Seine ersten Karriereschritte machte der Chemiker Dr. Werner Breuers im Labor. Heute ist er als Mitglied des Vorstands des Chemiekonzerns Lanxess eher in Meetingräumen statt in Laboren zu Hause. Im Interview berichtet er, warum ihm die Erfahrungen als Chemiker noch immer helfen und warum es für den naturwissenschaftlichen Nachwuchs wichtig ist, unternehmerisches Denken mitzubringen. Die Fragen stellte André Boße.
Zur Person
Der 54-Jährige wurde in Mönchengladbach geboren und schloss sein Studium der Chemie an der RWTH Aachen mit der Promotion ab. Seine berufliche Karriere begann er 1989 als Chemiker bei Hoechst in Frankfurt am Main im Bereich Forschung und Entwicklung. Nach leitenden Positionen bei Hoechst übernahm Breuers 1999 die Leitung des Lizenz- und Katalysator-geschäfts bei dem Polyethylen-Hersteller Elenac in Kehl, der ein Jahr später Teil des Basell-Konzerns wurde. Als Mitglied des Managementteams leitete er den weltweiten Bereich Technology Business mit Sitz in Mailand und war zuletzt als President Basell Polyolefins Europe mit Sitz in Amsterdam tätig. Seit Mai 2007 ist Breuers Mitglied des Vorstands von Lanxess und dort verantwortlich für die Geschäftssegmente Performance Polymers und Advanced Intermediates. Weiterhin gehören die Funktionsbereiche Global Procurement & Logistics, Innovation & Technology und Industrial & Environmental Affairs zu seinen Verantwortlichkeiten und strategischen Operationen.
Herr Dr. Breuers, Sie haben Ihre Karriere 1996 als Chemiker in der Forschungsund Entwicklungsabteilung von Hoechst begonnen. Denken Sie heute nostalgisch an Ihre Zeit als Forscher und Entwickler zurück?
Nicht nostalgisch, aber sehr gerne. Forschung und Entwicklung sind seit jeher die Basis unserer Branche. Zudem hat die Tätigkeit in diesem Bereich meine Fähigkeit zu analytischem Denken deutlich geprägt. Davon profitiere ich heute sehr, etwa wenn es darum geht, Prozesse und Anwendungen zu verstehen oder Geschäftspotenziale einzuordnen.
Sehen Sie sich denn heute auch noch als Forscher und Chemiker, oder dominiert als Lanxess-Vorstand ganz eindeutig die Business-Arbeit?
Als Vorstandsmitglied stehen bei meiner Arbeit natürlich strategische Themen im Vordergrund, beispielsweise Fragen der Marktpositionierung oder das Nutzen von Wachstumspotenzialen, aber eben weiterhin auch Forschung und Entwicklung. Dieser Bereich liegt in meiner Verantwortung und ist für unser Unternehmen von essenzieller Bedeutung. Daher haben wir die Ressourcen hierfür in den vergangenen Jahren auch deutlich ausgebaut.
Der Vorstand Ihres Unternehmens setzt sich aus zwei Chemikern und zwei Wirtschaftswissenschaftlern zusammen. Um dem naturwissenschaftlichen Nachwuchs Mut zu machen: Was haben Sie und Ihr Chemikerkollege den anderen beiden voraus?
Das ist wie bei einer guten Fußballmannschaft: Es geht nicht allein um das spezifische Können der einzelnen Spieler, sondern das Team muss funktionieren. Insofern ist es wichtig, dass Menschen mit unterschiedlichen Qualifikationen zusammenkommen, die sich dann optimal ergänzen. Das ist bei uns im Vorstand so, das gilt aber auch für das gesamte Unternehmen.
Wie ist es Ihnen gelungen, sich im Laufe Ihrer Karriere betriebswirtschaftliches und unternehmerisches Denken anzueignen?
Das ist in erster Linie eine Frage der Lernbereitschaft, die man sich während seiner gesamten Karriere erhalten sollte. Ich habe meine Laufbahn nach dem Studium bei Hoechst begonnen und dort zahlreiche Trainings im betriebswirtschaftlichen Bereich erhalten. Das war eine gute Grundlage. Danach habe ich von meinen Tätigkeiten in unterschiedlichen Ländern sehr profitiert. Das Arbeiten in anderen Kulturen bereichert nicht nur persönlich, sondern regt auch dazu an, Dinge aus anderen Blickwinkeln zu betrachten. Das ist wichtig, wenn man unternehmerisch entscheiden muss.
Gibt es Wissen und Know-how aus dem Studium der Chemie, das Ihnen bis heute hilft?
In erster Linie natürlich das chemische Grundlagenwissen, aber auch die Fähigkeit zum Analysieren und Bewerten. Das hilft mir heute, Wichtiges von Nebensächlichem zu unterscheiden und fundiert Entscheidungen zu treffen.
