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Consulting goes Digital – Megatrend Digitalisierung

Der Megatrend Digitalisierung stellt die Strategien der Unternehmen aller Branchen auf den Kopf. Um sich klar zu werden, was getan werden muss, wenden sich die Firmen an Beratungsunternehmen. Die Consulting-Branche profitiert davon – muss aber auch selber umdenken. Consulting 4.0 – das steht für neue Strukturen und einen noch härteren Wettstreit um die besten Beratertalente. Von André Boße

27 Milliarden Euro Umsatz erzielte die deutsche Beraterbranche im Jahr 2015. Das ist so viel wie noch nie, sieben Prozent mehr als im Vorjahr. Und der positive Trend soll sich fortsetzen: 2016 erwarten die deutschen Unternehmensberatungen nach einer Marktstudie des Bundesverbands Deutscher Unternehmensberater (BDU) ein weiteres Wachstum von 7,5 Prozent. Sieben von zehn Consultingfirmen haben bei der Umfrage angegeben, dass sie 2016 von Wachstum ausgehen.

Diese positive Stimmung hat für Nachwuchskräfte erfreuliche Folgen: Knapp drei Viertel der befragten Unternehmensberatungen bestätigen, dass der Kampf um Beratertalente in vollem Gange ist. Bei den großen Unternehmensberatungen, die den größten Bedarf an High Potentials haben, stimmen dem sogar 92 Prozent zu. Mit diesen Umsatzzahlen und Personalbedarf knüpfen die Consultants beinahe an die goldenen Zeiten an, als die Wachstumsraten pro Jahr sogar zweistellig waren. Viele hatten angenommen, dass eine so gute Ära nicht wieder kommen würde. Jetzt ist die Branche langsam wieder auf dem Weg dorthin.

Digitalisierung treibt das Wachstum an

Der Grund für den Optimismus hat einen Namen: die Digitalisierung. BDU-Präsident Hans-Werner Wurzel kann sich an keinen anderen Megatrend erinnern, der einen so großen Einfluss ausgeübt hätte. Auf die Gesellschaft und Wirtschaft – und damit auch die Unternehmen und ihre Beratungen. „Vielleicht noch die Globalisierung“, sagt er nach längerem Nachdenken. Wobei man die Globalisierung auch im Zusammenhang mit der Digitalisierung betrachten könne, schließlich unterstütze die neue Kommunikationstechnik das Zusammenwachsen der globalen Ökonomie.

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Die digitale Transformation ist eindeutig der Treiber des Wachstums der Beraterbranche. Die Klienten stehen vor der Aufgabe, alle Unternehmensbereiche zu hinterfragen und digital aufzurüsten. „Das beginnt bei Geschäfts- und Prozessmodellen, zieht sich durch die Interaktion mit den Kunden und geht bis hin zu Themen wie Beschaffung oder Personal“, sagt Wurzel, der auch Mitglied der Geschäftsführung der Management- und Technologieberatung BearingPoint ist.

Das Besondere an der Digitalisierung ist, dass sie alle Geschäftsmodelle der Firmen auf den Prüfstand stellt. Darauf reagiert die Beratung. Es wäre falsch, hier weiterhin von IT-Beratung zu reden. Dies ist eine Kategorie, die gezielt beim Aufbau einer administrativen IT-Struktur berät, angesiedelt unterhalb der Strategieberatung mit dem CIO des Klienten als Ansprechpartner. Der Beratungsansatz, der sich im Zuge der Digitalisierung etabliert, geht jedoch viel weiter.

Analog zur Industrie 4.0 kann man von der Beratung 4.0 reden. Oder auch vom Schlagwort Consulting goes Digital. „In den Unternehmen ist der Ansprechpartner für die Themen der digitalen Transformation der CEO. Aber auch alle anderen Chief Officers in einem Unternehmen“, sagt Wurzel. Sprich, eine Beratung ohne Fokus auf die Digitalisierung ist heute kaum noch möglich. Sie greift in alle Unternehmensbereiche ein.

