Building Information Modeling ist die Methodik, mit der die Baubranche die Transformation ins Digitalzeitalter plant. Inzwischen wird sie immer häufiger eingesetzt. Und das Zusammenspiel von BIM mit Künstlicher Intelligenz wird auch schon vorbereitet. Von Christoph Berger
Im Februar 2021 kam es in Dortmund zu einem Novum, die Beteiligten sprechen gar von einem Meilenstein in der Digitalisierung des Bauwesens: Basierend auf der Methodik Building Information Modeling, kurz BIM, hatte die untere Bauaufsichtsbehörde der Stadt Dortmund im Rahmen eines Pilot-Projektes für den Neubau des Unternehmenssitzes der „Louis Opländer Heizungs- und Klimatechnik GmbH“ auf dem Technologie- und Dienstleistungsstandort Phoenix West in Dortmund die digitale Baugenehmigung erteilt. Die Abwicklung des gesamten Baugenehmigungsverfahrens bei diesem Projekt sei ausschließlich digital erfolgt, sagte Dortmunds Oberbürgermeister Thomas Westphal im Rahmen der Grundsteinlegung im März. „Das ist ein großer Schritt für eine noch effektivere Zusammenarbeit mit Bauherren und Investoren. Die volldigitale Abbildung des gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes auf Grundlage dieses Modells soll in Dortmund mittelfristig zum Standard werden.“
Anders als bisher üblich, im herkömmlichen Verfahren werden sowohl digitalisierte als auch Papierunterlagen eingereicht, erfolgte die Abwicklung des gesamten Baugenehmigungsverfahrens über die Planung, Antragstellung, Antragsprüfung und Erteilung der Baugenehmigung komplett digital. Im Prüfprozess wurde die Großzahl der baurechtlichen Parameter des Bauvorhabens anhand eines dreidimensionalen Gebäudemodelles mithilfe einer Fachsoftware überprüft. Hierbei konnten wichtige Erkenntnisse im Hinblick auf elementare Verfahrensbausteine wie zum Beispiel Modellanforderungen, digitale Kommunikationswege und erforderliche Ausstattungs- und Prozessvoraussetzungen für die Beteiligten gewonnen werden.
nD-Modelle von Bauwerken
Prinzipiell können bei der BIM-Methodik Bauprojekte durch den Einsatz entsprechender Software in verschiedensten Dimensionen erfasst, modelliert und bearbeitet werden – über den gesamten Lebenszyklus hinweg. Ausgehend von der 3D-Darstellung kann das Modell um die Dimensionen Zeit, Kosten, Nachhaltigkeit und Effizienz ergänzt werden. Oder um die für das Facility Management erforderlichen Informationen. Je nach Komplexität entstehen so nicht nur 3D-, 4D- oder 5D- sondern vielmehr nD-Modelle. Der Vorteil: Bauvorhaben sollen vor allem kosten- und zeitsicher, effizient und ressourcenschonend verwirklicht werden.
Buchtipp
Andreas Holtschulte: Großbaustelle digitale Transformation. Campus 2021, 39,95 Euro
Oder die Daten fließen, wie zum Start beschrieben, in ein Prüfverfahren. Ein erfolgreiches Beispiel für den BIMEinsatz in der Planung ist die von buildingSMART Deutschland in der Kategorie Planung zum BIM Champion 2021 gekürte Sanierung des Münchner Kulturzentrums Gasteig. Die Begründung der Jury aus namhaften Expert*innen aus Wirtschaft, Baubehörden und Wissenschaft: „Bei dieser Arbeit überzeugten insbesondere die Dimension und hohe Komplexität der Aufgabenstellung. Ein komplexes Bestandsmodell wurde bereits erstellt, zwölf Fachmodelle und 40 Teilmodelle wurden für die Planung umgesetzt. Die gesamte Koordination erfolgte am 3D-Modell in regelmäßigen Planungstreffen. Die Building Smart Standards wurden konsequent umgesetzt.“ Und Benedikt Schwering, Leiter des Bereichs Zukunft der Gasteig München GmbH, sagt: „Wir setzen BIM seit 2019 in unserer Planung ein und konnten damit die Visualisierung, Zusammenarbeit und Kostenschätzung entscheidend optimieren.“ Zudem habe man festgestellt, dass BIM enormes Teampotential habe. Es sei eine riesige Herausforderung gewesen, mit insgesamt 15 Gewerken virtuell an einem 3D-Modell zu arbeiten – da habe es den Willen auf allen Ebenen und Top- Fachleute gebraucht.