Ihr Unternehmen ist sehr international aufgestellt. Nun sind die Gesetze der Chemie weltweit gleich. Aber gilt das auch für die Forschungskultur in den verschiedenen Ländern?
Auch bei Forschung und Entwicklung geht es mehr denn je darum, maßgeschneiderte Lösungen für verschiedene Regionen und Länder zu entwickeln. Zum Beispiel sind die Zukunftsaufgaben bezüglich der Mobilität in Indien andere als etwa in Russland oder Brasilien. Daher bauen wir bewusst ein internationales Forschungsnetzwerk auf, um regionalen Input sowie länderspezifische Lösungsansätze für diese Zukunftsthemen einzubringen und unsere Produkte passgenau zu entwickeln. Dafür brauchen wir ein internationales Forscherteam, das seine Stärken aus der regionalen Sichtweise bezieht.
Worauf kommt es für einen Chemieabsolventen an, wenn er jetzt eine Karriere in Ihrer Branche starten möchte?
Die wichtigsten Eigenschaften sind Neugier – was für einen Naturwissenschaftler nichts Ungewöhnliches sein sollte – und die Bereitschaft, sich auf Neues einzulassen – fachlich wie kulturell. Viele spannende und neue Entwicklungen finden heute in den Grenzbereichen verschiedener klassischer Disziplinen wie Biologie, Chemie, Physik und Ingenieurwissenschaften statt. Hier liegt das größte Zukunftspotenzial. Es kommt also darauf an, im Team mit unterschiedlichsten Charakteren und Expertisen zu kooperieren und als Mannschaft eine gemeinsame Lösung zu entwickeln.
Wie gelingt es Ihnen zu gewährleisten, dass auch die naturwissenschaftlichen Nachwuchskräfte die wirtschaftlichen Zusammenhänge sowie die Strategie Ihres Unternehmens verstehen?
Wir leiten unsere Forschungs- und Entwicklungsziele aus Marktchancen und Marktbedürfnissen ab. Dabei verfolgen wir zwei Ansätze: Zum einen stellen wir durch einen stringenten Prozess sicher, dass die Fragen nach dem wirtschaftlichen Nutzen einer Entwicklungsidee direkt zu Beginn beantwortet werden und das Entwicklungsprojekt über die gesamte Laufzeit begleiten. Wir verfügen in diesem Hinblick auch über eindeutig formulierte Abbruchkriterien. Zum anderen stärken wir bewusst den Verantwortungsbereich des Projektleiters, damit er sein Projekt im Sinne des Unternehmens vorantreibt. Seine Aufgabe ist es dann vor allem, chemisch-technische Fragestellungen mit wirtschaftlicher Ratio zu verbinden.
Viele Absolventen prüfen im Vorfeld sehr genau, wie sich die Unternehmen für Nachhaltigkeit engagieren und wie Sie beim Thema GreenTech aufgestellt sind. Was haben Sie in dieser Hinsicht zu bieten?
Einerseits sorgen wir mit unseren Produkten dafür, dass Nachhaltigkeit auch bei unseren Kunden immer stärker Raum greifen kann. Wir entwickeln zum Beispiel Technologien, die grüne Mobilität erst möglich machen – etwa unsere Hochleistungskautschuke, mit denen spritsparende und sichere Reifen hergestellt werden. Gleichzeitig arbeiten wir an Produkten auf Basis nachwachsender Rohstoffe. Nachhaltigkeit schaffen wir anderseits aber auch durch Investitionen in hochmoderne Produktionsanlagen mit höchstmöglicher Energieeffizienz.
Zum Abschluss: Wenn Sie nun noch einmal die Möglichkeit hätten, ein Forschungsjahr im Labor einzulegen, welches chemische Problem würden Sie in dieser Zeit angehen?
Ich würde mich dafür engagieren, chemische Produkte auf Basis nachwachsender Rohstoffe voranzubringen. Auf diesem Gebiet liegen die Lösungen, die wir für die Zukunft brauchen.
Zum Unternehmen
Lanxess mit Stammsitz in Köln ist ein führender Spezialchemiekonzern, der 2004 aus der Chemie- und Kunststoffsparte von Bayer (Leverkusen) hervorgegangen ist. Das Unternehmen umfasst 13 Geschäftsbereiche. An zehn Standorten in Deutschland und weltweit 49 Produktionsstätten sind derzeit rund 16.800 Mitarbeiter in 30 Ländern beschäftigt.
Das Kerngeschäft bilden Entwicklung, Herstellung und Vertrieb von Kunststoffen, Kautschuken, Zwischenprodukten und Spezialchemikalien für verschiedene Branchen: Für die Autoindustrie stellt das Unternehmen Premiumkautschuke für „grüne Reifen“ her sowie Hochleistungskunststoffe, die in Leichtbauweise Sprit sparen und CO2-Emissionen verringern; im Umweltbereich entwickelt und produziert der Konzern beispielsweise spezielle Harze zur Wasseraufbereitung.