Die meisten Berufseinsteiger wissen, dass sich Consultingfirmen durch ihre Beratungsfelder unterscheiden: IT-, Strategie- und Organisationsberatung. Den vierten Bereich, die Human-Resource-Beratung (HR), haben nicht alle auf dem Plan. Dabei sind die Berufsaussichten in der Personalmanagement-Beratung gut. Von Christiane Siemann
Über das Berufsfeld HR-Beratung zu sprechen, verlangt zunächst, zwei Missverständnisse aus dem Weg zu räumen. Das erste Missverständnis: Auch wenn HR-Consulting wörtlich übersetzt Personalberatung heißt, sind HR-Consultants keine Personalberater. Denn unter Personalberatung wird die Suche und Auswahl von Fach- und Führungskräften verstanden, auch als Headhunting und Executive Search bekannt. HR-Berater beschäftigen sich dagegen mit Personal als Produktionsfaktor, mit personalwirtschaftlichen Funktionen und Prozessen wie Personalplanung, -einsatz, -führung, -entwicklung, -vergütung und -verwaltung. Deshalb bevorzugen sie die Bezeichnung Human-Resource-Management- Berater.
Das zweite Missverständnis: Beim Stichwort Personal ziehen manche die Schlussfolgerung, es würde sich vor allem um eine psychologisch orientierte Beratung handeln, da der Mensch im Mittelpunkt steht. Zu diesem Irrtum trägt auch bei, dass sich derjenige, der beispielweise Mitarbeitern beim Klettertraining Teamfähigkeit vermittelt oder Verkaufsberater schult, auch HRBerater nennen darf. „Doch die Personal- Managementberatung beschäftigt sich mit den Prozessen, Strategien und Maßnahmen rund um die Personalwirtschaft, die zur erfolgreichen Umsetzung der Unternehmensziele notwendig sind“, stellt Dr. Dagmar Wilbs, Leiterin der Human Capital-Beratung bei Mercer in Deutschland, Österreich und der Schweiz, richtig. „Nicht vordergründig das psychologische, sondern ein ganzheitliches analytisches, unternehmerisches, geschäfts- und ergebnisbezogenes Denken bestimmt die Arbeit.“
Die Personalarbeit in Unternehmen hat sich in den letzten Jahrzehnten radikal verändert: Wurden früher Mitarbeiter nur über die Lohn- und Gehaltsabrechnung verwaltet, wird heute die Personalabteilung an den Wertschöpfungsbeiträgen und Ergebnissen gemessen, die den Unternehmenserfolg sichern. Die Beratungsfelder der Consultants entsprechen den vielfältigen Tätigkeitsfeldern der Personalabteilung. Zusätzlich unterstützen HR-Consultants auch bei Mergers & Acquisitions oder der strategischen Neuausrichtung eines Unternehmens. Spannend klingende Aufgaben wie Talent Management, Social-Media-Recruiting oder Leadership-Development locken Berufseinsteiger in die Branche.
Doch wer eine fundierte Ausbildung als HR-Consultant anstrebt, sollte sich den Arbeitgeber gut aussuchen. Viele Hundert Anbieter nennen sich HR-Berater und bearbeiten nur einzelne Segmente wie Verkaufstraining, Führungskonzepte oder Recruiting. Die Gesamtpalette der HR-Managementprozesse kann ein Absolvent am besten in einer breit aufgestellten, größeren Beratung kennenlernen. Dabei führt der Weg zum HR-Managementberater selten über ein Fachstudium, denn nur wenige Universitäten bieten einen grundständigen Studiengang Personalwesen an. Häufig bringen Einsteiger ein BWL-Studium mit dem Schwerpunkt Personal mit oder ein Wirtschaftspsychologiestudium. Julia Krieger, Executive Consultant Group Recruitment, Kienbaum Gruppe: „Auch Geistes- oder Naturwissenschaftler können sich bewerben, doch wir setzen voraus, dass man Vorerfahrung mitbringt. Bewerber sollten sich im Studium mit HR-relevanten Themen beschäftigt, ein Praktikum in der Personalabteilung oder einer HR-nahen Beratung absolviert haben.“ Bachelor-Absolventen haben die Möglichkeit, nach dem Studium ein Praktikum zu absolvieren und dann den Direkteinstieg zu wählen.
