Das Thema Nachhaltigkeit hat längst das Nischendasein verlassen und wird von Gesetzen reguliert. Doch nicht nur das. Auch Investoren wollen über Nachhaltigkeitsrisiken informiert werden. Und nicht zuletzt: Nachhaltigkeit rechnet sich. Von Christoph Berger
Im März 2020 formulierte Yngve Slyngstad, bis Herbst letzten Jahres CEO des norwegischen Staatsfonds, des Government Pension Fund Global (GPFG), eine Forderung, die die zukünftige Richtung vorgibt – der norwegische Staatsfonds ist der weltweit größte Fonds: „In den letzten Jahren haben wir die Unternehmen aufgefordert, in ihrer Nachhaltigkeitsberichterstattung von Worten zu Zahlen überzugehen. Wir wünschen uns eine relevantere und vergleichbarere Berichterstattung von Unternehmen, damit wir als Investor die Exposition der Unternehmen gegenüber Nachhaltigkeitsrisiken analysieren können.“ Wie die Nachrichtenagentur Reuters berichtete, sollten die Unternehmen beispielsweise bei den Umweltthemen wie Klima und Wasser die Plattform des Carbon Disclosure Project verwenden, einer Non- Profit-Organisation mit Sitz in London. Der GPFG ist hinsichtlich seiner Anforderungen längst kein Einzelfall mehr. „Weltweit berichten immer mehr Unternehmen über Nachhaltigkeitsthemen, und sie tun dies auch ausführlicher. Treiber sind oft regulatorische Anforderungen, aber auch die zunehmenden Anforderungen von Kapitalgebern – Nachhaltigkeit wird immer wichtiger für die Equity Story“, sagt Christian Hell, Leiter des Bereichs Sustainability Services bei KPMG in Deutschland. Die Berichterstattung stelle daher auch immer häufiger einen Bezug zu potenziellen Geschäftsrisiken her, ausgelöst durch den Klimawandel. Hier würden die Unternehmen zunehmend finanzielle Risiken sehen – während man sich vor einigen Jahren noch Gedanken um damit verbundene Reputationsrisiken gemacht habe. Hell erklärt weiter: „Wir gehen davon aus, dass auch andere Nachhaltigkeitsthemen wie Menschenrechte, Diversity oder angemessene Entlohnung schon bald auch in ihren finanziellen Dimensionen erkannt werden.“
Dass Klimaschutz zudem nicht nur ein politisch gewolltes und gesellschaftlich verlangtes Ziel ist, sondern sich auch wirtschaftlich rechnet, zeigen Ergebnisse der Studie „Net-Zero Europe“ von McKinsey. So sei das von der Europäischen Union erklärte Ziel der Klimaneu tralität bis 2050 ohne gesamtwirtschaftliche Mehrkosten zu erreichen. Zwar müssten jährlich zusätzliche 180 Milliarden Euro investiert werden, die jedoch durch Einsparungen an anderer Stelle kompensiert würden. Der grüne Umbau der europäischen Wirtschaft könnte unterm Strich fünf Millionen zusätzliche Arbeitsplätze schaffen: Während zwar sechs Millionen Jobs verloren gingen, entstünden in Zukunftsbranchen elf Millionen neue Arbeitsplätze. Die Hälfte der insgesamt nötigen Emissions-Einsparungen können mit bereits ausgereiften Technologien erreicht werden.
Da wundert es nicht, welch entscheidende Rolle das Thema in den Unternehmen spielt. Am Beispiel der Technologieunternehmen zeigt zum Beispiel der Technology Sustainability Survey von Deloitte, dass das Thema Nachhaltigkeit für 86 Prozent der befragten Führungskräfte ein wesentlicher Bestandteil ihrer Geschäftstätigkeit ist – vor allem bei Unternehmen mit mehr als 1000 Mitarbeiter*innen. Und auch hier werden zahlreiche Vorteile identifiziert: die Senkung von Betriebskosten, die Eroberung neuer Märkte sowie die Nachfrage ihrer Kunden. Auch die Motivation der eigenen Mitarbeiter spielt für immerhin ein Drittel der Befragten noch eine Rolle. Das Mindern von Klimarisiken (21 %) und intrinsisches Engagement (6 %) stehen jedoch noch hinten auf der Liste der Beweggründe.