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Interview mit Dr. Birgit König

Seit 2011 ist Birgit König Vorstandsvorsitzende der Allianz Privaten Krankenversicherung, im Sommer 2012 wurde sie als erste Frau in den Vorstand der Holding-Gesellschaft Allianz Deutschland berufen. Im Interview verrät die promovierte Biologin und ehemalige McKinsey-Beraterin ihr Karrieregeheimnis: Es kommt darauf an, einen Plan B zu haben – um diesen dann zu Plan A zu machen. Die Fragen stellte André Boße.

Zur Person

Birgit König, geboren 1964 in Tübingen, studierte in Erlangen Biologie und promovierte 1991 in Biochemie. Danach war sie zwei Jahre lang in Hannover und San Francisco in der wissenschaftlichen Forschung tätig, bevor sie 1993 zur Unternehmensberatung McKinsey wechselte, wo sie als Consultant und Projektmanagerin mit dem Schwerpunkt Gesundheitssysteme tätig war. 2000 stieg sie
zur Partnerin des Unternehmens auf und war Mitglied der europäischen Health Care Practice. Im September 2011 wurde sie zum Mitglied des Vorstands der Allianz Private Krankenversicherung
berufen, seit 2012 ist sie dort Vorstandsvorsitzende. Im Juni 2012 rückte sie zudem als erste Frau in den Vorstand der Allianz Deutschland auf.

Frau Dr. König, in einem Film über Ihre Erwartungen an den Allianz-Führungsnachwuchs sprechen Sie davon, wie wichtig für Sie ein erkennbarer Führungsanspruch ist. Was steht für Sie hinter diesem Begriff?
Ich glaube, dass sich ein Führungsanspruch schon sehr früh im Leben zeigt. Schon wenn Kinder spielen, gibt es darunter welche, die auf neue Ideen kommen, Spiele erfinden und auch die Regeln dafür. Man wundert sich ja immer wieder, wie organisiert das sogenannte freie Spiel unter Kindern in Wirklichkeit ist. Und es braucht jemanden, der diese Organisationsaufgabe übernimmt. Auch später im Studium begegnet man Menschen mit Führungsanspruch, zum Beispiel, wenn es darum geht, Lerngruppen zu gründen. Da zeigen sich Leute, die Initiative ergreifen, Ziele vor Augen haben und andere dafür begeistern, diese Ziele gemeinsam zu verfolgen.

Hat eine junge Frau, die nicht schon als Kind oder Studentin das Heft in die Hand nahm, schlechte Karten?
Nein, ich denke schon, dass man diese Erfahrungen auch später sammeln und Führen lernen kann. Es ist nur so, dass Menschen, die das schon ein paarmal gemacht haben, sich leichter damit tun, die Initiative zu ergreifen.

Ist es ein Klischee, dass Männer diesen Führungsanspruch stärker verinnerlicht haben als Frauen?
Man muss unterscheiden zwischen dem Führungsanspruch auf der einen und dem Anspruch auf eine Führungsposi- tion auf der anderen Seite. Der Führungsanspruch ist meiner Beobachtung nach bei Frauen und Männern gleich ausgebildet. Es gibt in unserer Gesellschaft aber weiterhin die Erwartung, dass der Mann einen Anspruch auf die Führungsposition zu stellen hat. Diesem gesellschaftlichen Druck unterliegen Frauen nicht – sie haben mehrere Optionen.

Was bedeutet das genau?
Von einem Mann erwartet die Gesellschaft eher, dass er sich durchbeißt, beruflichen Erfolg hat – auch, wenn das nicht immer einfach ist. Einer Frau steht das natürlich ebenfalls frei, aber für die Gesellschaft ist es auch vollkommen in Ordnung, wenn sie einen anderen Weg wählt und sich beispielsweise auf die Familie konzentriert. Wobei ich es wichtig finde anzumerken, dass man auch führen kann, ohne eine Führungsposition wahrzunehmen. Im freien Spiel der Kinder oder in Studentengruppen gibt es ja auch keine Führungspositionen. Ich erkenne, dass Frauen diese Art von versteckter Führung heute immer häufiger und besser wahrnehmen und in Folge auch häufiger Ansprüche auf Führungspositionen stellen.

Sie sind promovierte Biologin. Wie kam es damals zu dieser Studienwahl?
Ich wollte Wissenschaftlerin werden und fühlte mich sehr dem Wahren, Guten und Schönen verbunden.