Digitalisierung ändert auch die  Beratung

Konkret unterstützen die Unternehmensberater ihre Klienten dabei, die notwendigen Anpassungen durchzuführen sowie die neuen Möglichkeiten zu erkennen und zu nutzen. „Digitalisierung als Megatrend weckt bei den Unternehmen einige Wachstumsfantasien“, sagt Wurzel. „Ein Großteil der Firmen geht das Thema pragmatisch an und fragt: Was steckt da für uns drin, was können wir tun – was müssen wir tun?“

Aufgabe der Consultants ist es dann, die jeweiligen Branchen und Reifegrade der Unternehmen zu analysieren. „Unternehmensberater müssen verstehen, wie die Digitalisierung die jeweilige Branche verändert und welche Möglichkeiten das Unternehmen hat, das sie beraten“, sagt Wurzel. Ein Unternehmen aus der Konsumgüterindustrie zum Beispiel beschäftige sich mit anderen Themen als ein Anlagenbauer. „Um die Digitalisierung kümmern werden sich jedoch beide.“

Hoch im Kurs: Innovation und Change-Management

Die BDU-Studie bekräftigt, dass bei den Klienten der Consultants vor allem Beratungsdienstleistungen hoch im Kurs stehen, die eine tragende Rolle bei der digitalen Transformation spielen. Dies sind die Segmente Business Development & Innovation (Wachstumsprognose für 2016: plus 7,6 %), Change-Management (plus 8,5 %) sowie IT-Anwendungen & Infrastruktur (plus 8,2 %).

Dabei unterziehen sich die Consultingfirmen selbst einem kräftigen Wandel. Laut BDU-Marktstudie erwarten 84 Prozent, dass sich im Zuge der Digitalisierung auch das Beratungs-Portfolio, die Geschäftsmodelle und die Prozesse der Consultingunternehmen selbst verändern werden. 79 Prozent können sich sogar vorstellen, dass dabei in enger Zusammenarbeit mit etablierten Software-Anbietern neue Lösungsanbieter bei Themen wie Daten, Analyse, Business Intelligence und Cloud entstehen. Diese Entwicklung hat einen erheblichen Einfluss auf die Recruiting-Anstrengungen der Consultingfirmen. „Die zunehmende Digitalisierung der Geschäftsprozesse lässt die Nachfrage nach technisch ausgebildeten Mitarbeitern bei Unternehmensberatungen sprunghaft steigen“, sagt Dagmar Zippel, Leiterin Recruiting bei Accenture in Deutschland, Österreich und der Schweiz.

BWL alleine reicht nicht mehr

Grund dafür ist das Ausmaß der Digitalisierung auf die Unternehmen. „Wurde früher auf Basis des Geschäftsmodells eine Strategie entwickelt und dann die passenden Technologien eingesetzt, ergeben sich heute aus den digitalen Technologien ganz neue Geschäftsmodelle, für die dann die entsprechende Strategie entwickelt werden muss.“ Der Megatrend stellt die Abläufe tatsächlich auf den Kopf. Accenture hat darauf reagiert und als stark in der Technologieberatung spezialisierte Consultingfirma den neuen Geschäftsbereich „Strategy“ gegründet. Neu ist auch der Bereich „Digital“, in dem die Unternehmensberatung ihre digitalen Kompetenzen in Feldern wie Mobile, Big Data & Analytics oder Cloud bündelt.

