Als Talent in die Inhouse-Beratung, zu einem Spezialisten oder in die strategische Königsdisziplin? Alle drei Einstiegsarten versprechen anspruchsvolle und perspektivreiche Karrieren. Unterschiede gibt es bei der Vielfalt der Projekte. Von André Boße
Die Beraterbranche floriert, denn die Herausforderungen der Gegenwart sind zu komplex, um sie ohne Berater zu meistern. Vor allem zwei Trends machen den Unternehmen zu schaffen: Die Digitalisierung sorgt dafür, dass sich Arbeitsabläufe und auch Kundenbedürfnisse radikal ändern, die Globalisierung lässt neue Märkte und Wettbewerbe entstehen. Wer als Consultant seinen Kunden umsetzbare Konzepte an die Hand gibt, hat auf dem Beratermarkt gute Chancen. Doch bevor man sich bewirbt, sollte man sich als Talent die Frage stellen: Wo und wie will ich denn beraten? Bei einem strategischen Consultant mit großem Namen? Bei einem der stetig wachsenden Spezialisten? Oder vielleicht sogar in einer der Inhouse-Beratungen der großen Konzerne?
Inhouse: Nah am Vorstand Karriere machen
Ob Siemens oder Bosch, Deutsche Bahn oder Telekom, BASF oder Bayer: Fast alle deutschen Weltkonzerne gönnen sich eine interne Beratungseinheit. Dort helfen Consultants dabei, Konzernstrategien zu entwickeln und umzusetzen. Das sollen externe Berater auch, wobei der Clou ist, dass die Inhouse-Berater im Konzern angestellt sind. Man berät also streng genommen seine Chefs. Kann man da Unabhängigkeit bewahren? Ja, sagt Ludwig Daniel Angeli, Leiter BASF Management Consulting. „Wir sind eine unabhängige Beratung, auf deren Arbeit die Unternehmensführung ganz bewusst keinen Einfluss nimmt. Dies garantiert, dass unsere Berater in Projekten ihre eigene Meinung vertreten können. Gleichzeitig profitieren sie davon, dass sie das komplexe Unternehmen BASF sehr gut kennen.“
Für die Kunden aus dem Chemie-Konzern biete diese Positionierung einen großen Vorteil: „Wer zu uns kommt, darf darauf vertrauen, dass wir ihn verstehen. Gleichzeitig weiß er, dass wir Klartext mit ihm reden. So wächst Vertrauen.“ Insgesamt sind 50 Berater aus 14 Ländern für den Konzern tätig, die Büros befinden sich am Stammsitz Ludwigshafen und in Hongkong. Nachgefragt wird das Berater-Know-how vom weltweiten Top-Management der BASF. „Unsere Beratungsleistung deckt alle Themen ab, von der Strategie bis hin zur Optimierung von Strukturen und Prozessen. Zuletzt haben wir beispielsweise an der Neuaufstellung der globalen Forschungsbereiche der BASF mitgearbeitet.“
[quote_center]„Ein Großteil unserer Berater übernimmt nach der Tätigkeit bei uns unterschiedliche Führungspositionen im Konzern“[/quote_center]Klar ist: Wer sich intern als Berater profiliert, verbessert seine Karten für eine Konzernkarriere ungemein. Bei der Deutschen Bahn ist es sogar so, dass die Inhouse-Beratung explizit den Auftrag besitzt, Führungskräftenachwuchs für den Konzern zu entwickeln. „Ein Großteil unserer Berater übernimmt nach der Tätigkeit bei uns unterschiedliche Führungspositionen im Konzern“, sagt Frank Mattheis, beim DB Management Consulting als Leiter Practice Infrastruktur tätig. Aktuell beraten die Inhouse-Consultants den Konzern bei der Umsetzung der Konzernstrategie „DB2020“:
