht es nicht nur BIM, sondern Open-BIM. Von Christoph Berger, buildingSMART Deutschland

Im März 2024 veröffentlichten große Eisenbahninfrastrukturunternehmen aus Europa und Asien das Manifest „Applying IFC 4.3 for Rail“. Darin bekennen sie sich ausdrücklich zu nachhaltigem Handeln und stellen ihre besondere Verantwortung diesbezüglich heraus. Zugleich betonen sie, dass Nachhaltigkeit unmittelbar mit der digitalen Transformation verknüpft werden kann. Mit digitalen Technologien stünden Werkzeuge zur Verfügung, effektiver und effizienter zu werden – und damit auch nachhaltiger. Konkret fordern sie die Nutzung von IFC 4.3, einem im April 2024 von der International Organization for Standardization ISO und dem Europäischen Komitee für Normung CEN veröffentlichten Standard für die Methode Building Information Modeling, BIM.

Die nächsten Termine von buildingSMART Deutschland zu IFC und Open-BIM:

  • Juli 2024: buildingSMART-Tutorial:
    „Wir sehen uns im BIM-Modell.“ – Open-BIM in der Wasserwirtschaft 25. Juli 2024: Open-BIM Essential: Qualitätsanforderungen an IFC-Daten
  • September 2024: buildingSMARTTutorial:
    „Digitale Planungskoordination mittels IFC und BCF – Anwendungsfall digitale Schlitz- und Durchbruchskoordination

IFC – das Format für Open-BIM Doch um was handelt es sich eigentlich bei IFC? Die Abkürzung steht für Industry Foundation Classes, entwickelt von buildingSMART. Sie sind das primäre Datenmodell für Bauwerksmodelle, mit dem vor Jahrzehnten gestartet und das seitdem immer weiterentwickelt wurde – Datenmodelle, die auf dem Open- BIM-Gedanken basieren und somit softwareübergreifend angewendet werden können. Dabei geht es um den Austausch von Gebäudedaten zwischen verschiedenen Softwareanwendungen und über den gesamten Lebenszyklus eines Bauwerks hinweg, also die Datenweitergabe von der Planung an die Bauausführung und später an die Betreiber. Der Standard regelt, wie die Datenstruktur für diesen Austausch aussieht und in welchen Beziehungen die darin enthaltenen Elemente stehen. So wird beispielsweise festgelegt, wo eine bestimmte Treppe in einem Bauwerk verortet ist. Weiterhin können die Objekteigenschaften wie Material, Gewicht und Kosten auf diese Weise im Modell hinterlegt werden.

Die Beziehungen und Elemente wurden bis zu IFC 4.3 vor allem im Hochbau genutzt: zum Beispiel in der hierarchischen Reihe Liegenschaft, Gebäude, Geschosse, Räume, Bauteile – inklusive deren Verortung. Es ging vorrangig um vertikal ausgerichtete Bauwerke. Doch im Bereich der Infrastruktur wird vor allem horizontal gearbeitet. Oder, wie es im Fachvokabular heißt: achsen-basiert. Dies trifft auf Straßen, Schiene und Brücken, den geotechnischen Bereich sowie auf Wasserstraßen und Wasserbauwerke zu. Zusammengefasst im Begriff „Trasse“. Bei den achsen-basierten Bauwerken kommt zu dem horizontalen Verlauf der 2D-Trasse demnach ein vertikaler 2D-Verlauf hinzu. Aus der Kombination ergibt sich dann schließlich der 3D-Trassenverlauf. Prinzipiell würden auch Tunnel noch dazugehören, doch die werden für sich bearbeitet, voraussichtlich dann mit IFC 4.4.

