Teamarbeit ist gängige Praxis in den Unternehmen. Aus ihr sollen Resultate entspringen, die sowohl das Unternehmen als auch die einzelnen Mitarbeiter voranbringen. Dr. Gundula Ganter berät Organisationen hinsichtlich neuer Teamstrukturen und der Entwicklung von Teams. Im Interview erklärt sie, was sie tut und wie sich Teamarbeit im digitalen Zeitalter verändert. Die Fragen stellte Christoph Berger
Zur Person
Dr. Gundula Ganter studierte Psychologie in Leipzig und Aachen. Ihr Schwerpunkt schon damals: Arbeits- und Organisationspsychologie. Ihre berufliche Karriere startete sie nach ihrem Diplom-Abschluss in einer Unternehmensberatung mit dem Fokus auf Human Resources (HR). Nach Dissertation, Auslandsaufenthalt und unterschiedlichen HR-Funktionen in einem mittelständischen Unternehmen stieg sie 2016 in das Beratungsunternehmen ABIS ein. Dort ist sie geschäftsführende Gesellschafterin am Standort Stuttgart und Expertin für Personal- und Organisationsentwicklung mit Schwerpunkt Führung, Unternehmenskultur, Vergütung und Veränderungsmanagement, Führungskräftetraining und Coaching. Außerdem übernimmt sie die Konfliktmoderation in (Management-)Teams. Weitere Infos:
Frau Dr. Ganter, Sie sind Expertin für Teamentwicklung. Weshalb suchen Unternehmen Ihre Beratung?
Unternehmen kommen meistens dann auf uns zu, wenn agile Formen der Zusammenarbeit eingeführt werden sollen oder es in bestehenden Teams Konflikte gibt. Viele Unternehmen streben danach, schneller auf Kundenwünsche und Marktanforderungen zu reagieren und etablieren parallel zur Linienstruktur agile Teams. Das hat viel Potenzial in Bezug auf effizientes Arbeiten und Mitarbeiterbindung, birgt aber auch einige Risiken, wenn alt bewährte Handlungsmuster in Frage gestellt werden.
Wie gehen Sie dabei vor, welche Instrumente stehen Ihnen zur Analyse zur Verfügung?
Das wichtigste ist immer die gute Auftragsklärung zu Projektbeginn, die Beantwortung der Frage: Worum geht es? Bei der agilen Transformation arbeiten wir mit den Verantwortungsträgern und einem Projektteam in Workshops, um das Konzept zu erstellen und im zweiten Schritt die Mitarbeiter zu mobilisieren. Zur Konfliktklärung laden wir alle Beteiligten zu einem Teamentwicklungsworkshop ein. Wichtig dabei ist, dass keiner sein Gesicht verliert und alle das Gefühl haben, dass über Wichtiges gesprochen wird. Das Unausgesprochene gilt es, in Sprache zu bringen.
Funktioniert das, wenn sich Menschen unter Beobachtung äußern sollen?
Unsere Moderation läuft so, dass wir sehr sorgfältig alle Beteiligten in den Prozess einbeziehen. Wir nehmen jede Sichtweise ernst und ermöglichen, dass sich die Teammitglieder gegenseitig zuhören. Durch unsere Fragen erreichen wir, dass wertschätzend über Wichtiges gesprochen wird. Häufig wollen die Beteiligten einfach ernst genommen und verstanden werden. Sie sind meist sehr kooperativ und an guten Lösungen interessiert. Unsere Aufgabe ist es, den Prozess zu moderieren. Neutralität ist dabei ganz wichtig. Das spüren die Beteiligten.
Wie wichtig ist es überhaupt, dass Teams aus unterschiedlichen Charakteren bestehen?
Das ist extrem wichtig, weil nur so eine Vielfalt entsteht. Da gilt der Satz: Teams sind immer besser als die Leistung eines Einzelnen. Das funktioniert natürlich mit unterschiedlichen Charakteren und Erfahrungen am besten. Wir lieben die Mischung aus „alt“ und „jung“, aus verschiedenen Disziplinen und Nationalitäten.
Ist der Teamgedanke wie so viele andere Unternehmensstrukturen derzeit auch einem Veränderungsprozess unterworfen?
Ja. Der Trend geht zu stärker selbstorganisierten Teams – bei klassischen Linienteams und ganz bestimmt bei agilen und bereichsübergreifenden Teams. Hier gilt es, die Rollen und Verantwortlichkeiten in Teams zu definieren und Entscheidungsprozesse neu aufzusetzen. Das neue Führen heißt auch, mehr zu delegieren und in die Leistungsfähigkeit der Teammitglieder zu vertrauen. Dafür braucht es Leute, die bereit sind, diese Verantwortung zu übernehmen. Die Passung aus Rolle im Team, was bringe ich mit und wer möchte ich sein, die ist ganz wichtig.
Dazu bedarf es dann aber einer intensiven Vorbereitung, oder?
Genau, die Neuordnung von Teams muss strategisch geplant werden – schließlich wird das hierarchische Gefüge neu sortiert. Die Rollen einer Führungskraft werden auf verschiedene Schultern verteilt. Fach- und Methodenkompetenz sowie Entscheidungskompetenzen können in das Team verlagert werden. Unsere Erfahrung ist, dass hier vorab wichtige Weichen gestellt werden müssen. Festgelegt sein muss: Gibt es ein gemeinsames Ziel beziehungsweise einen Auftrag, wer hat welche Rolle, wer darf was entscheiden und wie wird kommuniziert. Dann kommt noch die Beziehungsebene dazu – wenn es da menschelt, im Guten wie im Kritischen, dann tritt das ganz schnell zutage.
Welche Skills braucht es da von Beraterseite, um die richtigen Analysen durchzuführen, Schlüsse zu ziehen und Methoden anzuwenden?
Bei uns funktioniert das nicht ohne eine systemische Ausbildung. Neben oder nach dem Studium kann das eine systemische Coaching-, eine systemische Berater- oder eine Organisationsentwicklungs-Ausbildung sein. Es gibt hierzu bereits gute Ansätze an den Hochschulen. Die Zusatzausbildungen ermöglichen aber erstens eine Vertiefung mit systemtheoretischen und neuen Konzepten zu Menschen, Teams und Organisationen. Zweitens erwerben die Teilnehmer eine hohe Methodenkompetenz beim Moderieren von Workshops. Das ist ein Stück weit learning by doing, aber auch Technik, die man in den Ausbildungen lernt.