„Die Deutsche Bahn will bis 2020 profitabler Marktführer, Top-Arbeitgeber und Umweltvorreiter werden. Wir unterstützen die Geschäftsfelder dabei, diese Ziele zu erreichen“, so Mattheis. Das Beratungsspektrum reiche dabei von der Strategieentwicklung bis hin zur Planung der nachhaltigen Umsetzung. Mattheis: „So beraten wir gerade bei der Initiative Mobilität 4.0: Die fortschreitende Digitalisierung verändert auch die Mobilität, und wir erarbeiten Optionen zur Rolle des Konzerns im Mobilitätsmarkt der Zukunft.“
Aber was passiert, wenn dem Top-Management die Inhouse-Beratung nicht genügt und externe Consultants hinzugerufen werden? Bei der Deutschen Bahn komme das äußerst selten vor, sagt Mattheis. „Aber wenn, dann wird das Zusammenspiel klar geregelt, indem wir zum Beispiel die jeweiligen Projektsäulen klar voneinander abgrenzen.“ Auch bei der BASF wird ein Großteil der Beraterprojekte inhouse durchgeführt. Hilfe von außen gibt es nur in Sonderfällen. „Das kann bei Großprojekten der Fall sein, zum Beispiel bei einer Post-Merger-Integration oder wenn spezifisches Fachwissen über bestimmte Märkte benötigt wird. In jedem Fall wird zu Beginn klar festgelegt, wer die Führungsrolle übernimmt“, sagt der Leiter des BASF Management Consultings.
Besonderes Fachwissen: Stunde der Spezialisten
Mit Blick auf die Spezialisten erfahren die IT-Beratungen derzeit den größten Aufschwung. Udo Littke, Senior Vice President Human Resources bei der IT-Beratung Atos, erklärt warum: „Die Auswertung und Analyse umfangreicher Datenmengen, Stichwort Big Data, beschäftigt die Kunden. Auch Risk Management und IT-Security sind bereits seit Längerem ein wichtiges Thema, sie betreffen Kunden aller Branchen. Unbestritten wird die Bedeutung dieser Anwendungsbereiche in Zukunft weiter zunehmen.“ Zudem seien die Industrie 4.0 und das Internet der Dinge Trend-Themen, deren Bedeutung sich gerade erst abzeichne. Deutlich wird: Wer in einer Beratung mit besonderem Fokus einsteigt, muss beim Spezialthema ein echter Experte sein.
„Eigenständiges Lernen und die Umsetzung neuer Inhalte, vor allem auch Kreativität und die schnelle Adaption und Weiterentwicklung neuer Trends sind sehr gefragt“, so Littke. „Eine zentrale Fähigkeit ist es, die Kundenbedürfnisse zu erkennen, bevor diese überhaupt kommuniziert werden.“ Es geht also darum, Bedürfnisse zu antizipieren und Beratungsbedarf schon zu erkennen, bevor der Kunde überhaupt erkennt, was da auf ihn zukommt. Die Teams bei Atos sind zumeist global aufgestellt und agieren häufig virtuell. Für Ränkespiele oder Klärungen der Hierarchie und Zuständigkeiten bleibt in dem schnellen Beratergeschäft des IT-Spezialisten oft keine Zeit. „Hierarchien verschwimmen zunehmend“, sagt Littke. „Wichtig für Einsteiger ist daher eine starke Positionierung der eigenen Stärken im jeweiligen Projektteam.“
Buchtipp
Ob im Top-Management der Unternehmen oder den Beraterteams: Das Geschwafel hat ein Ende. Manager wie Consultants haben verstanden, dass eine gehobene Sprache voller Anglizismen und Phrasen noch keine erfolgreiche Umsetzung garantiert. „No Bullshit“ klingt vulgär, ist aber eine Maßgabe für erfolgreiche Beratung geworden: Es geht darum, zur Sache zu kommen, ehrlich und zielgerichtet zu sein. Das Buch „Kein Bullshit – Was Manager wirklich können müssen“ zeigt, dass großspurige Versprechen und kurzfristige Erfolgsrhetorik ausgedient haben – und stattdessen Anker gesucht werden, auf die Verlass ist.