Verbindungen schaffen

Mit IFC 4.3 lassen sich außerdem verschiedene Bauwerke miteinander verknüpfen: Brücke mit Schiene zum Beispiel. So wird es möglich, Infrastrukturprojekte modellbasiert zu planen, die Daten an die bauausführenden Unternehmen zu übergeben, die sie dann wiederum an die Betreiber weiterreichen. Wobei im Optimalfall alle Beteiligten bereits zum Planungsstart eingebunden werden, um die bestmögliche Qualität für das Projekt zu erzielen und die Vorteile der modellbasierten Arbeitsmethode vollständig auszunutzen.

Denn die Vorteile der Open-BIM-Methode sind vielfältig: Die offene Definition eines Datenstandards verschafft allen Beteiligten die Möglichkeit, Daten zu interpretieren. Offene Datenstandards bieten als einzige Variante die Garantie, jederzeit Herr über die eigenen Daten zu bleiben, was sie zu einer echten Option für die Archivierung macht: Nicht ein Akteur legt fest, wie Daten auszutauschen sind, schließlich basiert die Open-BIM-Definition auf Zusammenarbeit und Konsens und schafft somit den für Innovationen so wichtigen Raum. Mit offenen Standards können Informationen und Daten jederzeit und entsprechend der Bedarfe ausgetauscht werden – es kommt zu keinen Abhängigkeiten von einzelnen Tools. Die eigenen digitalen Arbeitsabläufe lassen sich heute und in Zukunft kontrollieren.

Nicht ein Akteur legt fest, wie Daten auszutauschen sind, schließlich basiert die Open-BIM-Definition auf Zusammenarbeit und Konsens und schafft somit den für Innovationen so wichtigen Raum.

In Begriffen zusammengefasst: Interoperabilität, Konsistenz und Einheitlichkeit, Effizienz, Flexibilität und Zukunftssicherheit. Öffentliche Hand will Vorbild sein Inzwischen nimmt IFC eine nicht unwesentliche Rolle ein, der Standard wird von nahezu allen BIM-Programmen unterstützt. Und gerade auch für und wegen der öffentlichen Hand gewinnt er Schritt für Schritt an Bedeutung. In einigen Ländern ist der IFC-Standard bereits als verbindliches Austauschformat für Vergabe- und Genehmigungsverfahren etabliert. In Finnland dürfen öffentliche Verwaltungen für ihre Arbeit keine proprietären Datenmodellprodukte mehr verwenden, da diese für die langfristige Speicherung und Archivierung nicht geeignet sind. Das einzige Format, das vom Nationalen Archivamt des skandinavischen Landes für die Langzeitarchivierung genehmigt wurde, ist IFC 4.0. Ein weiteres Beispiel: In Dänemarks größtem Infrastrukturprojekt, dem Fehmarnbelt- Tunnel, wird mit Open-BIM gearbeitet.

Und auch im Koalitionsvertrag der derzeitigen Bundesregierung ist zu lesen: „Wir werden die Bau- und Immobilienwirtschaft sowie alle Ebenen der Verwaltung unterstützen, die Digitalisierung zu meistern, Open-BIM und einheitliche Schnittstellen/Standards umzusetzen. Der Bundesbau ist Vorbild bei der Digitalisierung und unseren bau-, wohnungs- und klimapolitischen Zielen.“

Für die Unterzeichner des zu Beginn erwähnten Manifests „Applying IFC 4.3 for Rail“ ist ebenfalls klar: Projekte müssen mit IFC 4.3 ausgeschrieben werden, der Standard muss in den Projekten Anwendung finden. So sei zum Beispiel die derzeitige Energiekrise nicht allein als Herausforderung, sondern auch als Chance für mehr Effizienz und Effektivität zu sehen. Diese Chance könnte gerade mit den Möglichkeiten, welche die digitale Transformation bietet, genutzt werden. Die Unterzeichner schreiben: „Unsere Vision ist es, eine moderne, effiziente und nachhaltige Eisenbahninfrastruktur zu schaffen, die den Bedürfnissen der Kunden und der Gesellschaft entspricht und auf offenen Datenstandards (wie IFC) und Building Information Modelling (BIM) basiert.“

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