Ganze Unternehmen und Branchen befinden sich derzeit im Aufbruch und loten die Möglichkeiten der Digitalisierung sowie neue Geschäftsfelder und -prozesse aus. Auch die Wirtschaftsprüfung ist von dieser Entwicklung nicht ausgeschlossen. Von Christoph Berger
Fragt man Wirtschaftsprüfer nach den derzeit größten Herausforderungen ihrer Mandanten, dann fallen außer der Reform der Jahresabschlussprüfungen für die sogenannten Public Interest Entities, den Vorschriften im Bereich der International Financial Reporting Standards (IFRS) auch die Begriffe Digitalisierung, Vernetzung und Globalisierung. „Vor allem im Beratungsgeschäft haben wir natürlich auch mit den Themen Digitalisierung und Vernetzung zu tun – hier können wir aus der Sichtweise des Prüfers heraus, natürlich wichtige Hinweise geben. Und was das Thema Globalisierung angeht, so herrscht in den Unternehmen gerade große Unsicherheit – keiner weiß genau, wie er sich aufgrund der politischen Entwicklungen in den USA derzeit strategisch aufstellen soll“, fasst Dr. Martin Orth, Chief Sales Officer bei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Baker Tilly Roelfs, die Situation zusammen.
Martin Wambach, geschäftsführender Partner bei Rödl & Partner, fügt hinzu: „Industrie 4.0, Internet der Dinge, Electronic Invoicing, Mobilität und Cloud Computing: Die typischen Geschäftsprozesse der Unternehmen sind weitgehend über die ERP-Systeme (Enterprise- Resource-Planning) digitalisiert. Die Unternehmen sind über die Lieferantenketten miteinander vernetzt und elektronische Rechnungen führen zu automatisierten Buchungen.“ Klar, dass sich vor diesem Hintergrund auch die Arbeit der Wirtschaftsprüfer verändert: „Wir Wirtschaftsprüfer müssen verstehen, was in der IT funktioniert und wie wir die IT beziehungsweise die IT-basierten Geschäftsmodelle prüfen können“, sagt Martin Wambach. Zudem müsse die IT genutzt werden, um selbst effizienter zu prüfen: zum Beispiel papierlos, durch die Nutzung von moderner Software zur Datenanalyse, Process Mining oder Texterkennung.
Mit der gesamten Wirtschaft verändert sich auch die Wirtschaftsprüfung aufgrund der Digitalisierung. Der Berufsstand ist dabei, sich neu zu interpretieren und zu positionieren.
Schon heute, so beschreiben es Dr. Martin Orth und Martin Wambach, werde bei einigen Unternehmen remote geprüft: Die Wirtschaftsprüfer schalten sich von ihren Büros aus auf die Systeme ihrer Mandanten und holen sich daraus alle beziehungsweise viele wertvolle Informationen. Voraussetzung dafür ist, dass ein ähnliches Digitalisierungs-Level zwischen Prüfungsgesellschaft und Mandant existieren muss, um sich optimal – und unter Gewährleistung der datenschutzrechtlichen Aspekte – effektiv zu vernetzen. „Wir können jetzt mit modernen Datenanalysen ganze Prüfungsfelder vollständig auf der Transaktionsebene prüfen. Durch das Einbeziehen unterschiedlichster Unternehmensdaten, dazu gehören gegebenenfalls Dritt- oder Marktdaten, gewinnen wir weitere prüfungsrelevante Erkenntnisse. Die einzelne, aussagebezogene Prüfungshandlung wird zur Ausnahme“, so Wambach.
Doch trotz aller IT bleibt eine Abschlussprüfung immer mehr als ein gut konstruiertes Bündel von IT-Analysen. „Aufgrund des rechtlichen Verständnisses wird der Wirtschaftsprüfer natürlich auch in Zukunft noch gebraucht werden. Teile seines Aufgabenbereichs werden sich jedoch maßgeblich verändern“, ist Orth überzeugt. Wirtschaftsprüfer müssen die Geschäftsmodelle und -prozesse verstehen, sich mit den Markt-, Entwicklungs- und Fortbestandsprognosen ihrer Mandanten beschäftigen. Und auch schwierige Bilanzfragen bedürfen der Beurteilung und Bewertung von komplexen Geschäftsvorfällen. „Dazu kommt, dass Empfänger des Prüfungsurteils immer Menschen sind: Gesellschafter, Aufsichtsräte, Vorstand und Management. Sie erwarten vom Prüfer eine Interpretation der Ergebnisse.
Beruf Wirtschaftsprüfer
Das Institut der Wirtschaftsprüfer hat eine Informationsseite im Internet eingerichtet, auf der Informationen zum Studium und zur Ausbildung zum Wirtschaftsprüfer zusammengefasst sind:
www.wirtschaftsprüfer.deFortbildung zum IT-Auditor
Das Institut der Wirtschaftsprüfer hat die Möglichkeit zur Verleihung der Bezeichnung IT-Auditor IDW geschaffen. Dabei handelt es sich um eine Zusatzqualifikation in der IT-Systemprüfung, die sich an Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer richtet. Weitere Informationen unter:
www.idw.de
Der Wirtschaftsprüfer ist somit ein aktiver Teil eines nachhaltigen Wertemanagements im Sinne von Good Corporate Governance“, erklärt Wambach. „Aber er wird viel stärker zum Projektmanager, der verschiedene Spezialisten, wie ITSicherheitsspezialisten, Big Data-/Social Media-Spezialisten, IT-Applikations-Spezialisten, Rechtsanwälte, Compliancebeziehungsweise Betrugs- und Korruptionspräventionspezialisten führt und minimal-invasiv gezielt im Prüfungsprozess einsetzt“, erklärt der geschäftsführende Partner bei Rödl & Partner. So braucht der Wirtschaftsprüfer unverändert ein breites betriebswirtschaftliches, steuerliches und rechtliches Wissen. Dazu kommt nun ein profundes Wissen über die gesamte Breite der Digitalisierung. Denn, so Wambach: „IT ist dabei nur ein Baustein der Digitalisierung. Es geht auch um Techniken, wie zum Beispiel das Internet der Dinge, Sicherheit und vieles mehr.“
Die Digitalisierung ist für Wambach die große Chance für den Berufsstand, den Beruf neu zu interpretieren und zu positionieren: „Weg vom langweiligen, vergangenheitsorientierten, Checklisten- getriebenen Häckchenmachen hin zum modernen Business-Analysten und Prüfer, der mit modernsten Instrumenten und Werkzeugen die Wirtschaft auf dem Weg der Digitalisierung fachkundig begleitet.“