Markus Baumanns, Torsten Schumacher: Kein Bullshit. Was Manager wirklich können müssen. Murmann Publishers GmbH ISBN 978-3867743815. 29,99 Euro
Bullshit Slam
Soviel Blödsinn war nie! Unter diesem Motto fand am 17. November 2014 der erste Bullshit Slam Deutschlands in Hamburg statt. Autoren, Philosophen, Slammer und Überraschungsgäste traten gegeneinander an, um herauszufinden: Wer redet den größten Bullshit von allen? Weitere Termine, Tickets und Infos unter http://bullshitslam.de.
Strategieberatung, die Königsdiszplin Im Kampf um die besten Beratertalente halten die großen Strategieberatungen dagegen. „Zu unseren Kunden zählen die Unternehmen mit den weltweit ehrgeizigsten Zielen“, begründet Carsten Baumgärtner, Partner, Managing Director und Recruiting-Verantwortlicher bei der Boston Consulting Group (BCG), warum die strategische Beratung weiterhin als Königsdisziplin gilt.
„Bei uns können Einsteiger in die tiefe Analyse der Automobilbranche eintauchen, heben dann wieder ab, weiten die Perspektive, wenn es um neue Digitalisierungsstrategien in verschiedenen Branchen geht, und holen sich Inspiration auf einem internationalen Projekt.“ Was die Beratertalente besonders anlockt, sei die Vielfalt der Arbeit. Unternehmen wie die BCG beraten ihren Kunden umfassend und decken alle denkbaren Facetten ab. Was wiederum nicht bedeutet, dass es hier nicht auf Expertenwissen ankommt. „Der Anspruch unserer Kunden hat massiv zugenommen, vor allem mit Blick auf globale Präsenz und führende Expertise in zahlreichen Branchen“, so Baumgärtner.
In welcher Intensität sich die Einsteiger spezialisieren, wird in einem gewissen Rahmen dem Nachwuchs selbst überlassen. „In den ersten zwei Jahren können Einsteiger zwischen drei Schwerpunkten wählen: möglichst vielfältige Projekte in verschiedenen Branchen, Schwerpunkt auf eine Branche oder viele internationale Projekte.“ Damit gehe die Strategieberatung auf die Bedürfnisse der Generation Y ein, die sich eine größere Selbstbestimmung bei Karrierewegen wünscht.
Ein weiterer Charakter der Arbeit bei großen Strategieberatungen ist die Vielfalt in den Teams. „Unsere Berater arbeiten mit Spezialisten und Analysten zusammen, jeder bringt zudem individuelle Fähigkeiten und Kenntnisse mit – ob Dirigenten, Mediziner, Datenanalysten oder IT-Experten“, sagt Baumgärtner. Gefragt seien Ausnahmetalente, Querdenker und Tüftler. Wer sich hier angesprochen fühlt, hat in der wachsenden Beraterbranche beste Chancen – egal, bei welcher Art von Consulting man einsteigt.
Digitalisierung treibt Markt an
Die Digitalisierung und die damit einhergehenden Veränderungen in der deutschen Wirtschaft und Industrie beflügeln die Geschäftsentwicklung der Unternehmensberaterbranche. Der Umsatz legte im Jahr 2014 im Vergleich zum Vorjahr
um 6,4 Prozent zu, so der Bundesverband Deutscher Unternehmensberater (BDU) in seiner Studie „Facts & Figures zum Beratermarkt 2014/2015“. Ausschlaggebend ist für BDU-Präsident Hans-Werner Wurzel ein Paradigmenwechsel bei den Kunden, der Beratungsbedarf hervorruft: „Die digitale Vernetzung verändert Unternehmen ganz grundlegend. Betroffen sind sowohl Prozesse, Organisationsstrukturen, Mitarbeiterentwicklung als auch ganze Geschäftsmodelle.“
Quelle: www.bdu.de