Ähnliches gilt bei der Promerit AG, die auf Talent Management mit den Schwerpunkten Strategieberatung, HR + IT und Personalberatung für HRFunktionen spezialisiert ist. „Wir achten darauf, dass Bewerber Leidenschaft mitbringen. Es reicht nicht aus, gerne mit Menschen zu tun zu haben‘. Es sollte ersichtlich werden, dass sie kaufmännisch denken können und sich nicht nur für Instrumente interessieren, sondern auch für Prozesse und die Umsetzbarkeit von Konzepten“, erläutert Promerit-Vorstand Markus Frosch. „Bei HR-Projekten geht es neben der Effektivität auch um Effizienz, die genauso wie im Bereich Finanzen gemanagt werden muss, und es geht um viele technische, strategische und konzeptionelle Komponenten.“ Wenn beispielsweise ein deutscher Konzern 15.000 Mitarbeiter weltweit auf Potenzial und Leistung beurteilen will, reiche es nicht aus, die Messkategorien und Kompetenzen intelligent zu definieren, sondern es müsse auch ein durchführbarer Prozess aufgesetzt werden. Berufseinsteiger arbeiten bei Promerit den verschiedenen Beratungssegmenten zu und entwickeln sich nach und nach in die Rolle des Unternehmensberaters hinein. Vorstand Markus Frosch: „Anders als im IT-Bereich dauert es in unserem Management-Consulting länger, bis Berufseinsteiger als anerkannte Berater vom Kunden wahrgenommen werden. Um auf Augenhöhe zu beraten, bedarf es eines fundierten Fachwissens und einschlägiger Praxiserfahrung.“
Die Aufgabenfelder angehender HRBerater ähneln denen ihrer Kollegen in anderen Unternehmensberatungen: Sie arbeiten Projekten zu, erheben Daten, bereiten Umfragen vor, erstellen Analysen und Präsentationen oder sind in Teilprojekte aktiv eingebunden. Bei Mercer Deutschland ist jedem Absolventen ein Mentor zugeordnet, in Projekten wird er von Senior Consultants betreut. „Die Spezialisierung auf ein bestimmtes Fachgebiet wie Vergütungsmanagement, HR-Strategie oder -Effektivität erfolgt erst nach zwei bis drei Jahren, wenn die theoretischen und methodischen Grundlagen des Human-Resource-Managements umfassend erlernt sind“, so Dr. Dagmar Wilbs.
Während der klassische IT- oder Managementberater häufig direkt beim Kunden in Projekten arbeitet, die sich einige Monate hinziehen, ist der Arbeitsalltag von HR-Consultants mehr durch kürzere Einzelprojekte bestimmt, die oft nebeneinander laufen. Dabei sind Dienstreisen zum Kunden durchaus an der Tagesordnung.
Auch wenn die HR-Beratung in erster Linie unternehmerisches Denken und nicht nur psychologisches Talent erfordert, so sollten Absolventen wissen, dass Sozialkompetenz extrem wichtig ist. „Der Beratungsinhalt zielt immer auf den Menschen. Empathie ist eine ganz wesentliche Voraussetzung, um erfolgreich zu beraten. Sie ist besonders gefordert, weil HR-Berater häufig mit kritischen Themen wie beispielsweise Neustrukturierungen konfrontiert sind“, so Julia Krieger von Kienbaum. Karrierewege führen in der Regel über den Junior Consultant und Senior Consultant zum Projektleiter. Der Wechsel in die freie Wirtschaft ist durchaus üblich, je nach Vertiefungsgebiet beispielsweise als HR-Manager oder Personalentwickler.
Gleiches trifft für Absolventen zu, die den Berufseinstieg in die Personalberatung – also die Suche und Auswahl von Fach- und Führungskräften – wählen. Die klassische Personalberatungslaufbahn beginnt hauptsächlich mit dem Research, das heißt mit der Identifikation von Firmen und Personen. „Junge Personalberater entwickeln ein großes Wissen, denn sie beschäftigen sich parallel mit den unterschiedlichsten Branchen und Kunden und erstellen internationale Marktanalysen. Viele nutzen die Ausbildung als Sprungbrett in den Recruitment- Bereich in Personalabteilungen von Unternehmen“, berichtet Julia Krieger über die Tochtergesellschaft Kienbaum Executive Search.
Die Karriereaussichten in der HRBeratung sind sehr gut, denn vor dem Hintergrund der älter werdenden Bevölkerung sind Mitarbeiter das wichtigste Kapital eines Unternehmens. Deswegen investieren viele Arbeitgeber in ihre Personalarbeit, vor allem Großunternehmen und große Mittelständler, die grenzüberschreitend arbeiten. Für Berufseinsteiger bedeutet dies laut Dr. Dagmar Wilbs, Leiterin der Human Capital-Beratung bei Mercer: „Sie müssen an multikultureller Arbeit interessiert sein und die Bereitschaft zur Mobilität mitbringen, da sie auch in internationalen Projekten arbeiten.“