Wer seinen Berufsweg über viele Stationen geht, empfiehlt sich für größere Aufgaben. Dies liegt auch daran, dass die Geschäftsfelder einer Bank heute immer enger verdrahtet sind und in ihrer Komplexität vernetzt gesteuert werden. Vor allem Mitarbeiter aus einer Regionalbank sind in der Lage, genau diese Aufgaben sehr gut zu meistern, erklärt Prof. Dr. Bernd Nolte im Interview. Die Fragen stellte Christoph Berger.
Zur Person
Prof. Dr. Bernd Nolte ist Sprecher der Geschäftsführung der auf Banken spezialisierten Unternehmensberatung 4P Consulting in Stuttgart. Als Professor unterrichtet er an Universitäten in Berlin, Stuttgart, Arbil (Irak) und Ulan Bator (Mongolei). 2008 und 2009 wurde er von der Steinbeis Stiftung und vom Stuttgart Institute of Management and Innovation zum Best Lecturer of the Year ausgezeichnet.
Herr Professor Dr. Nolte, welche Banken fallen unter den Begriff Regionalbanken, und wie sind ihre Strukturen?
Unter Regionalbanken verstehen wir in erster Linie Genossenschaftsbanken, sprich Volksbanken und Raiffeisenbanken, sowie Sparkassen, also Stadtund Kreissparkassen. Die Institute haben ihren Aktivitätsschwerpunkt gebietsmäßig ganz klar umrissen und beschränken sich aufgrund ihres Regionalprinzips auf Kunden in ihrem Geschäftsgebiet.
Was ist das Geschäftsmodell der Regionalbanken: Sind sie in allen Bankbereichen aktiv?
Regionalbanken sind klar identifizierbar über das, was man aus der Finanzkrise heraus als „realwirtschaftliches Dienen“ definiert. Das bedeutet: Auf der einen Seite sammeln sie die Einlagen im Geschäftsgebiet: die Spargelder, Termineinlagen und Festgelder. Auf der anderen Seite finanzieren sie Bau-, Gewerbe- und Unternehmensvorhaben. Im Kredit- und Anlagegeschäft sind sie gezwungen, auch in die Kompetenzfelder der Großbanken einzudringen. Dabei verschmelzen Finanzierungs-, Rechts- und Steuerkenntnisse immer mehr. In den Feldern Gewerbe- und Baufinanzierung sind die Regionalbanken in Sachen Kompetenz, Ortsnähe, Kenntnis der Kunden und Objekte klar im Vorteil.
Sind die Regionalbanken auch im Investmentbanking aktiv?
Ja. Im Sparkassensektor läuft das Investmentbanking über die Deka Bank, sie ist die Wertpapierbank der Sparkassen. Zahlreiche Mitarbeiter bei der Deka kommen dabei aus den Sparkassen. Für den karriereorientierten jungen Absolventen gibt es die Möglichkeit, einige Jahre in einer Kreissparkasse zu arbeiten und dann zur Deka zu gehen, um sich beispielsweise im Investmentbanking weiterzuentwickeln. Daran hat auch die Deka großes Interesse, da diese Mitarbeiter das Geschäft vor Ort verstehen. Bei den Genossenschaftsbanken gibt es genau das Gleiche. Statt der Deka sind es dort die Union Investment und die DZ Bank. Auch da gibt es die Durchlässigkeit der Karrierewege.
Welche Vorteile sehen Sie in der regionalen Verankerung?
Eine Königsdisziplin im Bankenbereich ist das Firmenkundengeschäft. Wer bei einer Regionalbank seine Karriere startet, lernt Schritt für Schritt das Kreditund Finanzierungsgeschäft, vom kleinen und mittelständischen Betrieb bis hin zu den großen Unternehmen – eine organische berufliche Fortentwicklung. Diese Leute sind später auch bei Investmentbanken sehr gefragt. Das halte ich für einen hochinteressanten beruflichen Entwicklungsweg. Bei einer Großbank steigen viele hingegen direkt nach dem Studium in ein Spezialsegment des Unternehmensgeschäfts ein, ohne jemals eine Maschinenfinanzierung bei einem mittelständischen Betrieb mit 50 Angestellten gemacht zu haben.
Ist es durch die Filialdichte der Regionalbanken leichter, schnell ins mittlere Management aufzusteigen und Führungsverantwortung zu übernehmen?
Unbedingt. Gerade im Bereich der Mitarbeiterführung halte ich es für sehr hilfreich, wenn man schon einmal eine Filiale mit acht Mitarbeitern geführt hat, dann eine mit 25 bis 40 Personen, um dann vielleicht mal eine Abteilung oder einen ganzen Bereich zu leiten. Auch das ist ein organisches und schrittweises Weiterentwickeln von theoretisch Erlerntem mit praktischer Anwendung.
Und wie sieht es mit dem Aspekt der Internationalität aus, kann eine Regionalbank auch Auslandsaufenthalte bieten?
Wenn Sie beispielsweise für eine Regionalbank einige Jahre im Gewerbekundengeschäft tätig waren, können Sie sehr gut zu einer ausländischen Bank in die Kundenbetreuung wechseln. Das Angenehme am Bankgeschäft ist ja, dass es – vielleicht mit Ausnahme einiger kultureller Besonderheiten – überall recht ähnlich funktioniert. Wer mehrsprachig ist, findet in Amerika, Asien oder im arabischen Raum auch einen Job. Bei so einem Schritt sehen die Leute zudem, was für ein großes Knowhow sie haben. Das ist vielen bis dahin nicht immer klar.
Bisher entwickeln die Regionalbanken ihren Nachwuchs noch eher selbst, der typische Weg läuft über eine Ausbildung und ein darauf aufbauendes Studium an einer unternehmenseigenen Akademie. Wo ist da Platz für Uniund Fachhochschulabsolventen?
Das ist unter zwei Gesichtspunkten zu betrachten: Man stellt gerne Leute ein, die einem im Werdegang ähneln. Das trifft auch auf Personalverantwortliche in Regionalinstituten zu. Daher wurden bisher viele auch ohne Hochschulabschluss eingestellt. Die jetzt nachkommende Generation der Führungskräfte hat aber kaum mehr dieses „Kompetenzangstsyndrom“ vor Höherqualifizierten. Sie suchen auch Hochschulabsolventen und entwickeln sie über die Sparkassen- oder Genossenschaftsakademien gezielt bankfachlich weiter. Das halte ich auch für wichtig. Das Hochschulstudium alleine wird auf dem Weg zur Spitze nicht ausreichen.
Sparkassengesetz
Das Sparkassenrecht in Deutschland wird von den einzelnen Bundesländern geregelt und gestaltet – es gibt also 16 verschiedene Sparkassengesetze. Das liegt daran, dass Sparkassen in der Regel öffentlich- rechtliche Kreditinstitute sind. Daneben gibt es jedoch auch die „Freien Sparkassen“. Diese sind im Verband der Deutschen Freien Öffentlichen Sparkassen zusammengeschlossen und nicht kommunal gebunden. Dem Verband gehören sechs deutsche Freie Sparkassen sowie eine deutsche öffentlich-rechtliche Sparkasse, die aus einer Freien Sparkasse hervorgegangen ist, als ordentliche Mitglieder an.