Die Märkte im Speziellen und die Welt im Allgemeinen befinden sich in einem permanenten und vor allem gravierenden Wandel. Orientierung kann da die Suche nach der ursprünglichen Idee, dem Sinn eines Unternehmens, geben. Tim Kuhrcke berät dazu und arbeitet bei der auf Purpose spezialisierten Unternehmensberatung Brighthouse in Berlin. Aufgezeichnet von Christoph Berger
Zur Person:
Tim Kuhrcke, Studium: Medienwissenschaften mit Schwerpunkt Psychologie. Seit 2018 Managing Director der BCG-Tochtereinheit Brighthouse
Es gibt Dinge, die ziehen sich wie rote Fäden durch Tim Kuhrckes Leben. Da ist zum einen die Frage nach dem Wirken des Menschen: Warum macht er manche Dinge und andere nicht? Diese Fragen beschäftigen den studierten Medienwissenschaftler schon lange. Der zweite Faden ist die Auseinandersetzung mit Innovationen. Als Gründer beschäftigte er sich mit den Auswirkungen der Digitalisierung auf Medienunternehmen, bei MTV Networks in New York arbeitete er an einer strategischen Neuausrichtung, um den Konzern noch stärker auf die Generation Y zu fokussieren. Zudem war er in einer Innovationsagentur und bei BCG Digital Ventures tätig, der auf die Inkubation innovativer Geschäftsmodelle für Konzerne spezialisierten Einheit der Boston Consulting Group (BCG). Zuletzt, Ende 2018, wechselte er zu einer weiteren BCG-Tochter, der Spezial-Beratung Brighthouse. Dort vereint er die Fäden nun zu einem Strang, indem er sich mit seinen Mandanten auf Sinnsuche begibt, den Sinn des jeweiligen Unternehmens. Oder, wie es im Fachjargon heißt: Purpose-Beratung.
Er spürt beispielsweise dem einstigen Gründergeist nach, der vielleicht durch eine immer breiter werdende Produktpalette und über die Jahre verloren gegangen ist. Oder durch eine immer größere Diversifizierung über den Erdball hinweg. „Jetzt, im Zeitalter der Digitalisierung und der damit einhergehenden Komplexität, werden die Unternehmen erneut herausgefordert, darüber nachzudenken, wer sie überhaupt sind und wer sie sein wollen. Da hilft es, den Purpose wieder auszugraben“, sagt Kuhrcke. Denn eines hat er bei all seinen Stationen immer wieder erlebt: Wenn man sich mit Innovationen beschäftigt, steht zu Beginn die Frage: Warum? Wer da seine Wurzeln kennt, kann bessere Entscheidungen treffen, die erst einmal nicht auf Algorithmen basieren, sondern in der jeweiligen Geschichte des Unternehmens begründet sind.
Ein Historiker ist Kuhrcke deshalb nicht. Eher ein Psychologe, der sich mit Menschen und deren Visionen beschäftigt – den einstigen und heutigen. Diese gilt es ins gesamte Unternehmen zu tragen. „Aus Betroffenen werden Beteiligte und dem Unternehmen wird die Möglichkeit gegeben, sich gemeinsam zu formieren. Eine Art Bewegung, die zu dem wiederentdeckten Purpose stehen kann“, fasst er seine Hauptaufgabe zusammen. Kann die Frage nach dem „Warum“ beantwortet werden, ist es wesentlich einfacher, die gesamte Belegschaft bei einer Transformation mitzunehmen. Dies passt zu seiner Prognose: „Viele Unternehmen realisieren derzeit, dass sie enorm viel in Technologien investieren können. Doch Technologie skaliert, Menschen nicht. Die Menschen werden daher auch in Zukunft den Unterschied machen. Da kommt man schnell zu den Fragen: Wie organisiert man ein Unternehmen und wie lassen sich die Menschen darin begeistern und involvieren?“
Und welche Voraussetzungen werden für den Job benötigt? „Man muss einerseits den Blick für das große Ganze und die Fähigkeit haben, qualifiziert über gesellschaftliche und marktwirtschaftliche Perspektiven reden zu können. Gleichzeitig muss man aber auch bereit sein, detailorientierte Arbeit zu leisten mit klassischen unternehmensberaterischen Fähigkeiten“, erklärt Kuhrcke.