BIM und KI
Mit der Einführung von BIM wird ein riesiger Schritt hin zur digitalen Transformation des Bauens erreicht. Doch weitere Schritte werden auf dem Weg zur „Baustelle von morgen“ folgen. Wie kann diese zum Beispiel mit Künstlicher Intelligenz unterstützt werden? Dieser Frage gehen mehrere Unternehmen und Forschungseinrichtungen im vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Projekt mit dem recht sperrigen Titel „Entwicklung von Systembausteinen der Künstlichen Intelligenz für eine digitale mobile Wertschöpfungskette für die Bauausführung“ nach. Bekannt ist das 2020 gestartete Projekt daher eher unter dem Akronym ESKIMO.
Im Rahmen von drei Pilotprojekten soll es um die automatisierte Unterstützung der technischen und kaufmännischen Qualitätssicherung sowie eine Anwendung von Algorithmik im Bereich der Baulogistik gehen. Bei der technischen Qualitätssicherung zum Beispiel soll eine KI optische Abweichungen zum Soll- Zustand, also Oberflächenmerkmale wie Beschädigungen, Flecken, Verfärbungen etc. mithilfe von Bilderkennungsalgorithmen erfassen und zudem strukturelle Unterschiede zum BIM-Modell, wie fehlende oder falsch eingebaute Bauelemente, automatisch erfassen. Dazu werden während der Ausführung erfasste Bilddaten aus Kamerasystemen, Smartphones oder Tabletcomputern durch KI-Algorithmen interpretiert, Bauobjekte und deren Merkmale automatisiert erkannt sowie die so generierten Ergebnisse mit der standardgestützten Gebäudedatenmodellierung BIM abgeglichen.
Linktipps
ESKIMO Projekt
Georg Nemetschek Institute of Artficial Intelligence for the Built World
BIMKIT
An der Technischen Universität München wurde im November 2020 das „TUM Georg Nemetschek Institute Artificial Intelligence for the Built World“ gegründet, ein weltweit einmaliges Forschungs- und Lehrinstitut zur Künstlichen Intelligenz im Bauwesen. Hintergrund der Gründung ist, dass der Einsatz von modernster Computertechnologie, KI und Maschinellem Lernen völlig neue Möglichkeiten bietet, einer der großen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts zu begegnen: das Entwerfen, Gestalten und Erhalten der gebauten Umwelt. Und im am Lehrstuhl für Informatik im Bauwesen der Ruhr-Universität Bochum (RUB) sowie an der Worldfactory der RUB angesiedelten Projekt „Bestandsmodellierung von Gebäuden und Infrastrukturbauwerken mittels KI zur Generierung von Digital Twins – BIMKIT“ will man ein Verfahren entwickeln, mithilfe dessen KI Bauwerksdokumente wie zweidimensionale Pläne, Bilder, Punktwolken oder Textdokumente in digitale 3D-Modelle überführt. Die Technik soll sich auch eignen, um bereits vorhandene Modelle automatisiert gemäß dem Baufortschritt zu aktualisieren: Das KI-Verfahren soll basierend auf Bauwerksdokumenten digitale 3D-Modelle für bereits bestehende Bauwerke erzeugen und bei Umbaumaßnahmen bestehende digitale Bauwerksmodelle aufgrund von Baudokumenten automatisiert aktualisieren. Welche Potenziale in Künstlicher Intelligenz für das Bauwesen stecken, wurde in einem Bericht von Reports and Data ermittelt: Demnach wird der globale Markt für KI in der Baubranche 2026 voraussichtlich 4,51 Milliarden US-Dollar erreichen.
Buchtipp
Amir Abbaspour: Digitales Bauen mit BIM. Beuth 2021, 54 Euro