Warum nach der Promotion der Schritt ausgerechnet in die Unternehmensberatung zu McKinsey?
Im Lauf der Zeit merkte ich, dass die reine Lehre mich doch nicht so fesseln konnte. Ich wollte nicht nur beobachten und forschen, sondern auch etwas bewegen. Da ergab sich McKinsey als sehr interessante Chance. Ich war bis dahin Spezialistin und verspürte große Lust, mein Wissen zu verbreitern und die Industrie kennenzulernen. Geplant waren zwei Jahre in der Unternehmensberatung, um danach in einen biologienahen Bereich, zum Beispiel in die Pharmaindustrie, zu wechseln.

Aus den zwei wurden schließlich 18 Jahre. Warum?
Weil es halt einfach gut war (lacht). Die Arbeit war abwechslungsreich und erfüllend.

In dieser Zeit sind Sie von der Einsteigerin bis zur Partnerin aufgestiegen. Hatten Sie eine Karrierestrategie?
Ich verrate Ihnen mein Karrieregeheimnis: Entscheidend ist, wie man mit Plan B umgeht. Sehen Sie, man macht sich als junger Mensch, der die Uni absolviert hat, Gedanken darüber, was man einmal werden will. Ich wollte zum Beispiel eine berühmte Wissenschaftlerin werden, stellte aber später fest, dass mir das eigentlich gar nicht so sehr liegt. Damit war Plan A dahin. Nun hätte ich sagen können: Wie schade, ich habe das Falsche studiert. Stattdessen habe ich gesagt: Ich entwerfe einen Plan B, gehe zu McKinsey, um mein Wissen zu verbreitern. An dem Tag, an dem ich dort anfing, wurde aus dem Plan B mein neuer Plan A. Sprich, ich bin mit vollem Engagement eingestiegen. Im Laufe der Jahre kam es immer wieder vor, dass ein Plan A nicht zu einhundert Prozent aufging und ein Plan B hermusste – und ich habe diesen Plan B stets aus ganzem Herzen in Plan A umgewandelt.

Was haben Sie gemacht, wenn sich herausstellte, dass eine neue Position nicht die erhofften Herausforderungen bereithält?
Ich habe nach solchen Herausforderungen gesucht. Also nach Dingen, die ich bewegen kann und die mich brennend interessieren. Und ich habe sie immer gefunden.

Sie haben einen Sohn. Wie haben Sie die Familie in Ihre Karriere integriert?
Ich habe nach der Geburt zunächst einmal ein halbes Jahr ausgesetzt, dann mehrere Jahre Teilzeit gearbeitet, danach wieder Vollzeit, unterbrochen von einer weiteren einjährigen Familienauszeit. Es ging bei mir also nicht immer geradeaus. Als ich wieder in den Beruf eingestiegen bin, hat sich das am Anfang seltsam angefühlt, weil sich viele Dinge geändert hatten. Das kann man zum Problem machen. Oder auch als Chance begreifen: Es tut sich die Möglichkeit auf, mich neu zu erfinden. Ich bin mir recht sicher, dass meine Karriere ohne diese Brüche deutlich langweiliger verlaufen wäre.

Wie kam es schließlich zum Wechsel zur Allianz?
Ich erhielt ein Angebot, und die Vorstellung, wie viel Neues dieser Posten bringen würde, fand ich großartig. Zwei wichtige Elemente reizten mich dabei besonders: die Möglichkeit, echte eigene Verantwortung zu tragen, sowie die Allianz Private Krankenversicherung entscheidend mitzugestalten.

Sie sind die erste Frau im Vorstand der Allianz Deutschland. Wie haben Sie die erste Vorstandssitzung in Erinnerung?
Ich stehe morgens nicht auf, gucke in den Spiegel und sage: „Wow, hier steht eine Frau!“ Ich – und die meisten meiner weiblichen wie männlichen Kollegen auch – denken im täglichen Leben eher wenig über ihr Geschlecht nach. Entsprechend bin ich in meine erste Vorstandssitzung hineingegangen: Nicht mit dem Bewusstsein: „Hier bist du die erste Frau!“ Sondern mit dem Bewusstsein, dass ich in diesem Vorstand die Vertreterin der Privaten Krankenversicherung des Konzerns bin. Entscheidend ist letztlich allein die inhaltliche Arbeit – und eben nicht das Geschlecht.

Zum Unternehmen

Die Allianz Deutschland mit Stammsitz in München ist als führendes Versicherungsunternehmen auf dem deutschen Markt in der Schaden- und Unfallversicherung, der Lebensversicherung sowie
der Privaten Krankenversicherung tätig. Der Versicherer hat in Deutschland rund 20 Millionen Kunden. Die hundertprozentige Konzerntochter Allianz Private Krankenversicherung ist der führende
Ärzteversicherer in Deutschland: rund 25 Prozent der deutschen Ärzte sind bei der Allianz privat krankenversichert. Auf dem privaten Krankenversicherungsmarkt ist das Unternehmen in
Deutschland der drittgrößte Anbieter.

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