Diese Umstellungen und Neuausrichtungen in den Consultingfirmen beeinflussen auch die Karrierechancen des Nachwuchses. Zwar ist der Wettstreit um die besten Talente intensiv. Doch als High Potential gilt nicht mehr unbedingt ausschließlich der klassische BWL-Absolvent mit Bestnoten. „Besonders wichtig sind für uns Branchenkenntnisse, insbesondere Know-how rund um die Prozesse einer Branche“, sagt Siegfried Bloch, Personalchef des auf IT-Themen spezialisierten Beratungsunternehmens Arvato Systems. „Nur wenn ein Berater eine Branche versteht, kann auch ein exzellentes, auf die jeweiligen Bedürfnisse abgestimmtes Ergebnis herauskommen.“ Es komme daher auf eine Kombination aus klassischem IT-Wissen, Know-how rund um die Digitale Transformation und BWL-Kenntnisse an. Bloch: „Die Betriebswirtschaftslehre ist natürlich nicht unwesentlich, klassische BWL reicht aber bei weitem nicht aus, um wirklich gute Beratung im Umfeld der Digitalisierung zu leisten.“

Digital Fluency als neue Kernkompetenz

Dass die junge Generation dabei einen Vorteil hat, ist offensichtlich. Sie kennt digitale Lebens- und Arbeitswelten und ist schnell in der Lage, die Prozesse, die sie selbst nutzt und erlebt, auf die Unternehmen zu übertragen. Diese Kompetenz nennt man Digital Fluency. „Wir verstehen darunter, wie sehr jemand mit digitalen Technologien vertraut ist und diese in Beruf und Alltag zu nutzen versteht“, sagt die Accenture-Recruitung-Leiterin Dagmar Zippel. Siegfried Bloch von Arvato Systems macht deutlich, worum es dabei im Kern geht. „Digital Natives haben sich – vielleicht oftmals unbewusst – durch ihren digitalen Lebensstil intensiv mit Themen wie Agilität und Flexibilität auseinandergesetzt. Auch besitzen sie häufig eine Vorstellung davon, wie Prozesse in der digitalen Welt gesteuert werden können. Ein gewisser Vorteil ist also schon zu sehen.“

Der Ball liegt dabei nicht alleine in der Hälfte der Berater, auch die Consultingfirmen selbst überprüfen ihre Digital Fluency – wohl wissend, dass es beim Wettstreit um die High Potentials auch darauf ankommt, als Arbeitgeber attraktiv zu erscheinen. „Wir schauen, wie die Digitalisierung neue berufliche Möglichkeiten für den Einzelnen eröffnet. Dazu gehören etwa flexiblere Arbeitszeitmodelle oder neue Berufsbilder, von denen vermehrt der weibliche Nachwuchs profitiert.“

Der Fokus auf Frauen ist Beleg dafür, dass die Beraterbranche daran interessiert ist, ihre Diversität zu behalten. Der Megatrend Digitalisierung soll nicht dazu führen, dass sich die Consultants das Problem der IT-Branche an Bord holen und durch den starken technischen Fokus ein Überhang an Männern entsteht. Wie wichtig die Diversity ist, bekräftigt Siegfried Bloch, Personalchef von Arvato Systems. Dort arbeiten in den Teams neben BWLern auch Absolventen der Fachrichtungen Informatik und Wirtschaftsinformatik, Ingenieurs- und Naturwissenschaften sowie vieler anderer Studiengänge. „Dies ist kein Zufall, sondern hilfreich für unsere Arbeit, denn komplexe Fragestellungen erfordern unterschiedliche Herangehensweisen und Methoden.“

 

Beratungsbedarf bei Chemie,  Pharma und Banken

Besonders kräftige Wachstumsimpulse erwarten die Unternehmensberater laut BDU-Marktstudie aus der Chemie- und Pharmabranche (Wachstumsprognose für 2016: plus 8,9 Prozent) sowie von den Kreditinstituten (plus 8,6 Prozent). Während die deutschen Chemie- und Pharmaunternehmen aufgrund starker Wettbewerber aus den USA und auch China ihre Innovationskraft erhöhen wollen, sorgt bei den Finanzinstituten vor allem die Digitalisierung für einen starken Umbruch.

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