Als Baumediator wird Prof. Dr. Bernd Kochendörfer dann gerufen, wenn sich zwei Vertragspartner am Bau einigen wollen, ohne dafür vor Gericht zu ziehen. Im Gespräch mit André Boße beschreibt der 66-Jährige seinen Job und zeigt auf, worauf es in erfolgreichen Projektteams ankommt.
Zur Person:
Prof. Dr. Bernd Kochendörfer, Jahrgang 1947, machte 1971 seinen Diplom-Abschluss in Bauingenieurwesen an der Uni Stuttgart. Seit 1991 ist er Professor im Fachgebiet Bauwirtschaft und Baubetrieb der TU Berlin. Zudem arbeitet er als Schlichter und Baumediator und sitzt im Vorstand des Verbandes der Baumediatoren.
Herr Prof. Dr. Kochendörfer, was ist die Aufgabe eines Baumediators, und wann treten Sie auf den Plan?
Konflikten in Bauprojekten liegen in der Regel vertragliche Auseinandersetzungen zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer zugrunde. Wenn eine außergerichtliche Konfliktlösung in Form einer Mediation gesucht wird, dann rufen uns idealerweise beide Vertragsparteien an.
Was genau tun Sie dann?
Im ersten Arbeitsschritt klären wir mit den Vertragsparteien, genannt Medianten, nach welchen Regeln die Mediation ablaufen soll. Ziel ist es, eine entsprechende Mediationsvereinbarung abzuschließen. Ist diese unterzeichnet, startet das Verfahren. Der eigentliche Job ist es dann, die Medianten dabei zu unterstützen, das Gespräch miteinander nach den verabredeten Spielregeln zu führen und eigenständig Lösungen zu finden.
Worin liegt die größte Herausforderung?
Die Medianten dazu zu bewegen, sich weg von einer konfrontativ geprägten Haltung und hin zu einem kooperativ ausgerichteten Verfahren zu bewegen. Ist der ursprüngliche Konflikt gelöst und sind beide Medianten mit dem gefundenen Ergebnis zufrieden, haben wir unseren Job gemacht.
Unter den Baumediatoren finden sich in der Regel Anwälte und Bauingenieure. Was können die Bauingenieure unter den Mediatoren, was die Anwälte nicht können?
Die Ingenieure können ihren technisch-wirtschaftlichen Hintergrund in der Gesprächsführung einsetzen. Umgekehrt gelingt es den Juristen eher und mit höherer Akzeptanz, die Medianten in ihren juristischen Standpunkten abzuholen. Da den Baukonflikten meistens nicht ausschließlich technische Probleme zugrunde liegen, sondern auch juristisch komplexe Sachverhalte, finden oftmals Co-Mediationen von Ingenieuren und Juristen statt.
Gilt Ihrer Erfahrung nach die Faustregel: Ein Bauprojekt kann nur so gut gelingen, wie das Projektteam zusammengestellt ist?
Die Faustregel ist zutreffend, jedoch mit der wichtigen Erweiterung, dass auch der Auftraggeber – vertreten durch seine Projektleitung – eine wichtige Erfolgskomponente darstellt. Wenn es dem Auftraggeber nicht gelingt, seinen Bedarf und seine Ziele umfassend zu definieren, dann birgt das Projekt gewaltige Risiken in sich. Sichtbar werden diese dann meistens zu spät. Das ideale Projektteam zeichnet sich dadurch aus, dass die Projektleitung fachlich und methodisch stark und als Teamleader akzeptiert ist. Die Teammitglieder müssen, unter Berücksichtigung der zwangsläufig vorhandenen Partikularinteressen, kooperativ und problemorientiert agieren – und nicht vorrangig interessengesteuert.
Mit Blick auf Bauingenieure: Wie wichtig ist es für Einsteiger, sich neben dem typischen Know-how der Bauingenieure auch mit Soft Skills zu beschäftigen?
Neben den notwendigen Säulen Technik, Wirtschaft und Recht ist es für eine erfolgreiche Projektarbeit unerlässlich, dass Bauingenieure auch Grundlagen der sozialen Kompetenz vermittelt bekommen, also Gesprächs- und Verhandlungsführung. Dies gilt sowohl für Aufgaben in der internen Personalführung als auch für Aufgaben in der Projektleitung mit externen Teammitgliedern.
Man hat heute den Eindruck, dass sich große Bauprojekte so komplex gestalten, dass sie mit den üblichen Methoden des Projektmanagements gar nicht mehr zu stemmen sind. Stimmen Sie zu?
Ja – allerdings wäre das eine zu einfache Antwort. Die zu Recht in der Kritik stehenden Leuchtturmprojekte sind zwar von unterschiedlichsten Problemen gekennzeichnet, aber gemeinsam ist ihnen, dass von Anfang an mit wichtigen Zielgrößen wie Anforderungen, Umfang sowie den daraus resultierende Kosten nicht transparent umgegangen worden ist – und dass wahrscheinlich auch kein konsequentes Änderungsmanagement umgesetzt worden ist.