Wohin, wenn man die Welt verbessern will? Dr. Andreas Weber, der Biologie und Philosophie studiert hat und heute als Publizist tätig ist, rät Einsteigern: Ab in die Wirtschaft, also in die Schaltzentrale der modernen Gesellschaft. Ein Interview von André Boße.
Zur Person
Andreas Weber, geboren am 4. November 1967 in Hamburg, studierte Biologie und Philosophie in Berlin, Freiburg, Hamburg und Paris. Seine Promotion legte er zum Thema „Natur als Bedeutung. Versuch einer semiotischen Theorie des Lebendigen“ ab. Als Journalist schrieb und schreibt er unter anderem für Geo, Merian, mare, Die Zeit sowie für das ökologischnachhaltige Magazin Oya. In seinen Büchern verbindet der in Berlin lebende zweifache Vater literarische Ansätze mit sachlichen Themen.
Herr Dr. Weber, heute hat fast jedes Unternehmen ein Nachhaltigkeitskonzept oder einen Green-Business-Plan. Nehmen Sie das ernst – oder sind das nur schöne Worte?
Ich nehme das sehr ernst. Nicht unbedingt wegen der schönen Formulierungen, sondern weil in den großen Unternehmen auch auf Führungspositionen hochintelligente Menschen sitzen, die entdeckt haben, dass wir uns eine andere Auffassung von der Wirklichkeit erarbeiten müssen. Hinzu kommt, dass es immer mehr kleine und alternative Unternehmen gibt, die anders wirtschaften und damit Erfolg haben.
Was bedeutet „anders“?
Ihnen geht es um gutes Wirtschaften, das die Gemeinschaft bereichert. Ich glaube an die Kraft starker Individuen, die in innovativen Start-ups, aber auch innerhalb eines Konzerns am Wandel mitarbeiten.
Paradox: Immer mehr sehen, dass sich etwas ändern muss. Doch gehandelt wird nur sehr zögerlich.
Diese Diskrepanz ist riesengroß. Wer als Einsteiger erkennt, dass der sozioökonomische Wandel nötig ist, kann in Konzernen tatsächlich daran verzweifeln, wie langsam diese Erkenntnis in unternehmerisches Handeln umgesetzt wird. Daher empfehle ich Einsteigern, zunächst einmal für sich selber herauszufinden, wer sie sind und sein möchten. Hat man darauf eine Antwort gefunden, geht es darum, eben genau so zu sein. Ich bin Jahrgang 1967, einer der geburtenstärksten Jahrgänge überhaupt. Man hat uns in jungen Jahren gesagt, einen Job zu finden sei irrsinnig schwer, man solle sich bloß keinen Illusionen hingeben. Das Resultat sind sehr viele unglaublich defensive Lebensläufe. Biografien, die das eigene Bedürfnis in keiner Weise berücksichtigen – und die daher unglücklich machen. Und wer selber unglücklich ist, macht auch andere unglücklich.
Heute ist die Situation eine andere: Viele Branchen klagen über Fachkräftemangel, die deutsche Gesellschaft wird älter.
Genau. Es ist die perfekte Zeit für junge Menschen, sich das Recht herauszunehmen, auch im Beruf sie selbst zu sein. Die Chancen waren nie besser – auch, weil sich der Wandel längst am Horizont abzeichnet, die ältere Generation jedoch kaum Konzepte hat, ihn zu gestalten.
Woran erkenne ich denn, wer ich bin und was ich will?
Das ist in der Tat gar nicht so einfach. Wer jung ist und in ein Unternehmen einsteigt, erkennt vielleicht lange gar nicht, dass er etwas tut, das gar nicht seinem Bedürfnis entspricht. Aber irgendwann fliegt das auf. Und dann kommt es zu Burnout und Mobbing, Aggressionen und sogar Depressionen. Ich empfehle daher, sich früh einen guten Coach zu suchen. Jemanden, der gut zuhören kann – und mit dem man sich zusammen auf die Suche nach einem selbst macht.
Wenn ich nun feststelle, dass ich mit daran arbeiten möchte, eine bessere Welt zu gestalten …
… dann muss ich in die Wirtschaft, denn sie ist die Schlüsselstelle für die großen Veränderungen. Gandhi hat gesagt: „Sei du selbst die Veränderung, die du dir wünschst für diese Welt.“ Wer also findet, dass die Steigerung von Effizienz kein Selbstzweck ist, dass Menschen nicht wie Maschinen behandelt werden sollten, das Wachstum nicht den Stellenwert einer Religion einnehmen sollte – der sollte auch in diesem Sinne handeln. Was bedeuten kann, dass man bestimmte Sachen nicht macht.
Was sagen die Chefs dazu?
Das ist der entscheidende Moment. Hat das Unternehmen Führungskräfte, die den Einzelnen ernst nehmen und die Veränderung wirklich vorantreiben möchten, wird sich eine Lösung finden. Gibt es aber nur Ärger, handelt es sich mit großer Wahrscheinlichkeit um das falsche Unternehmen. Dann sollte man gehen, denn dann ergibt dieser Job für einen selbst keinen Sinn.
Dazu gehört Mut.
Ja, aber Mut und Zivilcourage gehören zu den wichtigsten Ansprüchen, die diese Zeit an uns stellt.
Bücher von Dr. Andreas Weber:
Biokapital. Die Versöhnung von Ökonomie, Natur und Menschlichkeit.
Berlin Verlag 2008. ISBN 978-3833306389. 9,95 Euro.Minima Animalia. Ein Stundenbuch der Natur.
Think oya 2012. ISBN 978-3927369689. 22,80 Euro.