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Interview mit Ulrich Dietz, CEO von GFT Technologies

Der Innovative. Ulrich Dietz ist ein Spezialist darin, die Möglichkeiten des digitalen Wandels für andere Unternehmen nutzbar zu machen. Seiner IT-Firma GFT Technologies hat der Diplom-Ingenieur eine sehr starke Innovationskultur verpasst. Im Interview erzählt der 57-jährige Schwabe, was Innovationen auszeichnet, warum sich deutsche Unternehmen damit schwertun und warum er für mehr humanistische Bildung bei Ingenieuren plädiert. Das Interview führte André Boße.

Zur Person

Ulrich Dietz, geboren am 25. Januar 1958 in Pforzheim, absolvierte eine Ausbildung zum Maschinenbauer und schloss sein Maschinenbaustudium als Diplom-Ingenieur ab. Seit der Gründung 1987 leitet Ulrich Dietz die Firma GFT und führt heute als stellvertretender Vorsitzender des Verwaltungsrats und CEO das Unternehmen. Er ist zudem Vize-Präsident des digitalen Branchenverbandes Bitkom. Er hält regelmäßig Vorträge zu den Themenfeldern Innovation und Unternehmensgründungen. 2010 erschien sein Buch „The new New“, eine Interview-Sammlung mit unternehmerischen Persönlichkeiten aus aller Welt (Distanz Verlag. ISBN 978-3942405072. 49,90 Euro).

Herr Dietz, wie definieren Sie den Begriff Innovation?
Innovationen zeichnen sich durch eine neue Denkweise aus. Aber auch dadurch, dass man dieses Denken in neue, wirtschaftlich erfolgreiche Produkte oder Prozesse umsetzt.

Wie entstehen Innovationen?
Der Impuls geht häufig von einer einzelnen Person aus. Jemand hat eine Idee. Die Umsetzung ist dann jedoch in der Regel Sache eines Teams. Im Laufe dieses Prozesses müssen sehr viele Dinge bedacht werden, gefragt sind also sorgfältig arbeitende Teams mit facettenreichem Know-how und großer Ausdauer. Und hier liegt das Problem der Innovation: Viele erfolgreiche deutsche Unternehmen verfügen zwar über Leute mit guten Ideen. Es hapert jedoch daran, daraus ein erfolgreiches Geschäft zu entwickeln – insbesondere mit digitalem Hintergrund.

Wo ist das Problem bei der deutschen Ingenieurdenkweise? Was ist gegen Perfektion zu sagen?
Gerade in der digitalen Welt kann ein Produkt nicht mehr ohne Mithilfe der Nutzer optimiert werden. Die Ingenieure benötigen ihr Feedback, um die Innovation weiter zu modifizieren. Das bekommen sie aber nicht, wenn sie zu lange an der eigenen Vorstellung von Perfektion herumtüfteln. Dieses Denken ist für viele Ingenieure ungewohnt, weil die traditionelle Industrie bislang anders funktioniert hat.

Der Begriff Innovation ist heute allgegenwärtig. Leben wir in einer besonders innovativen Epoche?
Ich würde eher sagen, wir leben in einer Zeit des Umbruchs. Die Entwicklungen der IT beeinflussen sowohl die Industrie als auch die Gesellschaft so signifikant und permanent, dass man sagen kann: Der Wandel ist die neue Normalität.

Kommt der Mensch damit klar?
Er wird herausgefordert, weil er im Regelfall Veränderungen eher nicht liebt. Das Bestehende ist ihm immer lieber. Unternehmen müssen also handeln, um die Mitarbeiter dazu zu bringen, den Wandel als Normalität zu verinnerlichen. Das ist nicht immer einfach, wobei sich hier auch ein demografisches Problem stellt: Die jungen Ingenieure drängen nach, überholen die älteren Kollegen, die wiederum noch deutlich mehr verdienen. Es entsteht ein Ungleichgewicht – und die Unternehmer müssen dafür sorgen, dass die Balance nicht verloren geht.

Was würden Sie einer Nachwuchskraft raten, die genau das erlebt? Die also schnell mit deutlich besser bezahlten Kollegen mithalten kann, diese sogar übertrumpft – aber weniger verdient?
Leistungsfähige junge Menschen sollen sich einbringen und zeigen, was sie können. Falsche Bescheidenheit nutzt keinem etwas. Zudem darf man sich ziemlich sicher sein, dass in den allermeisten Unternehmen früher oder später automatisch die Regel greift: Geld folgt Leistung. Erkenne ich als Mitarbeiter, dass dies trotz meiner Ideen, meiner Innovationskraft und meines Engagements über einen längeren Zeitraum nicht der Fall ist, dann sollte ich das Gespräch mit meiner Führungskraft suchen, um herauszubekommen: Was ist da los?

Sie sind nicht nur studierter Ingenieur und Unternehmer, sondern auch Kunst- und Literaturfreund, selbst Buchautor. Warum ist es wichtig, sich als Ingenieur breit aufzustellen?
Neue Ideen und Innovationen fallen nicht vom Himmel. Sie entstehen häufig in Gesprächen mit anderen – und zwar nicht zwingend, wenn sich zwei Experten eines Fachgebiets unterhalten, sondern in bunt gemischten Runden. Ich erhalte häufig Impulse, wenn ich in Museen mit Kunstexperten rede. Es ist wichtig, sich mit unterschiedlichen Themen zu beschäftigen, seinen Horizont zu erweitern. Nur dann kann man Synergien und Zusammenhänge erkennen, die einem sonst eher fremd sind. Im Ingenieurstudium kommt das in der Regel zu kurz, ein wenig mehr humanistische Bildung wäre wünschenswert.

Warum hilft eine breite Bildung beim Maschinenbau?
Sie ist das Rüstzeug, um aus allen Richtungen Impulse zu erhalten. Excel- Sheets sind das eine. Interessante Literatur, auch die klassische, ist das andere. Nehmen wir zum Beispiel den Roman „Das Paradies der Damen“ von Beginn des 19. Jahrhunderts. Émile Zola beschreibt darin das Geschehen in einem der ersten Kaufhäuser in Paris. Es ist wirklich interessant zu erkennen, dass sich die Abläufe im Handel bis heute kaum verändert haben. Wie man Menschen für Konsum begeistert und anlockt – das Prinzip ist damals wie heute das gleiche.

Entscheidend ist es dann, in der Lage zu sein, Zusammenhänge zu ziehen. Sprich: Das, was der Literat im Paris des 19. Jahrhunderts beobachtet hat, mit dem zusammenzubringen, was die digitale Welt an neuen Möglichkeiten bietet. Oder auch die Erkenntnis zu verfestigen, dass der Mensch immer gewisse Handlungsstränge verfolgt, egal wie die technologische Unterstützung ist.

Man spricht hier auch von der vierten industriellen Revolution. Ist dieser Begriff berechtigt?
In der Vergangenheit haben Ingenieure immer bessere Produkte und Maschinen entwickelt, die dem Kunden dann mehr oder weniger vorgesetzt wurden. Die Ausgangsposition war also: Was für eine Maschine können wir bauen? Heute – im Zeitalter von Industrie 4.0 und dem Internet der Dinge – muss sich der Ingenieur eine andere Frage stellen, nämlich: Was für eine Maschine könnte der Kunde benötigen? Das ist ein Paradigmenwechsel, mit dem sich viele derzeit noch schwer tun, weil sie nun beim menschlichen Bedürfnis ansetzen müssen – und nicht mehr bei der technischen Machbarkeit.

Zudem werden viele Chancen nicht genutzt, die jetzt durch den Einsatz neuer, digitaler Technologien quasi auf der Straße liegen. Das heißt, zu erkennen, dass digital aufgerüstete Geräte nicht nur gut funktionieren müssen, sondern auch Daten abwerfen. Diese Daten sind kein Abfallprodukt, sondern das eigentliche Business von morgen, denn mit diesen Informationen lassen sich wiederum neue Geschäftsmodelle entwickeln.

Warum tun sich die deutschen Unternehmen hier schwer?
Den Unternehmen fehlen die Persönlichkeiten, die in der Lage sind, um diese Ecken zu denken. Und wenn Unternehmen diese Menschen finden, fällt es ihnen schwer, sie zu integrieren, weil die anderen Kollegen sagen: „Na, diese Denkweise brauchen wir doch gar nicht, lasst uns lieber noch ein paar Funktionen mehr überlegen.“ Es muss eine neue Kultur entstehen, die Innovationen ernsthaft fördert. Gefragt sind hier die Unternehmen mit ihren Führungskräften – aber auch die jungen Ingenieure. Sie müssen bereit sein, mutiger und offener zu denken.

Zum Unternehmen

GFT Technologies ist ein auf die digitale Transformation spezialisiertes IT-Unternehmen mit Sitz in Stuttgart. Die Firma agiert von elf Ländern aus und berät vor allem international führende Finanzinstitute bei IT-Veränderungsprozessen. Neben dem fachlichen Wissen und den Erfahrungen zählt GFT die Innovationskultur zu den wichtigsten Bausteinen des Erfolgs. Über ihre Innovationsplattform „CODE_n“ bietet das Unternehmen Start-ups, Technologiepionieren sowie etablierten Unternehmen den Zugang zu einem globalen Innovationsnetzwerk. Derzeit arbeiten international mehr als 3400 Mitarbeiter für das Unternehmen.

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